JONAS CORNELL

Armer Gigolo

Ich flog nach Rom, und Vincent bezahlte die Flugkarte. Hier oben, wo wir flogen, schien die Sonne. Stockholm war tief unter dicken Wolken verschwunden. Helena, bei der ich nassauerte, war weg, und auch Peter Smith mit seinen Auslegungen und Merkwürdigkeiten. Am Tag vorher kam er noch zum Essen und sagte:

»Wenn du wissen willst, wer du bist, Stefan, musst du auf das achten, was dir passiert. Das ist kein Zufall. Die Ereignisse erzählen über dich. Sie beschreiben deinen Charakter.«

»Dafür kann man wohl auch nichts«, sagte Helena.

»Deine Mutter wurde in London vom Bus überfahren und starb«, meinte ich.

»Prost, Liebling«, sagte Peter Smith.

Und Vincent rief von Rom an und machte einen einfachen Vorschlag.

Die Flugkarte war schon bestellt. Ich brauchte nur abzureisen, fort von Peter, der Wohnung und meiner Helena. Wir zwischenlandeten in Paris, und ich trank einen Pernod, der wie kalte Baumwolle im Mund schmeckte. Die Sonne stand wie ein Wasserfall über dem Flugplatz und den Maschinen dort draußen. Dann flogen wir wieder. Mir gefiel es: mit Vincent und Helena im Kopf, die immer kleiner wurden, was auch für Mr. Smith galt. Meine Hände waren braun und kräftig, die Adern wölbten sich unter dem weißen, beinah unsichtbaren Flaum auf den Handrücken, und die Nägel waren schön oval und genau da geschnitten, wo sie sich von der Haut lösten. Ich hatte den grafitgrauen Fresco-Anzug an und meinen hellblauen Arrow, saß ganz hinten im Flugzeug, und der Platz neben mir war frei. Die Stewardess schielte ein paar Mal herüber und ich hätte sie bitten können, sich zu setzen und einen Augenblick auszuruhen, aber ich tat es nicht - ich war jetzt professionell. Mach’s gut, Helena. Hej, Stefan Stefano, mein Held, der du in deinem Fauteuil geradewegs nach Italien fliegst.

Vincent, der Kraushaarige, lebte in einem Film, den er so spannend wie nur möglich zu gestalten suchte. Eigentlich kannte ich ihn nicht, obgleich es kein >eigentlich< gab in Vincents Fall. Er holte mich vom Flugplatz ab. Im Taxi erklärte er mir, dass er zusammen mit Giovanni, einem Italiener in mittleren Jahren, der Boss wäre. Und dass wir, das heißt ich und ein paar andere junge Männer, kurz gesagt als Gigolos agieren sollten, obgleich Vincent das Wort nicht schätzte.

»Gesellschaft«, sagte er. »Gesellschaft für die Damen. Wir einigen uns vorher mit ihnen. Sie sind als Touristinnen hier unten, Amerikanerinnen, Engländerinnen, Schweizerinnen, alles Mögliche. Witwen mit Qualitätsansprüchen, Hausfrauen auf der Weide. Vollständige Diskretion, teuer.«

»Was bekomme ich?«, fragte ich.

»Dreißig Prozent«, sagte Vincent und putzte die Brille. »Das ist Draht, kann ich dir sagen.«

>Tanten bürsten<, sagte ich und dachte an Peter Smith und seine Taten.

»Und warum gerade ich?«, fragte ich selbstzufrieden.

»Du siehst gut aus in Badehosen«, sagte Vincent. »Du bist groß und blond.«

»Und schön.«

»Und schön.«

»Außerdem habe ich mein Examen in Geschichte.«

»Das«, sagte Vincent, »ist für unsere Wahl nicht von entscheidender Bedeutung gewesen.«

»Vierzig Prozent«, sagte ich.

»Fünfunddreißig«, sagte Vincent.

»Okay«, sagte ich, »fünfunddreißig Prozent.«

Dann waren wir in Rom. Ich bekam Ostia zugeteilt, und ich kann Ostia im Juli nicht empfehlen. Es ist zu warm. Aber ich war auf jeden Fall am dichtesten an Rom; Bill arbeitete in Santa Marinetta, Luigi in Ladis-poli und Jackson auf einem Ausflug nach Viareggio.

Das Ganze war gut organisiert. Vincent nahm vorher die Kontakte auf, und manchmal kam er mit und stellte mich den Kundinnen vor. Mein Preis wechselte, je nachdem, wie lange ich zur Verfügung stand, einen Tag oder zwei, manchmal auch eine Woche. Meine erste Kundin war eine Deutsche. Wir blieben zwei Tage zusammen, und in Ostia mietete sie eine Segeljolle. Aber sie wollte nicht, dass ich mit ihr was im Boot machte. Sie hatte große Angst, dass uns jemand von Land aus sehen könnte. Nachts waren wir in Giovannis Wohnung, denn sie wagte nicht, mich mit ins Hotel zu nehmen. Der Portier hätte eventuell die Augenbrauen hochziehen können. Sie war verheiratet, mehr erzählte sie nicht von sich. Ihr Alter blieb undefinierbar, vielleicht um die fünfzig. Sie war langweilig, aber nicht direkt unappetitlich. Ich machte es einmal pro Nacht, lange und sorgfältig. Sie lag ganz still unter mir, stöhnte ein bisschen und hob leicht die Beine an, wenn sie am leidenschaftlichsten wurde. Ich hörte die Geräusche, die vom Corso heraufkamen, und stellte mir vor, selbst da unten zu sitzen und Birra zu trinken. Ich glaube, dass es ihr niemals kam. Sie hieß Helga und wohnte in München.

Giovanni, den ich oft traf, ging mit einem Mädchen, das Ann O’Hara hieß und bei Fellini in der Cinecittà Statistin gewesen war. Sie sah furchtbar üppig und sehr schön aus. Giovanni war nicht hübsch, sondern klein, fett und glatzköpfig, er wirkte melancholisch. Als Jackson aus Viareggio zurückkam, lud Giovanni uns zum Essen im The Scalini ein. Ann war auch dabei, und Jackson, ein großer und schöner Neger, wurde ganz wild. Er wollte, dass wir sie später am Abend besuchen sollten, aber es gelang mir, ihn davon abzubringen. Damit rettete ich uns wahrscheinlich davor, gefeuert zu werden. Denn Giovanni war eifersüchtig und wachte wie ein Habicht über Ann, die ohne Zweifel von seinen Beziehungen zur Cinecittà abhängiger war als von seinem Appeal.

Giovanni arrangierte das Geschäft mit Elisabeth. Vincent war in Mailand, um etwas zu erledigen. Er musste immer etwas erledigen. Ich fragte ihn, was er in Mailand zu tun hätte.

»Ich habe bloß etwas zu erledigen«, sagte er.

Giovanni sah melancholischer als gewöhnlich aus, denn Ann hatte offenbar in der Cinecittà Fuß gefasst und dadurch weniger Verwendung für seine Beziehungen. Sie winkte mir einmal auf der Piazza Barberini aus einem Ferrari in einer Autoschlange zu. Und wenn das Giovanni gewesen sein soll, der fuhr, dann musste er sehr schnell abgenommen haben, einen halben Meter gewachsen sein und sich eine Perücke zugelegt haben.

Die Saison ging ihrem Ende zu. Wenn ich nicht arbeitete, lungerte ich herum. Ich ging zum Rummel und zum Pferderennen oder schlief im Schatten eines Baumes in Pincio. Oft aß ich mit Giovanni zusammen. Eines Abends gab er mir eine Fahrkarte nach Neapel. Ich sagte, dass mir Neapel nicht gefiele. Giovanni meinte, dass es ihm auch nicht gefiele. Er erklärte:

»In Neapel liegt eine Fahrkarte nach Palermo. Das Schiff geht morgen Abend um halb neun, und die Karte ist für eine Doppelhütte. Elisabeth wohnt in der anderen Koje. Du sollst sie auf Sizilien herumführen. Sechs Tage Arbeit für dich.«

»In Schweden haben wir heutzutage die Fünftagewoche«, antwortete ich. Ich wurde bei dem Gedanken an Schweden und die Fünftagewoche so gerührt, dass ich Tränen in den Augen hatte und mich schnäuzen musste damit Giovanni nichts merkte.

»Vergiss Schweden«, sagte Giovanni. »Du bist kein Schwede. Elisabeth hat einen blonden Italiener bestellt. Sie ist Engländerin. Du musste also Englisch mit italienischem Akzent sprechen.«

»Es ist zu warm«, sagte ich. »Sizilien hat jetzt seine heißeste Zeit.«

»Sizilien hat immer die heißeste Zeit«, sagte Giovanni. Dann schoss er vom Stuhl hoch, weil Ann an den Tisch kam. Da ich an diesem Abend nicht in Stimmung war, mit anzusehen, wie sie Giovanni schikanierte, erhob ich mich und ging. Giovanni merkte es nicht einmal. Es interessierte niemanden, ob ich saß oder ging oder lebte oder starb. So ist es, wenn man lebt als sein eigener Held, und ich erwog, mir wieder eine Träne abzuringen, ließ es aber und ging stattdessen ins Kino.

Ich begrüßte sie erst, als das Schiff den Kai schon verlassen hatte. Einer der Stewards zeigte sie mir. Sie saß an einem verlassenen Tisch, als ich im Eingang des Restaurants stand, und wendete mir halb den Rücken zu. Die Motoren dröhnten, und der Boden vibrierte leicht. Ich spürte jene Erregung, die einen überkommt, wenn ein großes Schiff gerade Fahrt aufgenommen hat.

Ich schlängelte mich zwischen den Tischen zu ihr durch. Sie las die Speisekarte und bemerkte mich erst, als ich sie ansprach.

»Hallo«, sagte ich und dachte an den italienischen Akzent. »I am Stefano.«

Sie fuhr zusammen und sah mich an, der ich mit meinem widerlichen Lächeln dastand.

»Oh, hallo«, sagte Elisabeth. Wir gaben uns die Hand, und ich setzte mich.

»Es ist warm«, sagte sie und lächelte ein wenig.

»Nichts gegen Sizilien«, meinte ich.

»Ich weiß nicht, was ich essen soll«, sagte Elisabeth. »Ich kann das hier nicht lesen.«

Ich bestellte. Die Stimmung war ein bisschen gedrückt. Sie versank in sich selbst, und als sie es merkte, fuhr sie zusammen und lächelte mich entschuldigend an. Sie sah müde aus, war Ende dreißig, dunkel, mit kurz geschnittenem Haar. Sie gebrauchte keinen Lippenstift. Ihre Augen saßen weit auseinander, und sie hatte eine Stupsnase. Das Gesicht war ziemlich rund, ihre Haut ohne Sonnenbräune, auch die Arme waren weiß und eine Spur zu füllig. Das Kleid wirkte einfach, aber alles andere als billig. Vielleicht erinnerte sie ein bisschen an eine traurige Shirley MacLaine, älter natürlich und weniger dickköpfig. Nach dem Essen gingen wir einen Augenblick an Deck. Sie erzählte, dass sie nie vorher in Italien gewesen wäre. Ich fragte, warum sie gerade nach Sizilien fuhr, und sie sagte, sie hätte eine Freundin, die auf Sizilien gewesen wäre.

»Hat ihr Sizilien gefallen?«, fragte ich.

»Nein«, sagte Elisabeth. Sie sah mich an und lachte zum ersten Mal an diesem Abend.

Als wir in die Hütte kamen, umarmte ich sie von hinten.

Ihre Brüste waren klein. Sie drehte sich um, strich mir über das Haar und küsste mich leidenschaftlich. Dann machte sie sich los, nahm ihre Halskette ab und legte sie auf den Tisch vor den Toilettenspiegel. Sie fasste mit den Armen nach hinten und zog den Reißverschluss ihres Kleides auf. Sie schob die Ärmel herunter und stieg aus dem Kleid, das sie auf einen Bügel an die Schranktür hängte. Sie hatte einen weißen Unterrock an, keine Strümpfe und schwarze Schuhe mit hohen Absätzen. Sie zog auch den Unterrock aus. Die Beine waren so weiß wie die Arme, Schenkel und Hüften etwas zu kräftig, der Nabel lag tief. Sie sagte nichts, stand nur mit vornübergebeugtem Kopf vor mir und knöpfte den BH im Rücken auf. Dann tat sie so, als sähe sie sich ratlos um, bis sie ihn auf den Stuhl legte, auf dem schon der Unterrock lag. Jetzt hatte sie nur noch ihre Schuhe und den Schlüpfer an. Ihre Achillessehnen zeichneten sich deutlich ab. Sie zog die Schuhe aus, schwankte einen Moment und versuchte Halt auf einem Bein zu bekommen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, spannten sich die Fußsehnen bis zu den Knöcheln. Ihre Füße waren schmal und mager wie die Hände. Sie hatte einen ungewöhnlich hohen Spann, auf dem die Haut sich trocken zusammenschob. Jetzt trug sie nur noch den Slip. Er war klein und spannte über dem Fleisch an den Hüften. Sie trat zum Spiegel, beugte sich vor und strich sich das Haar aus der Stirn. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie mich im Spiegel sehen können, aber sie wich die ganze Zeit meinem Blick aus. In der Kabine leuchtete ein bleiches Licht von den röhrenähnlichen Lampen an den Seiten des Spiegels. Sie zog den Slip aus und warf ihn zu BH und Unterrock auf den Stuhl. Dann setzte sie sich langsam auf die Bettkante und legte eine Hand auf das Kissen, die andere aufs Knie. Bald änderte sie ihre Stellung, zog die Knie unter das Kinn, schlang die Arme um die Beine und stützte die Fersen auf die Kojenkante. Sie sah mich lange an. Es war das erste Mal, dass sie mich betrachtete, seit sie sich ausgezogen hatte.

Ich legte meine Sachen auf den Stuhl neben der Tür. Ich sehnte mich nach ihr, danach, sie an mir zu spüren. Sie betrachtete mich die ganze Zeit, und ich hatte zu tun, dass ich aus den Unterhosen kam. Ich hatte einen Harten, der gerade in die Luft stand, und den trug ich zu ihr. Im Dunkel der Kabine wirkte meine Haut dunkelbraun. Elisabeth war so weiß wie das Briefpapier auf dem Nachttisch. Ihre Augen blitzten auf, als ich zu ihr kam, und ich legte mich auf sie. Ihre Haut war kälter als meine, und sie duftete nach nichts Besonderem. Ich hatte meine Wange an ihrer, und wenn ich den Kopf auf das Kissen legte, konnte ich den wolligen, beinah unsichtbaren Flaum an ihrem Hals sehen. Ich küsste ihren Hals und rollte mich, sie in den Armen haltend, auf den Rücken. Sie zog die Beine an, setzte sich kniend über mich und nahm den Steifen in ihre kalte, trockene Hand. Ich strich über ihre Schenkel und nahm ihre Brüste, die klein waren und dunkelbraune Warzen hatten. Dann durfte ich eindringen. Sie stöhnte und sank langsam mit gesenktem Rücken und herausgestrecktem Hintern auf mich. Sie bewegte sich heftig, und wenn ich den Kopf zurücklehnte, konnte ich ihr Gesicht sehen. Ihr Mund war weit offen, und sie riss die Augen auf. Sie begann sich noch schneller zu bewegen,

sie fuhr über mir hin und her wie ein mechanisches Spielzeug. Ich spürte, wie sie sich um meinen Harten schloss, als es ihr kam. Sie hielt den Atem an und spannte den Körper, bis sie zitterte. Und da kam es mir auch, gewaltig und unaufhaltbar wie ein Dammbruch, dem man an einem Abhang sitzend zusieht.

»Thank you«, sagte Elisabeth.

Ich stöhnte, den Mund in das Kissen gedrückt. Dann richtete ich mich auf, und wir sahen uns an. Sie lächelte und ich auch. Nach einigen Augenblicken kletterte sie quer über mich auf den Boden. Sie ließ einen erschrockenen Laut hören und beugte sich vornüber. Es lief an ihren Schenkeln entlang, und sie langte nach der Rolle mit Gesichtspapier.

Sie steckte zwei Zigaretten an, gab mir eine und legte sich wieder neben mich. Die Motoren dröhnten, und es war warm in der Kabine.

»Hallo«, sagte sie.

»Ich danke auch«, meinte ich.

Wir rauchten. Die Koje vibrierte leicht.

»Bist du verheiratet?«, fragte ich.

Sie nickte.

»Kinder?«

Sie hob zwei Finger.

»Wie lange bist du«, fragte sie, »ich meine...«

»Gigolo gewesen?«

Sie rauchte. »Das klingt nicht gut«, sagte sie.

»Nein«, sagte ich, »das ist es auch nicht.«

»Danke«, sagte Elisabeth.

»Das meinte ich nicht so«, sagte ich.

»Gigolo«, sagte sie. »Das lässt mich an uralte Tanten mit vielen Diamanten denken.«

»Es ist bloß eine Sommerarbeit«, sagte ich.

»Ist ja auch gleich«, sagte Elisabeth. »Aber würdest

du nach Haarwasser riechen und ein Menjoubärtchen haben, so hätte ich verzichtet.«

Sie war anders als vorhin beim Essen, sprach und wirkte ganz ruhig. Ich wurde mir nicht richtig klar über sie, und mein Herz klopfte nervös.

»Es klingt nicht so, als ob du aus London bist«, sagte ich. »Wo wohnst du in England?«

»Ich wohne nicht in England!«, sagte Elisabeth.

»Das haben die mir jedenfalls gesagt«, meinte ich.

»Ich bin Schwedin«, sagte Elisabeth. »Ich wohne in Stockholm.«

Die Motoren dröhnten. Es war sehr warm.

»Du verstehst, Schweden?«, sagte Elisabeth. »Sweden, Scandinavia.«

Unsere Reiseroute auf Sizilien ging über Palermo, Agrigento, Syracusa, Catania. Von Catania sah ich bloß den Flugplatz. Sechs Tage mit Elisabeth, Sveavägen 100, Stockholm, Sweden, Scandinavia. Stefanos sechs letzte Tage.

Entweder hatte Giovanni das Ganze in den falschen Hals bekommen, oder es war eine kaltblütige Lüge, dass Elisabeth Engländerin sei. So ist es wohl gewesen: Nur ich war frei, und Elisabeth wartete in Neapel auf ihren bestellten Liebhaber.

Alles blieb vollkommen idiotisch. Ich fuhr fort, Englisch zu radebrechen und erzählte von meiner ergreifenden Jugend in Turin, von Papa, der ein Tabakgeschäft hatte, von Italo, meinem ordentlichen Bruder, von Norditalien, der guten Hälfte der Halbinsel. Wusstet ihr, dass mein Großvater von Sizilien emigrierte, als Papa zehn Jahre alt war? Dass meine Mama an Lungenentzündung starb, als ich vier war? Ich wusste es nicht, bevor ich es Elisabeth erzählte.

Sie sprach von ihrem Mann, der Ingenieur und Spezialist für Datamaschinen war, von ihren beiden Söhnen, vom Erbe der Tante, das wir zusammen verjubelten. Die Tante war eine gottesfürchtige Wachtel von Krankenschwester gewesen, deren Ersparnisse, nach Elisabeths Ansicht, endlich vernünftig verwendet wurden.

Ich wurde nicht klug aus ihr. Meine Situation war verrückt. Nichts stimmte mehr! Elisabeth stimmte nicht und ich folglich auch nicht. Morgens ging ich weg, um eine Zeitung zu besorgen. Es war das einzige Mal am ganzen Tag, dass ich allein sein konnte, und das nahm ich wahr. Ich lachte vor mich hin, wenn ich durch die Straßen von Palermo oder Agrigent ging. Zum Teufel, Stefan, sagte ich. Oder: Okay Stefano, Okay. Was ich wohl damit meinte?

»Elisabeth«, sagte ich, als wir in einem Hotelzimmer von Agrigent lagen. Es war Abend, und das Gemurmel von der Straße war zu hören. »Warum verjubelst du das Geld deiner Tante nicht mit deinem Mann, statt mit mir?«

»Wir wollen uns vielleicht scheiden lassen«, sagte Elisabeth.

»Und wie bin ich ins Bild gekommen?« , fragte ich.

»Das war das Allereinfachste«, sagte Elisabeth. »Außerdem wollte ich mit dem Geld der Tante etwas richtig Ungehöriges machen.«

Aber das stimmte wohl nicht ganz. Oder doch?

»Ich verstehe nicht, wie man mit solchen, wie ich es bin, in Kontakt kommt«, sagte ich.

»Das ist leicht«, sagte Elisabeth. »Man braucht nur die Zeitung zu lesen. Dann bat ich um ein Foto.«

»Hast du mich nach einem Foto ausgesucht?«, fragte ich.

»Sicher«, sagte sie. Sie lachte. »So konnte ich gewiss sein, dass du kein Menjoubärtchen trägst.«

Ich begriff gar nichts. Ich war ein Rädchen in einer großen Organisation, kein Held. Ich war ein lumpiges kleines Rädchen, das der großen Maschine eingeordnet blieb!

»Komm jetzt«, sagte sie.

Mir gefielen ihre Füße, schmal und fest, mit ranken Fersen, die ich umfassen konnte, wenn ich auf ihr lag und die Arme an den Seiten ruhen ließ. Mir gefielen ihre ein wenig zu weichen Schenkel, ihr Hintern, wenn sie auf den Knien lag, mit dem Gesicht im Kissen, und den sie mir entgegenhielt. Ich leckte sie zwischen den Beinen, bis sie schrie und es ihr kam. Ich küsste sie auf den Hintern, ich pflügte mit dem Gesicht in der Flüssigkeit zwischen ihren Beinen. Ich stand vor ihr, und sie steckte meinen Schwanz in den Mund. Ich sah, wie er ihren ganzen Mund ausfüllte, und ich hielt ihren Kopf mit dem festen Haar und spürte die Vertiefung im Genick. Sie massierte meinen und bat mich, es kommen zu lassen, und ich jagte einen Schuss raus, der quer durch den halben Raum mitten auf die Tür flog. Wir ließen ihn dort, und am Morgen packten wir und fuhren ab. Sie legte sich auf den Rücken. Sie hob die Schenkel und streckte mir die Arme entgegen. Ich brauchte mich nur über sie zu legen, damit der Harte da war, wo er sein sollte. Sie sog ihn in sich. Wir liebten uns über ganz Sizilien. Ich ging zu ihr in die Dusche, bloß um ihr zwischen die Beine zu fassen. Es kann keine Rede davon sein, dass ich mein Geld nicht wert war. Herrgott. Ich strich mit den Händen über Elisabeths Bauch, ich küsste ihren Nabel, ihre Achselhöhlen, ihre Ohren, die Fußsohlen mit der wunderbar glatten und weichen Haut.

Ich nahm ihre Hände und tätschelte mich selbst damit, ließ sie meine Schenkel streicheln, meine Brust, mein Gesicht. Ich leckte jeden Quadratzentimeter von ihr ab, und hätte ich mich zu einem Stück Papier auswalzen können, würde ich sie ganz und gar in mich eingewickelt haben. Sie sah mich mit ihren braunen Augen an, atmete durch den Mund, und ihre Lippen waren geschwollen, weil ich sie zerbissen hatte. Wenn sie mir in einem Restaurant über die Wange strich, erschauerte ich, nahm ihre Finger, steckte sie mir in den Mund und saugte daran. Mir gefielen ihre Hände. Ich lüge wieder: Ich liebte sie. Ich liebte Elisabeth, Sveavägen 100, Stockholm, Sweden, Scandinavia.

In Syracusa besoff ich mich, um alles zu vergessen. Ich weiß nicht, was ich mir vorgenommen hatte. Vielleicht in ein anderes Hotel zu ziehen und am nächsten Tag allein nach Rom zurückzufahren. Trotzdem musste ich begriffen haben, dass mir die Kraft dazu fehlte und dass die Betrunkenheit lediglich ein Beweis mehr war, dass ich Elisabeth nicht verlassen konnte. Ich kehrte ins Hotel zurück und kotzte in das Waschbecken. Elisabeth machte es sauber und fragte nicht.

Das tat sie nie, und warum sollte sie auch? Meine Funktion war klar und eindeutig, und sie hatte dafür bezahlt. Den halben Betrag bei der Lieferung, bekam ich zu wissen, und die andere Hälfte nach Gebrauch. Ich schlief und wurde nüchtern. Ich ging hinaus auf den Balkon. Das Wasser blitzte unwirklich in der heißen Sonne, und die asphaltierte Straße glänzte wie Silber. Ich dachte an Peter Smith und sah mich ein Bild zeichnen von jemandem, den es nicht gab: Stefano.

Ich ging zurück ins Zimmer. Elisabeth saß nackt auf dem Bett und schnitt ihre Fußnägel. Ich hatte nur Unterhosen an, und mein Kopf schmerzte. Ich trat zu ihr und sprach schwedisch.

Ich sagte:

»Es tut mir Leid, dass ich so betrunken war.«

Sie erschrak, hob aber nicht den Kopf. Nach einigen Sekunden fuhr sie fort, die Nägel zu schneiden.

»Elisabeth«, sagte ich. »Du hattest einen Italiener bestellt, aber es gab keinen. Sie schickten mich statttdessen, aber sie haben mich belogen und sagten, dass du Engländerin wärst.«

Sie hörte auf, sich ihren Zehen zu widmen, und setzte den Fuß auf den Boden. Dann blickte sie mich an.

»Ja«, sagte sie. »Dann machen wir wohl auf schwedisch weiter, Stefano.«

»Stefan«, sagte ich. Ich wandte mich zur offenen Balkontür, und das Wasser blendete mir wieder die Augen. Der Penis in den Unterhosen hatte angefangen hochzugehen, als ich dastand und sie ansah. Ich genierte mich deshalb.

»Elisabeth«, sagte ich mit trockenem Mund. »Es ist lächerlich.«

»Was denn?«, fragte Elisabeth.

Ich drehte mich wieder um und ließ den Harten sein. »Alles«, sagte ich. »Ich, weil ich mich in dich verliebt habe.«

Sie saß da, die Hände auf den Knien, und sah mich an. Sie war ernst und furchtbar nackt mit ihren kleinen Brüsten und den Schenkeln, die sich aneinander drängten. Ich war nervös vor Begierde nach ihr und hatte einen Harten, der nicht von dieser Welt war. Ich zog meine Unterhose aus und ging zu ihr. Ich fasste sie an den Schultern, und sie legte sich hinten über auf’s Bett. Ich griff unter ihren Po und sie hob die Beine hoch, bis die Füße mit meinen Schultern fast in gleicher Höhe waren. Ich stieß den Schwanz in sie und spürte ihr Schambein und das Haar an meinem Unterleib. Die Wände drängten sich bebend um den Harten, den ich so tief wie möglich drin ließ, als ich über sie sank. Wir hielten uns fest umarmt und lagen beinah still. Ich sagte »Jetzt fahren wir nach Hause«, und sie flüsterte »ja«, und ich sagte zu ihr »Wir kümmern uns den Teufel was um die, wir fahren zusammen nach Hause«, und sie sagte laut »ja, Stefan. Ja, ja.«

Sie telefonierte von Catania nach Rom wegen der Flugkarten, und zeitig am nächsten Morgen fuhren wir von Syracusa ab. Ich war vollständig verrückt, lachte und redete in einem fort und trug alles Gepäck in der einen Hand, um auf keinen Fall die andere von Elisabeth loslassen zu müssen. Ich war glücklich, durch den Kerl von Taxichauffeur hochgescheucht zu werden. Die vierzig Grad im Zugabteil waren mir nur recht. Tatsache ist, dass ich glücklich war, und Elisabeth, die es merkte, lachte ein bisschen und streichelte meine Hände. Es war, als ob jemand einen schnellgehenden Fahrstuhl in meine Brust verpflanzt hätte.

Alles ging sehr schnell. Wir nahmen ein Taxi nach Fontanarossa. Ich lief hinter Elisabeth durch die Sperre auf den Flugplatz. Auf halbem Wege zum Flugzeug blieb sie stehen, und ich holte sie ein. Sie stand da, mit der einen Hand auf dem Schenkel, damit der Rock durch den Wind nicht hochfliegen könnte. Das Licht war sehr stark, und man musste die Augen zukneifen, um richtig sehen zu können.

»Komm«, sagte ich, »das Flugzeug geht.«

»Wart, Stefan«, sagte sie. Ihr Schal flatterte so, dass der Zipfel senkrecht hochstand. Sie nahm ein braunes Kuvert aus der Handtasche.

»Das ist für dich«, sagte sie.

»Das kann ich auch im Flugzeug bekommen«, sagte ich. »Beeil dich jetzt.«

»Nein«, sagte Elisabeth, »nimm das.«

Ich stellte die Taschen hin und nahm das Kuvert.

»Stefan«, sagte Elisabeth. »Ich habe nur eine Flugkarte und fliege allein.«

Die Stewardess rief vom Flugzeug nach ihr.

»Es geht nicht«, sagte Elisabeth. Sie blinzelte mich im Sonnenlicht an, und der Schal knatterte und flog.

»Doch«, hörte ich mich sagen.

»Nein«, sagte Elisabeth. »Aber es ist Geld im Kuvert. Davon kannst du eine Weile leben. Auf Wiedersehen, Stefano.«

Sie bückte sich schnell, nahm ihre Tasche und lief zum Flugzeug. Sie waren gerade dabei, die Treppe wegzurollen, schoben sie aber wieder heran, als sie kam. Sie eilte die Treppe hinauf ohne sich umzusehen, und die Tür schlug hinter ihr zu. Die Treppe wurde weggerollt, und der Pilot steuerte das Flugzeug auf die Startpiste. Der Lärm wurde stärker. Ich machte ein paar sinnlose Schritte zum Flugzeug hin. Dann drehte ich mich um und ging zur Tasche zurück, die mitten auf dem Platz stand. Hinter mir hörte ich das Flugzeug starten.