15. Kapitel

Einen Moment lang kollidierten Vergangenheit und Gegenwart mit solcher Wucht, dass beides untrennbar miteinander verschmolz. Ramsey kämpfte heftig gegen Devs unsanften Griff, mit dem er sie zwischen die Bäume zog. Als könnte sie sich, indem sie sich losriss, auch vom Griff der Vergangenheit befreien, der sie nach wie vor fest umklammerte.

Zweige und Buschwerk kratzten an ihrer nackten Haut, als sie hinter der riesigen Kiefer in Deckung ging. Die umstehenden Bäume schlossen sie ein, und die Dunkelheit umfing sie wie ein tintenschwarzes Tier, das sie zu ersticken drohte. Aus Angst, dass das Geräusch ihr Versteck preisgeben würde, wagte sie nicht zu atmen.

Er war nah genug, dass er sie mit ausgestreckter Hand hätte berühren können. Und der Gedanke, was sie erwartete, wenn sie es nicht schaffte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren und ihre Haut eiskalt werden.

»Ich weiß, dass du hier irgendwo bist. Ich kann deine Muschi riechen. Warum kommst du nicht einfach raus, dann können wir zwei uns ein bisschen amüsieren, ehe die anderen Drecksäcke uns finden. Diesmal lass ich mich nicht mit einem Platz in der zweiten Reihe abspeisen. Komm schon, du Schlampe, du willst es doch auch. Spar dir die Zeitverschwendung.«

Sie kam heraus und schlug ihm mit aller Kraft den Ast über den Schädel.

»Schon gut, ich hab dich ja losgelassen, okay? Reichlich hirnverbrannt, zu dieser späten Stunde in den Wald zu rennen. Jetzt komm schon, Ramsey. Wir gehen einfach wieder zum Auto zurück, einverstanden?«

Es dauerte einen Moment, bis Devs leise, beruhigende Stimme zu ihr durchdrang. Und noch einen, ehe sie seine Worte aufgenommen hatte. Erst dann reagierten ihre erstarrten Muskeln, und sie schwenkte die Taschenlampe in seine Richtung. Sein Gesichtsausdruck löste massive Verlegenheit in ihr aus.

Mitleid. Vermischt mit Argwohn. Warum sollte er auch nicht argwöhnisch sein? Sie hatte sich wie eine Irre aufgeführt, die reif für die Anstalt ist.

Guter Gott. Sie holte tief und abgehackt Luft, während sie wünschte, sie könnte ihren Puls zur Ruhe bringen. Nach ihrer Reaktion zu urteilen, war sie sich gar nicht so sicher, dass sie nicht tatsächlich in eine Anstalt gehörte. Dennoch lief es ihr immer noch derart eiskalt den Rücken hinunter, dass ihr ganzer Körper zitterte.

»Alles in Ordnung.« Und das stimmte. Schließlich wallte Wut in ihr auf und rang mit den Resten der Angst.

»Ja, sicher.« Dev begann sie langsam mit sich in die Richtung zu ziehen, aus der sie gekommen waren. »Aber ich bin auf einmal überhaupt nicht mehr scharf darauf, durch den Wald zu traben. Ich kann heute Nacht sowieso nichts machen, was ich nicht auch bei Tag erledigen könnte. Wollen wir nicht lieber in die Stadt zurückfahren?«

Einen Moment lang schrie alles in ihr nach der Gelegenheit, den Ausweg zu ergreifen, den er ihr anbot. Ihm zu gestatten, so zu tun, als sei er es gewesen, der es sich anders überlegt hatte. Er, der die Vorstellung nicht ertragen konnte, nach Einbruch der Nacht noch tiefer in den finsteren Wald vorzudringen.

Die Wucht dieses Verlangens erhärtete ihre Entschlusskraft. Selbst wenn sich dadurch das Zittern nicht unterdrücken ließ, das nach wie vor ihren ganzen Körper erschütterte.

Sie schüttelte heftig den Kopf. »Schon in Ordnung. Mir geht’s gut.«

»Aber mir nicht.« Dev legte ihr locker einen Arm um die Taille, um sie sanft zur Lichtung zurückzuführen. Mit fest zusammengebissenen Zähnen wich sie seiner Berührung aus und trat einen Schritt tiefer in den Wald.

»Die Lichter sind noch da.« Waren sie mittlerweile matter geworden? Waren sie jetzt weiter weg? Ramseys Körper bebte bei der Vorstellung, ihnen zu folgen.

»Ramsey.« Devs Stimme an ihrer Seite war so sanft wie nie. Ihr Klang ließ etwas in ihr vor Scham fast verdorren. »Du brauchst das nicht zu tun. Weder du noch ich.«

»Kommst du mit?« Ihr Fuß fühlte sich an wie in Blei gegossen, als sie ihn zum Schritt nach vorn anhob. Ihr Atem ging flach, während sie sich zum nächsten Schritt zwang.

Sie musste all ihre Kraft aufwenden, um nicht zusammenzuzucken, als sie das leise Geräusch hörte, das er machte, als er ihr folgte. Um sich nicht wegzuwinden, als er seinen Arm durch ihre Armbeuge schob. Das hier war Tennessee, nicht Mississippi. Und es war Dev, nicht … die.

Und sie war keine fünfzehn mehr.

»Die Lichter entfernen sich«, murmelte er und beschleunigte seinen Schritt.

»Fast, als würde derjenige, der sie hat, davonlaufen.«

Dev fasste nach oben, um einen tief hängenden Ast aus dem Weg zu biegen. »Das passt doch nicht zusammen. Wenn die Lichter von einem Menschen stammen, dann müssten sie ja am Rücken des Betreffenden angebracht sein, damit man sie sieht, wenn er davonläuft.«

Irgendwo seitlich von ihnen krächzte etwas, und Ramsey bekam eine Gänsehaut. Es war kein Sumpf in der Nähe, versicherte sie sich selbst. Und sie waren ein gutes Stück von Ashton’s Pond entfernt.

»Vielleicht ist es Kleidung mit irgendwelchen Reflektorstreifen«, mutmaßte Ramsey. Es war eine Winzigkeit leichter, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wenn sie verdrängte, wo sie war. Was sie tat. Sie konnte sich nicht vorstellen, was jemand tragen sollte, das die Lichter verursachte, es sei denn …

»Oder Lichtleitfasern.« Sie zog an Devs Arm, der mit ihrem verschränkt war. Das half ihr, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und beruhigte ihre Nerven ein wenig, die bereits blank lagen. »Wie diese Weihnachtsbäume mit den verschiedenfarbigen Lichtern, die immer an- und ausgehen. Oder was ist mit diesen neuartigen Sweatshirts, auf denen kleine Glühbirnchen blinken? Wie funktionieren die? Mit Uhrenbatterien oder so was?«

Das Kreischen, das hinter ihnen ertönte, war unmenschlich. Der Laut der Beute, die auf das Raubtier trifft. Und es war so nah, dass Ramsey fast in Devs Arme gesprungen wäre, während ihr wüste Flüche über die Lippen drangen.

»Scheiße, sie sind weg. Verdammt noch mal!« Dev schüttelte wütend den Kopf, während der Zorn aus ihm herausquoll wie Dampf aus einem Kochtopf. »Siehst du sie noch irgendwo?«

Ramsey schüttelte den Kopf und biss erneut die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Die einzige Beleuchtung kam von der Stirnlampe an Devs Kappe und ihrer Taschenlampe. Langsam ließ sie deren Lichtstrahl über das Gelände vor ihnen streifen. Einmal. Noch einmal.

Fast hätte sie die rasche Bewegung eines Schattens übersehen, der erneut mit der Finsternis verschmolz. Einen Moment lang verkrampfte sich alles in ihr, während sie gegen Ängste ankämpfte, die schon vor mehr als zehn Jahren ausgelöst worden waren.

»Ezra T., komm da raus.« Dev sprach mit fester Stimme und griff nach Ramseys Taschenlampe. »Ich weiß, dass du es bist. Ich hab die Tierlaute gehört, die du vorhin gemacht hast. Jetzt komm schon. Wir tun dir nichts.«

Ramsey blieb stocksteif stehen, die Glieder gespannt bis zum Anschlag. Sie hatte das Gefühl, in eine Million Stücke zu zerspringen, wenn sie lockerließ.

Langes Schweigen trat ein, bis schließlich eine Stimme sagte: »Bin nicht Ezra T.«

»Doch, bist du. Jetzt komm schon raus. Ich lass mich nicht von dir an der Nase herumführen.«

Selbst in der Dunkelheit erkannte Ramsey den jungen Mann sofort, der nun hinter einem Baumstamm hervortrat und ein bisschen näher kam, ehe er erneut hinter einer dicken Eiche Zuflucht suchte. Falls sie sich nicht irrte, trug er sogar exakt das Gleiche wie beim ersten Mal, als sie ihn hinter dem Haus der Tibbitts erspäht hatte. Sein braunes Haar war strähnig und verfilzt und stand in wirren Büscheln vom Kopf ab. Mit seinen mehrere Tage alten Koteletten wirkte er älter, als er war.

»Du hast nicht gewusst, dass ich es bin.«

»Ich hab dich schon mal gesehen. Du hast mich vor ein paar Tagen am Ashton’s Pond beobachtet, stimmt’s? Deine Vogelschreie klingen wirklich echt.«

»Du bist Stryker. Duane hat mir alles über dich erzählt.« Ramsey spürte den durchdringenden Blick des Mannes in der Dunkelheit auf sich ruhen. »Bist du unartig gewesen, Missy?«

Trotz der kalten Schauer, die ihr noch immer über den Rücken liefen, trat sie einen Schritt vor. Sie wollte mit diesem Mann reden, seit sie zum ersten Mal von ihm gehört hatte. »Ich heiße Ramsey, Ezra T. Du kennst dich hier im Wald ziemlich gut aus, was?«

»Man kriegt Poposex, wenn man unartig war«, plapperte er. Als er auf die andere Seite des Baums wechselte, verschwand er für einen Augenblick außer Sicht. »Echt wahr.«

»Hast du in letzter Zeit irgendwen im Wald gesehen, Ezra T.?« Dev hatte sie hinsichtlich der intellektuellen Fähigkeiten des Mannes vorgewarnt; ebenso Rollins, als sie ihn gefragt hatte, ob er Ezra vernommen habe. Doch selbst ein Kind konnte wertvolle Hinweise geben, wenn man es richtig anstellte.

Der andere Mann kam nicht wieder hervor, doch er streckte einen Finger um den Baumstamm herum nach Dev aus.

»Du hast also Devlin gesehen, als er am Teich war. Hast du noch jemand anderes gesehen, ehe du ihn gesehen hast?«

»Hab die Cops gesehen.« Die Stimme wirkte körperlos und kam regelrecht aus seinem Versteck geschwebt.

»Es waren bestimmt viele da.« Ohne bewusst nachzudenken, trat Ramsey näher an den Baumstamm heran, hinter dem er sich versteckte. »Und bevor die Cops gekommen sind?«

»Tot is’ tot. Sie is’ tot. Sie war unartig.«

Ramsey hakte nach. »Wer, Ezra T.? Wer war unartig?«

»Aber jetzt is’ sie wieder da. Schreit die ganze Zeit. Hört ihr sie nich’ schreien?«

»Ramsey, er kann uns nicht helfen«, flüsterte Dev ihr zu.

Doch sie war anderer Meinung. Indem sie die Taschenlampe weiter auf den Boden gerichtet hielt, ging sie um den Baum herum, bis sie den jungen Mann im Blick hatte. »Hast du die Frau gesehen, die in den Ashton’s Pond geworfen wurde, Ezra T.? Hast du gesehen, wer sie dort reingeworfen hat?«

»Mach, dass sie zu schreien aufhört.« Seine Stimme wurde schrill, und er schlug sich beide Hände über die Ohren. »Mach, dass sie aufhört.«

»Du hast sie schreien hören? Hat sie um Hilfe geschrien? Wer hat ihr wehgetan, Ezra T.? Hast du gesehen, wer sie in den Teich geworfen hat?«

»Gibt nur ein Mittel, dass sie zu schreien aufhört. Mach sie tot. Mach, dass sie aufhört.« Seine Worte kamen jetzt schneller, hektischer. Und sein Gesichtsausdruck ließ Ramsey erneut das Blut in den Adern stocken.

»Hat jemand dafür gesorgt, dass sie zu schreien aufhört, Ezra. T.? Hast du gesehen, wer es war? Hast du …?«

Auf einmal machte er einen Satz auf sie zu. Sie wich zu spät aus und stolperte rückwärts, wobei sie mit dem Fuß an einer Baumwurzel hängen blieb und fast hinfiel. In null Komma nichts hatte er ihr einen Arm um die Kehle geschlungen und sie mit erstaunlich festem Griff an seine Brust gerissen.

»Du bist auch unartig!« Er dünstete alten Schweiß und den leichten Fäulnisgeruch des Waldes aus. Ramsey verzog das Gesicht und versuchte seinen Griff zu lösen, ohne ihm wehzutun. »Echt wahr. Du bist auch bald tot. Aber fang bloß nich’ an zu schreien, hörst du? Kein Geschrei mehr.«

Dunkel nahm sie wahr, wie Dev ihr zur Seite sprang, Ezra T. anbrüllte und versuchte, ihn von ihr loszumachen. Doch vor ihren Augen begannen bereits Flecken zu tanzen, als er noch fester gegen ihre Luftröhre drückte. Und jede noch verbliebene Sorge um den jungen Mann schwand abrupt.

Sie rammte ihm mit voller Wucht den Ellbogen in den Bauch. Er jaulte erstaunt auf, ein seltsam kindlicher Laut, und lockerte seinen Griff. Dev machte Ezras Arm von Ramsey los und schob sie von ihm weg.

»Was zum Teufel ist mit dir los, Ezra T.? Du weißt doch, dass du so was nicht machen darfst!«

»Sie war unartig, sie war unartig«, quäkte er und zeigte mit dem Finger auf Ramsey. »Sie is’ bald tot.«

»Ezra T. …«

Da rannte der junge Mann los, so schnell und unvermittelt wie ein Vogel, der davonfliegt. Doch als Dev hinter ihm hersetzen wollte, sagte Ramsey: »Lass ihn laufen.«

Er musterte sie und sah dabei so grimmig drein, wie Ramsey ihn noch nie erlebt hatte. »Du hattest recht. Er muss einiges erklären. Jetzt mehr denn je.«

Müde schüttelte sie den Kopf. »Nein, du hattest recht. Du und Rollins habt beide gesagt, dass es sinnlos ist, ihn zu befragen. Er kann uns nicht helfen. Gehen wir.«

Sein Zögern wurde offensichtlich, als er zu ihr zurückkam. Doch dann blieb er direkt vor ihr stehen und strich ihr mit sanften Fingern über den Hals. »Hat er dir wehgetan?«

Seine Zärtlichkeit nach all den Qualen dieses Abends machte sie schwach. Um sich erneut zu wappnen, zuckte sie die Achseln. »Ich hab schon Schlimmeres erlebt, als ich mal eine fuchsteufelswilde Crack-Hure gejagt habe.«

»Ein lebhaftes inneres Bild.« Er legte ihr einen Arm um die Taille und ging mit ihr auf die Lichtung zu. Da fiel Ramsey ein, dass die Ereignisse um Ezra T. sie komplett von ihrer Reaktion auf den Wald abgelenkt hatten.

Irgendwie konnte sie ihm aber nicht so richtig dankbar dafür sein.

»Ich hab dir doch gesagt, dass mir nichts fehlt. Und auch wenn dieses Date unvergesslich war, muss ich wieder an die Arbeit.«

Unerschüttert wartete Dev, bis die Mikrowelle Ping machte, ehe er den Becher entnahm. »Marshmallows?«

»Ich habe gesagt …« Sie hielt inne, um ihn eindringlicher zu mustern. »Marshmallows?«

»Als Kind fand ich heißen Kakao nie so ganz den Knüller, solange es keine geschmolzenen Marshmallows obendrauf gab.«

»Ich bin keine sechs mehr, Stryker.«

Indem er ihre Antwort als Nein auffasste, griff er nach dem Bailey’s, gab einen Schuss in den Kakaobecher und rührte das Ganze um, ehe er das Getränk vor Ramsey abstellte.

Sie musterte es argwöhnisch, ehe sie ihm einen scheelen Blick zuwarf. »Was hast du da reingetan?«

Er zog die Mundwinkel nach oben. »Als Erwachsener fand ich schon immer, dass heißer Kakao nie so ganz der Knüller ist, solange nicht ein kleiner Schuss Schnaps drin ist.« Um ihre Befürchtungen zu dämpfen, griff er nach dem Becher und trank einen Schluck, ehe er ihn wieder vor sie hinstellte. »Trink.« Ihre Finger umfassten den Becher, als wollten sie dessen Wärme aufsaugen. So kalt, wie ihre Haut noch immer war, hatte sie das bitter nötig.

»Und da dachte ich, in Cripolo gäbe es ein paar schillernde Gestalten.«

»Gibt es bestimmt. Aber wir haben hier auch welche.« Da sie noch eine Aufforderung zu brauchen schien, stupste er sie sachte an der Hand, bis sie den Becher zum Mund führte und daraus trank. »Ich hätte nie erwartet, dass Ezra T. dermaßen ausrastet. Es tut mir leid, dass er dir wehgetan hat.«

»Und mir ist peinlich, dass er es überhaupt geschafft hat.« Ihre Stimme klang verdrossen, aber kräftiger als zuvor. Sie trank noch einen Schluck. »Es war die reine Blödheit meinerseits, mich dermaßen überrumpeln zu lassen.«

Er hätte gewettet, dass das auch nicht oft passierte. Sie war sowohl emotional als auch körperlich auf der Hut, und beides war gleichermaßen unüberwindlich. »Du warst abgelenkt.«

»Alles in allem keiner meiner besten Abende.«

»Du musst nicht immer unbesiegbar sein, Ramsey. Zumindest nicht in meiner Gegenwart. Wenn du dich ab und zu mal verletzlich zeigst, heißt das noch nicht, dass du schwach wärst.« Der Anblick ihrer Verletzlichkeit hatte allerdings ihn schwach gemacht, und er schämte sich nicht, das zuzugeben. Ihm wurde immer noch flau im Magen, wenn er sich vor Augen führte, wie panisch sie geworden war. Es gab ihm nachhaltig zu denken. Und er fühlte sich zwangsläufig als ihr Beschützer.

Was ihn etwas ratlos machte, denn bis heute Abend hätte er sich niemanden vorstellen können, der weniger schutzbedürftig war als Ramsey Clark.

Sie nippte in beschaulichem Schweigen an ihrem Kakao. Als sie endlich etwas sagte, sprach sie leise. »Wenn du einmal in der Gewalt von jemandem warst, schwörst du dir, dass das nie wieder passieren wird. Dass du stärker wirst. Klüger. Und dass sich die Geschichte nie wiederholen wird, weil du gewachsen bist und dich verändert hast und nicht mehr dieselbe Person bist.«

Dev nickte und griff nach ihrem Becher. Er nahm einen großen Schluck und reichte ihn ihr wieder. Ihre Worte hallten tief in ihm wider, dort, wo noch Erinnerungen an ihn selbst als Junge wohnten. Die Idee seines Stiefvaters, ihn boxen zu lehren, war nur ein pseudozivilisierter Vorwand dafür gewesen, ihn halb totzuschlagen, wann immer ihm der Sinn danach stand. Er erinnerte sich noch gut an das lodernde Brennen der Bitterkeit, wenn er mit seinen frischen Blutergüssen auf dem Bett lag. Danach hatte er doppelt so hart trainiert, in jeder freien Minute. Nur um diesen Dreckskerl irgendwann einmal umnieten zu können.

»Wir haben da so eine Redewendung in Cripolo, Mississippi. Wenn du in der Gosse geboren bist, riechst du, auch wenn du groß wirst, immer noch nach Scheiße. Ich glaube, ich habe den größten Teil meines Lebens damit zugebracht, den Gestank loszuwerden. Ich bin sogar mit siebzehn geflüchtet und habe geheiratet, entschlossen, Cripolo und den Namen Hawkins hinter mir zu lassen.« Sie lächelte selbstironisch. »In unseren drei Monaten Eheglück hat er mir das eine Trommelfell zerrissen, mir die Nase und zwei Rippen gebrochen und mir den Backenzahn rechts oben ausgeschlagen. Als ich Marlin Clark verlassen habe, war ich fest entschlossen, ihn nie wiederzusehen. Aber seinen Nachnamen habe ich behalten, weil selbst der Name eines verlogenen, fremdgehenden, seine Frau prügelnden miesen Drecksacks noch besser war, als Ramsey Hawkins zu sein.« Sie setzte den Becher an die Lippen. »Deshalb ja. Unbesiegbar ist gut.«

Er antwortete nicht gleich. Konnte nicht. Nicht mit diesem felsblockgroßen Wutkloß im Hals. Er ballte die Hände und löste sie wieder, während er gegen eine archaische Wut ankämpfte, die ebenso unerwartet wie überwältigend war.

Eine ganze Weile verstrich, ehe er etwas sagen konnte. Seine Stimme klang belegt. »Es kann nicht so schwer rauszukriegen sein, wo sich der Typ zurzeit aufhält.« Er grinste animalisch. »Vielleicht schau ich mal bei ihm vorbei.« Plaudere mit ihm über die alten Zeiten. Und begleiche in Ramseys Namen Rechnungen …

Sie musterte ihn mit verständnisloser Miene über den Becherrand hinweg. »Wozu?« Etwas in seinem Gesicht musste sie hellhörig gemacht haben, da rasch Erstaunen folgte. »Du kennst ihn doch gar nicht.«

»Ich kenne dich.«

Es war so ziemlich das erste Mal, dass ihr in seiner Gegenwart die Worte fehlten. Ihre Blicke fixierten sich lange, ehe ihrer kaum merklich weicher wurde.

»Er ist tot. Bei einer Kneipenschlägerei vor ein paar Jahren umgekommen. Es ist Zeitverschwendung, über ihn nachzudenken. Ich tu’s ja selbst nicht.«

Doch Dev wusste, dass er über ihn nachdenken würde. Wusste, dass er es bedauern würde, keine Gelegenheit zu bekommen, den Hurensohn für das, was er Ramsey vor all den Jahren angetan hatte, bluten zu lassen – wenigstens ein bisschen.

Ebenso wusste er, dass ihr Exmann nur einen Teil dessen ausmachte, was sie geformt hatte.

Sie schob den Becher beiseite und stand auf. Jetzt wollte sie bestimmt gehen, und ihm fiel nichts ein, womit er sie hätte aufhalten können. Er wusste nicht einmal, ob es klug wäre, es überhaupt zu versuchen. Nicht, solange all diese Emotionen in ihm wilde Purzelbäume schlugen.

Er stand ebenfalls auf und machte Anstalten, sich wegzudrehen. Doch auf einmal war Ramsey bei ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm, zögerlicher, als er es sonst von ihr kannte.

»Ich weiß nicht, ob sich schon jemals jemand für mich eingesetzt hat …« Ihr Erstaunen darüber zeichnete sich auf ihrer Miene ab. Sie trat auf Zehenspitzen auf ihn zu und berührte seine Lippen sachte mit den ihren, ehe sie ihren Mund fester auf seinen presste. Seine Arme schlangen sich wie von selbst um sie, und er erwiderte den Kuss ohne die Zurückhaltung, die er bislang an den Tag gelegt hatte.

Jetzt gab es ohnehin kein Halten mehr. Die Ereignisse des Abends, die Enthüllungen, die Ramsey gemacht hatte, setzten etwas Archaisches frei, das Dev nicht mehr zurückhalten konnte. Er wusste auch gar nicht, warum er das wollen sollte.

Mit einer Hand umfasste er ihren Hinterkopf und erwiderte den Kuss mit all dem Verlangen, das sich seit Tagen in ihm aufgebaut hatte. Der letzte Rest seiner Selbstbeherrschung schwand dahin.

Ihr Geschmack wallte durch seinen ganzen Körper und trieb seinen Herzschlag an. Ließ seine Hormone verrücktspielen, nachdem sie seit ihrer ersten Begegnung stets hatten kuschen müssen.

Nun war Schluss mit Kuschen.

Ohne Ramsey loszulassen, schob Dev sie nach hinten, bis sie am Kühlschrank lehnte. Während er seinen Mund in ihren vergrub, ließ er seine freie Hand über die Rundung ihrer nackten Schulter gleiten und fuhr ihren Arm hinab, dessen feste Muskeln er unter der glatten Haut erspürte. Dann schob er die Hand in den seidigen Stoff ihres Tops und umfasste warmes, weiches Fleisch.

Ihr Nippel war ein harter Knoten, den er zwischen Daumen und Zeigefinger rollte. Er spürte ihre Finger in seinem Haar, während sie sich enger an ihn presste, und vernahm ihr leises, lustvolles Stöhnen.

Lange hatte er sich diesen Augenblick ausgemalt. Über jeden Quadratzentimeter Haut nachgedacht, den er schmecken wollte. Wie er sich Zeit lassen würde, um jeden Teil ihres Körpers zu berühren und zu streicheln. Doch sein Verlangen war ein freigelassenes Raubtier, das rücksichtslos voranpreschte und sich über sämtliche Versuche, es unter Kontrolle zu halten, lustig machte. Langsam war keine Alternative.

Ihre Münder rangen miteinander, Lippen, Zungen und Zähne prallten aufeinander, während der Kuss immer tiefer wurde und die erste Gier stillte.

Sein Verstand verschwand in einem Nebel der Lust. Trotzdem registrierte er leise Beunruhigung darüber, wie schnell ihr Geschmack ihn völlig durchdrungen hatte und jeden Teil von ihm vor Verlangen beben ließ.

Seine Lippen beschrieben einen Weg über ihr Kinn, ehe sie sich nicht ganz sanft auf ihrem Ohrläppchen niederließen. »Wenn das hier nichts als Dankbarkeit ist, dann sag’s mir lieber gleich.« Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an in Erwartung ihrer Antwort. Machte sich über seine unausgesprochene Absicht lustig, das hier zu beenden.

Langsam schlug sie mit schweren Lidern die Augen auf. Und was er in deren Tiefen sah, ließ seinen Unterleib zu einem glühenden Ball des Verlangens werden. »So dankbar bin ich nun auch wieder nicht.« Sie zog ihm das Hemd heraus, um mit den Händen darunterfahren zu können.

Seinen Händen fehlte das gewohnte Zartgefühl, als er ihr die Träger des Tops über die Arme zerrte, um ihre Brüste zu befreien. Er schluckte schwer bei ihrem Anblick, hoch und fest, glatte weiche Halbkugeln mit rosafarbenen Nippeln. Die Lust traf ihn wie ein Fausthieb.

Er hatte Intimitäten noch nie auf die leichte Schulter genommen, doch er konnte sich nicht erinnern, je ein derartiges Verlangen empfunden zu haben. Sein Blut kochte geradezu in den Adern. Ein nüchternerer Mann hätte nun einen Gang zurückgeschaltet, gerade lange genug, um sich abzukühlen und wieder zur Vernunft zu kommen.

Doch ihm war nie unvernünftiger zumute gewesen. In seiner archaischen Lust auf den Geschmack von Fleisch senkte er den Kopf, um einen Nippel in den Mund zu nehmen, während er den anderen noch mit der Hand liebkoste.

Dev umzüngelte die straffe Knospe, ehe er fest daran saugte. Ramseys Hände wurden etwas hektischer, während sie ihm über die Brust fuhren, und ihre Nägel kratzten ihn leicht, bevor sie die Finger um seine Schultern krallte. Dumpf hörte er etwas zu Boden fallen, und sie schlang ihm fest ein Bein um den Schenkel. Da wusste er, dass Ramsey ihn diesmal nicht aufhalten würde. Sich nicht entziehen würde. Aus unerfindlichen Gründen half ihm diese Erkenntnis dabei, ein wenig Kontrolle zurückzugewinnen.

Er hob den Kopf und öffnete die Augen, um ihren Nippel zu sehen, der hart und feucht aus seinem Mund kam. Das sinnliche Bild gefiel ihm, da es ihm Lust auf mehr machte. Er wollte sie nackt haben. Fleisch gegen Fleisch. Er wollte sie erregt und fordernd sehen, satt und zufrieden. Und alles, was an Gefühlen dazwischen lag. Was immer er von ihr bekommen konnte. Was immer ihre unerschütterlichen Abwehrmechanismen gestatten würden.

Und dann wollte er noch mehr: all die Geheimnisse, die sie vor der Welt verbarg, all die Gefühle, die sie sich selbst verweigerte. Er wollte die Mauern einreißen, mit denen sie sich abschottete, bis er in jedem Duft, jedem Flüstern und jedem Seufzer schwelgen und sich endlich selbst sagen konnte, dass er alles gehabt hatte.

Das Wissen, dass das unmöglich war, fachte die Flammen seines Begehrens nur umso mehr an.

Sie schob ihm das Hemd die Brust hinauf, und er hob bereitwillig die Arme, damit sie es ihm über den Kopf ziehen konnte. Dann schlang er ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich, bis Haut Haut küsste. Beide stöhnten gleichzeitig auf.

»Vielleicht sollten wir uns lieber aus der Küche entfernen.«

»Ja?« Mit dem Nagel ihres Zeigefingers fuhr sie dort an seinem Brustkorb entlang, wo er in ihren Körper überging. »Warum die Eile?«

»Keine Eile.« Er beugte sich vor, um ihren Hals zu streicheln, und zwickte sie sanft in die Haut. »Ich habe alle Zeit der Welt. Und es macht mich seltsamerweise total an, wenn ich mir vorstelle, dich nackt auszuziehen und hier auf den Tisch zu legen.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er mit der Fingerspitze ihren einen Nippel stupste und sie erschauern spürte. »Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht schon lange davon träume, dich zu genießen …«

Wie als Antwort auf seine Worte legte sie ihm die Hände auf die Brust und stieß ihn leicht weg. Bereitwillig wich er ein wenig zurück. Als sie die Hände zum Saum ihres Tops sinken ließ, geriet sein Herz ins Stolpern, ehe es erneut schwer zu schlagen begann.

Ohne den Blick von ihm abzuwenden, schob sie das Top nach oben, zog es aus und ließ es fallen. Der Anblick ihres nackten Oberkörpers zwang ihn, sie zu berühren.

Er neigte den Kopf, um mit der Zunge an die Kuhle unter ihrer Kehle zu gelangen, während er zugleich eine Hand um die seidige Haut ihrer Taille legte und eine ihrer Brüste umfasste. Der massive Kontrast zwischen der Weichheit unter seinen Händen und ihrer inneren Härte war endlos faszinierend, und er war sicher, dass er nie müde werden würde, diese Frau zu erforschen.

Der Gedanke ließ ihn innerlich auf die Bremse treten. Eine kompliziertere Frau als Ramsey Clark gab es praktisch nicht. Es hatte keinen Sinn, sich mehr zu wünschen. Das hier war wahrscheinlich alles, was zu haben war. Alles, was es geben konnte.

Indem er die aufwallende Traurigkeit verdrängte, die diese Beobachtung mit sich brachte, umfasste er ihren Hintern und legte die Finger um das feste Fleisch. Es trieb ihn fast in den Wahnsinn, wenn er nur daran dachte, ihr die schmalen Bermudas über die langen Beine zu streifen und dabei jeden Zentimeter nackter Haut mit dem Mund nachzuzeichnen.

Doch im nächsten Moment nahm ihm Ramsey die Entscheidung ab, indem sie zum Verschluss ihrer Bermudas fasste und sie aufknöpfte.

Ihm schnürte es beinahe die Kehle zu, während sie ihn mit wissendem Lächeln ansah, und er begriff, dass sie die Kontrolle über die Situation übernommen hatte. Da er ein Mann war, der sich keine Gelegenheit entgehen ließ, trat er einen Schritt zurück und ließ es zu. Fürs Erste.

Quälend langsam zog sie den Reißverschluss auf. Dev trat der Schweiß auf die Stirn. Sein Blick klebte auf jedem Stückchen blasser Haut, das sie mit dem Öffnen des Reißverschlusses bloßlegte. Wie auch immer es weiterging, er wusste, er würde diesen Moment nie vergessen. Ramseys dunkle, wissende Augen und der verführerische Schwung ihrer Lippen. Nackte, erregte Brüste. Von Lust gezeichnete Nippel.

Er grub die Finger in die Handflächen, um sein Verlangen nach ihr zu bezwingen. Widerwillig wich er ein paar Schritte zurück und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Tischkante, ohne den Blick von ihrem Körper zu lösen.

Sie hakte die Daumen seitlich in den Hosenbund und streifte die Bermudas langsam über die Hüften, was unverhältnismäßig lang zu dauern schien. »Brauchst du vielleicht ein bisschen Hilfe, Süße?« Als sie abwinkte, hätte er am liebsten den Kopf in den Nacken geworfen und geheult wie ein Wolf.

»Ich zieh mich eigentlich schon länger alleine aus.«

»Honey, wenn du es immer auf die Art machst, dann wundert es mich, dass du überhaupt noch zu was anderem kommst.«

Sie musterte ihn wissend. »Kritisierst du meine Technik?«

Er schüttelte den Kopf und flehte innerlich ihre Hände an, dass sie sich wieder in Bewegung setzten. »Ich mache nur eine Beobachtung.«

»Irgendwie ist das jetzt das erste Mal, dass du es so eilig hast.«

»Ich hab keine Eile.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, die Worte auf sein Gehirn einwirken zu lassen. Und noch tiefer. »Wir haben alle Zeit der Welt.«

Nach einer Pause, die man nur als grausam bezeichnen konnte, begann sie die Bermudas erneut nach unten zu ziehen. Weit genug, um ihren flachen Bauch und ein schwarzes Spitzenhöschen zu enthüllen, wie er es in Ramseys Besitz nie vermutet hätte.

Während er ein Stoßgebet an einen gnädigen Gott sandte, schluckte er schwer und versuchte, seine nachlassende Selbstdisziplin zu beschwören. Die Bermudas hatten es mittlerweile bis zu ihren Oberschenkeln geschafft. Es erschien ihm nur höflich, hinzufassen und sie ihr die Beine hinabzuziehen, ehe er einen ausgiebigen Blick auf das Bild warf, das sie in diesem Hauch von Dessous abgab.

Alles Blut schien sich in seinen Lenden zu sammeln.

»Du hast einen Hang zum Boshaften, Süße.« Er knabberte an ihrem Hals, während er die Hände über ihren seidenbedeckten Po gleiten ließ. »Aber du hast einen erstklassigen Unterwäschegeschmack.«

Er schob die Finger unter die Gummilitze, um die weichen runden Backen darunter zu berühren. Doch als ihre Hände an seinen Hosenbund fassten, durchkreuzte er ihre Absicht, indem er sich vor sie kniete.

Mithilfe seiner Hände auf ihrem Po zog er sie näher und spürte ihre Hüften hilflos zucken, als sein Atem sie durch die zarte Spitze traf. Dann drückte er den Mund auf den dünnen Stoff, der ihre feuchte Höhle von ihm trennte. Sachte leckte er daran, während er mit den Fingern ihren Oberschenkel streichelte.

Indem er einen Finger seitlich in ihr Höschen hakte, zog er es ihr die Beine herunter, presste die Lippen auf das glatte Fleisch, das er enthüllt hatte, und spürte, wie sie erschauerte.

Sein Körper spielte allmählich verrückt, und in seinen Ohren rauschte es. Sie zu schmecken, zu fühlen ließ all seine Nervenenden ein Dauerfeuer zünden. Das Herz schlug in seiner Brust Kapriolen. Und als er ihr glattes Fleisch teilte, um einen Finger tief in ihre feuchte Mitte zu schicken, löste ihr unterdrückter Schrei archaische Genugtuung in ihm aus.

Seine Zunge stieß im Rhythmus seiner reibenden Finger gegen ihre Klitoris. Sie krallte sich mit den Nägeln in seine Schultern, und der Schmerz jagte seinen Hunger in fiebrige Höhen. Bestimmt versuchte sie, einen Teil von sich zurückzuhalten. Irgendwo weit hinten in seinem Gehirn wusste er das. Ihre Hüften begannen sich zu bewegen, schneller und schneller, um sich dem Rhythmus seines Mundes anzupassen. Und als sie kam, war ihr Schrei von verstörter Lust gezeichnet.

Der Laut löste quälendes Verlangen in ihm aus. Ihr Körper war knochenlos, als er sich erhob und sie dabei mit einem Arm um den Rücken aufrecht hielt. Ihre Lider flatterten und öffneten sich halb, ihre Augen waren verhangen und wie berauscht. Der Anblick brachte ihn an den Rand der Beherrschung.

Nun war ihm alles andere egal, und er streifte Hose und Sandalen ab. Im letzten Moment dachte er noch daran, ein Kondom aus der Tasche zu ziehen, doch jeder bewusste Gedanke verschwand aus seinem Kopf, als Ramsey ihm den Slip abstreifte und ihn in die Hand nahm.

Ihr Griff war sicher und wissend, als sie ihn streichelte. Mit schläfrig-lüsterner Miene sah sie zu, wie er um seine rasch nachlassende Beherrschung rang und gegen die in ihm tosende Lust die Zähne zusammenbiss. Jede gekonnte Bewegung ihrer Finger führte ihn näher an eine erlösende Reaktion heran, die ihn in eine peinliche Lage brächte, wenn er dem Ganzen nicht bald ein Ende machte.

Er schob ihre Hände beiseite und zog sich mit mehr Hast als Geschick das Kondom über, ehe er nach ihr griff. Sein Herz hämmerte so laut, dass er sicher war, dass sie es hören konnte. Er drehte sie etwas zur Seite und hob sie auf die Tischkante, ehe er ihr die Knie auseinanderschob und sich dazwischenstellte. Sofort schlang sie ihm die Beine um die Taille.

»Ich dachte, das war ein Witz mit dem …« – sie keuchte, als er mit der Spitze seines Schwanzes ihre Spalte berührte – »… Tisch.«

»Nächstes Mal gönne ich dir ein Bett …« Mit einem einzigen langen Stoß drang er in sie ein und hielt erst inne, als er tief in ihr vergraben war, während sein Bewusstsein zersplitterte. Er spürte das zarte Pulsieren ihrer inneren Muskeln an seinem Schaft. Sein Blick verschwamm, und er zog sich fast ganz aus ihr zurück, nur um sich erneut in ihr zu versenken, mit einer Bewegung, die sie beide aufstöhnen ließ.

Da brach sich der Hunger in ihm Bahn, ein wildes, unbezähmbares Raubtier, das nun in die Freiheit drängte. Mit ihren Armen um seinen Hals packte er ihre Hüften und rammte sich mit brutaler Gier in sie. Jeder Gedanke an Kontrolle war verflogen, jede Zurückhaltung vergessen. Ein Gefühl jagte das andere in einem wirren Kaleidoskop der Lust. Er hörte sie stöhnen, als sie kam, und sein Verlangen wurde zu Raserei. Das Gesicht in ihren Haaren vergraben, stieß er härter und härter zu, bis er sich ganz von ihr umhüllt fühlte.

Und als sein eigener Höhepunkt ihn packte und ihn über alles hinwegkatapultierte, dachte er an nichts anderes als an sie.

Die Matratze bewegte sich, und Dev wurde schlagartig wach, sodass er Ramsey gerade noch auf die Schlafzimmertür zugehen sah. »Wo willst du hin?«

»Ich hab dir doch gesagt, dass ich morgen früh los muss. Beziehungsweise heute. Schlaf weiter.«

Den Teufel würde er tun. Er rollte sich vom Bett und folgte ihr zur Tür hinaus, den Flur entlang und in die Küche, wo sie ihre Kleider aufsammelte und sie rasch im Dunkeln überstreifte.

Dev wich zurück, lehnte den nackten Hintern gegen die Ofentür und verschränkte die Arme. »Komm schon, Honey, gehen wir wieder ins Bett.«

»M-m.« Sie hielt warnend eine Hand in die Höhe. »Das funktioniert nur einmal. Okay, zweimal. Aber jetzt muss ich wirklich gehen.«

Er warf einen Blick auf die Uhr über dem Ofen. Drei Uhr morgens. Dev konnte sich keinen triftigen Grund vorstellen, warum sie zu dieser Nachtzeit gehen musste, ganz egal, wie viel sie am nächsten Tag zu tun hatte.

Doch vermutlich musste eine so reservierte Frau wie sie wieder ein wenig Distanz gewinnen, nachdem sie die letzten Stunden in den Armen eines Mannes verbracht hatte. Oder genauer gesagt über ihm, unter ihm und in allen möglichen anderen Stellungen.

Ramsey ging nicht wegen ihrer Arbeit. Sie lief davon.

»Gelegentlich solltest du auch mal schlafen«, sagte er ausdruckslos. Er fasste nach unten, hob eine ihrer Sandalen auf und hielt sie ihr am Riemchen hin, indem er sie von einem Finger baumeln ließ. »Das machen nämlich die meisten Leute um diese Nachtzeit.« Er wurde einfach den Verdacht nicht los, dass sie sich wie ein Dieb hinausgeschlichen hätte, wenn er nicht wach geworden wäre.

»Ich schlafe genug.« Sie griff nach ihrem Schuh, zog ihn an und sah sich um. War es nur seine Einbildung, dass ihr Blick den Tisch gezielt ausließ? »Weißt du noch, wo ich meine Handtasche gelassen habe?«

»Im Auto. Weißt du noch, wie du hierhergekommen bist?«

Angesichts ihrer erschrockenen Miene nahm er an, dass sie es vergessen hatte. »Wenn du so scharf darauf bist, davonzu… ins Motel zu fahren«, erklärte er, »dann warte kurz, bis ich mich angezogen habe. Ich fahre dich.«

»Mist. Jetzt habe ich Schuldgefühle.«

»Das will ich schwer hoffen«, erwiderte er und sammelte seine Kleider vom Küchenboden auf. Es war unwahrscheinlich, dass Schuldgefühle die vorrangige Emotion waren, die in ihr herrschte. Er tippte eher auf Panik.

Die Art von Panik, die eine Person wie Ramsey empfinden musste, wenn sie jemanden zu schnell zu nah an sich heranließ. Dass er das begriff, machte es fast ein wenig leichter zuzulassen, dass die Nacht so endete.

Aber nur fast.