Avidez / Gier

 

Dirk Schuller streckte seine Hand über den Tisch zu Ferhat Merizadi. »Also, sind wir uns einig?«

Ferhat erhob sich, um Dirk zu überragen. »Ja!« Ferhat schlug lächelnd ein.

»Darauf müssen wir anstoßen. Camarero! Champagner!«, rief Dirk über die Terrasse.

Mehrere Gäste des Restaurants drehten sich um.

»Schau! Alles unsere künftigen Kunden«, flüsterte Ferhat.

»Die anderen Makler werden anfangen zu weinen, wenn wir loslegen. Wir sind die Besten! Ah, der Schampus.«

»Auf uns.«

Dirk grinste. »Ja, auf uns ... die Besten.«

»Uns fehlt noch ein Firmenname. Was meinst du?« Ferhat blickte auf die Jachten und Katamarane vor ihnen.

Dirk kaute auf seiner Unterlippe. »Wenn wir schon die Besten sind, dann sollten wir uns auch so nennen, oder? For the best!«

»Hm ...« Ferhat drehte an seinem linken Ohrläppchen. »Da muss noch was mit Immobilien rein.«

»Exclusive properties«, murmelte Dirk.

»For the best - Exclusive properties, das ist es. Perfekt!« Ferhat lehnte sich zurück.

»Und auf deinen roten Hubschrauber schreiben wir in goldenen Buchstaben For the best. Das wird der Hammer!«

Ferhat nickte. »Und genauso wird das Schild am Büro. Rot mit goldener Schrift ... und darunter setzen wir By Merizadi and Schuller.«

Dirk zuckte kurz. Sein Name am Schluss? Naja, immerhin kam das Startkapital von Ferhat. »Klingt perfekt. Lass uns zum Laden rübergehen. Wir nehmen gleich die Maße für das Schild, und der Grafiker hat morgen was zu tun.« Dirk stand auf und steckte seine Hände in die Hosentaschen.

»La cuenta!«, rief Ferhat dem Kellner zu.

 

Mit dem Mietvertrag in der Tasche gingen Dirk und Ferhat zur Bank, um das gemeinsame Konto zu eröffnen.

»Sie wollen jeweils alleinige Vollmacht?«, fragte Jaime, der Bankdirektor.

»Ja. Das ist praktischer, sonst müssen immer beide unterschreiben«, antwortete Dirk rasch. »Oder, was meinst du?«, setzte er nach und drehte sich zu Ferhat.

»Einfacher ist es. Aber, wenn ... ach was. Ja, eine Kontovollmacht für jeden.«

Jaime hob den Kopf. »Zahlen Sie heute etwas ein?«

Dirk sah zu Ferhat. »Zahlst du in bar oder willst du überweisen?«

»Ähm ... bar. Moment.« Ferhat öffnete seine Ledertasche und zog ein Bündel Geldscheine heraus.

»Wie viel möchten Sie einzahlen, Herr Merizadi?«

»Fünfzigtausend.«

»Hatten wir nicht von hundertfünfzigtausend gesprochen?« Dirk kaute auf seiner Unterlippe.

»Beruhige dich. Die anderen Hundert überweise ich noch heute.«

»So, dann noch beide Unterschriften auf der Kontokarte.« Der Bankdirektor schob das Formular hinüber. »Soll ich Ihnen gleich die Kontonummer ausdrucken?«

»Ja, für die Überweisung brauche ich IBAN und BIC.«

Jaime nahm das Blatt aus dem Drucker. »Möchten Sie auch Kreditkarten?«

Ferhat zog die Augenbrauen hoch. »Was meinst du?«

Dirk zuckte die Schultern. »Praktisch wäre es auf alle Fälle. Besonders, wenn wir Kunden zum Essen einladen.«

Ferhat nickte. »Ja, zwei Kreditkarten.«

»Mit welchem Limit?«

»Keine Ahnung.« Dirk schob die Unterlippe vor. »Was denkst du?«

»Fünftausend müssten reichen, oder?«

Dirk lachte auf. »Ich will damit ja kein Auto kaufen.«

»Gut. Sie können die Karten in zwei Tagen hier abholen.«

 

Im Laden brachten die Elektriker die Lampen an. »Könnt ihr mit der Außenlampe auch das Schild aufhängen?«, fragte Dirk und sah sich um. Die rot lackierten Schreibtische unterstrichen den edlen Rahmen.

»Klar, machen wir.«

 

»Hola!« Ein stämmiger, verschwitzter Mann stand in der Tür. »Ich bringe die Sessel.«

Den Ersten packte Dirk gleich aus und schob ihn an den vorderen Schreibtisch. Beigefarbene Sessel, das sah wirklich scharf aus, dachte er, ließ sich hineinfallen und legte die Füße hoch.

»Na, ich hatte recht mit der Farbe oder?«

Erschrocken nahm er die Füße vom Tisch. »Hi, Ferhat! Du bist schon da?«

»Ja, bei der Druckerei ging es schneller als gedacht. Die Visitenkarten habe ich gleich mitgebracht.« Ferhat holte aus der Tüte einige Stapel heraus.

Dirk nahm sich eine. »Jetzt bin ich echt beeindruckt.«

Die Karten glänzten im selben Rot wie die Tische, und in beigefarbenen Buchstaben stand unter der goldenen Überschrift sein Name.

»Ich fahr noch mal los. In einer Stunde treffe ich den Programmierer wegen der Datenbank. Nachher werden noch die Computer gebracht. Bleibst du hier?« Ferhat wartete in der Tür.

»Ja, klar. Kommst du anschließend wieder, oder wollen wir uns in der Princess Bar treffen?«

»Besser in der Bar. Ich weiß nicht so genau, wie lange es dauert.«

»Gut. Hasta luego.« Dirk lehnte sich zurück und schloss die Augen. Endlich saß er da, wo er hingehörte. Was hatte er schon alles versucht. Weinverkäufer, Kosmetikvertreter, Locationscout ... aber nichts, was ihm ernsthaft das Einkommen einbrachte, das er benötigte. Seine Gläubiger gehörten nicht zur zimperlichen Sorte. Dirk verzog das Gesicht und bewegte vorsichtig seine Zehen. Ferhat glaubte, er sei beim Tennis umgeknickt. In Wirklichkeit aber hatte sein Fuß Bekanntschaft mit einem Hammer gemacht. Das durfte nicht noch mal passieren.

Hoffentlich kämen die Computer bald. Er musste noch zur Bank, bevor sie zumachte.

»Señor Dirk?«, riss ihn der Elektriker aus seinen Gedanken.

»Si, was gibt es?«

»Soll das Schild in die Mitte?«

Dirk ging raus und betrachtete die Wand. »Ja, da passt es prima hin.«

Kurz vor eins. Wann kamen endlich diese verfluchten Computer? Drinnen durchwühlte er seine Hosentaschen nach der Telefonnummer des Lieferanten. Auf der Straße hupte es. Na also, dachte er zufrieden, als er den grünen Lieferwagen sah.

»Brauchen Sie lange, um alles anzuschließen?«

»Ungefähr zwei Stunden.«

Dirk kaute auf der Unterlippe. »Muss ich dabeibleiben? Oder kann ich kurz weg?«

 

Abgehetzt erreichte Dirk die Bank. »Ich möchte sechstausend Euro abheben.«

Die Bankangestellte sah mürrisch auf. »Kontonummer?«

Dirk begann zu schwitzen. »Es ist ein neu eröffnetes Konto von Ferhat Merizadi und mir.«

»Und Sie heißen?«

»Dirk Schuller.«

»Und die Nummer wissen Sie nicht?«, fragte sie.

»Wir haben es erst seit wenigen Tagen.« Hilflos zuckte er mit den Schultern. »Die Kontodaten habe ich leider nicht bei mir.«

»Ihren Ausweis.«

Dirk fingerte aus der Hemdtasche seine Tarjeta de Residencia.

»Die ist abgelaufen.«

»Ich weiß, aber die Tarjeta wird nicht mehr erneuert. Hier habe ich noch die Bestätigung der Nationalpolizei.« Er zog ein gefaltetes Blatt aus seiner Hosentasche.

Die Bankangestellte blickte kurz darauf. »Da ist kein Foto drauf.«

»Ja, die sind alle ohne. Deswegen habe ich Ihnen ja auch meine alte Tarjeta gezeigt.«

»Jaime!«, rief sie.

Die rückwärtige Tür öffnete sich. Der Bankdirektor kam heraus und trat auf Dirk zu. »Ah, Herr Schuller. Gibt es ein Problem?«

»Ihre Kollegin möchte mir kein Geld geben.«

»Das ist in Ordnung Elena. Ich kenne Herrn Schuller. Hast du die Kontonummer?«

»Also kann ich auszahlen?«

»Ja.« Jaime drehte sich zu Dirk. »Brauchen Sie sonst noch etwas?«

»Sind die Kreditkarten schon da?«

»Ja. Möchten Sie Ihre gleich mitnehmen?«

Erfreut nickte Dirk.»Gerne.«

»Verwendungszweck?« Elena schaute ihn an.

Ȁhm ... schreiben Sie Kleinbedarf

Elena zuckte kurz mit den Augenbrauen, erwiderte aber nichts. Sie zählte ihm die Scheine vor, während er sich nach dem Bankdirektor umschaute.

»Hier, Ihre Kreditkarte. Und noch eine Unterschrift.« Jaime hielt ihm die Empfangsbestätigung hin. »Ach, und sagen Sie Herrn Merizadi, dass er seine auch abholen kann?«

»Mache ich. Adiós

 

Dirk kehrte zum Büro zurück. Die Elektriker packten gerade zusammen. »Wir sind fertig. Die Rechnung liegt auf dem Tisch.«

»Kann ich die Computer schon benutzen?«, wandte sich Dirk an den Mann hinter dem Tisch.

»Der rechts ist angeschlossen, Internet läuft, und mit den anderen sind wir auch gleich fertig.«

Mit einem zufriedenen Brummen setzte sich Dirk und öffnete den Browser. blackjack-online gab er ein. Mit der Maus fuhr er zu Mein Kontostand. Guthaben 10 Euro, zum Auffüllen geben Sie Ihre Kreditkartendaten ein. Zögernd griff er nach der Karte in seiner Tasche. Sein kleiner Finger trommelte auf dem Tisch. Sollte er es wagen? Ach was, heute war sein Glückstag, er würde gewinnen. Rasch tippte er die Nummer der neuen Kreditkarte ein. Wählen Sie einen Betrag, leuchtete auf dem Bildschirm auf. Seine Finger huschten über die Zahlen. 1.000 Euro, bitte bestätigen Sie.

»Entschuldigung, haben Sie schon auf?« Eine Frau im Seidenkostüm stand in der Tür.

Erschrocken schloss Dirk den Browser, zwang sich zu einem Lächeln und erhob sich.

»Eigentlich noch nicht, aber ... was kann ich für Sie tun?« Dirk ging um den Tisch herum.

»Ich habe das Schild draußen gesehen. Wir sind gestern Abend mit unserer Jacht aus Monaco gekommen, und bleiben eine Woche bei Freunden hier in Puerto Portals. Und ...«

»Jetzt suchen Sie selbst eine Immobilie?«, unterbrach Dirk.

»Ja, ein Landhaus mit großem Grundstück und Privatsphäre. Wissen Sie, mein Mann wünscht sich schon länger eine Alternative zu Südfrankreich.«

»Na, dann wollen wir ihm den Wunsch erfüllen. Ich bin Dirk Schuller. Setzen wir uns doch.« Er ging zum runden Marmortisch. »Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?«

»Ein Wasser bitte.« Sie setzte sich. »Ich heiße Vivienne Gardeur.«

Mit einer Karaffe und zwei Gläsern in der Hand kam Dirk aus dem Nebenraum zurück und stellte beides auf den Tisch. »Moment, ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Aus der Schublade im Wandschrank nahm er einen Kundenbogen und zog seine Visitenkarte aus dem Stapel.

»Hier meine Karte.«

Vivienne lächelte. »Oh, wie das Schild. Wirklich ausgefallen.«

»Wie soll denn die Wunschimmobilie Ihres Mannes aussehen?«

»Mein Mann mag alt mit modern gemischt. Natursteinfassade und innen hell, vier bis fünf Schlafzimmer, Meerblick und Privatsphäre.«

Dirk unterbrach seine Notizen. »Haben Sie eine bestimmte Region Mallorcas, die Sie bevorzugen?«

»Wir sind gerne in Hafennähe und Portals gefällt uns gut.« Sie trank einen Schluck. »Ich denke, hier in der Nähe.«

»Darf ich nach Ihrem Budget fragen?«

Vivienne lächelte. »Wissen Sie, die perfekte Immobilie richtet sich nicht nach einem Budget. Ich will mich da nicht festlegen.«

Dirk zwang sich zur Ruhe. »Ich werde Ihnen eine kleine Auswahl zusammenstellen. Wie kann ich Sie telefonisch erreichen?«

»Darf ich?« Sie griff nach dem Papier.

»Bitte.« Dirk reichte ihr den Stift.

Vivienne notierte ihre Telefonnummer. »Am besten ist es nachmittags.« Sie stand auf. »Sie rufen mich an?«

»Ja, morgen.« Dirk gab ihr die Hand. »Einen schönen Abend.«

»Den wünsche ich Ihnen auch.«

Kaum fiel die Tür ins Schloss, riss er die Arme hoch und lachte. »Ich bin einfach der Beste!« Pfeifend verließ er das Büro.

Auf dem Weg zur Princess Bar hoffte er, Ferhat sei schon da, denn dieser brachte die Kontakte zu den potenziellen Verkäufern mit in das gemeinsame Geschäft.

Der Kellner verteilte Windlichter auf den Tischen. Enttäuscht betrat Dirk die leere Terrasse. Er setzte sich in die vordere Ecke, damit Ferhat ihn gleich entdeckte, und bestellte ein Bier.

Dirk trank einen großen Schluck.

»Na, wartest du schon lange?« Ferhat trat von hinten an Dirk heran.

Überrascht drehte Dirk den Kopf. »Du, wir haben die erste Kundin.«

»Wie das?« Ferhat zog die Augenbrauen hoch. »Wir haben doch noch gar nicht geöffnet?«

»Sie kam rein, als die Elektriker gerade fertig waren.«

»Das ist ja cool. Was sucht sie denn?«

Sprachlos hörte Ferhat zu.

»Ich habe da an die zwei Architektenhäuser gedacht, was meinst du?« Dirk grinste.

»Ja, an die musste ich auch gleich denken.« Ferhat machte eine Pause. »Und, dann hätte ich da noch das renovierte Anwesen für zwölf Millionen. Das kennst du nicht, oder?«

»Nein, von wem ist es denn?«

»Ach, von Freunden. Die kenne ich schon ewig. Sie haben ihr Vermögen mit einem großen Teppichhandel in Deutschland gemacht, und …«

»Ah, Perser unter sich«, unterbrach Dirk und runzelte die Stirn. »Und sicher stinkreich wie deine Eltern?« Dirk leerte sein Glas in einem Zug.

Ferhat beugte sich vor. »Ja, und? Gegen das Startkapital hast du bisher nichts gehabt oder?«

»Ja, sorry.« Dirk lächelte schief. »Konzentrieren wir uns auf das Geschäft, okay?«

»Gut. Dann würde ich sagen, wir zeigen ... wie hieß sie noch?«

»Vivienne.«

»Ja, genau. Vivienne. Wir zeigen ihr alle drei Häuser. Du rufst sie morgen an, und ich organisiere die Besichtigungen für übermorgen. Was meinst du?«

»Perfekt.«

»Wollen wir zusammen was essen?« Ferhat lehnte sich zurück.

»Ein andermal gern, aber ich habe noch was vor. Wir sehen uns ja morgen um zehn im Büro.«

 

Mit laut aufgedrehter Musik fuhr Dirk Richtung Palma. Heute war sein Glückstag, das spürte er. Als er direkt vor dem hellen Gebäudekomplex einen Parkplatz fand, fühlte er sich bestätigt. Stürmisch klingelte er.

Die Videosprechanlage knackte. »Ah, Dirk. Schön dich zu sehen. Komm rauf!« Oben stand Juan in der Tür. »Na, die Taschen voll?«

»Klar.« Dirk klopfte auf seine Hosentasche.

Nach einem prüfenden Blick in den Gang schloss Juan die Tür hinter ihnen. »Du kennst ja den Weg. Viel Glück.«

 

Keiner der acht Männer am Tisch hob den Kopf. Ruhig näherte sich Dirk der Runde und nahm sich einen Stuhl.

»Mierda!«, schrie der beleibte Ramón und sprang auf.

»Ramón, beruhige dich. Man kann nicht immer gewinnen.« Javier, der Croupier, sammelte die Geldscheine und Karten ein. »Na, Dirk, bist du mit dabei?« Er legte seine Hand auf den Kartenschlitten.

»Dafür bin ich da.« Dirk zog die sechstausend Euro aus der Tasche und warf sie auf den Tisch. »Und um zu gewinnen.«

Juan erschien in der Tür. »Zeit zu gehen, Ramón.« Er fasste ihn an der Schulter.

»Nein«, jammerte dieser. »Ich spüre, dass ich jetzt Glück habe. Gib mir noch mal Tausend Kredit.«

Juan packte ihn fester und drängte ihn aus dem Zimmer. »Ramón, es ist besser du gehst.«

 

»Okay, Dirk. Grundeinsatz fünfhundert.«

Dirk zog fünf Hunderter aus dem Bündel und legte sie in die Tischmitte. Die anderen machten ebenfalls ihre Einsätze.

Das As machte ihm Hoffnung. Die zweite Karte: Pik Neun. Zufrieden blickte Dirk auf die Herz Sieben des Croupiers. »Ich erhöhe um Tausend.«

Die anderen am Tisch stiegen aus.

Javier deckte sich selbst eine Pik Zehn auf. »Glück gehabt.« Javier schob Dirk das Geldbündel zu.

Mit einem Blick in die Runde fragte Dirk: »Erhöhen wir den Grundeinsatz? Sagen wir tausendfünfhundert?«

»Von mir aus«, sagte Javier. »Wenn alle mitmachen wollen?«

Unter Gemurmel legte einer nach dem anderen seinen Einsatz auf den Tisch.

»Fein, dann sind wir uns ja alle einig.« Dirk zählte seinen Einsatz ab.

Javier teilte die erste Spielkarte aus. Ungläubig schaute Dirk auf sein erneutes As. Der Croupier deckte sich ebenfalls ein As auf. Als zweite Karte erhielt Dirk eine Neun. Das läuft fast perfekt, dachte er, und erhöhte um weitere dreitausend.

Javier zog seine nächste Karte und legte sie mit einem zufriedenen Lächeln neben sein As. »Kreuz Zehn. Blackjack für die Bank.«

»Joder!«, schrie Dirk und sprang auf. Der Stuhl kippte um.

»He Dirk, tranquilo!« Javier griff nach dem Geld und zog es zu sich rüber.

»Probleme?« Juan stand in der Tür.

»Nein. Ich gehe freiwillig.« Dirks Hemd färbte sich vom Schweiß am Rücken dunkel.

 

»Na, hast du schlecht geschlafen?«, begrüßte Ferhat ihn am nächsten Morgen.

»Ja, keine Ahnung, der Wetterumschwung oder so.«

»Kannst du trotzdem mitfliegen? Ich wollte noch schnell ein paar Luftaufnahmen von den drei Objekten für Vivienne machen. Ich fliege, und du fotografierst.« Ferhat strahlte ihn aufmunternd an.

»Ja, das wird schon gehen. Wann willst du los?«

»Ich dachte so in einer Stunde. Schau mal!« Ferhat gab ihm die Ausdrucke. »Ich habe die Grundinfos zusammengestellt.«

»Das sieht klasse aus, auch mit unserem Logo obendrüber.«

»Dann fehlen nur noch die Luftbilder, und wir können ihr die Informationen schon heute Nachmittag geben.« Ferhat schnalzte mit der Zunge.

 

Zuerst bestieg Ferhat den Hubschrauber. »Kannst du mal zu mir kommen? Ich muss nach der kollektiven Steuerstange sehen. Irgendwas hat beim letzten Mal mit der Pitch nicht ganz gestimmt.«

»Pitch?«

»Hat was mit der Stellung der Rotorblätter zu tun.«

Dirk setzte sich neben Ferhat. »Und? Was soll ich machen?«

»Siehst du das Pedal? Wenn ich sage jetzt, dann trittst du drauf.«

»Klar, kein Problem.«

Ferhat kletterte außen über die Leiter zum Rotor. »Jetzt!«, brüllte er.

»Habe ich es mir doch gedacht«, murmelte Ferhat und drehte die Befestigung nach. »Kannst wieder loslassen«, rief er.

Dirk stieg aus und blickte hoch zu Ferhat. »Was hast du denn gemacht?«

»Ach, nur hier nachgezogen.« Er deutete mit dem Finger auf die Schraube. »So, jetzt können wir los.«

Dirk lachte. »Und wir fallen auch nicht runter?«

»Meinst du, ich habe Lust abzustürzen?« Ferhat schüttelte den Kopf und kletterte die Leiter hinunter. »Dann wollen wir mal.«

 

Nach einer Stunde landeten sie wieder in Son Bonet.

Dirk klickte sich durch die Fotos der Digitalkamera. »Na, wenn das mal keine geilen Aufnahmen sind.«

»Dann fahren wir jetzt zum Büro, du rufst Vivienne an, und ich bereite die Fotos auf.«

 

Vivienne verließ mit drei Exposés glücklich lächelnd das Büro.

»Da ist aber jemand begeistert. Wenn der Mann morgen auch so mitzieht, dann haben wir ziemlich sicher den ersten Deal.« Ferhat klopfte Dirk auf die Schulter.

Ja, und meine Probleme schmelzen wie Eis in der Sonne, dachte Dirk, als er Ferhat ansah und zur Tür ging.

»Musst du noch mal weg?« Ferhat zog die Augenbrauen hoch.

»Ja, leider. Warum? Brauchst du mich noch?«

»Nein, ist schon gut. Den Rest mache ich alleine.«

 

Dirk brauchte Nachschub. Die Kassiererin steckte den Schlüssel ins Schloss, als er die Bank erreichte.

»Halt bitte, nur einen Moment.« Dirk fasste nach dem Türgriff und lächelte sie an.

»Na gut.« Sie öffnete ihm die Tür.

»Ich brauche Bargeld.«

Sie ging hinter den Schalter. »Wie viel?«

»Zwanzigtausend.«

»Bitte? Das muss ich vorbestellen. Morgen früh habe ich es da.« Sie stand auf.

»Nein, das ist zu spät.« Dirk kratzte sich die Stirn. »Was haben Sie denn da?«

»Zwölftausend.«

Erleichtert sah Dirk sie an. »Prima.«

Mit vollen Hosentaschen verließ er die Bank. Er griff zum Telefon. »Hola Enrique.«

»Hast du das Geld?«

»Achttausend.«

»Bis wann kriege ich die restlichen Fünfzehn?«

»Ende nächster Woche.«

»Wenn nicht, brauchst du einen Rollstuhl. Klar? In einer Stunde an der Plaza Cort.« Enrique legte auf.

So blieben ihm viertausend. Aus denen würde er mindestens Acht machen, dachte Dirk, und ging zum Auto.

Um Mitternacht schlug Juan die Tür hinter ihm zu.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Dirk kroch die Angst beklemmend den Hals hinauf.

 

»Mensch, Dirk, du siehst total fertig aus.« Ferhat blickte ihn an, wie seine Mutter damals, als er die Familienvase runtergeworfen hatte - anklagend mit einem Hauch von Mitleid.

»Keine Ahnung, was mit mir los ist. Vielleicht bekomme ich eine Grippe.«

»Ins Bett legen kannst du dich nach der Besichtigung.«

Vivienne kam strahlend durch die Tür. »Guten Morgen. Darf ich vorstellen? Mein Mann Roger.«

»Hallo. Schön, dass Sie da sind. Ich bin Ferhat Merizadi und das ist mein Geschäftspartner Dirk Schuller. Wollen wir gleich los? Mein Wagen steht um die Ecke.«

 

Drei Stunden später ließen sich Dirk und Ferhat in ihre Sessel fallen.

»Das war ein Volltreffer. Genial!«, jubilierte Ferhat.

»Ein Zwölf-Millionen-Haus. Einfach irre.«

»Und schon morgen Nachmittag zum Notar. Der Oberhammer. Ich schicke jetzt die Daten zu seinem Sekretariat, damit alles für den Vertrag vorbereitet werden kann.« Ferhats Finger flogen über die Tasten.

»Schneller kann es gar nicht gehen.« Dirk klatschte in die Hände.

»Dir geht es wieder besser, oder?« Ferhat schaute auf.

»Schon, aber ich lege mich doch lieber ein bisschen hin.«

»Schade, ich fliege so gegen fünf Richtung Pollença. Ich dachte, du kämst mit.« Ferhat schob die Unterlippe vor.

»Ich werde dir vom Liegestuhl aus zuwinken, wenn du bei mir übers Haus geflogen kommst.«

»Das lässt sich einrichten«, meinte er mit einem Augenzwinkern. »Ach übrigens ... die Bank hat angerufen, sie wollen mich sprechen.«

Dirk schluckte. »Sicher wegen deiner Kreditkarte.«

»Nein, das ist es nicht. Sie wollen mit mir persönlich reden. Ich gehe morgen als Erstes dort vorbei und komme anschließend ins Büro.« Ferhat widmete sich wieder dem Computer. »Jetzt geh schon. Und gute Besserung.« Ferhat lächelte ihn an.

 

Auf dem Weg zum Auto kaute Dirk nervös auf seiner Unterlippe. Das Klingeln des Handys riss ihn aus seinen Gedanken.

»Si!«, brüllte er ins Telefon.

»Enrique hier. Es gibt keinen Aufschub mehr, Dirk. Morgen Abend wollen wir unser Geld.«

»Enrique, gib mir nur noch einen Tag. Morgen Nachmittag verkaufen wir ein Haus, am Tag darauf liegt die Provision auf dem Konto, und dann habe ich die Kohle«, bettelte Dirk.

»Hm ... gut, letzter Aufschub. Übermorgen Abend. Mehr kann ich nicht für dich tun.« Enrique legte auf.

 

Was, wenn die Bank mit Ferhat über die Abhebungen sprechen wollte? Ein Ausweg musste her. Schnell. Außerdem, warum sollte er den Batzen mit Ferhat teilen? Was hatte der schon geleistet für den Abschluss? Nichts!

Wie von selbst bog er in Richtung Flughafen Son Bonet ab.

Mittagspause - keine Menschenseele zu sehen. Dirk schob das Garagentor auf. Da stand er, der rote Helikopter mit der Aufschrift For the best. And for the last, dachte er grinsend, nahm einen Schraubenschlüssel vom Werkzeugtisch und legte die Leiter an. Dirk entdeckte sofort die Schraube, die Ferhat nachreguliert hatte. Nur ein paar Umdrehungen und er wäre wieder verschwunden.

 

Dirk machte die Musik lauter. Mit dem fünften Bier in der Hand tanzte er über die Terrasse. Ferhat musste langsam in der Luft sein … oder schon wieder auf der Erde. Ein diabolisches Lachen drang aus seiner Kehle, als die ersten Takte seines Lieblingsliedes erklangen. Queen. Er drehte die Anlage nochmals höher und grölte: »We are the champions ... we are the champions ...« Er hörte nicht das Aufkreischen der Rotoren über ihm und sang aus vollem Hals: »No time for lo ...«, als der rote Hubschrauber über seinem Kopf durchs Terrassendach schlug.