LSD, Hunde & Ich

 

 

Grüße an Dr. Albert Hoffmann am 60. Geburtstag seines „Problemkindes“! Und Grüße aus den besetzten USA an die freie Welt!

 

Zwei Hauptfaktoren haben es für mich unmöglich gemacht, an das dominante mechanistisch-materialistische Modell des Geistes und des Universums zu glauben: (1) Hunde, schon mein gesamtes Leben lang, und (2) LSD, seit 1962.

Über Hunde werde ich an anderer Stelle schreiben. Ich möchte hier nur sagen, dass kein Hund, der jemals Gast im meinem Haus war, auf mich auch nur einmal wie eine Maschine gewirkt hat, egal wie viele Bücher ich auch über mechanistische Biologie gelesen habe. Sie alle erschienen mir wie vierbeinige Menschen.

Jeder LSD-Reisende hat seine oder ihre eigenen Berichte anzubieten. An dieser Stelle biete ich lediglich die Sammlung meiner eigenen Erfahrungen an, die ich in den von mir favorisierten Metaphern ausdrücke.

Nach meiner ersten LSD-Reise erschienen mir nicht nur Hunde weniger maschinenhaft als zuvor, sondern auch Käfer, Bäume, Vögel und selbst der Sternenhimmel. Und nachdem ich meinen hundertsten Trip genommen hatte, kam sogar ich mir selbst weniger wie eine Maschine vor.

In meinen Augen waren weder Pantheismus noch Panpsychismus jemals Philosophien. Vielmehr habe ich Philosophien gänzlich aufgegeben. Ich lebe inmitten von Wundern, die ich unter dem Gesetz der allgemeinen Semantik betrachte, welches aussagt, dass keine Karte jemals das „gesamte“ Territorium abbilden kann. Ich denke, dass wir in jedem Fall das Wort „gesamt“ aus der Alltagssprache verbannen sollten, um es ausschließlich der reinen Mathematik zu überlassen.

Lasst mich das ein wenig erklären. Stellt euch eine große Stadt vor, die ihr gut kennt – Zürich, Berlin, Amsterdam, Los Angeles, welche Stadt auch immer. Der Illustration halber schreibe ich „Dublin“, aber ihr solltet an eine Stadt eurer Wahl denken. Denkt ihr, dass irgendeine Karte von Dublin die Aufenthaltsorte und Bewegungen aller dort lebenden Mäuse zeigen kann? Selbst wenn man diese Absurdität als theoretisch möglich betrachtet, würde diese Mäusekarte nicht die Blumen, Flöhe, Mikroben usw. beinhalten; auch würde sie keine Emotionen, Freude, Leid usw. der Menschen (oder der Hunde) abbilden – und sie würde auch nur für Sekunden relativ genau bleiben. (Absolut genau kann sie nicht einmal für eine Nanosekunde bleiben.)

Und nun denkt an die anderen Formen von „Karten“ – unser Glaube, unsere Künste und unsere Wissenschaften. Gibt die Quantenmechanik eine „vollständige“ oder auch nur eine fast vollständige Auskunft darüber, warum Bozo so viele Menschen umbringen möchte? Sagen uns Freuds Theorie, der Marxismus, der Postmodernismus, eine Hautprobe oder die Ölpreise – einzeln oder in einem Metamodell kombiniert – „alles“ darüber?

Sagt van Gogh mehr oder weniger über Pflanzenwuchs aus als Beethovens Sechste, Darwins Die Entstehung der Arten oder die neuesten botanischen Abhandlungen? Wessen Geometrie verrät die „ganze“ Wahrheit über den Dubliner Sternenhimmel – Euklids, Gauß´, Lobatchevskys, Buckminster Fullers?

Um das vollständig zu begreifen, was ich hiermit meine, probiert doch einmal folgende Übung: Versucht „alles“ über die Seite (oder den Computerbildschirm) auszusagen, auf welcher ihr diese Worte lest. Angenommen, ihr habt diesen Text als gedruckte Version vor euch, dann versucht alles aufzuschreiben, was ihr über die chemische Zusammensetzung der Tinte und des Papiers wisst. Wenn ihr nicht genug wisst, dann stellt ruhig Nachforschungen an.

Versucht „alles“ darüber in Erfahrung zu bringen, wie der Text von mir zu euch kam, sogar wenn dies sechs Monate Studium der Computerwissenschaften und Elektronik in Anspruch nimmt. Wer forderte mich dazu auf, diesen Text hier zu schreiben? Findet „alles“ über sie oder ihn heraus. Vernachlässigt auch nicht die anderen Personen, die mit der Produktion dieser Seite zu tun hatten – ihre Gehälter, ihre Sorgen, ihre Religionen, ihre politischen Einstellungen, ihr Sexleben,…

Und vergesst auch mich nicht, warum mich jemand fragte, ob ich über LSD schreiben könne und ich zustimmte? Versucht „alles“ über mich herauszufinden.

(Hinweis: Während ich diese Übung machte, fand ich heraus, dass unter den unbegrenzten Ursachen dafür, warum ich Schriftsteller wurde, auch die Überfischung der Nordsee durch die Dänen vor 15 Jahrhunderten eine Rolle spielte85.)

Wenn man mit dieser Suche nach der „Gesamtheit“ gründlich genug fortfährt (mindestens über zwei Jahre), wird die Seite wahrscheinlich leicht vergilbt und die Tinte etwas verblasst sein, was dann weitere Untersuchungen auf dem Gebiet der Chemie zur Folge hat, ja sogar der politischen Geschichte – zum Beispiel wäre das Papier haltbarer, wenn es aus Hanf hergestellt würde. Warum benutzen die Verlage stattdessen Holz?

Jetzt stellt euch vor, dass diese gigantische Informationsflut euer Gehirn nicht in zwei Jahren, sondern in zwei Nanosekunden durchströmt, wobei die Informationsquelle nicht diese Seite, sondern die Frucht auf dem Tisch, ein Gemälde, der Stift, ein Auto oder die weitest entfernten Sterne sind.

Dies ist der Grund dafür, dass LSD in den letzten 60 Jahren die Welt für so viele von uns erweitert hat. Wie der englische Dichter William Blake haben auch wir „die Unendlichkeit in einem Sandkorn entdeckt“, und je tiefer wir blicken, desto tiefer erscheint der Abyss. Wie schon Nietzsche erkennen auch wir häufig, dass wir genauso in den Abyss hinein starren, wie dieser auch in uns hinein starrt…

LSD scheint die geprägten und konditionierten Schaltkreise des Gehirns zu unterbrechen, die normalerweise unsere Wahrnehmung, Emotionen und Gedanken kontrollieren, was dann zu einer Flut – einem Ozean – an neuen Informationen führt.

Eine solche Erfahrung wird entweder sehr beängstigend oder auf anregende Weise bildend sein, was davon abhängt, wie fest man zuvor daran glaubte, dass die eigene Karte des Universums „alles“ beinhaltet. Da ich, lange bevor ich LSD ausprobierte, gelernt hatte, dass kein Modell der Gesamtheit der Erfahrungen gleicht, hatte ich niemals einen schlechten Trip. Allerdings habe ich genügend Angstattacken und Ausraster gesehen, die aufgrund eines naiven, dogmatischen und leichtfertigen Umgangs mit LSD zustande kamen, den ich niemals befürwortet oder unterstützt habe.

 

Während man in diesem Ozean neuer Informationen herumplanscht und versucht, nicht in ihm zu ertrinken, erlebt man im Allgemeinen eine zweite Überraschung, die das LSD zu bieten hat: Eine Explosion neu entdeckter Energie im eigenen Körper. Ob man diese Energie nun Kundalini, Bio-Elektrizität, Orgon, Libido oder Lebenskraft nennt, … sie kann Muskelkrämpfe, hemmungslosen Eros oder einfach nur „warme und schmelzende“ Gefühle auslösen – oder alle drei Erfahrungen hintereinander oder nahezu gleichzeitig – gewöhnlich gefolgt von etwas, das gelegentlich „Nahtoderfahrung“ oder „den Körper verlassen“ genannt wird.

Noch einmal, man kann dies entweder als psychotisch und erschreckend erfahren oder als „religiös“ ekstatisch, womit man sich dann kurz- oder langfristig auf Paranoia („alles und jeder möchte mich zerstören“) oder auf Metanoia („alles und jeder möchte mir helfen“) prägen kann. In beiden Fällen tendiert man dazu, ein erhöhtes Gewahrsein jener eigenartigen Koinzidenzen zu entwickeln, die Jung Synchronizitäten nannte und die Anhänger christlicher Verschwörungen feindlichen, okkulten Kräften zuschreiben.

In meinem Fall fand ich mich nach ein paar Jahren scheinbar dazu gezwungen, nicht zwischen Paranoia und Metanoia zu wählen – beide schienen mir bemitleidenswerte Vereinfachungen – aber zwischen Mystizismus und Agnostizismus. Ich löste dieses Problem für mich, indem ich einen agnostischen Mystizismus in der Tradition von Laotse wählte:

 

Etwas, das nicht gewusst und unaussprechlich

noch vor Erde und Himmel,

noch vor Leben und Tod war.

Ich weiß nicht, wie es zu nennen ist,

also nenne ich es Dao.

 

Was denke ich, sollten wir mit Dr. Hoffmanns „Problemkind“ machen? Gut, keine Konsumware wird sicherer, wenn ihre Herstellung, ihr Verkauf und ihre Verbreitung in die Hände von professionellen Kriminellen fällt; und das Verbot von Alkohol und anderen Drogen hat unausweichlich eben diesen Effekt, gefolgt von korrupter Polizeiarbeit und öffentlichem Zynismus. Sollte die Regierung vielleicht ihre Finger aus diesem Gebiet lassen und professionellen Wissenschaftlern (zum Beispiel der Medizin) die Führung überlassen?