Kapitel 7 - Expedition
Als ich mit Grigax ankomme, steht meine Crew abmarschbereit im Hauptraum. Der Captain spricht mich sofort an.
»Da sind Sie ja endlich! Haben Sie alles geregelt?« »Ja, wir können jederzeit aufbrechen ...«
»Wunderbar. Jetzt wäre doch jederzeit«, bemerkt er und drängt sich zwischen Oakland und Preston nach vorne. »Sagen Sie Bescheid, dass es losgehen kann.«
Ich gebe Grigax ein kurzes Zeichen zum Aufbruch. Der nickt mir zu, wenn man das als Nicken bezeichnen darf.
Oakland sieht Grigax verwundert an. »Nimmt er gar keine Ausrüstung mit?«
Preston lacht höhnisch. »Wie die Wilden ...«
Wir greifen unsere Sachen und folgen Grigax, der bereits durch den Ausgang verschwunden ist. Mein Blick fällt nach hinten zu Prof. Lankford, der noch etwas konsterniert seinen Nanotex-Rucksack auf den Rücken schnallt. Er scheint wieder psychisch stabil zu sein, das Serum hat gute Arbeit geleistet. Kaum zu fassen, dass es selbst für so etwas bereits das richtige Medikament gibt. Ich lasse mich nach hinten fallen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln.
»Hey ... Ryan ... wie fühlst du dich?«, frage ich vorsichtig. Er sieht mich etwas betreten an.
»Ga ... ganz gut soweit ... denke ich. Der Angriff hat mir schlimm zu schaffen gemacht, ich dachte wirklich, ich müsste sterben ... das hat mir den Rest gegeben.«
»Ja, kann ich mir vorstellen. Wir haben alle Sachen gesehen oder erlebt, die nicht hätten passieren dürfen.«
Ich lege meine Hand auf seine Schulter und klopfe ihm auf den Rücken.
Wir laufen in einer militärischen Erkundungsformation. Captain Freeman vorne an der Spitze, Preston und Oakland jeweils rechts und links neben ihm, Lankford und ich bilden die Nachhut mit dem Hauptaugenmerk auf den Bereich, der hinter uns liegt. Grigax läuft zielstrebig voraus, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wohin wir laufen. Für mich sieht alles gleich aus in diesem Wald und Orientierung war noch nie meine Stärke. Ich könnte auch drei Stunden nur im Kreis laufen und würde trotzdem denken, ich käme voran.
Die Vegetation wird so dicht, dass Freeman anfängt, die Pflanzen mit einer Machete abzuschlagen. Mit geschickten und wuchtigen Bewegungen durchtrennt er die langen Halme und Stiele, die klatschend zu Boden fallen und dessen Leuchten erlischt. Grigax scheint die beengende Flora nicht im Geringsten zu stören, problemlos windet er sich durch das Gestrüpp und hält uns mit seiner Geschwindigkeit ganz schön auf Trab.
Als ich seitlich in die Ferne blicke, fällt mir eine seltsam aussehende Wand auf. Nach einer Weile erkenne ich eine Art Gebäude. Ich mache Lankford darauf aufmerksam, der innehält, um sich das näher anzusehen.
»Haltet mal an, wir haben etwas gefunden!«, ruft er nach vorne.
Die anderen drehen sich um, während Lankford bereits mit großen Schritten auf das Gebäude zugeht.
Freeman kommt angelaufen. »Was ist das?«
Grigax, der unser Stoppen bemerkt hat, kommt jetzt ebenfalls auf uns zu.
»Fragen Sie unseren Freund, was es damit auf sich hat, Coleman.« Ich komme seiner Aufforderung nach: »Er sagt, es seien alte Tempel der Anglaten.« »Der was?«, fragt Preston laut.
»Der Prätos. Als die Prätolisianer hier noch lebten, nutzen sie diese Tempel, um zu ihrer Quelle zu beten«, antworte ich.
Dr. Oakland ergreift das Wort. »Moment mal ... was?! Die Prätolisianer waren religiös? Und was meint er mit Quelle?«
Ich übersetze weiter: »Unser Begriff Urknall trifft am ehesten auf die Bezeichnung Quelle zu. Eine Energie, die Materie, Leben und Raum schuf. Die Energie, die direkt die Prätos und letztlich auch uns erschaffen hat. Sie nennen es das Zern, übersetzt heißt es: »Mitte und Anfang«. Das Zern dehnt sich zyklisch aus und zieht sich dann wieder zusammen. Ich vermute, dass Grigax damit die Ausdehnung und das Zusammenziehen des Universums meint. In jedem Zyklus existiert eine primäre Spezies wie die Anglaten, dessen Aufgabe es ist, Leben im ganzen Kosmos zu verteilen ... Ein Zyklus dauere so lange an, dass wir die Zeit mit unserem Verstand nicht erfassen könnten. Und doch laufen diese Zyklen schon ewig.«
Dr. Oakland nickt begeistert. »Das ist absolut unfassbar, ich habe es immer gewusst! Sie haben mich alle belächelt, als ich von einer zyklischen Expansion und Kontraktion erzählt habe, aber ich wusste, dass dies die einzige logische Erklärung ist.«
»Wir müssen die Ruinen erkunden«, gibt Prof. Lankford von sich.
Freeman schüttelt den Kopf. »Nichts da, wir sind nicht hier, um im Staub zu wühlen. Unser primäres Ziel ist vorerst das Abschicken des Funksignals. Wir gehen weiter«, sagt er und macht sich wieder daran, den Weg freizuschlagen.
Die beiden Wissenschaftler können sich nur schwer von der Fundstelle losreißen. In Lankfords enttäuschtem Gesichtsausdruck erkenne ich, wie gerne er diese Ruine bis auf den kleinsten Millimeter erkundet hätte.
Der Weg wird immer beschwerlicher, wir treffen vermehrt auf am Boden rankende Pflanzen mit langen Fangarmen und winzigen Widerhaken. Zu klein, um uns gefährlich zu werden, jedoch groß genug, um sich an unserem Anzug festzuhaken und uns fies zum Stolpern zu bringen. Wenn dich eine Pflanze erwischt, wickelt sie sich schnell um dein Bein, sodass man sie beim Weiterlaufen fast aus dem Boden reißt. Preston ist von diesen Bodenranken am meisten genervt und flucht jedes Mal laut, wenn er stolpernd zu Boden geht. Irgendwie scheint sein wütendes Stampfen die Pflanzen zu stimulieren, denn sie konzentrieren sich hauptsächlich auf ihn. Ich kugel mich innerlich vor Lachen. Es sieht aus wie eine Charlie-Chaplin-Folge auf dem Mars. Wie er mit den Armen fuchtelt, den Pflanzen mit der Faust droht und jedes Mal plumpsend zu Boden geht, gefolgt von einem: »Ihr Scheiß Mistdinger, ich mach euch alle! Hört ihr!« Oder: »Scheiß Alien-Gemüse!« Bis Freeman, genervt von Prestons unfreiwilliger Showeinlage, das Wort ergreift.
»Mensch nochmal, reißen Sie sich zusammen, Preston! Wie sieht denn das aus vor unserem Begleiter«, sagt er und zeigt auf Grigax, der extra wegen Preston angehalten ist, um sich das Schauspiel anzusehen.
Preston sieht sich um und bemerkt sein schweigendes Publikum, das grinsend um ihn herumsteht.
»Was glotzt ihr so!«, schreit er in die Runde. Grigax wendet seinen Blick irritiert ab und läuft weiter.
»Wie ein Affe ...«, murmelt Lankford leise vor sich hin ...
Mit der Zeit fangen meine Füße an zu schmerzen. Laut meiner Uhr sind wir bereits über drei Stunden auf den Beinen und dabei muss ich seit einer gefühlten Ewigkeit einmal austreten.
Als ich es nicht mehr aushalte, begebe ich mich ins Gestrüpp vor mir. Beim Erleichtern höre ich, wie Lankford mir etwas zuruft. Schamvoll drehe ich ihm den Rücken zu.
»John ... deine Füße ... Pass auf deine Füße auf!«, ruft er mir entgegen.
Ich blicke auf meine Füße, die gerade dabei sind, im Sand zu verschwinden. Erschrocken zerre ich mit aller Gewalt an meinen Beinen, was jedoch ein noch schnelleres Absacken bewirkt. Panisch sehe ich zu Lankford, der jetzt zu mir gerannt kommt.
»Verdammt, tu doch was!«, schreie ich.
Lankford zieht so stark an meinen Armen, dass sein Kopf sich rot verfärbt.
»Leute, helft mir, schnell!«, ruft er den anderen zu. Bevor jemand zur Hilfe eilen kann, gleite ich aus Lankfords Händen. Mit einem Rutsch bin ich komplett versunken. Dumpf höre ich, wie er weiter nach Hilfe schreit und anfängt zu graben. Ohne zu wissen, wie mir geschieht, rutsche ich in ein sandiges Grab, das wie Betonplatten auf meinen Brustkorb drückt.
Alles verläuft rasend schnell. Die Konsistenz des Sandes wird mit jedem Meter lockerer und mein Tempo immer höher. Wie zwischen mahlenden Zahnrädern werde ich sogartig in die Tiefe gezogen. Als ich glaube, das Bewusstsein zu verlieren, rutsche ich mit einem Mal ins Freie. Ausgespuckt wie aus dem Maul eines Ungeheuers ringe ich hustend um Luft. Der aufgewühlte Sandstaub frisst sich brennend in meine Lunge. Ich krieche nach vorne und versuche, die Staubwolke hinter mir zu lassen.
Als die Luft wieder klarer wird, lehne ich mich schwer atmend an die Wand. Was zum Teufel, war das? Nach einer längeren Atempause beginne ich, mich langsam umzusehen. Es ist ziemlich düster hier, lediglich leicht fluoreszierende Wurzeln erzeugen ein schwaches Licht. Ich schaue nach oben. Die Kammer, in der ich mich befinde, ist gerade mal anderthalb Meter hoch und breit. Es scheint eine Art unterirdische Belüftungsröhre zu sein.
Während ich mich umsehe, vernehme ich hohe Klicklaute. Gebannt verharre ich und lausche in die Dunkelheit. Ich sehe etwas auf mich zukommen. Angestrengt blicke ich in die dunkle Röhre und bemerke helle Punkte, die sich in meine Richtung bewegen. Ich erkenne mehrere fluoreszierende Wesen, die sich nähern. Sie sehen aus wie eine vergrößerte Version unserer Tausendfüßler, nur mit längeren Beinen und zangenartigen Kiefern. Ich taste erschrocken nach meiner Waffe, doch ich kann sie nirgends finden. Die Wesen geben hohe Laute von sich und fangen an zu pulsieren. Hals über Kopf flüchte ich zu dem Sandhaufen zurück, aus dem ich gekrochen bin und wühle nach meiner Waffe. Hinter mir höre ich, wie die Krabbeltiere immer näher kommen. Da merke ich, dass mich etwas schmerzhaft in mein rechtes Bein beißt. Ich schreie auf und drehe mich um. Die Viecher kommen an Boden und Decke angriffslustig auf mich zu. Panisch robbe ich rückwärts an den Sandhaufen heran, als ich etwas Hartes im Sand spüre. Meine Waffe! Ohne nachzudenken ziehe ich die Pistole aus dem Dreck und feure in Richtung Bedrohung. Mit ohrenbetäubendem Lärm zerfetzen die Geschosse alles, was sich ihnen in den Weg stellt.
Als der Rauch sich legt, sehe ich nur noch matschige Überreste. Geschockt stecke ich die erhitzte Waffe zurück in mein Halfter. Mein erster Gedanke ist: Raus hier! So schnell wie möglich raus hier!
Ich schüttle mir den Staub aus den Haaren und arbeite mich in Richtung des Tunnels vor. Der Sand rieselt mir auf den Kopf und ständig fallen mir dicke Erdklumpen auf den Rücken. Doch das stört mich nicht. Ich will hier einfach nur noch weg ...
Mit der Zeit wird der Abstand zur Decke immer größer und ich kann wieder normal stehen. Auch die Vegetation verändert sich. Neben den vielen kleinen Wurzeln sehe ich nun auch flechtenartige Gewächse sowie trichterförmige Pilze mit spitzzackigem Rand. Die Komposition dieser verschiedenfarbigen Leuchtgewächse erhellt den Weg und ermöglicht mir eine bessere Sicht.
Die Höhle ist nass. Ständig tropft mir kaltes Wasser auf den Kopf und kriecht mir den Nacken hinunter. Es gibt wohl kaum einen ungemütlicheren Ort auf diesem Mond. Der trockene Staub von zuvor hat sich in schweren, schmierigen Schlamm verwandelt, der wie Kleister an mir klebt. Ich versuche mit aller Mühe, meine Waffe von dem Dreck zu befreien, der sich hartnäckig in jede Fuge legt. Die Munitionsanzeige blinkt und signalisiert mir einen niedrigen Patronenstand. Ich muss sparsam mit meinen Schüssen umgehen. Dieses kleine Stück Hightech ist meine einzige Überlebenschance.
Ich fange an, ein leises Rauschen zu vernehmen, das wie ein unterirdischer Fluss klingt. Als das Geräusch lauter wird, bestätigt sich meine Vermutung - hier fließt irgendwo Wasser.
Ich folge dem Rauschen durch lange, enge Gänge, bis ich vor einem reißenden Fluss stehe. Fragend sehe ich mich um, doch der Weg endet im Wasser. Der Fluss ist so laut, dass selbst ein Blasorchester ungehört bliebe. Die einzige Chance wäre flussabwärts zu schwimmen. Prüfend blicke ich in das pechschwarze Wasser. »Da kriegen mich keine zehn Pferde rein!«, sage ich zu mir selbst und schaue zurück in den Tunnel, aus dem ich gekommen bin. Ich habe drei Möglichkeiten: Schwimmen, hier warten und sterben oder zurück in den Ungezieferbau. Option zwei dauert zu lange und Option drei ziehe ich nicht in Betracht. Bleibt nur noch Option eins ...
Ich bewege mich langsam auf das reißende Wasser zu. Mein Nanosuite sollte den Belastungen mühelos standhalten können, nicht einmal das Insektenwesen ist durch das Kohlefasergeflecht gekommen. Die Frage ist nur, ob ich dann noch ganz bin oder ein Haufen Matsch in einem unversehrten zwei Millionen Dollar Anzug. Es hilft alles nichts, ich muss es wagen.
Unentschlossen bewege ich mich auf den Fluss zu. Ein kurzer Moment der Überwindung und ich bin im eiskalten Wasser. Bevor ich mich in eine stabile Lage bringen kann, werde ich von den gewaltigen Wassermassen fort gerissen. Wie eine weggeworfene Plastikflasche schleudere ich durch die Fluten. Jeglicher Versuch, sich festzuhalten oder aufzurichten, scheitert kläglich. Meine größte Sorge ist das viele geschluckte Wasser schnell genug wieder loszuwerden.
Mit einem Mal schlägt mich etwas Hartes am Rücken und ich verzerre schmerzhaft das Gesicht. Der Untergrund wird flacher und ich stoße auf die kantigen Felsen unter mir. Immer wieder pralle ich ab und werde wie ein Gummiball an die Oberfläche geschleudert. Gerade als ich mich den Strapazen ergeben will und alle Hoffnung fallen lasse, wird das Wasser schlagartig seicht. Es zischt durch die zurückliegende Verwirbelung wie eine riesige Badewanne voll Mineralwasser. Instinktiv drehe ich mich auf den Rücken und atme tief ein. Ohne Eigenwillen und ohne jegliche Bewegung treibe ich vor mich hin. Das Tosen der Strömung wird immer leiser, bis es völlig verstummt. Alles hüllt sich in Stille ...
Ein wunderschönes, blaues Licht schimmert mir von unten entgegen. Auf dem Rücken liegend verfolge ich die spielerischen Reflexionen an der Decke. Plötzlich strande ich mit einem schleifenden Geräusch auf einer Sandbank. Benommen taste ich nach dem Grund, greife eine Handvoll Sand und richte mich langsam auf. Ich sehe mich um ...
Irgendwie scheint das Licht immer näherzukommen. Reflexartig lege ich die Hand an mein Halfter. Doch was sehen meine Augen da? Aus dem Wasser steigt mein kleiner Freund, den ich zuvor an dem schmalen Bach kennengelernt habe. Er kommt freudig auf mich zugerannt, wackelt mit dem Schwanz und drückt seinen kleinen feuchten Kopf an mein Bein. Erleichtert fange ich an, zu schluchzen. Ich knie mich hin und streichle ihn hinter seinem rechten Ohr, so wie er es gerne hat. Seine pulsierend freudige Erregung wirft Schatten an die Höhlendecke. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so froh, jemanden zu sehen. Gerade als ich dachte, in diesen feuchten Katakomben elendig zugrunde zu gehen und von allerlei unansehnlichem Getier aufgefressen zu werden, kommt ein kleiner Lichtblick daher. Der Kleine fängt vor Entspannung an zu glucksen und lässt mich gelöst auflachen.
»Na du, wo sind wir hier?«, sage ich und kraule ihn wie einen Hund, der freudig auf sein Herrchen gewartet hat. »Irgendwo musst du doch auch hergekommen sein ...« Ich sehe mich um und entdecke einen schmalen Sandweg, der am Wasser entlang führt. »Tut mir leid, Süßer, aber ich muss weiter«, sage ich und richte mich wieder auf. »Los, husch ... zurück ins Wasser.«
Mit einem lauten Platschen verschwindet mein Freund wieder und lässt mich im Dunkeln stehen. Ich greife nach meiner Pistole und aktiviere die Taschenlampe unter dem Lauf. Der spärliche Lichtkegel sollte ausreichen, um mich trittsicher fortzubewegen. Der Sand ist pechschwarz und glitzert auffallend im Schein der Lampe. Ich beuge mich hinab, um mir das aus nächster Nähe anzusehen. »Diamanten?«, murmele ich fragend vor mich hin. Fasziniert halte ich einen der kleinen Steine nach oben und leuchte ihn von unten her aus. »Unglaublich, da landet man am Arsch der Welt und findet auch noch unbezahlbare Schätze ...«, konstatiere ich laut und stecke ein paar Steine in die leere Magazintasche meines Anzugs.
Der lockere Boden unter meinen Füßen rutscht mit jedem Schritt in Richtung Wasser ab. Plätschernd hallt es von der Decke. Mit der Zeit bemerke ich, wie mich etwas aus den Tiefen verfolgt. Es wirbelt große Mengen Wasser auf und ich hätte schwören können, etwas Grelles aufblitzen zu sehen. Ich vermute, dass Licht allgemein eine anziehende Wirkung auf die Lebewesen dieses Mondes hat, aber deswegen meine Lampe auszuschalten und völlig im Dunkeln zu tappen, kommt überhaupt nicht infrage.
Ohne darüber nachzudenken, leuchte ich in die Untiefen neben mir. Unter Wasser blitzt ein großer heller Streifen auf, der wie eine Antwort auf mein Licht aussieht. Neugierig morse ich eine willkürliche Sequenz in Richtung Verwirbelung. Das Wesen blinkt in demselben Muster zurück. Ich wiederhole meine Signale. Das Wesen wirft meine Abfolge zurück und hängt eine eigene mit dran. Abgelenkt merke ich nicht, wie der Weg langsam endet und ich vor einem hohen Felsvorsprung stehe.
Ich leuchte zu dem Hindernis hinauf. Da hoch klettern? Misstrauisch halte ich die Lampe auf den möglichen Kletterweg. Machbar wäre es durchaus, außerdem, welche Wahl bleibt mir?
Ohne mich mit weiteren Entscheidungsfragen zu quälen, fange ich an zu klettern. Die Wände sind glitschig und ich muss mich bei jedem Schritt konzentrieren. Immer wieder rutsche ich ab oder schneide mich an den scharfkantigen Felsen. Ein falscher Griff und ich bin Fischfutter. Fluchend und mit zitternden Muskeln ziehe ich mich das letzte Stück des Felsvorsprungs nach oben.
Völlig außer Atem liege ich mit dem Rücken auf dem harten Fels. Ein kurzer Blick nach unten lässt mich ängstlich zurückschrecken. Es ist ein wahres Wunder, dass ich ohne ausreichendes Licht und Kletterausrüstung eine solche Höhe überwinden konnte. Mein Brustkorb schmerzt von den heftigen Atemkontraktionen und ich schmecke Eisen auf der Zunge. So außer Atem war ich zuletzt beim Fitnesstest in meiner Schulzeit.
Erschöpft erhebe ich mich und leuchte die neue Umgebung aus. Vor mir liegt ein länglicher Durchgang in eine andere Kammer. Ein kalter Luftstoß weht mir pfeifend entgegen und kühlt meine erhitzten Wangen. Der Boden ist mit einer Art Schleim oder Alge überzogen, die mir eine aufrechte Fortbewegung erheblich erschwert. Schrittweise taste ich mich den Gang entlang und halte mich dabei krampfhaft an den Wänden fest. Immer wieder rutsche ich weg und muss die unmöglichsten Verrenkungen machen, um mich auf den Beinen zu halten.
Als ich ein gutes Stück zurückgelegt habe, wird der Boden wieder trocken unter meinen Füßen. Vor mir sehe ich einen Durchgang, aus dem ein schwaches, orangefarbenes Licht kommt. Es scheint eine Art Durchbruch in eine künstlich angelegte Kammer zu sein. Ich schiebe bearbeitete Felsbrocken beiseite und krieche mühsam durch die kleine Öffnung.
Was mich am anderen Ende erwartet, verschlägt mir den Atem. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Ich stehe in einem riesigen unterirdischen Raum, dessen Wände von breiten, kryptischen Lichtlinien durchzogen sind. In der Mitte steht ein großer Kubus, der von dem Licht der Wände angestrahlt wird. Ich habe ihn gefunden! Unglaublich ... Genauso hatte ich ihn mir vorgestellt.
Gebannt starre ich auf den Würfel vor mir. Ohne den Blick abzuwenden, knipse ich die Taschenlampe meiner Pistole aus. Das Leuchten der Wände scheint mir hell entgegen und taucht mich in ein warmes Orange. Mein Ziel ist klar, ich muss in den Kubus, es ist meine Bestimmung. Das alles kann kein Zufall sein.