Kapitel IX - Das Malheur

„Eine Entschuldigung ist wohl wieder einmal nicht drin“, stellte Flux fest und erhob sich, auch er hatte einige blaue Flecke davongetragen, die sich aber glücklicherweise mit einer von Morganas Tinkturen heilen ließen. Die Bisswunde an Orions Hinterteil wurde mit Kräutersalbe behandelt und auf Leons Beine tat der Elf einige zitronengelbe Blätter, die Wunder bei Lähmungen bewirkten. Allerdings heilten sie nur langsam, denn es handelte sich um keine richtige Lähmung, eher um die Nebenwirkung eines Zaubers. „Kannst du nicht helfen?“, fragte Flux Kleopatra, doch sie schüttelte nur mit dem Kopf. Im Moment war sie sich gar nicht mehr sicher, ob ihre Zauberkräfte irgendetwas bewirken konnten.

„Vielleicht verliere ich sie auch“, dachte sie und ihr stiegen die Tränen in die Augen, in letzter Zeit ging alles daneben.

„Übung macht den Meister“, versicherte Orion als er die Heckenrose betrachtete, doch schon schluchzte das Mädchen los.

„Ich wollte doch Morganas Zauberschule besuchen und sie mit dem besten Abschluss verlassen, den je eine Fee geschafft hat!“

„Sehr schön“, fand Akiko, „tu’ das, dort in diesen Mauern bist du sicher aufgehoben. Ich werde in der Zwischenzeit etwas Nützliches machen und die Welt von einigen Monstern befreien.“ Immerhin erreichte sie damit, das Kleopatra aufhörte zu weinen und stattdessen böse vor sich hinstarrte.

„Die Magie ist kein Spielzeug“, fand der Greif und hielt Akiko nun eine Strafpredigt, die sich zwar gewaschen hatte, aber dennoch an der hart gesottenen Amazone abperlte.

„Meine Hexerei war nicht das Problem“, befand sie, „sondern dass dieser Klepper nicht einmal richtig laufen kann. Das war doch nur ein ganz harmloser Beschleunigungszauber. Den wenden wir Amazonen sehr häufig bei unseren Pferden an, damit wir schneller einem Dorf zu Hilfe eilen können. Würden wir immer so ewig lange unterwegs sein, gäbe es in der Zwischenzeit keine Auftraggeber mehr, sie wären längst aufgefressen.“

„Aber wir veranstalten hier kein Wettrennen“, beharrte Orion. „Morgana schickte uns auf die Reise, von Eile war nie die Rede! Wir kommen ohne solche Mätzchen wesentlich zügiger voran.“

„Und sicherer“, brummte Flux und wandte dem Neuzugang den Rücken zu. Wenn es überhaupt möglich war, dann sank dieses Mädchen soeben noch weiter in seiner Sympathieskala.

„Gut, da wir nun eine lange Pause einlegen, hast du Zeit, nachzudenken.“

Akiko rümpfte nur leicht die Nase, „Wesentlich einfacher wäre es, ich wüsste die Richtung in der das Ziel liegt und würde vorausfliegen.“ Gedankenverloren sah Leon auf seinen Kompass.

„Er weist den Weg?“, fragte das Mädchen und Flux schnaubte nur verächtlich:

„Ja, tut er! Aber du kriegst ihn nicht, Morgana hat ihn meinem Bruder geben!“

„Schon gut, Giftzwerg“, brummte Akiko und entfernte sich, „mit dem Zauber wollte ich uns allen nur voranhelfen. Aber bitte, wenn ihr die langsame naturgegebene Art zu reisen bevorzugt, dann werde ich es akzeptieren.“

„Wir sollten nicht so nachsichtig sein“, dachte sich Flux und kniff die Augen zusammen, „wäre sie doch nur ein Junge, ich hätte sie schon geohrfeigt!“ Doch er war wohlerzogen und wusste, dass es sich nicht gehörte, Mädchen zu schlagen. Sein Bruder war sowieso viel zu gutmütig dazu, lieber nahm er eine kleine Stärkung zu sich, als sich noch lange zu ärgern. Alle paar Minuten fragte die Amazone, wann es denn endlich weiterging, so lange bis ihre Hartnäckigkeit belohnt wurde. Alle hatten sich größtenteils erholt, allerdings zeigte der Zauber noch immer Nachwirkungen. Der schnelle Galopp war Leon heute nicht mehr möglich, allenfalls ein einigermaßen zügiger Trab. Wütend starrte Flux zu Akiko, die sich dafür aber nicht verantwortlich fühlte. Ihrer Meinung nach war mit ihrem Hokuspokus alles in Ordnung, allenfalls in dessen Anwendungsobjekt war der Wurm drin, was sie aber nicht laut sagte.

Kopfschüttelnd lief Orion nebenher, mit der noch immer schmollenden Kleopatra auf dem Rücken. Um sie ein wenig bei Laune zu halten, gab Akiko mit ihren Heldentaten an. Angeblich hatte sie einst selbst die Kerberoshündin gezähmt, die nun das Dorf hütete und auch schon einen riesigen Donnervogel erlegt. Demonstrativ hielt sich Flux die Ohren zu, doch kaum hatte sie geendet, berichtete er von all den Ungeheuern und Dämonen, mit denen sie schon fertig geworden waren – im Team.

Um Kleopatra aufzuheitern, betonte er auch ihre sporadische Unterstützung, denn auch wenn sie es noch gar nicht richtig gemerkt hatte, sie war inzwischen ein festes Mitglied der Truppe, der Neuzugang würde sich diese Stellung erst noch hart erarbeiten müssen. Doch diese Mühe wollte sich Akiko allem Anschein nach sparen, sie strebte ohne Umwege gleich den Platz des Anführers an. Orion war zu kultiviert um sie aufzuhalten, Leon nahm es auch stumm hin und Flux schüttelte nur fassungslos mit dem Kopf. Schon flog die Amazone auf ihrem nachtblauen Teppich voran und erteilte ein Kommando nach dem anderen. Erst bestimmte sie, wann eine kurze Rast eingelegt werden durfte, am Abend suchte sie gar den Platz für die Nacht aus, danach befahl sie Flux ein Feuer zu entzünden und Kleopatra sollte kochen.

Entsetzt sah die Fee sie an. „Ich bin eine Prinzessin! Ich habe noch nie gekocht und ich werde heute nicht damit anfangen.“ Vielleicht war dies auch besser so, am Ende hätte ihre Speise wie ihr Schmaus der Götter gemundet.

„Ich werde kochen“, bot Leon sich an und Akiko beäugte alles sehr misstrauisch. Besonders missfiel ihr, wie übervorsichtig Leon sich in Gegenwart des Lagerfeuers bewegte. Flux machte es hingegen sehr stolz, wie sein Bruder die Angst vor den Flammen für dieses Unterfangen zu zügeln vermochte.

Die Suppe war eigentlich deliziös, trotzdem hatte Akiko einiges daran auszusetzen. Schweigsam nahm Leon es hin, Orion seufzte nur und schielte zu den Sternen und in Flux begann es zu brodeln, er konnte einen Wutanfall aber noch unterdrücken, als sein Bruder ihm die Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte. Kaum hatte Kleopatra aufgegessen, zog sie sich in ihr Zelt zurück, wo sie aber nicht von der neuen Anführerin verschont blieb. Diese sah es als ihr Recht als Frau an, auch unter dem Dach zu verweilen. Zu Kleopatras Glück konnte sie eine Trennwand einziehen und die Mitbewohnerin kam erst herein, als sie schon schlief.

„Wenn ihr wieder verschlaft, wecke ich euch erneut mit meiner Fata Morgana, die wie ein Hahn aussieht“, drohte sie, „diese Luftbilder sind eine Spezialität von mir, der Clou daran ist, dass man sie nicht nur sehen, sondern auch hören kann.“ Die Begeisterung der Anderen hielt sich in Grenzen, doch sie schliefen mit dem Vorsatz ein, sich auf alles gefasst zu machen. Zu ihrem Bedauern erwies sich dies als nicht ausreichend.

„Jungs!“, statt einem Trommelfell zermürbenden Hahnenschrei hörten sie am nächsten Morgen Kleopatras inzwischen halbwegs liebgewonnene Kinderstimme. „Wacht doch auf! Die Sonne scheint bereits!“ Verschlafen hoben alle die Köpfe und wunderten sich. „Unsere Chefin ist nicht hier“, stellte die Fee fest und Orion ließ seinen Adlerblick schweifen.

„Vielleicht will sie sich ja mit uns versöhnen und organisiert ein ausgefallenes Frühstück“, murmelte der Gelehrte, doch dieser Traum war schnell ausgeträumt.

„Es ist weg“, platzte nämlich Leon mitten in die schöne Vorstellung herein. Verschreckt sah sein Bruder ihn an, atmete aber auf, das Amulett war noch hier. Er hatte schon befürchtet, es hätte sich in Luft aufgelöst wie das von Calep.

„Na, das erstaunt uns jetzt aber“, giftete Kleopatra und Orion legte die Ohren an.

„Der Kompass“, keuchte er, „hat sie den Kompass genommen?“

„Sieht so aus, Professor“, bemerkte Kleopatra, „und, was machen wir jetzt?“ Flux raufte sich die Haare und der Greif war der Verzweiflung nahe. Zum Glück erinnerte sich Leon noch an die Richtung, in die es zuletzt gewiesen hatte. Für ein langes Palaver war nun keine Zeit.

„Ich werde hinterher fliegen, sie einholen und zur Vernunft bringen!“, brüllte Orion und stieß sich kraftvoll vom Boden ab.

„Heute ist auf niemanden mehr Verlass“, stellte die Fee fest, „nicht einmal auf andere Auserwählte!“

„Das ist genauso schlimm wie in meinem Albtraum“, jammerte Flux, „da hat uns diese Furie alle in Rennmäuse verwandelt.“

„Bestimmt hat sie sich etwas dabei gedacht“, wiegelte Leon ab, „vielleicht ist es auch nur ein Missverständnis.“ Die anderen beiden dachten sich ihren Teil und waren sich einig, dass es dem Neuzugang nur darum ging, die Lorbeeren alleine einzuheimsen.

„Meinen Prinzen kriegt sie nicht“, sagte sich Kleopatra und Flux brummte:

„Und meinen Schatz auch nicht!“

Der geflügelte Gefährte war unterdessen schon nicht mehr zu sehen. Da niemand tatenlos warten wollte, packten sie alles zusammen und machten sich auf den Weg. Leons Beine hatten sich wieder erholt und er fegte in gestrecktem Galopp durch die Landschaft. Ab und an kreuzten ein paar Savannenbewohner ihren Weg, darunter auch eine Gepardenmutter mit ihrem Nachwuchs. Eines der Kleinen hatte eine spezielle und sehr prächtige Fellzeichnung. „Ein Königsgepard“, staunte Flux und sie verweilten einen Moment um das Kätzchen zu betrachten.

„Ob Orion sie wohl einholt? Sie könnte schon über alle Berge sein“, murmelte die Gefährtin vor sich hin.

„Ehrlich währt am längsten“, wusste der Elf, während Leon weiterging, auf einen trockenen Ast trat und der Boden nachgab.

„Nicht schon wieder!“, Kleopatra schlug mit den Flügeln, packte Flux und konnte wenigstens ihn vor dem Sturz bewahren. Neben dem Loch im Erdboden setzte sie ihn keuchend ab. „Das war die Revange, dass du ein wenig mit meinen Heldentaten übertrieben hast.“

Doch im Moment konnte Flux sich nicht sonderlich über dieses Dankeschön freuen, er starrte in die Grube, in die es seinen Bruder verschlagen hatte. Die Gepardin hatte sich mit ihren Jungen längst aus dem Staub gemacht und Flux drehte den Kopf. „Tu’ doch bitte etwas!“ Doch Kleopatra zögerte von ihrem Zauberstab Gebrauch zu machen, am Ende holte sie ihn nur scheibenweise aus dem Schlamassel.

„Schnell!“, sie hatte etwas gehört und zog Flux hinter ein dichtes Dornengestrüpp, Leon rumorte derweil in seinem Loch. Nun konnte auch der Elf das Hufgetrampel hören, das näher kam.

Staub wirbelte auf, als das stämmige Maultier herannahte, gefolgt von einem großen Rappen. Selbstverständlich kamen die beiden nicht alleine, sie trugen je einen Reiter auf ihrem Rücken und stoppten dicht bei der Grubenfalle. „Das trifft sich ja wunderbar“, brummte eine tiefe Stimme, „offenbar ist uns der Fang des Tages ins Netz gegangen.“ Der grüne Kobold, der auf dem Maultier thronte, stieg ab und warf einen prüfenden Blick in das Loch. Auch sein Partner trat heran, er sah aus wie ein hellhäutiger Elf, war allerdings kalkweiß im Gesicht, ein wenig gedrungen, hatte einen Überbiss und sehr langes weißblondes Haar. Seine Fingernägel waren ungepflegt und lang, seine Augen glühten, er trug schwere Stiefel und hielt einen langen Holzstab in der Hand, mit dem er nun in der Falle herumstocherte.

„Ein Rotkappen-Elf“, keuchte Flux in seinem Versteck, die Gelehrten stritten sich oft, ob diese Wesen nun wirklich Elfen waren, da sie für ihre Blutrünstigkeit bekannt waren und viele Merkmale von Kobolden aufwiesen. Oft einigte man sich, indem man sie als Bindeglied zwischen Elfen und bösen Kobolden einordnete.

„Was haben wir denn da?“, fragte die ölige Stimme der Rotkappe, die diesen Namen nicht ohne Grund trug, denn auch sie hatte das Markenzeichen auf dem Kopf, die Mütze, die mit Blut eingefärbt war.

„Ein Reiter mit Pferd, wie es scheint“, zischte der grüne Kobold und rieb sich die Hände.

„Dummkopf“, der Rotkappen-Elf gab ihm eine Kopfnuss, „sieh’ doch genauer hin, du weitsichtige Eule! Das ist etwas viel besseres.“ Leon wurde angst und bange, doch er schaffte es nicht, aus dem Loch zu entkommen. Nun rieb sich die Rotkappe die Hände. „Der wird uns eine Menge Geld einbringen. Vielleicht verkaufen wir ihn an einen Zirkus oder einen Bauern als Hilfskraft. Man könnte ihn natürlich auch zum Gladiatoren ausbilden und in der Arena den Löwen zum Fraß vorwerfen. Das Spektakel würde dem zwielichtigen Publikum sicher gefallen.“

„Warum behalten wir ihn nicht?“, kam es zurück und der Kobold kassierte eine erneute Kopfnuss.

„Dummkopf! Willst du den Klepper vielleicht zähmen?“ Der Grüne zog den Kopf ein:

„Vielleicht macht er ja freiwillig mit. Man sagt doch, Kentauren wären stark und wild, er könnte uns bei der Arbeit helfen.“ Angestrengt überlegte der Elf mit der roten Kappe und kam zu dem Schluss, dass sein Mitarbeiter gar nicht so Unrecht hatte.

„Wir holen die Beute erst einmal aus unserer Falle, dann sehen wir weiter“, entschied er schlussendlich und stieß seinen Stab erneut in Leons Rippen, danach sprang der Kobold zu ihm herab, starrte ihn einschüchternd an, band dann ein Seil um seinen Oberkörper und eines um seine Vorderbeine, alsbald kletterte der flinke Wicht an diesen Schnüren hinauf und sein Chef trieb Pferd und Maultier zur Eile an. Sie zogen an den Seilen und Leon mehr schlecht als recht aus der Grubenfalle, wo er schon von dem Rotkappen-Elf erwartet und mit einem Schlag gegen die Stirn begrüßt wurde. Als Flux das sah, reichte es ihm endgültig, da Pfeile und Bogen auf Leons Rücken verschnürt waren, beschloss er, den Fieslingen Feuer unter dem Hintern zu machen.

„Nicht doch!“, quietschte Kleopatra, doch Drac’o eilte bereits los, Hals über Kopf. Er merkte nicht einmal, dass er dem Maultier viel zu nahe kam, erst als es ausscheute und ihn traf, wurde er sich seines voreiligen Handelns bewusst. Der Jungdrache wurde zurückgeschleudert und Kleopatra zerrte ihn wieder hinter das Gebüsch.

„Was war das?“, zischte der Kobold, sah sich um und nahm Witterung auf.

„Bestimmt ist deine Mähre nur von einer Pferdebremse gestochen worden“, vermutete der Boss und starrte auf Leon herab, der am Boden lag und Kopfschmerzen hatte. Kleopatra hielt in ihrem Versteck die Luft an, der Kobold starrte genau in ihre Richtung, schon wollte er losmarschieren, doch der andere hielt ihn zurück. „Darum kümmern wir uns später. Nun ist erst einmal der Fang des Tages an der Reihe!“ Als Leon sich aufrichten wollte, bekam er erneut einen Schlag mit dem Stock gegen die Stirn. „Schön hiergeblieben“, zischte der Elf und starrte zu seinem Untergebenen, „können Kentauren überhaupt sprechen?“ Der Kobold zuckte nur mit den Schultern, er hatte noch nie mit einem gesprochen, war nur von einem verprügelt worden. „Wie auch immer. Verabschiede dich von deinem Leben in Freiheit. Von nun an wirst du ein Sklave sein, ob in einer Mine, dem Zirkus, der Arena oder auf dem Feld. Wir sind Wilderer und machen alles zu Geld.“ Abermals holte er mit dem Stab aus und nun verlor Leon das Bewusstsein.

Kleopatra zuckte zusammen, der Smaragddrache lag stöhnend neben ihr und konnte nichts unternehmen. Sie musste daran denken, wie gemein sie oft selbst zu dem Kentaur gewesen war und dass er sie trotzdem stets freundlich behandelt hatte. Sie ballte ihre kleinen Hände, denn sie musste ihm helfen. „Ich darf es nicht zulassen, dass er diesen Widerlingen in die Pfoten fällt!“ Die beiden begannen ihren Gefangenen inzwischen zu fesseln. „Haltet ein!“ Sie hoben die Köpfe, sahen die Fee und fingen an zu lachen.

„Du beliebst zu scherzen, Mädchen, was?“, grinste der Rotkappen-Elf und der andere funkelte sie an. „Was willst du?“

„Lasst ihn in Frieden!“, forderte Kleopatra.

„Ist er vielleicht ein verzauberter Prinz, so wie der Froschkönig?“, ulkte der Boss. „Mach’ nicht so einen Aufstand, das ist doch nur ein dreckiger Kentaur.“ Nun wurde Kleopatra ganz rot im Gesicht, fieberhaft dachte sie über eine Lösung nach und ihr fiel nur ein Weg ein, sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie dachte an das, was ihr die Großmutter von Abuu beigebracht hatte, holte tief Luft, schwenkte den Zauberstab und Feenglanz rieselte auf Leon herab. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?“, fragte sich der Rotkappen-Elf. „Sind sie Verbündete? Von so etwas albernem habe ich ja noch nie gehört! Wie können denn ein Kentaur und eine Fee unter einer Decke stecken?“

Auch für seinen Gefolgsmann war dies ein Ding der Unmöglichkeit und er zuckte hilflos mit den Schultern, ihre Verwunderung wandelte sich aber sehr schnell in Zorn, als Leons Pferdeleib zu schrumpfen begann und Kleopatras Zauber ihm eine neue Gestalt gab. „Verflucht!“, zischte der Anführer. „Was sollen wir denn damit?“

Kleopatra holte tief Luft, die Magie hatte ihr viel Kraft geraubt. „Verschwinden sollt ihr!“, brüllte eine Stimme und Drac’o kam auf allen Vieren heran.

„Ein Drache!“, freute sich der Elf, während der Kobold auf sein Maultier sprang.

„Nichts wie weg hier!“ Schon loderten Flammen aus dem Hals des Jungdrachen.

„Wir kommen wieder!“, schwor der Elf, der es nun auch mit der Angst zu tun bekam und eilte zu seinem Rappen, kaum saß er auf, züngelten wieder Flammen hinter ihm und beide gaben ihren Reittieren die Sporen. Kleopatra ließ etwas Feenglanz auf das Feuer rieseln und während die Wilderer sich immer weiter entfernten, schienen die Flammen sie zu verfolgen. Sie trieben ihre Vierbeiner zur Eile an, doch egal wie weit sie kamen, das Geisterfeuer verfolgte sie über Stock und Stein.

Keuchend landete Kleopatra, Drac’o rieb sich die Brust wo der Huf ihn getroffen hatte, zu seinem Glück war seine Unterseite ja von harten blauen Schuppen gepanzert. „Leon?“, er trat zu seinen bewusstlosen Bruder heran, kniete nieder und starrte ihn fassungslos an. „Was hast du getan?“

Seufzend kam die Fee heran. „Ich habe nur einen Zauber angewendet, der ihm eine Gestalt geben sollte, in der er für die Wilderer total uninteressant ist.“ Immerhin hatte es ja funktioniert und er war nicht in eine Kröte oder einen schleimigen Aal verwandelt worden.

„Kannst du ihn wieder zurück verwandeln?“ Doch nun zuckte Kleopatra nur bedauernd mit den Schultern. Sie hatte sich erst in den Anfängen ihrer Ausbildung befunden, als sie auserwählt worden war. „Oh je“, stöhnte Drac’o und nahm wieder seine Elfengestalt an, sein Bruder erwachte derweil. Stöhnend fasste er sich an den Kopf und sofort fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte. Seine wunderbaren Pferdeohren waren fort, zurück waren nur winzige Ohrmuscheln geblieben. „Wie geht es dir?“, fragte Flux und er konnte ihn kaum verstehen. Offenbar hatte auch sein Gehör unter der Umwandlung gelitten, schließlich hörten Fluchttiere wie Pferde mit ihren Trichterlauschern besonders gut. Verdattert sah Leon zunächst auf seine Hände, die ihm normal erschienen, doch als er nach unten blickte, musste er feststellen, dass sein Pferdeleib gänzlich verschwunden und durch zwei dürre Gliedmaßen ersetzt war.

„Jetzt bin ich ein Zweibeiner“, er konnte es nicht fassen. Kleopatra lächelte verkniffen, technisch gesehen war er sogar ein Mensch, die man hier als die unmagischsten aller Wesen belächelte, weswegen sie als völlig uninteressant galten. Stumm starrte Leon nach unten, Calep hatte völlig Recht, es waren Plattfüße. Wie sollte er nur jemals darauf stehen? Stumm band er sich seinen Lendenschurz wie einen Rock um die Hüften, Kleopatra kramte in dem Gepäck, das am Boden lag und förderte nach einiger Suche einen Sonnenschirm hervor, denn inzwischen stand das Himmelslicht im Zenit. Flux hätte schwören können, dass sich so ein großer Schattenspender zuvor noch nicht in den Packtaschen befunden hatte. In stummer Übereinkunft beschlossen sie, hier auf Orions Rückkehr zu warten. Kleopatra reichte den Wasserschlauch herum und versuchte erneut Ambrosia herbeizuzaubern um die Stimmung anzuheben. Heute schmeckte er nach Leberpastete mit Kaviar, angewidert schob sie die Schale von sich fort und starrte hinüber zu einer Gruppe von Pavianen, deren Jungtiere sich balgten.

Flux schielte zu seinem Bruder, der sich sehr sonderbar fühlte, wie in einem Traum. Geduldig warteten sie im Schatten, während die Ambrosia ein hungriges Tier anlockte. Langsam und vorsichtig kam es immer näher. Sie hatten alle Zeit der Welt, es zu studieren. Argwöhnisch legte es die Ohren an und verharrte einen Moment. Flux erkannte es als Leucrota an seiner Hirschhüfte, dem Dachskopf mit der langen Schnauze, dem Nacken und der Brust eines Löwen. Es hatte die Größe eines Esels und als Leon gedankenverloren eine Bremse mit der Hand verscheuchte, riss es sein Maul auf, das bis hinter die Ohren reichte. Anstelle von Zähnen befanden sich horizontale Knochenkämme darin, mit denen es auch Gerippe mühelos zermahlen konnte. Als es jedoch merkte, dass ihm keine Gefahr drohte, stellte es die Drohgebärde ein und trat einen Schritt näher, dabei gab es Laute von sich, die wie Geplapper klangen. Verwundert fragte Kleopatra, ob es denn sprechen könne, mit hoher Stimme gab es die Frage zurück wie ein Papagei. Nun hatte sie ihre Beschäftigung gefunden, sie sagte etwas, das Tier äffte es nach. Schritt für Schritt trat es dabei näher und tat sich schlussendlich an der Leberpastete gütlich. In ihrer Gnade zauberte Kleopatra ihm sogar noch einen Nachschlag herbei. Vorsichtig kraulte Flux es derweil an der kurzen Mähne, es wedelte mit dem langen Schwanz und duckte sich, als ein Schatten nahte. Als er genau auf sie fiel, fuhr das Leucrota herum und jagte in einem Tempo davon, dass kein Gepard hätte mithalten können. Nun erinnerte sich auch Flux wieder daran, dass diese Geschöpfe besonders für ihre Schnelligkeit gerühmt wurden.

Lautes Flügelschlagen war zu hören und Orion landete dicht bei ihnen. „Ich habe sie gefunden, als sie im Kreis herumflog und sie zum Anhalten gezwungen. Offenbar weist der Kompass nicht jedem den richtigen Weg.“ Er streckte Leon das gute Stück entgegen und fror mitten in der Bewegung ein, wobei sein Unterschnabel herunterklappte. Der Junge hatte die Beine an den Körper gezogen, seinen Kopf auf die Knie gestützt und grübelte schon seit geraumer Zeit.

„Es ist einiges passiert, während du fort warst“, verriet Flux und seufzte laut, Kleopatra bekam ein schrecklich schlechtes Gewissen.

„Faszinierend“, fand der Greif, „da kann man so viel gelesen haben, wie man will, aber das erstaunt mich nun doch.“

„Und was machen wir jetzt?“, brummte Flux. „Sie kann ihn nicht zurück verwandeln.“ Nun wurde die Feenprinzessin ganz käsig im Gesicht, hoffentlich war dies nicht ein Zauber, der gar nicht mehr rückgängig zu machen war.

„Das wird schon wieder“, blieb Orion zuversichtlich, doch Leon verharrte in seiner apathischen Starre. Er fühlte sich wie aus seinem Körper herausgerissen, er war nicht länger er selbst. In den Jahren im Kinderheim, als ihn niemand adoptieren wollte, hatte er sich oft gewünscht ein Zweibeiner zu sein. Doch auf dieser Reise hatte er nach und nach die Kräfte in sich entdeckt. Was sollte jetzt werden, nun da er für nichts mehr nütze war? Er konnte weder viel Gepäck, noch Personen transportieren und fühlte sich unsagbar schwach.

„Das ist alles deine Schuld“, zischte Flux giftig, als die Amazone auf ihrem Teppich zur Landung ansetzte.

„Ja, ja“, brummte Akiko, „es tut mir leid, was ich tat. Aber ich war der Meinung, so sei es am Besten. Wenn ich alleine in den Kampf gegen Monster und Dämonen ziehe, besteht nicht die Gefahr, dass ihr euch verletzt.“

„Wie rücksichtsvoll“, fand Kleopatra und streckte ihr die Zunge heraus.

„Ich habe ihr bereits eingebläut, dass dies kein Ein-Frau-Selbstmordkommando ist, sondern dass unser Erfolg auf Teamwok basiert, ansonsten hätte Morgana wohl nur eine Person auserwählt, nicht mehrere.“

„Vielleicht steht aber auch kalte Taktik und Kalkulation dahinter“, warf Akiko ein, „und sie rechnet damit, dass alle auf der Strecke bleiben, bis auf einen. Schließlich war in ihrem Gedicht von etwas Ähnlichem die Rede.“ Sie hielt erst inne, als ihr Blick zufällig auf Leon fiel und Flux wiederholte seine Beschuldigung.

„Ich habe doch falsch gezaubert“, jammerte Kleopatra, „kannst du es vielleicht rückgängig machen?“

Verständnislos zuckte Akiko mit den Schultern, „Warum denn das? So ist es doch viel besser als vorher.“ Die Fee schnaubte zur Antwort und der Elf starrte sie wütend an. „Ist ja schon gut!“, die Amazone hob beschwichtigend die Arme. „Ich bin Akiko, Tochter von Penthesileia, eine Kriegerin und Magierin. Außerdem gehören Wahrsagen, Exorzismus und das Jagen und Erlegen von Dämonen zu meinen Qualifikationen …“

„Und was genau willst du damit sagen?“, wurde Flux unwirsch und das Mädchen stemmte die Hände in die Hüften.

„Dass meine Zauber praktischer Natur sind! Ich kann einen Dämon mit einem Fluch zu Staub zerfallen lassen und ein Ungeheuer sich entzünden lassen, aber ich bin keine Fachkraft für schönheitschirurgische Magie.“

„Blödsinn“, fluchte die Fee, „so etwas nennt man Verwandlungszauber! Weitere große Bereiche der Magie sind der belebende Zauber, der tote Gegenstände Bewegungen einflößt, der Heilzauber und der verändernde Zauber, der Gefühle beeinflusst.“

„Ich verstehe mich weder auf das eine, noch auf das andere“, gab die Amazone es zu, „dafür kann ich Dinge kurze Zeit schweben lassen, unsichtbar werden, Krankheiten und Lähmungen beschwören, wie auch Schmerzen.“

„Ganz toll“, Kleopatra fing an zu schielen, „das alles bringt uns kein Stück voran.“

„Vielleicht sollten wir einen weisen Magier aufsuchen“, schlug Orion vor, die Idee war gut, aber die Frage war, wo man in dieser Einöde so einen weisen Mann hernehmen sollte.

„Warum so kompliziert?“, kam es von Akiko. „Vielleicht gewöhnt er sich ja an den neuen Körper.“

„Erst an dem Tage, an dem Schweine fliegen lernen“, knurrte Flux, der ganz genau spürte wie sein Bruder fühlte, „außerdem mögen wir ihn alle so, wie er ist.“ Nun fing die Amazone damit an, die Augen zu verdrehen. „Verwandle sie in eine Kröte! Mal sehen, ob sie sich daran gewöhnt“, forderte Flux, doch Kleopatra schüttelte mit dem Kopf. Sie wollte das Schicksal nicht herausfordern, am Ende wurde ein neunköpfiges Monster aus dem Mädchen oder noch schlimmer: Sie wurde vervielfacht. Dann hatten sie ein Dutzend Akikos am Hals, allein die Vorstellung daran ließ Kleopatra ganz schwummerig werden.

„Frage doch deine Kristallkugel um Rat“, bat Orion, widerwillig holte sie das Wahrsageinstrument hervor, doch der graue Nebel wollte partout nicht weichen. „Vielleicht ist sie nicht zu Hause“, murmelte der Greif und Akiko erwiderte schnippisch:

„Wohlmöglich ist dies auch kein Problem, mit dem man die große Morgana belästigen muss.“ Leon seufzte nur resigniert.

„Also bleibt uns nichts anderes übrig, als Hilfe zu suchen“, machte Orion Nägel mit Köpfen, „fangen wir ganz einfach an: Bitte erhebe dich.“ Doch bereits an diesem Punkt drohte der Plan zu scheitern. Erst nach vielen erfolglosen Versuchen schaffte es Leon mit Flux’ Hilfe einigermaßen gerade zu stehen, als er dann einen Schritt wagen wollte, landete er wieder am Boden.

„Zwei Beine sind zu wenig zum Stehen“, klagte er, „wie macht ihr das nur?“

„Mit Gleichgewicht, Kondition und Verstand“, zählte Akiko auf, „scheinbar besitzt du nichts davon.“

„Wirklich reizend“, fand Orion und legte sich in den Staub, „solcherlei Aufmunterungen sind jetzt von Nöten.“ Unschuldig guckte das Mädchen ihn an und zupfte an ihrer blauen Tracht.

„Taktloser Trampel“, brummelte ihre Kollegin, „und sie merkt es nicht einmal!“ Mit Müh und Not saß Leon irgendwann auf dem Rücken des Greifen, zusammen mit Flux und einigen Gepäckstücken, den Rest lud Akiko auf ihren Teppich. „Aber wage es nicht noch einmal abzuhauen!“, schimpfte Kleopatra.

„Ich habe meine Lektion gelernt“, versicherte die Amazone, „alleine komme ich nicht weit und der Kompass kann mich nicht leiden.“ Wortlos setzte sich Orion in Bewegung, schimpfend flog Kleopatra eine Weile in Gestalt eines rosafarbenen Lichtpünktchens neben ihm her, später setzte sie sich dann verkleinert auf seinen Kopf.

Leon starrte zu dieser Zeit noch immer ins Leere, nichts was gesagt wurde, konnte ihn aufheitern. Er fühlte sich noch nutzloser als zu Beginn seiner Reise. Jetzt hatte er nicht einmal mehr Hufe, mit denen er nach Angreifern treten konnte. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, hob Orion zu einer neuen Strafpredigt an, er schwafelte von Gemeinschaftssinn, von der Unsitte zu nehmen, was einem nicht gehörte, davon, dass ein Einzelner schwach war, aber viele zusammen stark und dass die Abzeichen sie zu den Brüdern und Schwestern im Zeichen des Taiji machten. Die anderen waren nicht sicher, ob überhaupt irgendetwas davon in Akikos Kopf hängenblieb oder ob es wieder an ihrem Schutzschild der Kaltschnäuzigkeit abprallte.

„Dort ist unser neuer Freund“, wisperte Flux und Leon drehte müde den Kopf, in einiger Entfernung jagte der Leucrota dahin und entfernte sich zusehends.

„So werden wir nie ein Rennen gewinnen können“, murmelte Leon und Flux wandte den Kopf.

„Deshalb musst du nicht deinen alten Körper zurückfordern“, fand er, „du hast mich weiterhin als Bruder akzeptiert, obwohl ich eigentlich ein Drache bin. Meine Gefühle werden sich nicht ändern, weil du jetzt ein Zweibeiner bist. Du allein musst entscheiden, was du willst.“ Gerade das war ja das große Problem. Jahrelang hatte Leon sich immer wieder gewünscht, jemand anderes zu sein, nun war er ein Mensch, aber glücklich machte ihn das nicht. Leon dachte daran, dass man ihn nicht mehr verachten oder beschimpfen würde und Akiko riet zu allem Überfluss:

„Lass es so, wie es ist. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Um die Perfektion zu erlangen, müsstest du natürlich noch zum Mädchen werden.“

„Bitte keine Diskriminierungen in meiner Gegenwart“, warf Orion ein, „dagegen bin ich allergisch.“

„Tja“, sie zuckte nur mit den Schultern, „so ist das schwache Geschlecht. Männer tun immer überlegen und in Wahrheit sind sie leicht verwundbar.“ Aus Protest hörte Flux gar nicht mehr hin und auch der Greif legte die Ohren an, solche Binsenweisheiten waren unter seiner Würde.

„Ich will die trübe Stimmung nicht noch schlechter machen“, raunte Kleopatra, die verkehrt herum auf Orions Kopf saß, sodass sie nach hinten blicken konnte, „aber ich fürchte, wir werden verfolgt.“ Jetzt sahen auch die Anderen zurück, dort näherte sich eine Staubwolke im Licht der langsam untergehenden Sonne.

„Endlich wird es interessant“, freute sich die Kriegerin, „das müssen die Dämonen sein, von denen du berichtet hast und die ihr bisher nicht besiegen konntet – obwohl ihr zwei Mal die Gelegenheit dazu hattet.“ Orion machte ein finsteres Gesicht und versuchte schneller zu laufen, doch mit all dem Gepäck und den Passagieren war das nicht ganz so einfach und zu allem Überfluss, blieb der fliegende Teppich nun auch noch mitten in der Luft stehen, Akiko zückte ihr Messer und harrte furchtlos aus.

„Lauf’ doch weiter!“, bat Kleopatra, als auch der Greif stoppte, denn er konnte das Mädchen nicht ihrem Schicksal überlassen. Derweil nahten die Verfolger und es waren tatsächlich Dämonen, als hätte die Amazone es gerochen. Allen voran ritt Asmodi auf dem blanken Skelett eines Karkadann, da Orion sein letztes Reittier ja zerlegt hatte.

Ihm folgten Blutschinke und Eisengrinde, dazu ein Heer von Musca Macedda. Das Summen der dämonischen Fliegen erfüllte die ganze Luft, lässig beschwor Akiko die Elemente und noch bevor die Dämonen bei ihr ankamen, brach hier und dort die Erde auf und kochendes Magma brodelte hervor, es riss die meisten Fliegen und auch einige Köter und Blutschinke mit sich in die Tiefe, danach schloss sich die Erde wieder und Akiko ballte die Fäuste, offenbar hatte sie damit gerechnet, alle Feinde auf einen Schlag zu vernichten.

„Dummes Mädchen“, zischte Orion und eilte zu ihr, Flux stieg ab und hielt sich bereit.

„Meine Freunde!“, grölte Asmodi. „Was für ein Hochgefühl, euch endlich wiederzusehen! Nun habe ich es geschafft ein neues, besseres Heer aufzustellen und schon bereitet ihr mir einen so herzlichen Empfang!“ Sein gehörntes Rhinozeros hielt an und er blickte hinauf zu dem fliegenden Teppich. „Dich kenne ich noch nicht, aber diese Audienz war erstaunlich! Zu schade, dass ihr nun alle sterben müsst.“

„Das sagtest du doch schon“, fauchte Flux und verwandelte sich.

„Nicht einmal ich habe noch Angst vor dir“, behauptete Kleopatra, „sogar der Jäger mit seinem Sleipnir hat gesagt, dass ihr zu nichts nütze seid!“

„Dieser Ritter in seiner Rüstung ist nicht einmal ein reinrassiger Dämon! Nur ein Angeber und wenn mich nicht alles täuscht, ist er kläglich an euch gescheitert“, Asmodi legte sich mächtig in die Brust, sein Stierkopf und der Widderkopf schnaubten verächtlich.

„Mit Dämonen redet man nicht, man erledigt sie“, wütete Akiko und zückte ihr Kunai mit der zweischneidigen Klinge.

„Ein Vielzweckwerkzeug“, belustigte sich Asmodi, „wie originell.“ Statt zu antworten streckte sie es ihm entgegen, es änderte die Form und wurde zu einer Armbrust, Asmodi gab dem Nashornskelett die Sporen und so wich er den Pfeilen aus.

„Attacke!“, befahl er und schon sprangen mehrere Blutschinke in die Luft und schlugen mit ihren Bärenpranken nach dem fliegenden Teppich.

„Die haben uns in unserer Sammlung gerade noch gefehlt“, hauchte Kleopatra, „warum können sie uns nicht in Ruhe lassen?“ Doch auf diese Weise konnte sie ihnen keine Vernunft einbläuen, schon wurde sie von den Fliegen attackiert, Kleo schwenkte ihren Zauberstab und bald war die Luft von Schmetterlingen erfüllt, eigentlich hatte sie die lästigen Insekten ja in Tautropfen verwandeln wollen.

Knurrend und geifernd nahten die Eisengrinde und kreisten Drac’o ein. „Der Feuerspucker gehört euch“, sprach ihr General und die räudigen Köter mit den Hörnern, die sich schon als Sieger sahen, gingen zum Angriff über. Doch Drac’o machte ihnen nach Kräften Feuer unter dem Hintern. „Wundervolle Fete“, fand Asmodi, „und natürlich habe ich auch noch ein paar andere Gäste mitgebracht.“ Im trockenen Gras raschelte es und dort erschienen weitere zottelige Hunde, während vom Himmel Eulen und Geier herabstießen.

„Leeres Gerede!“, urteilte Akiko und stieß einen Fluch aus, die angreifenden Eisengrinde endeten durch Selbstentzündung. Wie Fackeln rannten sie kreischend umher, wobei das Feuer, das sie verzehrte aber nicht auf die Umgebung überging.

„Ich sprach zwar von einer Fete, aber nicht von einem Barbecue!“, grollte der Chef, im selben Moment schlug Orion kraftvoll gegen das rechte Vorderbein des Karkadann, allerdings brachte er es dadurch nicht zu Fall. „Du willst Streit, den kannst du haben“, fand Asmodi, während Eulen und Geier alle umschwärmten, „der Greif gehört mir!“ Mit diesen Worten gab er seinem Reittier die Sporen, das Rhinozeros stürmte los, rammte Orion, dieser bäumte sich kreischend auf, wobei Leon samt dem Gepäck von seinem Rücken stürzte. „Wen haben wir denn da?“, wunderte sich der Oberdämon. „Was ist denn mit dem lachhaften Kentaur geschehen?“

„Er ist jetzt ein Mensch“, zischte einer der Geier, doch das sah sein Gebieter auch selbst.

„Wundervoll, dann bedeutet er keinerlei Gefahr. Sparen wir ihn uns auf, dann kann er mit ansehen, wie wir seine Freunde einem nach dem anderen ins Jenseits schicken.“ Orion grollte und wollte losspringen, doch das Karkadann rammte ihm seinen Schädel in den Bauch, warf ihn zu Boden und setzte seinen mächtigen linken Fuß auf ihn, sodass er kaum noch atmen konnte.

„Verduftet!“, brüllte Drac’o, dem langsam die Puste ausging. Kleopatra verstreute noch immer Feenglanz, nun aber auf die verbliebenen Eisengrinde, die daraufhin zu niedlichen Hundewelpen zusammenschrumpften. Allerdings waren auch ein paar Kampfdackel dabei, von denen sich einer in Drac’os Schwanz verbiss.

„Der Sieg ist ein gar köstliches Mahl“, dichtete Asmodi und Orion keuchte. Mit aller Kraft stand Leon auf, aber erneut stolperte er über die eigenen Füße.

„Ich werde mit ihnen fertig“, behauptete Kleopatra und hieb den kläffenden Welpen mit dem Zauberstab auf die Nasen, „rette du den Professor!“ Der Jungdrache war einverstanden und hechtete los, doch der Feind erwartete ihn bereits, das lebende Skelett riss den Kopf herum und fegte auch ihn von den Füßen.

„Und nun zermalme beide!“, forderte Asmodi und sein Reittier bäumte sich auf, Orion keuchte und riss die Augen auf, Drac’o versuchte vergeblich auf die Füße zu kommen. Der General lachte triumphierend, es zischte und ein Speer bohrte sich tief in seine Brust. Drac’o und Orion, die beide noch immer auf dem Rücken am Boden lagen, starrten das aufgebäumte Rhinozerossskelett an, dessen Reiter muhte und blökte, fluchte und dem schwarzes Blut die Brust herunterrann. Er packte den Speer, zog ihn heraus, keuchte und schmolz zu einer Lache aus schwarzem Teer. Das Karkadann verharrte in seiner Position, endlich rollten sich die beiden zur Seite und drehten die Köpfe.

Mit blassem Gesicht kniete Leon am Boden, ganz in der Nähe gab es eine Explosion, viele Dämonen segelten durch die Luft und zerfielen zu Staub bevor sie den Boden berührten. „Sie wollten eine Party, die können sie haben!“, brüllte die Amazone, schleuderte einen Kugelblitz, traf das nicht mehr sehr lebendige Skelett und zerlegte es in seine Einzelteile.

„Au!“, zischte Orion, als er vom Brustbein getroffen wurde. Drac’o stand in der Zwischenzeit wieder auf seinen Beinen, schreiend kam nun Kleopatra heran, verfolgt von Schmetterlingen und Hundewelpen. Mit einem Prankenhieb vertrieb Orion die Tierchen, dann hob er den Blick, dort kreisten noch immer Geier und Eulen. Die Blutschinke und Eisengrinde waren besiegt, doch die anderen räudigen Köter hatten sie noch immer umzingelt und kamen nun knurrend näher.

„Ihr habt den General Asmodi getötet!“, schrie ein Geier von oben herab. „Dafür werdet ihr büßen!“ Zusammen mit den anderen Vögeln stieß er herab und noch während sie das taten, verwandelten sie sich. Auch die Hunde sprangen heran und änderten dabei die Gestalt. Sie wurden alle zu scheußlichen Dämonen, mit langen Fangzähnen und einem blauleuchtenden Hals. Ihre Haare waren von Blut verklebt, ihre Nägel ungepflegt und ihre menschlichen Körper verdreckt.

„Das sind Rakshasa“, erklärte Orion und zog den Kopf ein, „angeblich werden Menschen nach ihrem Tod zu diesen Dämonen, wenn sie das Gehirn von Artgenossen verspeisen.“ Zur Antwort gab Kleopatra ein Würgen von sich und einer der Rakshasa erläuterte, dass er und die anderen damals im Zeitalter des Dunkelelfen gefallen waren, als dieser auf alle menschlichen Schatzsucher seine Verbündeten hetzte.

„Grotesk“, fand Akiko die Tatsache, dass aus Menschen, die durch Dämonen ums Leben gekommen waren, selbst Dämonen geworden waren, „All das ist schon viel zu lange her und eure Unsterblichkeit wird im Allgemeinen überbewertet.“

„Ganz schön frech, für so eine Göre“, fand der neue Wortführer, „nachdem wir die anderen erledigt haben, wirst du uns zusammen mit dem braunhaarigen Knaben als Festmahl dienen. Wir lieben Menschenfleisch.“

„Ich bin eine Amazone, kein schwacher Mensch!“, fauchte Akiko und hetzte ihm einen Fluch auf den Hals, allerdings duckte sich der Widersacher schnell genug und so wurde ein anderer Rakshasa getroffen, der dahin schmolz wie Butter in der Sonne.

„Ich war einst ein mächtiger König, vor dem das Menschenvolk zitterte und ihm zu Füßen lag“, grollte der Dämon und zeigte die Fangzähne, „mich wirst du so einfach nicht los.“

„Langsam wird sie mir richtig unheimlich“, jammerte Kleopatra, Drac’o drehte den Kopf, leider saßen zwei andere Feinde bereits auf dem Gepäck, er kam an Pfeil und Bogen nicht heran und er hatte auch kein Feuer mehr. Ein weiterer Rakshasa hielt den Speer in den Händen, der Asmodi durchbohrt hatte. Zwar setzte Orion eine Drohgebärde auf, konnte aber niemanden damit erschrecken. Leon kniete hilflos am Boden, ein Dämon war genau neben ihm und knurrte ihm ins Gesicht.

„Du wirst es bereuen, mich herausgefordert zu haben“, kam es von oben, wo Akiko mit geschlossenen Augen auf ihrem Teppich saß. Ein Donnern war zu hören, eine dunkle Gewitterwolke ballte sich zusammen, es blitzte, ein Rakshasa wurde getroffen und zerfiel zu Staub.

„Attacke!“, brüllte nun der Anführer. Mehrere Untergebene sprangen auf Orion zu, schlugen auf ihn ein, ein weiterer nahm Drc’o in den Schwitzkasten und viele Klauen haschten nach der hysterisch kreischenden Fee. Doch im selben Moment zuckten weitere Blitze aus der Gewitterwolke, Leon duckte sich gerade unter einem Fausthieb weg, als der Dämon neben ihm erfasst wurde. Seine Kumpane erlitten dasselbe Schicksal, alle zerfielen zu Staub und die Gewitterfront löste sich auf.

„Dort!“, rief Drac’o, als ein einzelner Geier davon flog, doch als er Pfeil und Bogen in Händen hielt, war der Vogel längst über alle Berge. Unterdessen trudelte der fliegende Teppich zu Boden, die Amazone lag darauf und sah ziemlich blass aus, die Magie hatte ihr viel Kraft geraubt.

„Gib’ ihr das“, murmelte Drac’o, als er wieder seine Elfengestalt angenommen hatte und zog die Phiole mit dem Stärkungstrank aus seiner Bauchtasche.

„Warum ich?“, motzte Kleopatra.

„Erstens könntest du selbst ein paar Tropfen davon gebrauchen und zweites bist du ein Mädchen. Sie wird dich an sich heranlassen, ich habe keine Lust, dass sie mir die Augen auskratzt oder mich tritt.“ Das leuchtete der Fee natürlich ein und so fügte sie sich, schon bald war Akiko wieder auf den Beinen.

„Ich bin gut im Training“, gab sie an, „früher hat mich das Beschwören der Elemente noch mehr angestrengt. So ein Gewitter herbeizurufen oder den Erdboden zu öffnen ist kein Zuckerschlecken.“

„Wir sind dir auch sehr dankbar“, sprach Orion wie nebenbei und sah derweil zu Leon, „und du hast uns das Leben gerettet.“ Flux nickte eifrig und der Knabe steckte den wieder verkleinerten Speer weg.

„Das ist doch nicht der Rede wert … ansonsten war ich keine große Hilfe.“

„Aber du hast den General besiegt“, ereiferte sich sein Bruder, „das soll erst einmal jemand nachmachen!“ Im Hintergrund wurde Akiko ganz rot vor Zorn, schließlich hatte sie weit mehr Dämonen zur Stecke gebracht.

„Aber unsere junge Fee war auch sehr tapfer“, lobte Orion, „das hast du wirklich gut gemacht. Du wirst bestimmt einen fantastischen Abschluss auf Morganas Zauberschule erreichen.“

Kleopatra winkte geschmeichelt ab, „Unsere Zusammenarbeit war schon richtig gut und allemal besser als die unserer Feinde, die sich wie Einzelkämpfer aufführten.“ Orion und die anderen nickten bestätigend, nur die Amazone verschränkte die Arme und schmollte. Der Wind wehte den Staub davon und der Teer versickerte im Boden, zurück blieben nur die Gebeine des Karkadann, die aber bald einen Liebhaber fanden. Knirschend und schmatzend zermalmte der Leucrota sie mit seinen stahlharten Knochenkämmen, bis nichts mehr davon übrig war.