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Als sie wieder die Augen aufschlug, schienen nur wenige Momente vergangen zu sein. Sie lag auf dem Boden, auf dem alten, abgewetzten Teppich. León und Jeb hockten links von ihr. Mary hatte sich auf die andere Seite zu Boden gesetzt.

»Geht es wieder?«, fragte Jeb.

»Ja«, sagte Jenna schwach. »Es … es war nur der Schreck.« Sie blickte zu Mary und León. »Habt ihr den Zeitungsartikel gelesen?«

Beide nickten. »Das sind nicht wir auf den Fotos«, meinte Mary. »Wir können es gar nicht sein.«

»Aber du musst zugeben, dass sie uns verdammt ähnlich sehen.« Jenna richtete sich auf.

»Aber wie kann das sein? Alles kommt uns hier zwar bekannt vor, aber irgendwie auch fremd. Du hast deine Großmutter angerufen, ohne Erfolg. Und es ist doch wohl klar, dass wir noch niemals vorher hier gewesen sind – wie können wir also gesucht werden?«

»Ich will hier niemandem Angst machen«, mischte sich nun Jeb ein. »Aber Jenna hat recht. Die Leute auf den Fotos sehen uns verdammt ähnlich. Hinzu kommt, dass sie zwei Jungs und zwei Mädchen suchen. Hier steht es schwarz auf weiß: ›Eine der Gesuchten hat schwarze Haare, die andere blonde.‹ Ich werde ebenfalls sehr deutlich beschrieben und León ist so unverwechselbar, dass man gar nicht zweifeln kann. Wenn man die Bilder anschaut und unsere Steckbriefe liest … ich kann einfach nicht glauben, dass es zu dieser Zeit und an diesem Ort weitere vier Menschen gibt, die haargenau so aussehen wie wir.«

»Aber da steht etwas von Brandstiftung und Anstiftung zur Unruhe. Damit haben wir doch nichts zu tun.« Marys Stimme überschlug sich fast.

»Wer weiß das schon«, sagte León nun kaum hörbar. Alle schauten ihn verdutzt an. »Ist doch so, oder? Wir erinnern uns nicht an unsere Vergangenheit und wenn, dann sind es nur Bruchstücke. Es könnte also durchaus sein, dass wir in einem früheren Leben schwerwiegende Dinge getan haben, die jetzt auf uns zurückfallen.«

»Das würde bedeuten, wir wären in unser reales …«

Aus dem Hintergrund ertönte eine laute Stimme. Carmelita. Schnell ließ Jeb die Zeitung hinter seinem Rücken verschwinden.

»Was ist mit dir, kleine Lady?« Polternd kam sie näher und kniete sich ächzend neben sie. Sie fasste nach Jennas Arm und legte Zeige- und Mittelfinger auf ihr Handgelenk. Stumm bewegte sie die Lippen.

»Etwas flach«, verkündete sie. Dann befühlte sie Jennas Stirn. »Bist du schwanger, Mädchen?«

Wider Willen wurde Jenna rot. »Nein.«

»Du hast zwar kein Fieber, aber dein Gesicht ist bleich wie Mehl. Ich nehme an, das alles war viel zu anstrengend für dich.«

Jenna wollte etwas erwidern, sagen, dass es ihr gut ging, dass sie nur einen Moment brauchte, um auf die Beine zu kommen, aber Carmelita sprach gleich weiter. »Hast du deine Familie erreicht?«

Jenna schüttelte den Kopf.

»Du musst dich ausruhen, Kind.«

Plötzlich erklangen von der Straße Schüsse. Alle zuckten zusammen, lediglich Carmelita reagierte nicht. Die dicke Frau meinte nur: »So geht das seit Tagen. Die Gangs machen die Straßen unsicher, ballern wild in der Gegend rum und schießen auf alles, was ihnen vor den Lauf kommt. Die Welt ist in Unordnung geraten, aber Gott unser Herr wird diese Sünder strafen und sie in die Hölle schicken, wo sie für ihre Sünden in ewigen Flammen büßen mögen.«

Als sie die erschrockenen Gesichter der vier Jugendlichen sah, fügte sie noch schnell ein »Sorry« hinzu. »Tatsache ist«, sprach sie weiter. »Solange es hell ist, könnt ihr nicht auf die Straße. Viel zu gefährlich. Ihr müsst warten, bis die Nacht anbricht, solange könnt ihr hierbleiben und euch ein wenig ausruhen. Unser Haus ist für euch offen.«

»Danke«, sagte Jeb. »Wir sind Ihnen wirklich dankbar für alles, was Sie für uns tun.«

»Ihr habt meinen Vater gerettet, nichts ist zu viel getan.«

Carmelita sah kurz auf ihre gefalteten Hände. Der grellrote Lack auf ihren Fingernägeln blätterte an einigen Stellen ab. Dann schaute sie auf und blickte Jeb eindringlich an. »Wohin wollt ihr?«

Jenna beobachtete Jeb, der keinen Moment mit seiner Antwort zögerte: »Aus der Stadt raus. Dann nach Norden.«

Es war eine verdammt vage Antwort und obwohl sich Jenna sicher war, dass Carmelita wusste, dass man ihr etwas verheimlichte, nickte sie nur. »Ihr seid sicher müde, auf jeden Fall seht ihr müde aus. Zwei von euch können hier im Wohnzimmer bleiben und das Sofa nutzen, für die beiden anderen habe ich das kleine Gästezimmer am Ende des Flures fertig gemacht.«

Sie hob beide Augenbrauen an. »Ich nehme mal an, dass ihr alle über einundzwanzig Jahre alt seid, daher will ich euch nicht vorschreiben, wer welches Zimmer nimmt. Mein Vater schläft und wird auch nicht so bald aufwachen, denn ich habe ihm ein starkes Schlafmittel gegeben, daher kann er die Schäfchen, die ihm der Herr in der Stunde der Not geschickt hat, auch nicht nach ihrem Geschlecht trennen.« Sie zwinkerte ihnen zu. »Wenn ihr etwas braucht, ich bin in der Küche. Decken findet ihr in der Kommode.«

Sie richtete sich auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Kaum war sie gegangen, fragte Jenna leise: »Sollen wir wirklich hierbleiben oder uns gleich auf den Weg machen?«

»Wohin können wir schon gehen?«, fragte León.

»Die Tore suchen, was sonst?«

»Dann glaubt ihr nicht, dass das unsere Welt ist?« León war ungewohnt zaghaft.

»Also ich bin hier sicher nicht zu Hause, ich habe all das hier noch nie gesehen.« Mary machte eine ausladende Handbewegung. »Und was du über die Taten in unserer Vergangenheit gesagt hast, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Niemand von uns sieht wie ein Brandstifter aus. Das ist nicht unsere Welt, aber wir könnten bleiben. Alles ist uns einigermaßen bekannt … na ja, das meiste. Hier gibt es Menschen. Menschen wie Carmelita und ihren Vater. Man wird uns helfen.«

»Aber das ist nicht unser Leben. Willst du nicht heimkehren? In die Welt zurück, in die du geboren wurdest?«, fragte Jenna.

»Sicher will ich das«, wisperte Mary. »Aber dazwischen liegen noch drei Tore und das wiederum bedeutet, drei von uns werden sterben, bis es so weit ist.«

Jeb hob den Kopf und strich sich nachdenklich durch das schwarze Haar. »Ich traue der Sache nicht. Es wäre zu einfach, nicht mehr weiterzumachen und in dieser Welt zu bleiben. Wer auch immer uns in das Labyrinth gesetzt hat, hat so eine Situation bedacht, und ich gehe davon aus, dass sie Vorkehrungen für diesen Fall getroffen haben.«

»Was meinst du?«, fragte Jenna.

»Die Seelentrinker. Ihr mögt sie vergessen haben, ich nicht.« Bei seinen Worten lief Jenna ein Schauer über den Rücken.

»Von denen haben wir seit zwei Welten nichts mehr gesehen oder gehört«, erwiderte Mary.

»Das bedeutet nicht, dass sie nicht mehr da sind. Vielleicht haben sie kurzfristig unsere Spur verloren oder wir haben einfach Glück gehabt, aber denkt mal an die Botschaft, die Jeb gefunden hat, da stand eindeutig drin, was geschieht, wenn wir nicht bereit sind, uns unserer größten Angst zu stellen.« Jenna seufzte. Das hier war noch lange nicht vorbei.

»Haben wir uns nicht schon oft genug unseren Ängsten gestellt? Ich kann nicht mehr! Du glaubst, dass sie wieder auftauchen?«, fragte Mary mit weit aufgerissenen Augen.

»Ich bin mir sicher. Aber es könnte doch sein, dass diejenigen, die uns laut dieser Zeitungsmeldung suchen, uns jagen werden. Hier und jetzt. Komme, was wolle.« Jeb sprach seine Überlegungen nur leise aus, so als wollte er niemanden erschrecken. Aber seine Logik war bestechend, fand Jenna.

»Was ist mit dir?«, wandte sie sich an León. »Was denkst du?«

»Ganz ehrlich, keine Ahnung. Diese Welt verwirrt mich. Alles kommt mir so bekannt vor. Es fühlt sich … richtig an, hier zu sein, auch wenn es kein schönes Gefühl ist. Tief in mir drin ist etwas, ein alte Angst, eine …« Er verstummte, als könnte er diesen Gedanken nicht aussprechen. Als hätte er Angst, sich etwas einzugestehen oder etwas von sich preiszugeben. Jenna konnte ihm ansehen, wie schwer es für León war, sich aus dieser Welt einen Reim zu machen. Sie glaubte, dass alle unnatürlichen Vorkommnisse – Fernandos blutleere Wunde, das Telefonat, Carmelitas Bemerkung zu seinen Tattoos – ihn bisher am meisten erschütterten. Seine Hoffnung, dass er zu Hause angekommen sein könnte, war zerstört.

»Ich glaube, wir müssen weiter«, sagte Jeb.

Mary sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Und wohin?«

»Keine Ahnung. Wir werden uns am Stern orientieren. Er wird uns zu den Portalen führen, so wie bisher auch.«

Jenna blickte in die Runde. »Hat ihn jemand gesehen?«

Keiner hatte darauf geachtet.

»Ich gehe raus, nachsehen«, sagte León. Von draußen erklangen noch immer Schüsse, Autoreifen quietschten auf dem Asphalt.

»León …« Mary wollte etwas sagen, wahrscheinlich ihn daran hindern, jetzt rauszugehen, sie traute sich jedoch nicht. León wirkte entschlossen und sah Mary fest in die Augen. »Warte hier«, sagte er. Dann war er fort.

Draußen begrüßte ihn Gluthitze. Die Temperatur schien noch gestiegen zu sein. León schlüpfte durch die Tür und huschte geduckt die Treppe hinunter. Hinter dem Mauervorsprung, der die steinerne Treppe bildete, ging er in die Knie und schaute die Straße in beide Richtungen entlang. Niemand zu sehen. Wie ausgestorben glühte der Asphalt vor sich hin, wirkte wie ein Spiegel, der die Hitze auf die Umgebung warf. León brach der Schweiß aus allen Poren aus. Sie mussten sich um andere Kleidung kümmern, fiel ihm auf. Sie trugen immer noch die Flanellhemden und hier war es eindeutig zu warum dafür.

Er verengte die Augen zu Schlitzen, die Sonne stand grell leuchtend am fast weißen Himmel, den keine Wolke bedeckte. Noch immer zu hell. Er bedeckte seine Augen mit der Hand, starrte nach oben, suchte jeden Fetzen Himmel ab, aber entweder war der Stern noch nicht aufgegangen oder die flirrende Helligkeit verbarg ihn.

León wollte gerade aufstehen und zurück ins Haus flitzen, als er ein tiefes Motorengeräusch vernahm. Ein Sechszylinder, schoss es ihm durch den Kopf. Er erkannte den Sound sofort. Brummend und … gefährlich. Dazu ertönte jetzt laute dröhnende Musik. Es klang wie … mexikanischer Rap. Er verstand die Worte und die Geschichte, die sie erzählten, ließ ihn trotz der Hitze frösteln.

Still Making Money With This Criminal Mentality

And Haters Still Hating These Days.

I’m Still Hittin’ This Thang

With Semi-Automatic Thangs.

I Live How I Want,

You Chase What You Wanna Be.

León spähte um die Ecke. Tatsächlich, da rollte ein schwarzes Cabrio auf ihn zu. Vier Mexikaner mit tätowierten Gesichtern befanden sich darin und nickten im Takt der Musik. Im Gegensatz zu seinen eigenen Tätowierungen, die das gesamte Gesicht bedeckten, war bei ihnen nur jeweils die rechte Gesichtshälfte verziert. Trotzdem wirkten sie Furcht einflößend. In ihren hochgereckten Fäusten steckten kurzläufige Maschinenpistolen, die sie drohend herumschwenkten. Mierda. Der Wagen kam genau auf ihn zu. Noch konnten sie ihn nicht sehen, aber wenn sie sich auf gleicher Höhe mit ihm befanden, gab es keinen Schutz mehr. Sie würden ihn kurzerhand abknallen, daran zweifelte León keine Sekunde.

Was sollte er bloß tun? Er war ein Fremder in ihrem Gebiet. Sein Gesicht und sein Körper waren von Tätowierungen bedeckt, die ihren zwar ähnelten, aber doch in wesentlichen Teilen unterschiedlich waren und die ihn als Mitglied einer anderen Gang auswiesen.

Sie werden denken, ich sei ein Späher, der sich auf ihr Gebiet geschlichen hat. Bei allem, was heilig war, er konnte froh sein, wenn sie ihn nur erschießen würden.

Was mache ich nur?

Der Wagen kam immer näher. Die Musik wurde lauter, bedrohlicher. Nur noch Sekunden, dann würden sie bei ihm sein.

»Hört ihr das?«, fragte Jenna.

Alle lauschten.

»Musik, allerdings unerträglich«, meinte Mary.

»Unmöglich«, sagte Jeb und doch, jetzt konnte er es ebenfalls hören. Dröhnender Bass, der stetig näher kam und schließlich die Fenster vibrieren ließ. »Scheiße, was ist da los?«

Alle drei rannten hinüber in die Küche, spähten durch die Schlitze der heruntergelassenen Rollläden. Sie sahen den Wagen sofort, ein dunkles Ungetüm ohne Verdeck, in dem vier Männer saßen und drohend mit ihren Waffen herumfuchtelten.

»León ist da draußen«, zischte Mary leise, so als könne man sie auf der Straße trotz der Lautsstärke der Musik hören. »Sieht ihn jemand?«

»Nein.« Jennas Stimme war keine Nervosität anzuhören, aber Jeb wusste, dass sie wie er selbst und Mary unter großer Anspannung stand.

»Keine Spur von ihm«, sagte er. »Er muss sich versteckt haben.«

»Hoffentlich gut genug«, murmelte Mary, die bleich geworden war.

Jenna wandte den Kopf, sah Jeb kurz an. »Nichts.« Dann spähte sie wieder hinaus. Zu dritt starrten sie auf die Straße. Von León keine Spur.

León hörte, wie der Wagen stetig näher kam. Er hatte sich auf den Bauch gelegt, das Flanellhemd schnell über sich geworfen, sodass sein Gesicht und seine Arme darunter verborgen waren. Er versuchte, wie jemand auszusehen, der auf offener Straße erschossen worden war. Es war ein dürftiger Plan, aber das Einzige, was ihm auf die Schnelle einfiel. Entweder sein Trick funktionierte und die Typen fuhren weiter oder sie durchsiebten seinen Körper mit Kugeln.

Das Quietschen von Autoreifen, die abrupt abgebremst wurden, drang an sein Ohr. Die Musik verstummte. Plötzlich war es totenstill. Nichts regte sich mehr. Nicht mal ein Lufthauch bewegte die Papierfetzen auf der Straße, das Leben schien den Atem ebenso wie er anzuhalten.

»Sieh dir den verdammten Penner an«, sagte eine brutal klingende Stimme. »Den hat einer kaltgemacht.«

»Si«, sagte eine zweite Stimme. »Ein cabrón weniger.« Plötzlich spürte León die Hitze der Sonne auf seinem rechten Handrücken. Verdammt! Er wagte es, ein Auge vorsichtig zu öffnen. Die linke lag verborgen, aber die rechte mit ihren blauschwarzen Mustern war offen zu sehen.

Madre mia, hoffentlich fällt das keinem auf.

»Der Typ hat coole Schuhe an«, sagte eine neue Stimme.

»Das nennst du cool?«, sagte der Erste. »Sehen wie beschissene Wanderschuhe aus, mit denen die weißen Ärsche in den Bergen herumklettern. Sag bloß, du würdest die Treter von so einem toten weißen Arschloch anziehen?«

»Nein, nein«, versicherte hastig die Stimme. »Ich meinte nur.«

»Weißt du was, hombre, dein ständiges Gelaber geht mir auf den Sack. Halt mal die verfluchte Fresse.«

»Alles klar, Rojo«, kam es unterwürfig zurück. »Lo siento, sorry, Mann …«

»Ruhe!«

Plötzlich sprach keiner mehr. War dem Typ, den die anderen Rojo nannten, etwas aufgefallen, was sein Misstrauen erregte? León wusste nicht, was los war. Er glaubte, die Blicke der Typen zu spüren, wie sie über seinen Körper glitten.

Hoffentlich, hoffentlich … por Dios!

Dann wurde die Musik wieder eingeschaltet. Dröhnend hämmerte sie aus den Lautsprechern, hüllte León in ihrem Beat ein. Die Reifen quietschten erneut. Der Wagen fuhr los, verschwand, als er an der nächsten Ecke abbog.

Endlich wagte es León wieder zu atmen. Er sprang auf die Füße und hetzte zurück ins Haus. Verdammt, das war knapp.

Als er durch den Eingang schlüpfte und leise die Tür hinter sich zuzog, stand Mary vor ihm. Ihre Augen schwammen in Tränen. Wortlos fiel sie ihm um den Hals. Er fuhr ihr sanft mit der Hand über den Rücken. »Es ist nichts passiert.«

Sie presste sich noch enger an ihn, umklammerte seinen Körper, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. Schließlich beruhigte sich Mary ein wenig. León fasste nach ihrer Hand und umschloss sie mit seiner. Er suchte ihren Blick und sie sah ihn an mit ihren sanften braunen Augen. »Lass uns nachher reden.«

Ohne ihre Reaktion abzuwarten, zog er sie zu den anderen in die Küche. Von Carmelita war nichts zu sehen.

»Haben sie dich gesehen?«

»Konntest du den Stern am Himmel ausmachen?«

León biss sich auf die Lippen und schüttelte stumm den Kopf. Es war genug Antwort auf beide Fragen.

»Mist!«, fluchte Jeb.

»Es ist erst Nachmittag, das zumindest sagen die Uhren hier im Haus«, warf Jenna ein. »Um Mitternacht wird er am Himmel stehen.«

»Wenn er überhaupt erscheint«, entgegnete Jeb.

»Hoffentlich. Er muss einfach.«

»Was machen wir jetzt?« Jeb sah die anderen an, aber keiner antwortete ihm.

»Das, was wir bisher noch viel zu wenig getan haben«, sagte León schließlich grinsend. »Wir ruhen uns aus. Bevor wir den Stern nicht entdecken, wissen wir nicht einmal, in welche Richtung wir uns halten müssen.«

»Dann ist es also beschlossene Sache. Wir ziehen weiter«, sagte Jenna ruhig. »Was ist mit dir, Mary?«

»Ich gehe dahin, wohin ihr geht.« León legte seinen Arm um ihre Schulter und Mary schluckte kurz. »Ohne euch …« Sie verstummte.

»Okay, dann ruhen wir uns aus.« Jenna blickte kurz zu Jeb. »Jeb und ich nehmen das Wohnzimmer, ihr könnt das Gästezimmer haben.«

León spürte, wie ein Lächeln über seine Lippen glitt. Endlich würde er mit Mary allein sein. Es gab so viel, worüber er mit ihr reden wollte.