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Kein Wunder, daß dieser Eingang geheim war!

Ich drückte mich so dicht wie nur möglich an die Felswand in meinem Rücken, während ich mich mit großer Vorsicht den kaum zwei Handflächen breiten Sims entlangschob. Der Sims zog sich über die steil abfallende Felswand, die vor Äonen wie mit dem Messer senkrecht abgeschnitten worden war. Der Erdboden war in Dunkelheit eingehüllt.

Natürlich regnete es. Und genauso natürlich pfiff mir der Wind um die Ohren wie eine Horde entfesselter Klagegeister.

Eingehüllt in Nässe und schneidende Kälte, suchte ich mir meinen Weg.

Ich rief sowohl Makki-Grodno als auch die Heilige Dame von Belschutz an, und zu meiner Erleichterung wurde der Sims breiter, je länger er an der Flanke des Berges entlangführte. Jetzt trommelte der Wind, der mir die ganze Zeit ins Gesicht geblasen hatte, gegen meine Seite. Ich hielt den Rücken eng an den Felsen gedrückt und schob mich langsam weiter; wäre ich ganz normal gegangen, hätte mich der Wind wie eine Feder in den Abgrund geschleudert.

Die Höhle, die auf den Sims hinausgeführt hatte, war der Ausgang dreier Tunnel gewesen; ich kam aus dem Tunnel in der Mitte. Ein unsichtbares Tor versperrte den Weg, doch es hatte sich vor mir geöffnet. Das Auge oben in der Höhlendecke folgte dabei jeder meiner Bewegungen. Als das Tor wieder entstand, brachte magische Energie die Luft zum Knistern. Der Höhlenausgang führte um drei Biegungen, bevor er die Außenwand erreichte. Jetzt befand ich mich an der frischen Luft und fühlte mich wie die Fliege auf der Haut eines Dermiflons, das von seinem Besitzer gerade abgeschrubbt wird.

Es war nicht völlig dunkel. Gelegentlich fanden farblose Lichtstrahlen ihren Weg durch den tosenden Sturm. Und da mir, wie ich glaubte, die Herren der Sterne die Fähigkeit verliehen hatten, im Dunkeln besser als andere zu sehen, erkannte ich genügend Einzelheiten, um nicht von dem verflucht schlüpfrigen und gefährlichen Sims abzustürzen. In dieser wilden Nacht leistete mir die Nachtsicht gute Dienste. Ohne sie wäre ich von der Felswand abgerutscht und kopfüber in die schauerliche Tiefe gefallen.

Ein gewaltiger Blitzstrahl teilte den Himmel und schlug ungebändigt irgendwo weit vorn in die Bergflanke ein. Felsbrocken und Steinsplitter schossen durch die Luft, erhellt vom gleißenden Licht des Blitzes. Einen Augenblick lang war ich blind. Dann klärte sich meine Sicht wieder, aber ich verharrte an Ort und Stelle, rührte kein Glied und kam erst einmal wieder zu Atem.

Donner zerriß die Luft, aber ich hatte mir nicht die Mühe des Zählens gemacht.

Nach einer Weile holte ich tief Luft und kämpfte mich mühsam weiter. Mittlerweile war ich völlig durchnäßt, und das rostbraune Gewand sah sicherlich pechschwarz aus.

Die mächtige Kette weißgekrönter Gipfel lag ein ordentliches Stück im Norden, und dort hatte dieses verfluchte Unwetter seinen Ursprung. Als ich mich zur südlichen Seite des Berges vorgekämpft hatte, die weit weniger steil war, ließ der Wind etwas nach, da er nun abgeblockt wurde. Allerdings hörte ich noch immer, mit welcher Wut er die Nordseite angriff; das laute Heulen des Sturms durchdrang das unablässige Plätschern des Regens.

An der Stelle, wo dieser sogenannte Pfad auf der einigermaßen ebenmäßigen Lichtung mündete, stand ein ziemlich elend aussehender Wachtposten. Der Mann hüllte sich in einen Umhang und hörte und sah mich nicht. Er wechselte stehend ins Traumland; ich ließ den schlaffen Körper geräuschlos zu Boden gleiten und schlich vorsichtig weiter.

Die Zelte, die im Zwielicht kaum mehr als schwarze Flecke darstellten, erinnerten an entmastete Hulks. In diesem üblen Wetter war so gut wie niemand unterwegs, und der zweite Wächter gesellte sich friedlich schlummernd zu seinem Kameraden. Ich rief mir den Grundriß des Lagers ins Gedächtnis zurück, so wie ich ihn mit Hilfe der Magie des Auges gesehen hatte, und entdeckte das Zelt mit der nassen, traurig herabhängenden schwarzen Flagge.

Ob sie hier wohl auch goldene Sofas benutzten? Nun, bei Vox, gleich würde ich es wissen!

Ich robbte auf allen vieren näher heran; der Regen verschaffte mir zusätzliche Deckung, doch das Kriechen am Boden versah meine bereits mitgenommene Kleidung mit einer dicken Schlammschicht.

Ich stand gerade im Begriff, ein wucherndes Gebüsch zu umgehen, da verharrte ich. Die Blätter waren vom Regen nach unten gedrückt worden. Mit schnellen, sparsamen Bewegungen nahm ich den Langbogen ab und legte Drexer, Rapier und Main-Gauche beiseite. Ich zog das Gewand über den Kopf, dessen Stoff sich matschig anfühlte, wickelte mein ganzes Waffenarsenal einschließlich Pfeilen darin ein und stopfte das Bündel unter den Busch.

Den scharlachroten Lendenschurz und das Krozair-Schwert behielt ich natürlich – was dachten Sie denn?

Die Temperatur war für einen alten Seemann ziemlich erträglich. Ich hatte auf ganz Kregen Abenteuer erlebt, nur mit einem roten Lendenschurz bekleidet und dem Krozair-Schwert in der Faust. Meine Taten waren in unzähligen Schauspielen, Liedern, Puppen- und Schattenspielen gefeiert worden – größtenteils sehr einseitig und maßlos übertrieben, um ehrlich zu sein. Trotzdem fühlte ich mich mit meiner alten Ausrüstung sehr wohl.

Zusätzlich steckte noch das Seemannsmesser an seinem Platz über der rechten Hüfte.

Der Regen fiel gleichförmig vom Himmel, nur gelegentlich peitschten ihn an der Bergflanke vorbeischießende Windböen voran. An der Zeltbahn lief Wasser herab. Ein schlammiger Graben am Fuß des Zeltes versuchte es abzuleiten. Da die Mächtigen dieser Welt stets die behaglichste Unterbringung verlangen, gehörten die Zelte zu den Prachtexemplaren ihrer Gattung. In ihrem Innern würde es abgeschlossene Räume, Teppiche und richtige Möbel geben, keine Feldlageratmosphäre. Natürlich verschwendeten die hohen Herren keinen Gedanken an die Mühen der Sklaven und Diener, die diesen Troß durch die Gegend schleppen mußten. O nein, bei Zair!

Wenn ich mich in dieser Aufmachung auf Kregen herumtrieb, befand ich mich für gewöhnlich auf einer Rettungsmission. Schließlich hatten mich die Herren der Sterne für solche Aufträge überhaupt erst ausersehen. Das war meine Arbeit.

Erst später, nachdem die Everoinye die Existenz des verfluchten und gesegneten Yriums entdeckt hatten, erhielt ich einen anderen Auftrag. Jetzt sollte ich der Herrscher von ganz Paz werden. Ha!

Die Idee, das Halteseil zu durchtrennen und so das ganze Zelt zum Einsturz zu bringen, verwarf ich sofort wieder. Mit dieser List hatte ich erfolgreich Ringwettkämpfe vorzeitig beendet, um Turko den Schild zurück nach Esser Rarioch zu holen.*

Doch in dieser Situation würde der Zusammenbruch des Magier-Zeltes trotz des schrecklichen Wetters die Wachen oder Tchekedos auf den Plan rufen.

Das Seemannsmesser durchtrennte mühelos die klatschnasse Zeltplane. Ein vertikaler Schnitt, gefolgt von einem Kreuzschnitt, gestattete mir den Zutritt. Ich fand mich wie erwartet in einem abgeschlossenen Raum voller aufgestapelter Säcke, Kisten und Vorräte wieder. Auf dem Boden lag braune Zeltplane.

Eine Mineralöl-Lampe mit einem zu langen, nicht nachgeschnittenen Docht verpestete mit ihrem stinkendem Rauch die Luft. Ich schlich in den angrenzenden Raum. Drei Itemos, anhand ihrer grauen Lendenschurze und den mit Peitschennarben übersäten Rücken als Sklaven erkenntlich, hockten zusammengesunken am Boden; ihre ungebändigten grauen Haarschöpfe wurden von Lederstirnbändern zurückgehalten, die Gesichter mit den herabhängenden Hautlappen starrten ins Leere. Sie atmeten röchelnd. Ich schickte sie in einen tieferen Schlaf und wünschte ihnen angenehmere Träume.

Im nächsten Raum hielten sich vier Akoluthen auf, wie die hohen Zylinder verrieten. Sie schliefen im Licht einer Samphronöl-Lampe. Auch sie glitten in einen tieferen Schlaf.

Ein kurzer, mit prächtigen Stickereien mythologischer Tiere verzierter Leinwandkorridor führte zu dem Ort, den ich suchte.

Und dort standen – kaum zu glauben – die goldenen Sofas!

Es waren sechs Stück, aufgestellt in der Form eines Pferdehufes. Dort lagen die verräterischen Illusionszauberer, wie eine Reihe von Hühnern, die nur darauf warteten, daß man ihnen die Hälse umdrehte.

Ihre verzerrten Gesichter verrieten die Anstrengungen, die ihnen die letzte Kraft abverlangten. Sie vereinigten ihr gesamtes Kharma für den Versuch, San W'Watchun und seine Zauberer zu überwältigen und den Wall zu zerstören.

Und ich, Dray Prescot, sah auf diese Männer hinunter, die durch ihre magischen Künste dafür sorgen konnten, daß man mich zum vierhundert Lichtjahre entfernt befindlichen Planeten meiner Geburt zurückschickte.

Das war im Lichte Opaz' gesehen die Wahrheit. Ihr Sieg war gleichbedeutend mit meiner Niederlage. Die Everoinye würden dieses Versagen nicht hinnehmen und mich bestrafen. Ich würde durch das Nichts zur Erde zurückgeschleudert werden.

Und dennoch! Oh, bei allen heiligen Göttern! Konnte ich diese Männer so ohne weiteres kaltblütig töten?

Die großartigen Abenteuer auf Kregen: Hatten sie dieses häßliche Antlitz angenommen?

Die Augen der Zauberer waren geschlossen, so daß sie völlig hilflos waren. Ich sah mich um. Die Zeltwände waren hinter geschmacklosen Seidenvorhängen verborgen. Große grüne Kerzen brannten mit unbeweglichen blauen Flammen. In einer in der Ecke stehenden Bronzeschale schwelte stinkendes Räucherwerk. Die stickige Atmosphäre raubte einem auf übelkeiterregende Weise den Atem. Ich zog das Messer.

Ich sah die Klinge an. Meine Hand zitterte nicht. Das überraschte mich.

Mit einer zugleich wilden und hilflosen Bewegung warf ich das Messer in die Luft und fing es wieder auf – mit der Klinge zuerst.

Partagus war sofort an der Höhe seines schwarzen Hutes zu erkennen, der neben seinem Kopf auf einem Kissen ruhte. Er war ein feister Bursche, dessen verdrießliches Gesicht mit jeder Pore Selbstzufriedenheit ausstrahlte. Selbst wenn man nicht wußte, daß er der Anführer war, verriet seine ganze Erscheinung unmißverständlich, wer hier das Sagen hatte. Daran konnten auch die das Gesicht verzerrenden Anstrengungen der magischen Schlacht nichts ändern. Neben ihm lag Furney.

Ich widmete ihnen einen mürrischen, sehnsüchtigen Blick, in dem zugleich Bedauern lag, weil ich mich nicht dazu überwinden konnte, das Nötige zu tun. War das nicht der unwiderlegbare Beweis, daß ich nicht zum Herrscher taugte? Ein richtiger Herrscher hätte ohne Zögern befohlen, sie alle einen Kopf kürzer zu machen. Die Vorstellung, daß mein Junge Drak, der Herrscher von Vallia, so handeln würde, ließ mich frösteln. Aber ich, Dray Prescot von der Erde, schreckte davor zurück wie ein zaghafter Feigling. Aber es war nicht anders möglich. Warum konnte ich es nicht über mich bringen, ihnen einfach die verdammten Hälse durchzuschneiden?

Eine Windbö brachte das Zelt zum Erbeben. Die blauen Kerzenflammen flackerten. Ich verspürte ein Prickeln am ganzen Körper.

Die gegenüber befindliche Zeltplane, die als Tür diente, wurde zurückgeschlagen, und ein Tchekedo trat ein. Er war wie alle seiner Art: groß und stämmig, mit Waffen behangen, unverschämt. Er erblickte mich, und ihm quollen fast die Augen aus dem Kopf. »Was ...?«

Das Seemannsmesser durchteilte wie ein Schemen die Luft. Die Klinge grub sich in den Hals des Kriegers. Er sah so verblüfft aus, als hätte man ihm eine schwierige Frage gestellt. Er gurgelte und stürzte zu Boden.

Mir lief die Zeit davon. Ich konnte eine solche Entscheidung einfach nicht treffen. Und so holte ich mir mein Messer zurück, wischte die Klinge mit dem prächtigen Halstuch des Kriegers sauber und machte mich ans Werk.

Jeder Illusionszauberer erhielt einen ordentlichen Schlag auf den Kopf. Partagus war der erste, und alle anderen zuckten in diesem Augenblick zusammen. Dann lagen die sechs verdammten Zauberer bewußtlos auf ihren Sofas.

Ich muß zugeben, als ich das Messer zwischen Daumen und Fingern hielt und mit dem Knauf zuschlug, versetzte ich den Cramphs harte Hiebe, bei Krun, zur Ehre Djans!

Einen ausgezeichneten Einfall verwarf ich auf der Stelle. Niemand würde sich davon täuschen lassen, wenn ich dem toten Krieger Partagus' schwarzes Zauberergewand anzog und ihn auf dem Sofa plazierte. Trotz des Vergnügens, das wir Paktuns auf Kosten der Tchekedos hatten, blieb die Tatsache bestehen, daß sie – auch wenn sie viele Fehler hatten – harte Kämpfer waren. Das hochmütige und verächtliche Gesicht des Toten hatte zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit Partagus' gleichermaßen hochmütigen und verächtlichen Zügen, aber das gute Leben hatte den Zauberer verweichlicht und sein Gesicht fleischig gemacht, während der Krieger das harte, durchtrainierte Aussehen aufwies, das man von seinesgleichen erwartete.

Jedes Sofa war ringsum mit langen goldenen Kordeln geschmückt, von denen goldene Quasten herunterbaumelten. Es dauerte nur einen Augenblick, und ich hielt ein Seil in den Händen, während die Quasten abgetrennt am Boden lagen. Ich warf Partagus einen finsteren Blick zu. Der Schurke würde noch beträchtliche Zeit besinnungslos sein. Trotzdem war es besser, auf Nummer Sicher zu gehen. Also verschnürte ich ihn wie eine Weihnachtsgans; ein Stück schwarzer, aus dem Gewand herausgerissener Stoff diente als Knebel.

Da ich eine Zeitlang dem unheimlichen blauen Licht ausgesetzt gewesen war, schloß ich kurz die Augen und steckte dann den Kopf in den Zeltkorridor hinaus. Alles war ruhig. Ich lud mir den verräterischen Illusionszauberer auf die Schulter und eilte davon.

Die Akoluthen schlummerten friedlich. Die Itemo-Sklaven schliefen. Ich schlich mich an ihnen vorbei. Draußen goß es noch immer wie aus Eimern.

Nach dem dekadenten Gestank des Zauberer-Zeltes war der Geruch nach Regen, grüner Vegetation und Schlamm eine wahre Wohltat. Ich sah mit Hilfe meiner Nachtsicht, die vom gelegentlich durch die Wolken dringenden Sternenlicht noch verstärkt wurde, sorgfältig in die Runde und gelangte zu dem Gebüsch, wo mein Gewand und die restlichen Waffen versteckt waren.

 

 

Ich ließ Partagus kurzerhand auf der anderen Seite des Gebüschs zu Boden fallen; dort war er sowohl außer Sicht als auch außer Reichweite meiner scharfen Waffen. Es entzog sich zwar meiner Kenntnis, wie widerstandsfähig er war, aber ich wollte ihn gar nicht erst in Versuchung führen.

Die Entführung und das Ausschalten der anderen Zauberer hatten nicht viel Zeit in Anspruch genommen. Der Wachwechsel würde sich bei diesem Wetter vermutlich etwas verzögern, da sich die eingeteilten Männer unter ihren Decken noch einmal strecken und bei dem Gedanken an den kommenden Dienst aufstöhnen würden. Viel würde von der Strenge der Deldars abhängen.

Trotzdem trieb mich das Gefühl an, nicht mehr viel Zeit zu haben.

Das Zelt, zu dem ich wollte und das an ein Zirkuszelt erinnerte, hob sich durch seine Pracht und die schlaff von der Fahnenstange herabhängende Flagge von den anderen ab.

Ich schlich mich zu ihm hin, völlig geräuschlos. Wie erwartet stand ein Wächter vor dem geschlossenen Eingang.

Ich machte einen großen Bogen um ihn herum und eilte zur Hinterseite. Das Seemannsmesser trat wieder in Aktion. Die aufgeschlitzte Zeltplane beiseite schiebend spähte ich vorsichtig hinein.

Aber zuerst roch ich. Angenehme Essensdüfte drangen verführerisch aus dem düsteren Innern nach draußen. Es waren nicht die Gerüche der abwechslungsreichen einheimischen Gerichte, sondern das scharfgewürzte Aroma der südlichen Küche. Khon der Mak hatte seine eigenen Köche mitgebracht. Ein vernünftiger Mann, der schwarze Bastard.

Ein Spalt matten Lichts wies auf einen teilweise verschlossen Durchgang hin. Es wäre nicht richtig, diese Durchgänge als Türen zu bezeichnen, obwohl sie diese Funktion haben; jenseits davon führte mich ein kurzer Korridor zum nächsten Raum.

Hier saßen zwei Tchekedos, die mit einer Partie Mondspiel beschäftigt waren. Sie verloren das Interesse an dem Spiel, einer nach dem anderen. Ich mußte an Ronun denken; er hätte bestimmt verächtlich gesagt, daß den Kriegern für das Jikaida-Spiel der nötige Verstand fehle. Ich eilte lautlos weiter. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt, und als ich in zwei weitere dieser Zelträume eindrang, entdeckte ich, daß die Einrichtung immer prächtiger wurde. In einem Raum, der meiner Meinung nach zu meinem Ziel führte, schickte ich zwei weitere Tchekedos ins Traumland. Dank Opaz hatte ich unglaubliches Glück. Sicher lenkte auch Oxkalin der blinde Geist meine Schritte.

Meine Vermutung traf ins Schwarze. Die Wände des Raums waren mit Seidentüchern behangen, kostbare Stühle und ein Sofa nahmen zusammen mit einer Waschgelegenheit die Hälfte des Platzes in Anspruch. Der Durchgang auf der gegenüberliegenden Seite hing ein Stück offen.

Khon der Mak setzte sich auf dem Bett auf, als ich hereinstürmte. Sein pechschwarzes Haar war zerzaust. Die leichenblassen Wangen röteten sich an zwei Stellen. Er sah aufgebracht aus. Nur mit einem hellgelben Unterhemd bekleidet, war er nicht völlig nackt.

Als er mich sah, sprang er wie eine zuschnappende Risslaca aus dem Bett, aber von mir fort, auf den gegenüberliegenden Durchgang zu.

Ein furchterfülltes weißes Gesicht schob sich über die Bettdecke. Das Mädchen war jung, herzzerbrechend jung. Sie setzte sich auf, braunes Haar fiel ihr über die Schultern. Auch sie war nicht völlig nackt; um den Hals trug sie eine Kette aus bunten Perlen. Ihre Hände flogen in die Höhe, um die Nacktheit zu bedecken. Ihre leuchtenden roten Lippen öffneten sich zu einem Schrei, der mir im Innersten weh tat.

Ohne in der Verfolgung von Khon dem Mak innezuhalten, hob ich die linke Hand und zeigte beschwörend die leere Handfläche.

»Kein Grund zur Aufregung. Dir wird nichts passieren.«

Das Mädchen kreischte weiter. Nun, bei Vox, wer konnte es ihr verdenken?

Ich umrundete das Bett und lief auf den Durchgang zu. Im nächsten Raum wurde es hell. Das Wespennest geriet in Aufregung!

Ein Blick durch den offenstehenden Durchgang verriet mir, welches Unheil dort wartete!

Nath G'Goldark, der von Khon dem Mak an die Macht gebrachte Hohepriester Dokertys, stand dort, während der Kov ihm etwas zubrüllte und an ihm vorbeirannte. Khon zeigte in meine Richtung. Seine Worte blieben unverständlich, aber ihre schreckliche Bedeutung wurde sofort ersichtlich.

G'Goldark hielt das Flutubium in der Faust. Die beiden im Lampenlicht glitzernden Schwingen trafen an ihren Spitzen zusammen. Dieses Dokerty geheiligte Symbol enthielt das Prisma der Macht.

Das wußte ich nur zu gut, und ich gebe zu, mein erster, von Mitleid erfüllter Gedanke galt der Kleinen im Schlafgemach.

»Tu es, du sollst es tun!« schrie Kov Khon Khonstanton und versteckte sich hinter dem Rücken des Hohenpriesters. »Du weißt doch, wer er ist!«

Der Priester trug sein rotes Gewand. Er hob die Arme und richtete das Schwingensymbol an mir vorbei auf das noch immer auf dem Bett kauernde, hysterisch schreiende Mädchen.

»Dokomek!«