Die Berufungs- und die Karrierefalle

Es gibt zwei besonders listige Saboteure, die einen wirklich erfolgreichen beruflichen Wechsel verhindern. Wenn diese Einflüsterer Sie überzeugen, mit ihnen vom Weg abzubiegen, dann landen Sie in einer von zwei Fallen. Die eine nenne ich die »Berufungsfalle«, die andere die »Karrierefalle«. Ich möchte Sie dafür sensibilisieren, ob Sie mit Ihrem »Traum« vom beruflichen Wechsel Gefahr laufen, in der Berufungsfalle oder im goldenen Käfig der Karrierefalle zu landen. Und was Sie alternativ dazu tun können.
Es gibt berufliche »Visionen«, bei denen ich im Coaching oder im Privatleben schnell hellhörig werde. Da will eine Freundin »eine Strandbar auf Teneriffa eröffnen« – aber sie spricht weder gut Spanisch, noch kennt sie sich im Gastronomiegewerbe aus oder hat Kontakte dorthin. Kennen Sie nicht auch eine Bekannte mit Frust im Job, die davon träumt, »einen eigenen kleinen Laden aufzumachen«? Aber die Freundin weiß gar nicht, wie der Einzelhandel organisiert ist und steht nachgewiesenermaßen mit kaufmännischen Dingen auf Kriegsfuß. Oder sind Sie das selbst? Wenn »Visionen« keinen Boden in Ihren bisherigen Kompetenzen besitzen oder Sie keinen Geschäftspartner an der Seite haben, der über die fehlenden Kompetenzen verfügt, dann handelt es sich um Utopien, um Träumereien. Die darf man auch mal haben, aber dafür sollten Sie nicht gleich Ihren Job kündigen.
Im Kern ist die Berufungsfalle eine Vermischung von Lebensthemen aus einem der persönlichen Lebensstränge mit dem beruflichen Lebensstrang. Das war zum Beispiel der Fall bei Juliane, die mit Mitte vierzig ihren bisherigen Job als Lehrerin hinschmeißen wollte, um Heilpraktikerin zu werden. Auslöser war bei ihr eine eigene allergische Erkrankung, die sie mit der Hilfe einer Heilpraktikerin über längere Zeit langsam bewältigt hatte. In dieser Zeit hatte sie sich intensiv mit sich selbst auseinandergesetzt, dabei sowohl ihre Gesundheit als auch ihre Gefühle erforscht und parallel eine Psychotherapie absolviert. Juliane hatte im Lebensstrang persönliche Entwicklung die »Zeit der Empfindsamkeit – Erforschung der Innerlichkeit« durchlaufen. Und im Lebensstrang Gesundheit hatte sie das Lebensthema »Konfrontation mit lebensverändernder Krankheit« erfahren. Nun glaubte sie, diese Selbsterfahrung unbedingt zu ihrem Beruf machen zu müssen. »Das ist meine wahre Berufung«, sagte sie mit glänzenden Augen. Solche Pläne können gutgehen, müssen aber nicht. Und eher häufiger als selten mache ich die Erfahrung, dass es sich um eher gefährliche Pläne handelt.
Drei Voraussetzungen müssen vorhanden sein, damit die Gleichung »Ich habe es selbst erfahren und daher bin ich auch erfolgreich damit, es weiterzugeben« aufgeht. Die eine Voraussetzung ist Talent, die andere ist die Leidenschaft gepaart mit Ausdauer, das führt zu Kompetenz, und die dritte besteht darin, förderliche Umfeldbedingungen herzustellen, sei es eine Finanzierung oder die Absprachen in Ihrer Familie zur Kinderbetreuung. Nur wenn Sie in Ihrem Talent auch eine Meisterschaft entwickeln, werden Sie damit erfolgreich sein, vor allem in späteren Jahren Ihrer Berufslaufbahn. Lediglich »Betroffene« von einem Thema zu sein, reicht nicht für den Erfolg. Es braucht auch Einsatz, oft jahrelang, um aus dieser Authentizität einen Nutzen für andere zu stiften. Ein Beispiel dafür ist die Bewegungspädagogin Benita Cantieni, die mit Mitte zwanzig eine Patientin mit starker Rückratsverkrümmung war und eigentlich ein »hoffnungsloser Fall«. Über viele Jahre mit intensiver Forschung und eigenem Training verbesserte Benita Cantieni ihre eigene Gesundheit dauerhaft. Aus ihren Erkenntnissen entwickelte sie schließlich ihre eigene Methode, das »Cantienica-Training«, das Menschen mit diversen Haltungs- und Gelenkproblemen Hilfe zur Selbsthilfe gibt.
Möchten auch Sie, dass Menschen von Ihrer Lebenserfahrung profitieren? Das ist ein typisches Lebensthema der Lebensmitte und am besten mit »Mentorin/Mentor werden« beschrieben. Ein erfolgreicher Beruf wird aber nur daraus, wenn Sie sich zutrauen, auch wirklich sehr gut, meisterlich darin zu werden.
Sie sollten bereits zu Beginn einer neuen Tätigkeit das Gefühl haben, dass Sie darin Meisterschaft entwickeln können (niemand fängt als Meister/-in an). Oder Sie übernehmen eine etablierte Methode nach Art eines Franchise, das ist natürlich auch immer eine Alternative. Nur: Auch darin müssen Sie sehr gut sein! Wenn Sie jedoch bereits zu Beginn daran zweifeln, dann sollten Sie Ihren Plan nochmals überdenken. Ich meine hier nicht übliche Anfangszweifel, die jeder einmal hat und die ganz normal sind. Es geht um ein inneres Gespür von »Das ist es« und »Das will ich wirklich, niemand wird mich aufhalten«. Man kann in manchen Dingen ein Talent oder eine Faszination haben. Aber nicht jedes Talent führt trotz Training auch auf ein meisterliches Niveau, das ist der Unterschied. Und nicht jede Faszination muss zum Beruf werden. Bei manchen Talenten müsste es wohl eher heißen: Wunderbar, aber gönn es dir doch besser als Hobby! Folgend gebe ich Ihnen aus meiner eigenen Berufsbiografie ein Beispiel. Denn auch ich steckte einmal in der Berufungsfalle – und ein anderes Mal fand ich meine Berufung.

Berufung und Berufungsfalle: Meine eigene Geschichte

Ich habe an meiner Wiege zumindest drei Feen stehen gehabt (also ohne eigenes Verdienst, sondern durch die Gene meiner Eltern). Die eine Fee gab mir Bewegungstalent mit, die zweite Schreibtalent und die dritte das Talent, mit Menschen und deren Seele zu arbeiten. Die erste Fee führte mich in die Berufungsfalle. Die beiden anderen Talente wandelte ich erfolgreich in Kompetenzen um und lebe sie heute in meinem Beruf, den ich auch als Berufung bezeichnen kann.
Wie aber war es mit der Berufungsfalle? Zunächst lebte die Fee des Bewegungstalents als intensives Hobby in meinem Leben, erst in der Leichtathletik und später auch im Tanz. Dann brachte sie mich dazu, dass ich mit Anfang zwanzig mein damaliges erstes Studium der Geschichte und Journalistik abbrach, um eine Berufsausbildung als Tanzpädagogin zu absolvieren. Es war einfach zu verlockend. Ich war »eigentlich nur so« zur Aufnahmeprüfung gegangen. Dann sagte die Lehrerin: »Du hast Talent! Wir würden dich nehmen«, und ich konnte nicht widerstehen. Meine Eltern zeigten sich verständnisvoll und dachten, wie vielleicht auch ich selbst, dass ich mein Studium ja auch danach fortsetzen könnte. Das aber sollte dann noch Jahre dauern, mein Weg verlief anders. Während der Tanzausbildung machte mich die gute Fee Bewegungstalent dann mit ihrer bösen Stiefschwester bekannt, mit Namen Schmerz: Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen. Schmerz und Tanz sind ein Paar, das zusammengehört, das wissen alle Tänzer. Aber leidenschaftliche Tänzer machen sich nichts daraus. Sie gehen damit um, wie man mit schlechtem Wetter umgeht, man zieht sich halt entsprechend an.
Als bei mir aber der Tanz vom Hobby zum Beruf wurde, war es mit der Bewegungsfreude vorbei. Ich wurde unglücklich und noch dazu fühlte ich mich im Anschluss an die Ausbildung in dem Beruf der Tanzpädagogin unwohl und auch unfähig! Obwohl ich pädagogisches Talent hatte, das sahen auch meine Ausbilderinnen, war das Medium Tanz als pädagogisches Vehikel für mich wie ein Schuh, der nicht passte. Mein Hauptausdrucksmittel war immer der Intellekt mit Sprache und Schreiben gewesen, und als Tanzpädagogin war ich mit einem Mal so sehr auf die körperliche Ebene reduziert. Einmal hörte ich eine Kollegin von mir, die nur wenig mehr Berufserfahrung als ich hatte, über ihre Arbeit reden. Sie sprach so begeistert, selbstbewusst und leidenschaftlich darüber, als wenn sie Pina Bausch persönlich wäre. Da merkte ich: Das kannst du nie. Ich zweifelte einfach daran, dass ich in diesem Metier jemals gut, geschweige denn sehr gut oder meisterlich sein würde.
Nach einem quälenden ersten Berufsjahr als Tanzpädagogin fand ich schließlich den Ausweg. Ich ergatterte (übrigens per Initiativbewerbung) eine Stelle als Volontärin bei einer Tanz- und Theaterzeitschrift. Das war Kairos: das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun. Meiner Begeisterung für Tanz im Schreiben Ausdruck zu geben, in Interviews und Reportagen Menschen zu begegnen, war genau »mein Ding«. Natürlich war ich auch beim Schreiben nicht sofort eine Meisterin. Aber ich zweifelte nie ernsthaft daran, dass ich es einmal sein würde. Jetzt war ich wieder ganz in meinem Element.
Und es wurde noch besser, als ich später noch mein drittes Talent integrieren konnte, die Leidenschaft für die Seele des Menschen und für Berufswege. Nach meinem Psychologiestudium ging ich dann zunächst »in die Lehre« und arbeitete in einem Konzern als Personalentwicklerin. Im nächsten Syntheseschritt fand ich in der Rolle als Coach und als Autorin über psychologische Themen meine Erfüllung – Sie können es auch Berufung nennen. Es fühlt sich zwar ganz unspektakulär an, aber es ist eben das, was ich am besten kann, und das ist einfach ein gutes Gefühl.
Was war der zentrale Unterschied bei meinen drei Talenten, zwischen Berufung und Berufungsfalle? Sowohl beim Schreiben als auch beim Start meiner Coachingtätigkeit hatte ich von Anfang an das Gefühl: Das kann ich. Oder: Das werde ich können! Und ich war bereit, Opfer dafür zu bringen. Beim Schreiben kam hinzu, dass ich bereits seit meinem 16. Lebensjahr journalistisch bezahlt gearbeitet hatte. Das erste erfolgreiche Buchprojekt war ein weiterer wichtiger Meilenstein. Ohne Opfer ging es dennoch nicht: zeitweise Selbstzweifel, ständige Schulterverspannungen und dann eine böse Sehnenscheidenentzündung – doch was immer das Hindernis war, ich war darauf ausgerichtet, eine Lösung zu finden. Dauerhaft gezweifelt aber, ob ich Schreiben und Coachen will und kann, habe ich nie. Ganz anders, als es als Tanzpädagogin der Fall war.
Hätte ich mir die Berufungsfalle als Tanzpädagogin nicht sparen können? Wenn ich damals einen KAIROS-Karrierecoach an meiner Seite gehabt hätte, sicher. Dann hätte ich zwischen einem Talent und einer Kompetenz, zwischen einem Lebensthema (seinen Körper spüren und integrieren) und einem Berufswunsch unterscheiden können. Die Zeit meiner Tanzausbildung habe ich aber rückblickend nie bereut. Sie hat mein Körpergefühl entwickelt und damit meine damals sehr einseitig intellektuell ausgerichtete Persönlichkeit in Balance gebracht. Und es ist etwas eingetreten, dass unsere Ausbildungsleiterin damals vorhergesagt hatte: »Egal in welchem Beruf ihr später einmal arbeitet, man wird immer sehen, dass ihr auf dieser Schule wart!« Heute noch, wenn ich einfach durch einen Raum gehe oder einen Vortrag halte, werde ich manchmal angesprochen, »Sie bewegen sich wie eine Tänzerin.« Ich lächele dann nur …
So verlief also meine eigene Geschichte mit der Berufung und der Berufungsfalle, die ich bis heute gern meinen Klienten als Anregung weitergebe. Wenn also auch Sie für so ein »Herzensthema« einen Berufswechsel erwägen, prüfen Sie Ihre Ernsthaftigkeit und die Aussichten auf Erfolg auf Herz und Nieren, bevor Sie Ihre alte Stelle aufgeben. Hier finden Sie einen Test mit Auswertung sowie folgend noch einigen Anregungen für nächste Schritte.
Test: Berufung oder Berufungsfalle?
  1. Ist das Thema, das ich zum Beruf machen möchte, innerhalb der letzten ein, zwei Jahre aufgetaucht? – Ja/Nein
  2. Beschäftigt mich das Thema eigentlich schon mein Leben lang? – Ja/Nein
  3. Ich bewundere eine Lehrerin/einen Lehrer dieses Themas – so gut könnte ich nie werden! – Ja/Nein
  4. Ich bin uneingeschränkt bereit, für dieses Lebensthema als Beruf auch Opfer zu bringen (Zeit für andere Aktivitäten einzuschränken, zeitweise weniger Geld zu verdienen, Schmerzen oder Mühen für dieses Thema in Kauf zu nehmen, Zeit zur Übung einzusetzen, mich fortzubilden etc.). – Ja/Nein
  5. Die anvisierte Tätigkeit ist derzeit mein liebster Ausgleich zu meinem öden/stressigen Beruf. – Ja/Nein
  6. Ich denke, dass ich in diesem Thema als Beruf in einigen Jahren richtig gut sein werde! – Ja/Nein
Vergeben Sie jetzt Punkte nach dem unten vorgegebenen Muster entweder für »Berufungsfalle« oder für »Berufung«. Addieren Sie die Punktwerte pro Bereich und lesen Sie die Auswertung.
  • Fragen 1, 3, 5: für jedes Ja 2 Punkte für »Berufungsfalle«, für jedes Nein 1 Punkt für »Berufung«
  • Fragen 2, 4, 6: für jedes Ja 2 Punkte für »Berufung«, für jedes Nein 1 Punkt für »Berufungsfalle«

Auswertung

6 bis 4 Punkte Berufungsfalle: Sie haben es schwarz auf weiß: Achtung Berufungsfalle! Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich bei Ihrer »Berufung« vor allem um ein Lebensthema Ihrer aktuellen Lebensphase handelt. Das ist vor allem wahrscheinlich, wenn Sie mit Ende dreißig bis Mitte vierzig Ihre Ambitionen entdecken, zu lehren, zu heilen oder Ihr Wissen als Mentor weiterzugeben. Besondere Vorsicht ist auch geboten, wenn Ihre angestrebte »Berufung« in Ihrem jetzigen Leben einen Ausgleich zu Ihrem Beruf darstellt. Wenn Sie das Thema in einen Beruf umwandeln, verliert es diese entlastende Funktion! Es ist eine Sache, abends im Yogakurs nach einem aufreibenden Bürotag Entspannung zu finden. Eine andere Sache jedoch, selbst jeden Abend anderen Menschen dieses Entspannungsgefühl zu vermitteln, ungeachtet dessen, dass man durch Akquisetätigkeit und Buchhaltung für sein Yogastudio gerade selbst verspannt und müde ist!
3 bis 1 Punkt Berufungsfalle: Es könnte sein, dass Sie gefährdet sind, in der Berufungsfalle zu landen, wenn Sie Ihr Hobby zum Beruf machen oder eine neu entdeckte Heilertätigkeit ausüben wollen. Sie sollten sich ernsthaft selbst überprüfen. Informieren Sie sich umfangreich durch Gespräche mit Personen, die in diesem Tätigkeitsfeld arbeiten, und fragen Sie dabei aktiv gerade nach den nicht so angenehmen Seiten dieses Berufsfeldes. Suchen Sie dazu neutrale Personen, nicht solche, die Ihnen etwas in diesem Tätigkeitsfeld verkaufen wollen.
Sorgen Sie vor allem dafür, dass Sie in Ihrem angestrebten Tätigkeitsfeld praktische Erfahrungen sammeln. Fangen Sie an, abends einen Yogakurs anzubieten, bevor Sie gleich ein Studio eröffnen. Wenn dies nebenberuflich nicht möglich ist, streben Sie an, Ihre volle Berufstätigkeit für eine Zeit zu reduzieren oder eine Auszeit zu organisieren. Das ist Ihnen zu aufwändig oder erscheint Ihnen nicht möglich? Wenn Sie schon diese erste Schwierigkeit nicht meistern können, ist Ihre Motivation, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, vermutlich nicht hoch genug.
6 bis 4 Punkte Berufung: Zumindest auf dem Papier spricht vieles dafür, dass Sie für das neue Thema auch als neuen Beruf brennen. Jetzt gilt es, konkrete Erfahrungen zu sammeln. Wenn Sie ein Buch schreiben wollen, fangen Sie damit zunächst in Ihren Ferien und organisierten Auszeiten an, bevor Sie Ihre sichere Anstellung kündigen. Erfahren Sie, ob Sie ausreichend Ausdauer und Leidensfähigkeit für Ihre »Berufung« mitbringen. Außerdem sollten Sie das sichere Gespür in sich tragen, dass Sie richtig gut werden können, wenn Sie sich ins Zeug legen und üben. Wenn ja – legen Sie los und planen Sie konkrete Umsetzungsschritte!
3 bis 1 Punkt Berufung: Sie leben derzeit in einem Zwischenstadium. Es ist möglich, dass Sie einfach noch nicht den Mut gefunden haben, zu Ihrer neuen Berufung zu stehen – so wie Stefanie, die von der Buchhalterin zur Trainerin umsatteln will. Untersuchen Sie dann besonders Ihre hinderlichen Konzepte und verändern Sie diese mit den Übungen in diesem Buch. Möglich ist jedoch auch, dass Ihr Zögern ganz berechtigt ist. Denken Sie immer daran, dass Ihr altes Hobby seine ausgleichende Wirkung einbüßt, wenn Sie es zum Beruf machen. Ob Sie eine Berufung verspüren, die endlich darauf wartet, umgesetzt zu werden, oder einer Liebhaberei nachhängen, können Sie nicht im Kopf entscheiden, das müssen Sie erfahren. Um konkrete Erfahrungen im neuen Tätigkeitsfeld zu sammeln, gelten für Sie die gleichen Optionen wie in der Auswertung zu »6 bis 4 Punkte Berufungsfalle«.

Alternativen zur Berufungsfalle – wie man mit Herzensthemen auch umgehen kann

Und es gibt eine gute Alternative zur Berufungsfalle. Gönnen Sie sich doch einfach Ihren Herzenswunsch nach Vertiefung eines Lebensthemas, aber machen Sie diesen nicht gleich zum Beruf. Wenn Sie eine Ausbildung zur Yogalehrerin, zum Heilpraktiker oder zum Lebensberater machen, kann das für Sie enorm bereichernd sein. Da in unserer Biografie letztlich alle Lebensstränge miteinander verbunden sind, werden Ihre neuen Kenntnisse immer in irgendeiner Weise – meist indirekt – in Ihren jetzigen Beruf einfließen.
Doch manche neu erworbene Kompetenzen können sich auch ganz konkret im derzeitigen Berufsfeld niederschlagen. So nehmen immer wieder Führungskräfte oder Unternehmerinnen an unserer Coachausbildung teil, weil sie die dort erworbenen Kompetenzen vielfältig in ihre Leitungsfunktion integrieren können. Ganz zu schweigen von dem Gewinn an persönlicher Entwicklung, der Fähigkeit besser zuhören zu können und mehr Gelassenheit mit sich und anderen zu haben.
Eine weitere Alternative zum Vollberuf ist natürlich immer auch eine Tätigkeit im Nebenerwerb. In einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis dürfen Sie ein Gewerbe bis zu einer gewissen Obergrenze ausüben und Kosten steuerlich absetzen. Vorausgesetzt natürlich, Sie haben das mit Ihrem Arbeitgeber abgesprochen. Und das Finanzamt prüft nach spätestens drei Jahren, ob es sich bei dem ausgeübten Gewerbe nur um »Liebhaberei« handelt (das ist tatsächlich der Fachbegriff dafür) oder um eine auf Gewinn abzielende Tätigkeit. Ist dies nicht der Fall, können Sie Ihren Nebenjob zwar weiterhin ausüben, aber keine Kosten mehr absetzen.
Eine abschließende Empfehlung möchte ich Ihnen außerdem zu dem Lebensthema des Mentors/der Mentorin nicht vorenthalten. In den mittleren Lebensjahren taucht natürlicherweise das Bedürfnis auf, sein Wissen weiterzugeben. Dazu müssen Sie jedoch nicht beruflich umsatteln, sondern dies können Sie sehr gut auch innerhalb Ihres alten Berufsfeldes umsetzen. Gibt es dort Programme, in denen Sie lehrend oder als Mentor/-in arbeiten könnten? Oder Fortbildungsinstitute, in denen Sie als Dozent/-in eines Ihrer Herzensanliegen vermitteln können?
Alternativ können Sie Ihre Ambitionen zu lehren oder zu helfen auch sehr gut in einem Ehrenamt verwirklichen. Für die zeitliche Mehrbelastung werden Sie durch einen Energiezuwachs belohnt, der sich auch positiv in Ihrem alten Job bemerkbar machen wird. Sie sorgen so insgesamt für mehr Balance in Ihrem Leben, indem Ihre Werteerfüllung steigt. Der berufliche Lebensstrang mag da auf heilsame Weise an Bedeutung und auch Erwartungsdruck verlieren. Er ernährt Sie aber weiter, während Sie Ihr Leidenschaftsthema in die Welt bringen können und so Ihre Zufriedenheit im gesamten Leben steigern.

Die Karrierefalle: Wie gelingt die Flucht aus dem goldenen Käfig?

Die zweite typische Schwierigkeit, die ich neben der Berufungsfalle in der Karriereorientierung häufig beobachte, ist die »Karrierefalle«. Kandidaten, die in ihr stecken, sind schnell beschrieben: »Mitte 30, erfolgreich und unglücklich«. Wahlweise ereignet sich das Szenario auch mit Mitte oder Ende vierzig. Die Zutaten sind oft die gleichen: erfolgreiche Karriere, oft als Überflieger, eine frühe herausragende Stellung im traditionsreichen Familienunternehmen oder im Konzern, überdurchschnittliches Einkommen gegenüber Gleichaltrigen, hohes Ansehen oder Berühmtheit. Aber: unglücklich. Menschen, die in der Karrierefalle stecken, nutzen im Coaching häufig das Wörtchen »eigentlich«: »Eigentlich weiß ich schon lange, dass ich das Familienunternehmen nicht führen möchte«, gibt der Geschäftsführer eines Traditionsunternehmens zu. »Der Preis ist zu hoch für meine Karriere«, resümiert eine sehr erfolgreiche Managerin, »aber ich bin die einzige Frau, die es in unserem Unternehmen an die Spitze geschafft hat, da werde ich doch nicht jetzt aufgeben.« Man hört das Dilemma. In der Karrierefalle gibt es immer ein »ja, aber«. Im Kern handelt es sich bei der Karrierefalle um einen Wertekonflikt.
In der Karrierefalle sind besonders jene unserer Klienten gefangen, die sehr erfolgreich sind, von denen andere neidisch sagen, »Du hast doch alles erreicht, wovon andere träumen.« Und genau das ist das Problem. Uns macht letztendlich nicht glücklich, wovon andere träumen. Uns macht nur zufrieden, wovon wir selbst träumen, was uns selbst wichtig ist. Und diese Prioritäten können sich über die Lebensspanne eben ändern. So wie es bei Thomas, dem Schauspieler, war, der seinen Beruf aus Leidenschaft ergriffen hatte, aber jetzt keinen Sinn mehr darin sah und außerdem mehr Zeit mit der Familie verbringen mochte.
Die Lösung für das Problem der Karrierefalle ist daher einfach, aber häufig nicht leicht. Denn sie lässt sich nur mit einer klaren Entscheidung für die jetzt wichtigen Werte herbeiführen. Und dabei gibt es im Allgemeinen einen Preis zu zahlen. Oft kommt es auch zu Konflikten mit dem Umfeld. Und auch die benötigen eine Wertepriorität.
Menschen in der Karrierefalle bewegen sich jedoch häufig hin und her, ohne zu einer Entscheidung zu gelangen. Sie besuchen ein Coaching, um den Absprung aus der renommierten Unternehmensberatung vorzubereiten. Aber zwei Jahre später sind sie immer noch dort und haben gerade den schönen Bonus für das letzte Projekt mitgenommen oder die Beförderung. »Jetzt aber«, sagen sie dann, »jetzt will ich wirklich raus.« Doch die berufliche Entscheidung wird immer wieder vertagt. Wer eigentlich ein nagendes Unbehagen spürt, ihm aber nicht nachgeht, riskiert allerdings nicht nur sein Lebensglück, sondern auch seine Selbstachtung.
Sich von Jobs zu verabschieden, um die man von anderen beneidet wird, ist, wie ich eingangs bereits sagte, besonders schwer. Manchmal ist aber genau das notwendig, damit man wieder zufrieden wird oder bleibt. Der Schauspieler Thomas, einer unserer Protagonisten, hat dies geschafft. Er war bereit, den Preis zu zahlen, den das Ende der Schauspielerei für ihn bedeutete. Und dafür zu gewinnen, was der neue Beruf ihm bringen würde. Natürlich spricht auch nichts dagegen, in einem erfolgreichen Job zu bleiben, wenn man bereit ist, den Preis dafür zu zahlen und auf andere Werte zu verzichten. Das muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Den Absprung zu schaffen, hat viel mit Kairos zu tun, dem gnadenhaften, günstigen Augenblick. Irgendwann kann es nämlich tatsächlich »zu spät« sein. Dann sind die Weichen gestellt, die Hypothek lastet auf dem Haus, drei Kinder und eine anspruchsvolle Ehefrau wollen versorgt sein. Oder man ist selbst eine erfolgsverwöhnte Karrierefrau, die sich dann doch nicht vorstellen kann, mit »nur 60 000 im Jahr« auszukommen.
Manchmal ist es bei der Karrierefalle auch ähnlich wie in der Berufungsfalle so, dass sich ein Lebensthema mit dem beruflichen Lebensstrang vermischt. Nur werden bei der Karrierefalle eher Lebensthemen nicht losgelassen. »Sich durchbeißen«, »eine berufliche Identität aufbauen«, »Anerkennung im Kollegenkreis finden« – all dies sind Themen, die Menschen in der ersten Phase eines beruflichen Weges altersbedingt antreiben können und die zum Lebensplan dazugehören. Bleiben solche Lebensthemen jedoch auch in späteren Lebensphasen beherrschend, dann spüren wir in der Gegenwart solcher Menschen häufig, wie eindimensional ein solches Leben ist.
In späteren Jahren schließlich, mit Mitte, Ende fünfzig werden gerade die männlichen Gefangenen der Karrierefalle eher zu bemitleidenswerten Figuren. Wie bei dem Geschäftsmann, der betont
nebensächlich seine Rolex unter dem maßgeschneiderten Jackett hervorblitzen lässt, um damit seine wechselnden Gespielinnen zu beeindrucken, die seine Töchter sein könnten. Des Öfteren spielt allerdings auch das gesamte Familiensystem fleißig mit, um den Familienversorger – egal ob Mann oder Frau – schön in der Karrierefalle sitzen zu lassen. Er oder sie soll dann, bitte schön, den Beruf behalten, der die Dukaten abwirft, um den aufwändigen Lebensstil zu finanzieren.
Der Preis dafür, in der Karrierefalle gefangen zu bleiben, kann hoch sein. Viele Menschen bezahlen ihn mit ihrer Lebendigkeit, mit ihrer Selbstachtung oder mit Suchtproblemen. Häufig wird ab einem bestimmten Punkt konsequent vermieden, diesen Themen überhaupt noch ins Auge zu schauen. Mit einem Leben voller Lebenslügen wirken solche Menschen zutiefst unauthentisch, maskenhaft und trotz aller Machtdemonstration menschlich gesehen unsicher. Fast möchte man mit ihnen Mitleid haben. Nicht wenige mächtige Personen aus Wirtschaft, Politik und den Medien sind bei näherem Hinsehen häufig abschreckende Beispiele der Karrierefalle (aber natürlich nicht alle – ich kenne persönlich auch sehr bodenständige und interessante Persönlichkeiten in hohen Positionen).
Soweit das Schreckensszenario einer vollends ausgeprägten Karrierefalle. Wenn Sie glauben, dass Sie selbst gefährdet sind, in einer Karrierefalle hängen zu bleiben, haben Sie sich gewiss schon mehr als einmal gefragt: Was kann ich tun, um diesem Szenario zu entgehen?
Falls Sie in solch einer Situation sind, brauchen Sie zunächst ein Update Ihres Wertesystems und der aktuellen Lebensthemen, um sich diesen Wandel bewusst zu machen (machen Sie also, falls Sie es noch nicht getan haben, auf jeden Fall diese Übungen aus dem ersten Teil). Danach braucht es Mut, sich von den Privilegien, mit denen der goldene Käfig in der Regel ausgestattet ist, zu verabschieden. Das gelingt am besten, wenn Sie sich ganz klar auf das fokussieren, was Sie gewinnen werden, wenn Sie Ihr Leben verändern. Zwei Übungen sollen Sie dabei unterstützen.
Übung 29: Die Kontrastübung
Der größte Fehler, den Menschen in der Karrierefalle machen, ist der, die Vorteile des alten Jobs gegen die potenziellen Nachteile des neuen Jobs auszuspielen. So verliert der neue Job immer. Das ist fast so, als wenn Sie sich morgens ungekämmt und ungeschminkt mit einem Model aus einer Werbekampagne in einem Hochglanzmagazin vergleichen. Es ist nicht fair. Denken Sie daran, was das Topmodel Cindy Crawford einmal über sich selbst sagte: »Auch ich sehe früh morgens ungeschminkt nicht wie Cindy Crawford aus.«
Tatsächlich müssen Sie es genau umgekehrt machen, um sich Motivation für den Wechsel zu holen. Vergleichen Sie die Nachteile Ihres jetzigen Jobs immer mit den Vorteilen des neuen Lebens, das Sie führen wollen.
  • Listen Sie schriftlich alle Kosten, alle Nachteile auf, die Ihr jetziger Job mit sich bringt.
  • Notieren Sie dann alle Vorteile des neuen Jobs.
  • Markieren Sie eine Gewichtung für besonders wichtige Faktoren. (Die Pro-Liste könnte kurz sein, sollte dann aber zwei richtige Schwergewichte enthalten.)
  • Schauen Sie sich noch einmal Ihr Werterad an (oder machen Sie diese Übung jetzt): Welche Werte werden nach Ihrer Veränderung deutlich stärker erfüllt sein als vorher?
Natürlich hat jeder Beruf, jede Lebenssituation Nachteile. Wollen Sie sich jedoch für einen Wechsel motivieren, müssen Sie sich mit klarem Blick auf das konzentrieren, was Sie gewinnen werden. Unsere Evolution hat uns mit einem gewissen Verharrungsvermögen ausgestattet. Dies zu durchbrechen, braucht klare Vorteile. Thomas zum Beispiel konnte ganz klar spüren, dass Logopäde und Synchrontrainer zu sein seine Werte inzwischen mehr erfüllen würde als der Schauspielberuf. Dafür konnte er gut auf den Glamourfaktor verzichten.
Übung 30: Der Zukunftszoom
Aus der Verhaltensbiologie wissen wir, dass Organismen durch Rückmeldung lernen, das ist das sogenannte konditionierte Lernen. Als Kinder lernen wir schnell: Hand auf die heiße Herdplatte – aua! Also Hand wegnehmen und zukünftig nicht wieder auf heiße Platten legen. Leider sind die meisten Lebensprozesse eines Erwachsenen wesentlich komplexer. Und die Konsequenzen für unser Handeln – oder Nichthandeln – treten eben nicht direkt, sondern sehr zeitverzögert ein. Menschen führen Änderungen in ihrem Leben häufig auch deshalb nicht durch, weil sie die Konsequenzen lange Zeit ausblenden können. Die Verhaltenspsychologie hat inzwischen herausgefunden, dass es nicht reicht, sich ausschließlich eine positive Vision vor Augen zu rufen, um ein Ziel zu erreichen. Die Kombination von beidem – von einem Schreckensszenario, das wir vermeiden wollen, und dem Positiven, das wir anstreben – hat die größten Erfolgsaussichten für eine Verhaltensänderung.33
Mit dem mentalen Zukunftszoom holen Sie sich die Zukunft direkt in die Gegenwart – unser Geist kann das!
  • Vergegenwärtigen Sie sich zunächst wieder die Nachteile Ihrer jetzigen Berufssituation.
  • Projizieren Sie die Folgen dieser Nachteile jetzt 10 bis 20 Jahre in die Zukunft. Wie schlimm ist es dann? Verharren Sie eine Zeit in dieser – unangenehmen! – Vorstellung, bis sie sich fest in Ihrer Erinnerung eingebrannt hat.
  • Bei der nächsten Gelegenheit, wenn Sie an Ihrer Entscheidung zweifeln, etwas ändern zu wollen, zoomen Sie sofort das negative Zukunftsszenario wieder ins Jetzt heran. Weichen Sie nicht aus, schauen Sie genau hin auf das, was Sie nicht wollen.
  • Gehen Sie dann sofort zur positiven Vision über – so wie es sein wird, wenn Sie die Veränderung herbeiführen.
  • Machen Sie dies regelmäßig, um Ihre Motivation zu stärken.
Nicht immer sind Karrierefallen dramatische Gefängnisse, in denen ihre Insassen zunehmend versteinern und veröden. In manchen Fällen aber merken die Bewohner eines komfortablen Karrierekäfigs, dass es doch ein besseres, ein interessanteres Leben jenseits des goldenen Gitters gibt. Zwei Beispiele aus der Vorstandsetage großer Unternehmen zeigen, dass es auch bei solchen Positionen, die mit einem hohen Erwartungsdruck verbunden sind, die Möglichkeit gibt, alternative Wege einzuschlagen. Und so den Job zu finden, der jetzt passt.

Vorwärts, es geht zurück: Prominente Beispiele für den Ausstieg aus der Karrierefalle

Christine Novakovic – von der Bankerin zur Kunsthändlerin und wieder zur Bankerin34

Unter dem Namen Christine Licci (heute Novakovic) legt die Tochter eines Südtiroler Hotelier-Ehepaares 15 Jahre lang eine der Topkarrieren weiblicher Führungskräfte im europäischen Bankgewerbe hin. 2005 macht sie damit Schluss. Der Gestaltungsspielraum in ihrem letzten Vorstandsposten bestand nur noch auf dem Papier, in Wahrheit regierte die Zentrale der Bank, die gerade die Geschäfte übernommen hatte. Bei so viel Einmischung und Machtgehabe hatte die genauso sozial kompetente wie toughe Bankerin immer weniger Spaß an der Arbeit. Und auch keine Lust mehr »17 Stunden am Tag zu arbeiten und das Handy immer auf Empfang zu haben, auch nachts«. Inzwischen war Christine Novakovic Anfang vierzig und geschieden. Welcher Mann macht so eine Karriere schon mit?
Sie spricht mit einem Headhunter, der mit ihr nicht ins Geschäft kommt, weil sie merkt, dass es Zeit für einen großen Wechsel ist. Vielleicht Zeit, das Kind zu bekommen, für das sie sich nie Zeit genommen hat während der Turbokarriere? Auf jeden Fall will sie mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens haben, mehr Zeit für Freunde, Familie, für sich selbst. Sie besinnt sich auf ihre Leidenschaft, die Kunst, und absolviert eine Lehrzeit bei einem renommierten Kunsthändler. Dort wird sie später Partnerin. Eine Firma mit einem halben Dutzend Mitarbeiter. So viel wie es früher vielleicht einmal Pförtner in ihren Bankhäusern gab. In einem Interview wird sie gefragt, wie sie das denn aushalte, mit einem Mal für so eine »kleine Bude« zu arbeiten und so wenig Macht zu haben. »Bestens«, schmunzelt die sichtlich zufriedene und entspannte Ex-Managerin, die mehrere Sprachen fließend spricht. Hilfreich für so einen entspannten Umgang mit Macht und Ansehen war mit Sicherheit die bodenständige Kindheit und Jugend im familiären Hotelbetrieb. Neben ihrem neuen Beruf dem Kunsthandel gönnt sich Christine Novakovic ein Aufsichtsratsmandat bei einer Bank, denn davon versteht sie schließlich etwas. Und das Headhunting war doch irgendwie auch erfolgreich. Stan Novakovic, der Headhunter, wurde ihr zweiter Ehemann, dessen Namen sie annahm. Und vermutlich ist der stolz auf seine entschlussfreudige Frau, die schließlich 2011 nach einigen Jahren im Kunstbusiness beschließt, nun sei es Zeit, wieder in das angeschlagene Bank-Business zurückzukehren. Auf eine Anfrage der lädierten Schweizer UBS Bank hat sie schließlich »Ja« gesagt. Und bleiben wird sie dort vermutlich genauso lange, wie es für sie richtig ist.

René Obermann, Deutsche Telekom – mit 50 freiwillig raus aus dem Vorstandssessel35

Was macht man mit dem Rest seines Lebens, wenn man mit 42 Jahren schon »ganz oben« angekommen ist? Zum Beispiel mit 50 wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren und gleichzeitig etwas Neues machen. Ende 2012 kündigt René Obermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, für viele überraschend an, dass er nach einem weiteren Jahr vorzeitig seinen Vertrag als Vorstand auflösen werde. Weil er sich, wie er sagte, zukünftig wieder »direkter und näher um Produkte und Kunden kümmern möchte«. Außerhalb des Konzerns. Und, so ließ er durchblicken, vermutlich in einem wesentlich kleineren Unternehmen im europäischen Ausland. Davor war Obermann einer der Überflieger in seiner Branche, nicht bei allen ist er dafür beliebt, aber das gehört zum Job.
Der gebürtige Düsseldorfer ist einer der letzten, die es ohne Studienabschluss in die oberste Etage eines DAX-Konzerns schafften. Nach Bundeswehr und kaufmännischer Lehre gründete er an seinem Studienort Münster neben dem Studium der VWL ein Unternehmen für die aufkommenden Mobilfunkgeräte und Zubehör. Er räumt ein, dass die Motivation neben unternehmerischer Leidenschaft ganz klar gewesen sei, Geld zu verdienen. Er kommt »aus einfachen Verhältnissen«, wie es in seiner Biografie heißt. Mit dem Geldverdienen ist er so erfolgreich, dass er das Studium schon bald ohne Abschluss hinschmeißt und sein erfolgreiches Unternehmen nach einigen Jahren an einen Investor verkaufen kann. Auch der Studienabbruch schadet seiner Karriere nicht. Telekom-Manager Kai-Uwe Ricke holt den jungen Experten für das wachsende Handygeschäft in die Mobilfunksparte des Konzerns. Schon mit 40 ist Obermann im Gesamtvorstand des Konzerns angekommen, ab 42 ist er Vorstandsvorsitzender. Als wenn sich der Siebenjahresrhythmus in dieser Berufsbiografie bestätigen sollte, kündigt Obermann pünktlich mit 49 an, dass er ein Jahr später ausscheiden wird. Aussteigen wolle er nicht, dementiert der scheidende Topmanager aufkommende Gerüchte. Er sei »kein bisschen müde und sehr motiviert«. Nur eben für einen anderen Job.