Zeitmanagement und Work-Life-Balance
Alles, was Ordnung in unser von Natur aus chaotisches Leben bringt, ist ein starker Stresskiller. Die wichtigsten dieser strukturellen Stresskiller wollen wir Ihnen im Folgenden vorstellen.
»Ordnung ist das halbe Leben!« Diesen Satz haben wir als Jugendliche nur sehr ungern gehört, weil wir ihn mit einem starren, unspontanen Lebensstil in Verbindung brachten. Im Laufe des Lebens müssen wir aber alle feststellen, dass das Gegenteil von Ordnung, das Chaos, zu den stärksten Stressoren gehört. Irgendwann müssen wir uns also entschließen, Struktur in das eigene Leben und die täglichen Abläufe zu bringen. Damit wir uns bei dem, weswegen wir auf der Welt sind, nicht im Wege stehen: glücklich zu sein.
Die Probleme der Menschen, die sich wegen Überforderung und drohenden Burn-outs bei uns im Medizinischen PräventionsCentrum Hamburg melden, lassen sich folgendermaßen beschreiben: zu viel und/oder nicht ausreichend strukturiert. Zu viele Termine, zu viele Punkte auf der To-do-Liste, zu viele Kontakte, zu viele Eindrücke, zu viel von allem. Oder aber ein heilloses Durcheinander all dieser potenziellen Stressoren.
34 Planen Sie ihre Zeit
Dieser Stresskiller ist ebenso banal wie essenziell. Gerade die wichtigen Dinge in unserem Leben sind häufig so banal, dass wir immer wieder Gefahr laufen, sie zu vergessen. Obwohl sie so wichtig sind. Ein gutes und effektives Zeitmanagement gehört zu diesen essenziellen Dingen. Denn Zeit ist nun einmal unsere kostbarste Ressource. Hinzu kommt, dass Zeitmanagement einen starken Gegner hat: den Mythos der Spontaneität. Dieser steht vor allem bei jüngeren Menschen hoch im Kurs. »Verschwende deine Jugend!« könnte man diese Haltung nennen, frei nach dem Roman von Jürgen Teipel. In unserer Gesellschaft gilt es als cool, keinen Plan zu haben, oder zumindest so zu tun.
In vielen Interviews mit Künstlern oder Sportlern heißt es: »Ich lasse die Dinge einfach auf mich zukommen, ich plane da nichts, mir gefällt es, mich treiben zu lassen.« Keiner würde behaupten, ich habe das durchgeplant und ziehe es nun auch durch. Das würde zu sehr nach kaltem Karrierestreben klingen.
Die Wahrheit ist allerdings eine andere. Fast alle erfolgreichen Menschen zeichnen sich neben dem Talent für ihren Beruf auch durch konsequente Planung und außergewöhnliches Durchhaltevermögen aus. Seien Sie also skeptisch gegenüber Aussagen wie oben.
Es hat sich im Zeitmanagement bewährt, solche Todo-Listen jahres- und wochenweise zu erstellen. Sich einmal im Jahr zu fragen, z. B. am Geburtstag oder zum Jahresende, was das kommende Jahr bringen soll, welche Projekte man wann realisieren will, das hat nichts mit Erstarrung oder fehlender Spontaneität zu tun. Ein grober Jahresplan soll eine Richtschnur sein, eine ungefähre Orientierung geben auf dem »Zeitmeer unseres Lebens« – mit dem Hauptziel, stressärmer unterwegs zu sein. Die Feinjustierung erfolgt mit dem Wochenplan, der einzelne Aufgaben auf die Tage verteilt und, noch wichtiger, ihnen Prioritäten zuweist.
Wie Sie eine solche To-do-Liste führen, ob handgeschrieben, auf dem Computer oder dem Smartphone, bleibt Ihnen selbst überlassen. Wichtig ist nur, dass Sie es tun und dabei nicht nur von Tag zu Tag, sondern auch in größeren Zeiteinheiten planen. Sonst laufen Sie Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen.
Noch einmal: Der Rat, seine Zeit zu planen, klingt banal. Wir stellen jedoch immer wieder fest, wie viele Menschen das dennoch nicht tun. Wenn Sie aber zu jenen gehören, die ihre Zeit konsequent durchplanen, dann sind Sie reif für die nächste Stufe, diesen Plan ab und zu auch einmal zu durchbrechen.
KILLER-TIPP
Eine gute To-do-Liste ist stets hierarchisch aufgebaut – mit den wichtigsten Dingen ganz oben. So wirken wir der Tendenz entgegen, Dingen eine hohe Priorität einzuräumen, die zwar leicht zu erledigen, aber eher unwichtig sind.
35 Legen Sie einen elektronikfreien Tag ein
Nein, werden Sie denken, das kann ich mir überhaupt nicht leisten. Unmöglich! Mittlerweile hängen wir beinahe alle am Internet, an E-Mails und Smartphones wie ein Nikotinsüchtiger an seiner Zigarette. Ähnlich wie dieser nach der 15. Zigarette fühlen wir uns beim erneuten Checken der E-Mails oder beim Aufrufen unserer Facebook-Seite: immer weniger befriedigt.
Tatsächlich handelt es sich bei der »online addiction« um die am schnellsten wachsende Sucht weltweit. Mit Staunen blicken wir auf die Zeiten zurück, als es noch kein Internet und kein Handy gab. Wie haben wir das nur ausgehalten?, fragen wir uns. Wobei bei einigen inzwischen auch ein gewisser sehnsüchtiger Unterton nach einem elektronikfreien Leben herauszuhören ist.
Ein elektronikfreies Leben ist heute nur schwer vorstellbar. Es sei denn, man wollte sich bewusst ausgrenzen. Und in den meisten Berufen ist ein Verzicht auf Mobiltelefon, Internet und E-Mail ohnehin ausgeschlossen. Leider hat das Surfen im Internet oder das E-Mail-Checken ungefähr den gleichen Entspannungseffekt wie das Zappen durch die Fernsehkanäle: keinen. Statt unsere Pausen für diese Tätigkeiten zu nutzen, brauchen wir eine Pause von diesen Tätigkeiten. Wir müssen lernen und uns überwinden, elektronikfreie Zonen in unseren Alltag einzubauen. Denn die Nutzung dieser Medien entspricht einem leichten Dauerstress, der sich auf den ohnehin vorhandenen Alltagsstress noch oben draufsetzt.
Und ab und an sollten wir uns das Unglaubliche gönnen: Einen Tag, an dem Handy und Computer komplett ausgeschaltet bleiben. Versuchen Sie es einmal. Es wird nicht leicht, aber Sie werden danach besser schlafen.
36 Sagen Sie einen Termin ab
Geht das denn? Darf ich das? Diese Frage bekommen wir häufig zu hören, wenn wir den Burn-out-Kandidaten in unserer Sprechstunde diesen Vorschlag machen. Disziplin und Zuverlässigkeit zählen gerade in Deutschland zu den weit verbreiteten Tugenden, um die uns andere ja auch durchaus beneiden.
Wenn ein Termin allerdings
- nichts bringt, sondern nur ein aus Höflichkeit vereinbarter Pseudotermin ist,
- oder durch andere Kommunikationswege ersetzt werden kann,
- oder die Grenze des für uns Leistbaren erreicht oder gar überschreitet,
dann sollten wir der Wahrheit ins Auge sehen, über unseren Schatten springen und den Termin schlicht und einfach absagen. Dabei sollte man einen der drei oben genannten Gründe nennen und auf Notlügen so weit wie möglich verzichten. Natürlich gilt es, hier einen diplomatischen Weg zu finden und eine der genannten Wahrheiten zum Ausdruck zu bringen. Im ersten Fall könnte man z.B. sagen: »Ich sehe im Moment nicht, wie wir dieses Projekt gemeinsam umsetzen können. Wenn sich an der Situation grundlegend etwas ändert, können wir gerne wieder aufeinander zu kommen.« Auch in den beiden anderen Fällen führt eine höflich verpackte, aber ehrliche Begründung zum Ziel: den Stress von einer Sekunde auf die andere massiv zu reduzieren und dennoch sein Gesicht zu wahren.
37 Werfen Sie etwas weg
Jedes Ding im Universum und erst recht in unseren eigenen vier Wänden ist ein potenzieller Stressor. Dann müssen wir uns in irgendeiner Weise darum kümmern, und sei es nur, dass wir es irgendwo unterbringen oder lagern. Deshalb macht es Sinn, die Zahl der Gegenstände in unserem Haus oder in unserer Wohnung nicht immer weiter anwachsen zu lassen (siehe Nr. 40 »Räumen Sie einen Platz in Ihrer Wohnung auf«). Das scheint von ganz allein zu passieren. Vergleichbar dem Körpergewicht.
Aktiv müssen wir darauf achten, dass wir nicht immer mehr unnützes Zeug anhäufen. Besser ist, wir reduzieren es. Die Umsetzung der beiden folgenden Tipps kann auf Dauer ungeahnte (positive) Wirkungen erzielen:
- Für jeden neu erworbenen Gegenstand entsorgen wir einen anderen, möglichst aus der gleichen Kategorie.
- Einmal pro Woche ist Wegwerftag, an dem wir einen Gegenstand in unserer Wohnung ersatzlos entsorgen. Das geht einfach und schnell. Stellen Sie sich dabei auch noch vor, ein kleines Stück Ihres Stresses gleich mitzuentsorgen (denn so ist es ja auch), fühlen Sie sich gleich doppelt gut.
38 Führen Sie Tagebuch
Klingt vielleicht altmodisch, ist aber extrem wirksam – so lässt sich der Effekt regelmäßigen Tagebuchführens zusammenfassen. Ein Tagebuch kann viele Stress reduzierende Funktionen erfüllen.
Man kann sich dort seine Probleme im wahrsten Sinne des Wortes von der Seele schreiben. Ein Tagebuch ist wie ein Freund, der immer zuhört. Oder wie ein Psychoanalytiker, bei dem man frei assoziieren kann. Ein Tagebuch ist auch ein Coach. Indem man Probleme niederschreibt, werden sie einem häufig erst richtig bewusst. Manchmal offenbart sich dabei schon eine Lösung des Problems.
Ein Tagebuch muss keineswegs immer alle Aspekte des eigenen Lebens erfassen. Man kann auch gezielt Tagebuch schreiben. Zum Beispiel ein Stress- und Entspannungstagebuch. Oder ein Sporttagebuch, ein Schlaftagebuch, ein Ernährungstagebuch, ein Kulturtagebuch. Je nachdem, wo der Schuh gerade am meisten drückt, welches Problem man gezielt angehen will, oder was einen gerade beschäftigt. Sich die wichtigen Dinge und Probleme im Leben schreibend bewusst zu machen, nimmt einem schon einen Teil des Stresses. Und es motiviert, weiterzumachen und besser zu werden.
Ein zentrales Problem des Tagebuchschreibens ist natürlich die Diskretion. Man sollte sich von dem Gedanken frei machen, irgendjemand könnte das Tagebuch eines Tages lesen. Dann schreibt man anders. Befangener. Weniger ehrlich. Wenn man in seinem Tagebuch zu absoluter Ehrlichkeit sich selbst gegenüber gekommen ist, sollte man dafür sorgen, dass keiner Zugang dazu hat.
39 Kürzen Sie ihre To-do-Liste
Wenn wir unseren Wochenplan erstellen und dabei jedem Tag seine eigene kleine To-do-Liste zuordnen, neigen wir leider immer wieder dazu, die Zeit falsch einzuschätzen und uns zu viel vorzunehmen. Am Ende des Tages erfüllt uns ein Gefühl der Frustration, weil wir mehrere Punkte auf der Liste nicht haben erledigen können.
Der Trick ist, sich von vornherein deutlich weniger vorzunehmen. Dabei hat es sich zum einen bewährt, Hierarchien zu bilden, d. h., die einzelnen Punkte auf der Liste werden nach ihrer Priorität geordnet. Zum anderen ist es wichtig, einen ungefähren Zeitrahmen für jeden einzelnen Punkt festzulegen. Denn auf der Liste sieht der Punkt »Arbeitszimmer aufräumen« genau so lang aus wie »Geburtstagskarte an Tante Lore schreiben«.
Bleibt neben der Geburtstagskarte noch Platz für die eine oder andere Aktivität, nimmt das Arbeitszimmer sicher einen halben oder sogar ganzen Tag in Anspruch. Eine einfache Erkenntnis, die aber dennoch zu selten umgesetzt wird.
Nun kommen wir aber zum entscheidenden Punkt: An einem Tag der Woche sollte die To-do-Liste nur aus einem einzigen Punkt bestehen, der nicht den ganzen Tag in Anspruch nimmt. Der Freitag bietet sich dafür in idealer Weise an. Wenn Sie bis dahin alle anderen Punkte abgearbeitet haben und nur noch dieser eine Punkt übrig ist, beginnt das Wochenende im Kopf schon einen Tag früher, und Sie werden sofort entspannen.
Sollten Sie die Punkte für Montag bis Donnerstag nicht alle erledigt haben, bleibt ihnen auf diese Weise der Freitag als zeitlicher Puffer, was ebenfalls erheblich zur Entspannung beiträgt. Dagegen erzeugt schon die Idee Stress, alle Tage von morgens bis abends vollgepackt zu haben. Also: Freitag ist Puffertag.
40 Räumen Sie einen Platz in Ihrer Wohnung auf
»Wir sollten die Wohnung mal wieder gründlich aufräumen.« Es gibt wohl keine Familie, in der dieser Satz nicht von Zeit zu Zeit fällt. Alte Bücher und Zeitschriften stapeln sich ungeordnet in den Ecken, der Kleiderschrank sieht aus wie eine Altkleidersammlung, und alle freien Flächen sind vollgestellt mit irgendwelchem Nippes. Dazu brauchen wir mindestens eine Woche, ist dann meist der nächste Gedanke, wodurch das Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Die Lösung für dieses Problem: Nehmen Sie sich weniger vor.
Warum muss es denn immer gleich die ganze Wohnung, das ganze Haus, das ganze Leben, das ganze Land, das ganze Universum sein? Wenn wir auch nur einen kleinen Bereich unserer Wohnung in Ordnung bringen, haben wir gleich das Gefühl, unser Leben im Griff zu haben. Das ist mehr, als ein größeres Projekt nur halb durchzuziehen. Und das Gefühl, unser Leben im Griff zu haben, ist ein Stresskiller erster Ordnung.
KILLER-TIPP
Wichtig ist, irgendetwas kommt weg. Wir alle neigen nämlich mehr und weniger zum Messietum, haben die Tendenz, Dinge aufzubewahren, weil Erinnerungen daran hängen. Wie können wichtige Erinnerungen an etwas hängen, von dem Sie fünf Jahre lang gar nicht wussten, dass Sie es noch besitzen? Weg damit! Ein Stressor weniger.
Nehmen Sie sich also eine Stunde Zeit und knöpfen Sie sich z.B. den Kleiderschrank vor. Erst einmal alles raus. Innen auswischen. Dann alles aussortieren, was Sie drei Jahre lang nicht mehr getragen haben. Anschließend die wirklich beliebten Sachen ordentlich wieder in den Schrank räumen, den Rest in die Altkleidersammlung geben. Fertig.
Zur Belohnung eine Tasse Tee und eine Praline. Sie werden sich großartig fühlen, viel besser, als es diese vermeintlich kleine Aufgabe, die Sie gelöst haben, vermuten lassen würde.
Oder Sie machen das Gleiche mit einem (!) Bücherregal. Oder mit der kleinen Abstellkammer, in der sich altes Kinderspielzeug neben was auch immer stapelt. Hauptsache, Sie widmen sich nur dieser einen Sache.
41 Machen Sie keine Schulden
Geld ist ein Stresskiller. Und zwar das Geld, das wir auf der Bank sicher angelegt haben – ohne spekulatives Risiko (sonst kann es natürlich auch das Gegenteil bewirken). Warum Geld Stress reduziert, wird einem klar, wenn man sich überlegt, was Schulden in der menschlichen Psyche anrichten können: Schulden zählen zu den stärksten Stressoren überhaupt.
Der wichtigste Stresskiller auf diesem Gebiet ist also, keine Schulden zu machen. Auf jeden Fall keine, die man nicht ganz sicher zurückzahlen kann. Dazu bedarf es meist nicht viel mehr, als die eigenen Konsumansprüche niedriger anzusetzen als die finanziellen Möglichkeiten. Was so einfach klingt, wird in einer Welt voller Verheißungen der Werbung zu einer der größten Herausforderungen überhaupt. Da bedarf es schon eines starken Glaubenssatzes (siehe Nr. 15 »Kreieren Sie einen positiven Glaubenssatz«), etwa von der Art: »Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe.« Und wie bei Glaubenssätzen üblich, müssen wir uns das tagtäglich ins Gedächtnis rufen.
Diesen Glaubenssatz sollten wir von Anfang an konkret in unser Handeln einfließen lassen. Statt weiter Schulden zu machen, sollten wir diese abbauen und uns parallel dazu ein finanzielles Polster zulegen, das unseren Möglichkeiten entspricht. Das können 50 Euro, aber auch 500 oder 5 000 Euro pro Monat sein. Die Stresskillerwirkung eines solchen finanziellen Puffers ist nicht von der absoluten Höhe des Betrages abhängig, sondern davon, dass es diesen Puffer überhaupt gibt und dass er langsam, aber stetig anwächst. Denn einer Sache können Sie sicher sein: Geld allein macht nicht unglücklich!
42 Gehen Sie vor der Zeit zum Friseur
Haben Sie manchmal auch das Gefühl, sich selbst die ganze Zeit hinterherzulaufen? Und Dinge aufzuschieben, bis sie sich vom »Ich könnte mal«-Topf über den »Ich sollte mal«-Topf bis zum »Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit«-Topf bewegt haben? Wenn dem so ist, können wir Sie in einem Punkt beruhigen: Sie stehen mit diesem Verhalten nicht allein da. Wir alle neigen mehr oder weniger zur Aufschieberitis (Prokrastination). Ganz werden wir das aus uns auch nicht herausbekommen, denn der Mensch ist von Natur aus träge und faul. Gern führen wir das Wort »morgen« im Mund.
Der Vorteil liegt auf der Hand: unmittelbare Stressminderung. Der Nachteil: Stressverdoppelung am nächsten Tag, weil das Verschobene mit den Aufgaben des neuen Tages kollidiert. Oder das zu lösende Problem sich bis dahin deutlich verschlimmert hat.
Das Friseurbeispiel ist noch ein mildes. Wenn die Haare zu lang sind oder etwas ungepflegt aussehen, bricht nicht gerade die Welt zusammen. Wir haben dieses Beispiel jedoch gewählt, weil es sehr schön zeigt, dass man durch rechtzeitiges Handeln nicht nur Stress mindern, sondern Lebensfreude auch aktiv generieren kann.
Wenn wir in dem Moment zum Friseur gehen, in dem uns der Gedanke kommt, sich mal wieder die Haare schneiden zu lassen, fühlen wir uns irgendwie unter Kontrolle (vielleicht sogar stärker, als es objektiv angemessen wäre; aber das ist auch gut so). Danach kommt es uns vor, wie erfrischt, auf eine Art verjüngt, manchmal sogar wie neu geboren zu sein – ohne längere, quälende Phasen eines vorangehenden kritischen Inden-Spiegel-Schauens. Damit das Ganze nicht als Werbekampagne für das Friseurhandwerk missverstanden wird, lassen sich noch andere, z. T. wesentlich drastischere Beispiele anführen:
- Den Kühlschrank reinigen, bevor sich der erste Schmierfilm auf den Ablageplatten zeigt.
- Das Auto in Ruhe zur Inspektion fahren, wenn alles noch funktioniert.
- Der Gang zum Zahnarzt aus Gründen der Prophylaxe, beim ersten leichten Ziehen eines Zahns oder erst dann, wenn alles vereitert ist, der Zahn pocht und wir Gefahr laufen, eine Blutvergiftung zu bekommen.
All diese Beispiele zeigen: Wenn wir agieren, bevor es absolut notwendig geworden ist, wenn wir also immer ein wenig präventiv denken und handeln, ersparen wir uns vor allem eines: überflüssigen Stress.
43 Planen Sie ihren Urlaub lange im Voraus
Last-Minute-Urlaube sind in. Es ist fantastisch, wie kurzfristig man heute im Reisebüro oder am eigenen PC einen Flug, ein Hotel oder einen Pauschalurlaub buchen kann. Diese Art von Urlaubsplanung gibt einem das Gefühl von Entscheidungsfreiheit und Spontaneität. Ein wesentliches Element geht dabei jedoch verloren: die Vorfreude.
Diese ist bekanntlich ja die beste Freude. Warum ist das so? Unser Gehirn lebt nach dem Prinzip Hoffnung, das evolutionsbiologisch tief in uns verankert ist. Es ist der stärkste Motor, um immer weiterzumachen in einer Welt, die alles andere als freundlich zu uns ist. Ohne diesen Motor hätte unsere Spezies nicht überlebt.
Wer in der Steinzeit statt des Prinzips Hoffnung den Gedanken »Hat ja doch alles keinen Zweck« in sich trug, den hat die Evolution aussortiert. Und so leben wir heute noch mit der illusionären Idee, dass eines Tages alles besser wird. Das Prinzip Hoffnung ist also eine neurobiologische Tatsache, die wir akzeptieren und nutzen sollten. Denn sie macht unser Leben besser.
Vorfreude ist eine Variante dieses Prinzips Hoffnung. Vorfreude auf einen Urlaub wirkt bis zu dem Moment, in dem wir ihn antreten, als Stresskiller in unserem täglichen Existenzkampf. Die ganze Zeit über denken wir bewusst oder unbewusst: Das mag alles schwer und unangenehm sein, doch in drei Monaten habe ich Urlaub, und dann werde ich mich richtig entspannen.
Wenn wir unseren Urlaub früh buchen, bekommen wir nicht nur die berühmten Rabatte gleichen Namens. Wir bekommen mit der Vorfreude auch noch einen Stresskiller geschenkt, der fast ebenso gut wirkt wie der Urlaub selbst. Manchmal sogar besser.
44 Setzen Sie sich ein Ziel
Die beste Zeitplanung und eine noch so ausgeklügelte To-do-Liste bringen nichts, wenn wir nicht wissen, wohin das Ganze führen soll. Wenn wir kein klares Ziel vor Augen haben, gerät jedes Zeitmanagement sehr schnell zum Selbstzweck.
Es ist für uns immer wieder erstaunlich festzustellen, dass sich nur wenige Menschen kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele setzen. Vielleicht haben es diese Menschen geschafft, ihren momentanen Stress durch effizientes Zeitmanagement zu reduzieren. In dem Moment aber, in dem sie feststellen, dass sie sich auf der berühmten »Road to nowhere« befinden, drohen sie direkt in den Burn-out abzurutschen.
Was sind solche Ziele, und wie formuliert man sie? Um auf den zweiten Teil der Frage zuerst zu antworten: möglichst exakt. Also nicht, ich will glücklich sein (das ist eher eine Grundhaltung, die man einnehmen sollte, kein Ziel). Oder: Ich will meinen Beruf gut machen (dito).
Zuerst sollte man seine langfristigen Ziele formulieren und die kurzfristigen daran orientieren. Ein langfristiges Ziel für einen mittelständischen Unternehmer könnte z.B. lauten: Ich will mein Unternehmen innerhalb von fünf Jahren zu den drei umsatzstärksten in der Branche und in meiner Region machen. Das mittelfristige Ziel wären dann bestimmte Umsatzvorgaben pro Jahr. Kurzfristig heißt für Unternehmen: meist von Monat zu Monat.
Ist ein solches Vorgehen in der Wirtschaft noch einigermaßen üblich und verbreitet, wird es in anderen Bereichen des Lebens viel zu selten angewendet. Doch auch hier kann ein konkretes Ziel eine gute Orientierung sein und stark motivieren. Etwa: In fünf Jahren will ich mein eigenes Häuschen im Grünen haben. Dazu muss ich 12 000 Euro pro Jahr ansparen, also monatlich 1 000 Euro. Oder: Ich will im Lauf des nächsten Jahres zehn Kilo abnehmen, also knapp ein Kilo pro Monat. Oder: Ich möchte in zwei Jahren gut Spanisch sprechen.
Die Formulierung konkreter Ziele ist keine leichte Aufgabe, denn wir müssen uns darüber im Klaren sein oder werden, wer wir sind und was wir wollen. Und warum. Manchmal bekommt man das allein hin, manchmal aber auch nur mit Hilfe eines Coaches (siehe Nr. 47 »Buchen Sie eine Coaching-Stunde«).
45 Kaufen Sie sich einen Scanner
Wenn Sie jedes Blatt Papier in einem Aktenordner als kleinen Stressor betrachten, dann zeigen wir Ihnen jetzt einen Weg, Ihren gesamten Dokumentenstress um über 75 Prozent zu reduzieren. Warum sollte ein einfaches Blatt Papier im Aktenordner in Ihrem Arbeitszimmer ein Stressor sein? Ganz einfach, weil es nicht bei einem Blatt Papier bleibt, sondern sich über die Jahre Tausende von Blättern dazugesellen. Ganz gleich, ob Sie diese in Ordnung halten oder nur stapeln: Es sind zu viele, und sie nehmen zu viel Platz ein, um die Übersicht zu behalten. Und fehlende Übersicht bedeutet Stress.
Vor zehn oder zwanzig Jahren gab es hierfür noch keine vernünftige Lösung außer ständiges Durchforsten und Aussortieren. Dank der Erfindung einfacher und für den Hausgebrauch geeigneter, preiswerter Hochleistungsscanner gibt es heute diese Lösung. Unsere Empfehlung lautet: Kaufen Sie sich ein solches Gerät. Allerdings sollten Sie darauf achten, dass der Scanner sowohl eine Papiereinzugsfunktion (geht schnell) als auch eine Auflagenfunktion hat (erlaubt auch das Scannen gehefteter oder gebundener Dokumente).
Und dann geht es los. Legen Sie in Ihrem Computer einen Ordner an, der den gleichen Namen trägt wie der Aktenordner im Schrank. Scannen Sie alle Dokumente dieses Aktenordners ein. Überlegen Sie anschließend, welche Dokumente Sie unbedingt im Original behalten müssen. Unserer Erfahrung nach sind das meist weniger als zehn, auf jeden Fall weniger als fünfundzwanzig Prozent. Kennzeichnen Sie die eingescannten pdf-Dateien jener Dokumente mit einem Stern, die Sie auch im Original behalten.
Im nächsten Schritt entsorgen Sie nun die entbehrlichen Dokumente. Beispiel: Im Aktenordner mit der Aufschrift »Krankenversicherung« müssen nur die Versicherungspolicen verbleiben. Die gesamte Korrespondenz mit der Versicherung benötigen Sie hingegen nur elektronisch.
Für neu hinzukommende Dokumente bietet sich die gleiche Vorgehensweise an: wochenweise in einer Scanner-Ablage sammeln, dann einscannen und überflüssige Unterlagen entsorgen.
46 Machen Sie einen Gesundheits-Check
Über den Stress reduzierenden Effekt präventiven Denkens und Handelns haben wir uns schon Gedanken gemacht (siehe Nr. 42 »Gehen Sie vor der Zeit zum Friseur«). Es erspart einem eine Menge Ärger und Stress, wenn man ein Problem erkennt und behebt, bevor es akut geworden ist. Wo könnte diese Regel mehr gelten als bei der eigenen Gesundheit? Und wo brechen wir sie gleichzeitig häufiger als genau dort?
Wir alle sind mit der Idee aufgewachsen, das Gesundheitssystem ist dazu da, Kranke zu behandeln. Mit anderen Worten, um die Gesundheit kümmert man sich erst, wenn sie in Gefahr ist. Beim Arzt erhält man eine immer bessere, pharmakologisch und technologisch höherwertige Medizin, welche die Krankheit entweder heilt (selten) oder mildert (häufiger). Dieser Reparaturmedizin verdanken wir u.a., dass wir immer länger leben. Der Preis dafür ist allerdings in mehrfacher Hinsicht sehr hoch. Reparaturmedizin kostet sehr viel Geld. Außerdem birgt sie für die Betroffenen allerlei Unbill, von Medikamentennebenwirkungen bis hin zu Stress und der Gefahr, die z.B. eine Operation mit sich bringt. Von erkrankungsbedingten chronischen Behinderungen ganz zu schweigen. Dabei könnten wir uns mehr als die Hälfte dieser stressvollen Behandlungen ersparen, wenn wir präventiv denken und handeln würden.
Die Basis der präventiven Medizin ist die Einhaltung regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. Dabei erfahren wir nicht nur, ob sich in unserem Körper irgendwo eine Krankheit versteckt oder nicht, sondern wir lernen auch unser persönliches Risikoprofil kennen, unsere Stärken und Achillesfersen. Wenn wir die kennen, können wir unseren Lebensstil darauf zuschneiden und ihn optimieren. Das geht vom persönlichen Alkohollimit über den am besten geeigneten Sport bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln und dem persönlichen Vitaminbedarf.
47 Buchen Sie eine Coaching-Stunde
Coaching ist in aller Munde. Ursprünglich und bis heute wird es im Sport verwendet, wo es bekanntlich so viel wie Trainer heißt. Ein Coach ist jemand, der einen Sportler oder ein ganzes Team trainiert, selbst aber nicht mitspielt. Genau darum geht es auch beim psychologischen Coaching: Jemand Erfahrenes mit dem Blick von außen hilft uns herauszufinden, wie wir unser Leben besser gestalten können. Die Entscheidungen treffen und das Leben leben müssen wir dann schon selbst. Im Gegensatz zur Psychotherapie richtet sich das Coaching an psychisch Gesunde in schwierigen Lebenssituationen. Es ist also für jedermann geeignet und akzeptabel. Tatsächlich gibt es keinen Menschen, der nicht von einem Coaching profitiert. Was kann Ihnen ein Coaching persönlich bringen, und wie kann es Ihre Stressbelastung reduzieren?
Wenn Sie sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, weil Sie z.B. gerade eine Trennung hinter sich haben oder ein wichtiger Mensch in Ihrem Leben gestorben ist oder es berufliche Konflikte gibt, dann versuchen Sie das Problem zuerst mit sich selbst zu lösen. Möglicherweise besprechen Sie es auch mit Ihnen nahestehenden Menschen. 95 Prozent dieser Lebenssituationen werden Sie auf diese Weise meistern können.
Es gibt jedoch Situationen im Leben eines Menschen, in denen er das Gefühl hat, allein nicht mehr herauszukommen. Mit seinem Latein am Ende zu sein. Sich im Kreise zu drehen. Auch die Familie und Freunde sind zu nah dran, um einen Ausweg aufzuzeigen. In solchen Augenblicken kann allein schon das Gefühl, sich mit jemand Neutralem und Verständigem auszusprechen, zu großer Erleichterung führen. Für manche Menschen kann ein Pastor oder Priester eine solche Person sein. Für eine wachsende Zahl von Menschen ist es aber eher ein ausgebildeter Coach, ein Psychologe oder Arzt, dem sie sich eher anvertrauen wollen.
Natürlich finden Sie Coaching-Angebote in Ihrer Nähe ganz einfach über das Internet. Es gibt aber ein besseres Gefühl, wenn Sie dabei auf persönliche Empfehlungen zurückgreifen. Ihr Hausarzt z.B. kann Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach einen guten Coach nennen. Vielleicht ist er ja sogar selbst einer.
48 Geben Sie ein Amt auf
Aufgrund unserer guten Erziehung tendieren wir dazu, nicht immer richtig Nein sagen zu können. Vor allem dann nicht, wenn uns jemand mit schmeichelndem Unterton ein Amt, eine Aufgabe oder eine sonstige Verantwortung übertragen möchte. Schließlich muss sich ja jemand um diese Dinge kümmern.
Zunächst einmal macht es immer Sinn, bei einer solchen Nachfrage um Bedenkzeit zu bitten. Damit erwirbt man sich größeren Respekt und zugleich mehr Freiheit, in Ruhe zu überlegen,
- ob einem die Aufgabe Spaß macht,
- ob man der Aufgabe sowohl zeitlich als auch vom Anspruch her gewachsen ist,
- welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind, eine solche Aufgabe zu übernehmen.
Selbst wenn am Ende doch ein Ja herauskommt, wird die Dankbarkeit der anderen größer sein bei sofortiger Zusage, da sie eine Zeit lang darum bangen. Auch ein Nein wird eher akzeptiert, denn damit musste wegen Ihrer Bitte um Bedenkzeit ebenfalls gerechnet werden. Was aber, wenn Sie Ja gesagt haben und dann feststellen, dass Ihnen das alles zu viel wird? Haben Sie in einer solchen Situation das Recht, einfach hinzuschmeißen? Selbstverständlich haben Sie das, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Sie haben in Wirklichkeit nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht sich selbst gegenüber, Ballast abzuwerfen, wenn Sie ihn nicht mehr tragen können. Sonst wandeln Sie auf dem direktesten Weg in den Burn-out.
Allerdings gibt es mehr oder weniger elegante Abgänge. Um den anderen nicht das Gefühl zu vermitteln, sie einfach im Stich zu lassen, sollten Sie Ihren Abgang mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf ankündigen. So können sich alle darauf einstellen und für Ersatz sorgen.
Die Begründung kann ruhig ehrlich sein, denn zeitliche Überlastung kennt jeder von uns. Und selbst wenn Sie von heute auf morgen hinschmeißen müssen oder wollen, wird man Ihnen immer viel weniger böse sein, als Sie zunächst dachten. Ihr Leben ist endlich, Ihre Zeit begrenzt. Tun Sie nur das, was anderen und Ihnen etwas bringt.
49 Handeln Sie antizyklisch
Jedes Jahr zu Ferienbeginn das gleiche Bild: Kilometerlange Staus verstopfen die Autobahnen und machen den Urlaubsanfang zu einem stressvollen Ereignis für Millionen von Menschen. Wer nur zwei Tage später reist, gleitet entspannt über die Autobahn und muss am Flughafenschalter nicht stundenlang anstehen. Warum wählen nur so wenige Menschen die zweite Variante?
Ein anderes Beispiel ist der Schlussverkauf, auch wenn der nicht mehr so heißt. Oder die Eröffnung eines neuen Apple Stores. Oder in den 2000er-Jahren das Erscheinen eines neuen Harry-Potter-Bandes. Warum genau in dem Moment anstehen, wenn Tausende andere es auch tun?
Menschen haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie nicht von Anfang an dabei sind. Kennen Sie auch dieses Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen, zwei Urlaubstage zu verschenken, nicht mehr das beste Sonderangebot zu ergattern? Seien Sie aber versichert, Sie verpassen nichts. Oder wenn Sie es aus Ihrer Perspektive formulieren: Ich verpasse nichts (Positiver Glaubenssatz!).
50 Zelebrieren Sie einen »Tag der Unordnung«
»Man muss noch Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können«, hat der Philosoph Friedrich Nietzsche einmal gesagt. Wir haben bei den Stresskillern der Kategorie 4 viel über Planung und Ordnung gesprochen, damit Sie Ihre Ziele möglichst stressarm erreichen.
Vielleicht gehören Sie ohnehin zu den Menschen mit einer gewissen Tendenz zum ständigen Ordnen und Aufräumen, sodass Sie in Ihrem Umfeld dafür schon bekannt sind. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von einem zwanghaften Charakter. Allen Menschen, speziell aber den zwanghaft Veranlagten, tut es gut, ab und zu einmal fünf gerade sein zu lassen.
Wenn wir unser Leben komplett durchtakten, töten wir etwas in uns noch zu Lebzeiten ab. Wir brauchen die Brüche, die Abwechslung, die Ausnahmen, um das Gefühl zu haben, wirklich am Leben zu sein.
Deswegen am Ende dieses Buches das Plädoyer für einen »Tag der Unordnung«. Halten Sie sich mindestens einen Tag pro Monat frei, an dem Sie alles über den Haufen werfen, worüber wir bei den Stresskillern der Kategorie 4 gesprochen haben. Leben Sie einfach in den Tag hinein. Machen Sie, was Sie wollen, schaffen Sie »Oasen der Zeitlosigkeit«. Wenn das heißt,
- den ganzen Tag im Bett zu liegen: gut,
- von morgens bis abends fernzusehen: gut,
- etwas Ungesundes zu genießen: auch gut.