23. März 2015
Meine liebe Eve,
als ich heute vom Markt zurückgefahren bin – du hast in deinem Kindersitz vor dich hin gesummt, der Kofferraum war mit Milchpulver und Reis vollgepackt –, habe ich die San Gabriel Mountains gesehen, zum ersten Mal richtig gesehen. Ich bin diese Straße schon früher entlanggefahren, aber dieses Mal war es anders. Dort, jenseits der Windschutzscheibe, waren sie: Die blaugrünen Gipfel wachten reglos und stumm über die Stadt, so nah, dass ich das Gefühl hatte, sie berühren zu können. Ich fuhr auf den Seitenstreifen, um sie zu betrachten.
Ich weiß, dass ich bald sterben werde. Die Seuche rafft alle dahin, die geimpft wurden. Es gibt keine Flüge mehr. Der Zugverkehr ist eingestellt. Sie haben die Zufahrtsstraßen in die Stadt mit Barrikaden abgeriegelt und nun können wir nur noch warten. Telefone und Internet haben schon lange aufgehört zu funktionieren. Aus den Wasserhähnen kommt kein Wasser mehr und in einer Stadt nach der anderen fällt der Strom aus. Bald wird die ganze Welt in Dunkelheit versinken.
Doch im Moment leben wir noch. Sind vielleicht sogar lebendiger als je zuvor. Du schläfst im Zimmer nebenan. Von diesem Sessel aus kann ich deine Spieluhr hören – die mit der winzigen Ballerina –, sie klimpert die letzten Takte.
Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.
Mom