4. KAPITEL

Der Rest der Nacht zog sich hin. Finn hatte nicht mehr viel geschlafen, aber damit hatte er schon gerechnet, als er sich noch einmal hingelegt hatte. Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte er in seine Jeans und ein himmelblaues Baumwollhemd und rief als Erstes Werner Martinelli an. Wie vermutet hatte der Besitzer des Hauses nicht das Geringste dagegen, dass Finn Besuch von seinem Bruder bekam.

„Natürlich ist das okay, das Haus ist schließlich groß genug. Ich habe dir doch gesagt, dass du dich in dem Haus wie zu Hause fühlen sollst, Finn. Du hättest mich nicht extra um Erlaubnis fragen müssen, wenn jemand aus deiner Familie dich dort besuchen will.“

„Hmm, war mir lieber so.“

„Ja, das passt zu dir, mein Junge. Mach’s gut, Finn.“

„Tschau, Werner.“

Finn legte den Hörer gar nicht erst ab, sondern wählte sofort Kiras Nummer.

„Ich bin es“, sagte er, nachdem sie sich gemeldet hatte. „Ich wollte gleich mal zu dir rüberkommen, um meinen Wagen abzuholen. Hast du Lust, mit mir zu frühstücken oder hast du schon?“

„Nein, bin grad erst aus der Dusche. Wenn dir Aufbackbrötchen und ein bisschen Käse genügen, komm her. Der Kaffee läuft schon durch.“

„Aufbackbrötchen sind mir recht. Ich kann ja auch noch mal in meinen Kühlschrank gucken. Vielleicht finde ich noch ein paar Eier und eine Scheibe Speck.“

„Gut, mach das. Bis gleich, Finn.“

„Bis gleich.“

Es ist vollkommen abstrus, dass wir uns darüber unterhalten, was wir frühstücken wollen, dachte er. Der Hunger, der in ihm tobte, hatte jedenfalls rein gar nichts mit seinem Magen zu tun. Finn grinste in sich hinein.

Kira legte ganz langsam den Hörer ab und holte gründlich Luft. Er wollte also frühstücken – und er wollte seinen Wagen abholen. Ein leises, heiseres Lachen löste sich aus ihrer Kehle. Und während sie den Tisch deckte, fühlte sie bereits das schon so vertraute und erwartungsvolle Kribbeln unter ihrer Bauchdecke.

Kaum hatte sie den Tisch fertig gedeckt, klingelte es auch schon an ihrer Haustür. Als sie ihm öffnete, sahen sie sich sekundenlang nur in die Augen. Sein Gesicht war leicht gerötet, und er wirkte erhitzt.

„Bist du gelaufen?“, fragte sie.

„Ich glaube, ja“, antwortete er. „Ich kann mich nicht mehr erinnern.“ Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. „Bittest du mich herein, oder soll ich weiter hier in der Tür stehen bleiben?“

Kira lachte. „Natürlich nicht. Komm rein, Finn.“

Sie drehte ihm den Rücken zu und ging voraus in ihre kleine Küche. Seine Blicke folgten ihr, während er aus seiner Jeansjacke schlüpfte und sie über einen der Haken im Flur warf. Wie immer sah Kira atemberaubend aus. Bisher hatte er sie nur in langen Hosen gesehen, aber heute trug sie ein leichtes Sommerkleid, weiß, mit blauen und roten Blumen bedruckt, und darüber eine dünne taillenkurze Jeansbluse. Der weiche, fließende Stoff des Kleides endete kurz unter ihren Knien. Finn seufzte leise in sich hinein.

„Der Kaffee ist fertig“, sagte Kira. Sie stand in der Küche, noch immer mit dem Rücken zu ihm, und füllte gerade den Kaffee in eine Warmhaltekanne um, als er ganz dicht hinter sie trat und hörbar ihren Duft einzog. Kira hielt in ihrer Bewegung abrupt inne.

„Du duftest wundervoll.“ Er sah, wie sich ihre Schultern strafften, aber noch berührte er sie nicht. Trotzdem war er ihr jetzt so nah, dass sie die Wärme seines Atems spüren konnte. Er roch nach Seife und Mann, einfach, ursprünglich und gerade deshalb unglaublich erotisch. Kira schluckte trocken, als seine Hände sich ganz leicht auf ihre Schultern legten und sie sanft streichelten. Langsam ließ er seine Finger hinauf zu ihrem Nacken gleiten, und am liebsten hätte sie sich in diesem Moment gerekelt und geschnurrt wie eine zufriedene Katze. „Ich kann nicht mehr warten“, flüsterte er nah an ihrem Ohr. „Im Augenblick habe ich das Gefühl, ich habe schon mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment gewartet.“

Kiras Körper erbebte unter seinen Worten genauso wie unter der erstaunlich zärtlichen Berührung seiner kräftigen Hände. Ihre Finger spannten sich um die Kante der Küchentheke, weil sie spürte, wie eine merkwürdige Schwäche ihre Beine erfasste, aber sie brachte noch immer kein einziges Wort hervor. Atemlos wartete sie darauf, was er als Nächstes tun würde. Finn lachte leise, als er das Zittern ihres Körpers bemerkte. Seine Finger glitten höher und lösten vorsichtig die große Spange in ihrem Haar. Als die dunkelrote Flut über ihre Schultern fiel, strich er sie liebevoll mit den Fingerspitzen zur Seite. „Du hast wunderschönes Haar, Kira. So weich, so voll, so feurig.“ Fast lautlos legte er die Haarklammer auf die Küchentheke – und dann strich er mit dem Mund ihren Hals entlang. Unterhalb ihres rechten Ohrläppchens strichen seine Lippen über ihre Haut. Kira schnappte nach Luft und ließ den Kopf zurück an seine Brust sinken.

So etwas habe ich noch nie empfunden, dachte sie benommen. Ihr Körper schien überall zu brennen, obwohl Finn sie bisher kaum berührt hatte. Seine Lippen glitten mit einer geduldigen Sanftheit über ihren Hals, die ihr fast schon unheimlich erschien. Schließlich schien sein Körper, der sich nun in seiner gesamten Länge an ihre Hinterseite presste, ebenso unter Strom zu stehen wie ihrer.

Alles an ihm war hart.

Seine Brust, seine Oberschenkel. Alles.

Kira spürte ihn mit jeder Faser, doch noch immer war sie nicht in der Lage, sich zu bewegen. Sie keuchte erstickt auf, als sie seine Zunge am Ohrläppchen spürte.

„Sag mir, dass du mich genauso sehr willst wie ich dich.“ Er umfasste ihre Taille. „Ich verlange so sehr nach dir, Kira! So sehr!“

Als sie nur leise aufstöhnte, glitt er mit den Händen höher und umfasste von hinten ihre Brüste. „Sag es mir!“, verlangte er heiser.

„Oh Finn, bitte!“ Kira erkannte den Klang ihrer Stimme nicht wieder. Mit den Daumen strich er jetzt fester über ihre Brustspitzen, die sich bereits hart gegen den dünnen Stoff ihres Kleides drückten. Wie eine glühende Woge erfasste Kira die pure Leidenschaft. Das verlangende Ziehen in ihrem Schoß glich längst einem brennenden Pfeil, der sie durchbohrte und lustvoll peinigte.

„Sag es mir, Süße, bitte!“

„Ich will dich! Oh Gott, ja, ich will dich!“

Sein Brustkorb schien sich zu weiten. Einen Moment lang bewegte er sich nicht, seine Lippen ruhten auf ihrem Hals.

Er löste sich etwas von ihr, dann drehte er sie in seinen Armen herum. Nur einen winzigen Augenblick lang zögerte er, sah sie nur an, doch dann küsste er sie endlich. Kira hatte das Gefühl, eine Ewigkeit darauf gewartet zu haben. Wie oft in den vergangenen Nächten hatte sie davon geträumt, dass er sie nur noch einmal so küssen würde, wie er es an ihrem ersten Abend getan hatte.

Und nun tat er es – endlich!

Sie stöhnte unter seinem Kuss, trank seinen glühenden Atem. Sein Mund war unglaublich heiß, und seine Zunge spielte in einer Weise mit der ihren, wie sie es noch nie erlebt hatte. Ihr machtloser Körper lechzte bereits nach Erlösung. Nie zuvor hatte ein Mann sie mit so wenig Aufwand so sehr in sexuelle Erregung versetzt.

Finn erkannte, dass sie schon jetzt kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren. Und dieses Wissen machte ihn selbst fast wahnsinnig vor Lust. Kira stöhnte ungehemmt, sie wand sich, ihre Hüften zuckten. Er ging ein wenig in die Knie und presste seinen harten Unterleib an ihre weiche Scham. Sein Atem ging schwer, als er den Mund von ihrem löste und den Saum ihres Kleides nach oben zog. „Sieh mich an!“

Sie tat es, und er hielt ihren Blick fest. Sie wollte seinen Gürtel öffnen, aber er hinderte sie daran, indem er nach ihren Händen griff und sie nach hinten auf die Kante des Küchenschranks presste.

„Halt dich fest“, flüsterte er. Irgendwie verschwand kurz darauf ihr Höschen, und die Finger seiner rechten Hand fanden ihr Ziel. Kira schrie heiser auf und schloss die Augen.

„Himmel!“, stieß er keuchend hervor. „Du bist …“

„Finn! Bitte, Finn! Jetzt! Nicht mehr … warten!“

„Ja!“ Er zog seine Hand fort, löste fahrig den Gürtel und den Verschluss seiner Jeans.

Kira keuchte auf, als er seine Hose zusammen mit den Shorts über die Hüften nach unten schob. „Finn!“ Sie erschauerte vor Lust, aber nicht minder vor Bestürzung.

Er grinste schief. „Keine Angst, meine Süße, das schaffst du locker.“ Schon umfasste er ihre Taille und hob Kira hoch, als wäre sie so leicht wie Watte. Es gelang ihr, die zitternden Beine um seine Hüften zu schlingen.

Er stöhnte ungestüm auf und presste hart seine Kiefer aufeinander, als seine runde, pralle Spitze den feuchten Eingang zu ihrem Paradies berührte. „Kira!“

Sie wimmerte und warf den Kopf zurück.

Langsam, ganz langsam drang er in sie ein – und noch bevor er ganz und gar in ihr war, kamen sie beide.

Endlos.

Finns Körper zuckte unter den heftigen Wonneschauern, die ihn durchliefen, und nur am Rande bekam er mit, dass Kira vor Lust immer wieder seinen Namen schrie. Ihre Hüften drängten sich ihm kreisend entgegen – und als er sich endlich ganz und gar in ihr versenkt hatte, versiegte auch der heiße Strom seiner Lenden. Er blieb in ihr, während Kira, die Arme um seinen Nacken und die Beine fest um seine Hüften geschlungen, den Kopf auf seine Schulter legte. Nach Atem ringend, kostete sie die kleinen Nachbeben aus. Er hielt sie fest, presste ihren Körper an sich, so als wollte er sie niemals wieder loslassen. Ihr Gewicht schien ihm nicht das Geringste auszumachen.

„Wir sollten uns beim nächsten Mal wohl besser ein Bett oder so was Ähnliches suchen“, schlug er schließlich leise und noch etwas atemlos vor. Er lächelte flüchtig, als sie den Kopf hob und ihn ansah. Ihre Augen waren feucht.

„Was war das, Finn? Sag mir, was das war“, flüsterte sie matt und lächelte ebenfalls.

„Hmm, ein Erdbeben wahrscheinlich, ein Hurrikan … oder irgendeine andere Naturgewalt, was weiß ich.“ Sein Lächeln war umwerfend, und seine Augen glänzten nun wie polierter Onyx.

Kira seufzte und ließ den Kopf zurück auf seine Schulter sinken. „Bin ich dir zu schwer?“

„Machst du Witze? Nein! Du bist leicht wie eine Feder. Ich würde dich ja jetzt auch einfach hinauftragen, so, wie wir sind, aber ich kann leider keinen einzigen Schritt machen. Ich hab nämlich noch irgendwo da unten meine Hose an, und die schränkt mich doch ziemlich in meiner Bewegungsfreiheit ein.“

„Das heißt, ich muss jetzt tatsächlich irgendwie von dir runter?“

„Du sagst es.“

„Ich glaube, ich kann mich noch nicht bewegen.“

„Ganz langsam. Ich werde dich erst einmal auf die Theke setzen, okay?“

Kira schmunzelte. „Okay.“

Mit einem leisen Seufzen glitt er aus ihr heraus und hob sie auf die Küchentheke, dann stieg er aus seinen Hosen.

„Wo ist nur mein Höschen?“, fragte sie. Finn bückte sich und hielt Kiras kleines cremefarbenes Seidenhöschen hoch, das jetzt allerdings nur noch einem formlosen Fetzen glich. „Tut mir leid, ich … hab’s anscheinend zerrissen“, sagte er lächelnd.

„Hmm.“ Auch sie schmunzelte. „Ich mochte die Farbe.“

„Dann werde ich dir bei Gelegenheit wohl ein neues kaufen müssen.“ Das breite Lächeln wollte einfach nicht mehr von seinem Gesicht verschwinden. „Gehen wir duschen?“

„Und danach Frühstück?“

„Wäre wohl nicht schlecht.“ Er kam wieder ein bisschen näher, berührte ihr Haar und drückte ihr dann einen ungewöhnlich sanften Kuss auf die Lippen. „Lass uns schnell duschen gehen, ich sehe albern aus so in Hemd und Socken.“ Er lachte leise und sie tat es ihm nach, als sie an ihm heruntersah.

„Stimmt.“

Kopfschüttelnd bückte er sich noch einmal, um seine Hose und die Shorts aufzulesen, dann hob er mit seinem freien Arm Kira von der Küchentheke und zog sie an der Hand hinter sich her zur Treppe.

Auf halbem Wege hielt er plötzlich inne und drehte sich zu ihr um. „Wir haben kein Kondom benutzt, Kira.“

„Ich verhüte, keine Angst.“ In sich fühlte sie einen leisen, unwillkommenen Schmerz.

Finn war erfahren genug, um die winzige Veränderung in ihrem Blick zu bemerken. „Darum geht es mir nicht“, versicherte er. „Ich rede hier von ‚Safer Sex‘ und so weiter.“

„Du hast mir erst vor wenigen Tagen bestätigt, dass du gesund bist.“

„Ja, ich war vor Kurzem noch zur Blutabnahme.“

„Gut, ich auch. Vorigen Monat.“

Er nickte. „Lass uns dieses Gespräch ganz schnell wieder vergessen. Ich wollte die Stimmung nicht kaputt machen. Tut mir leid. Ich bin ein Esel.“ Er wandte sich wieder von ihr ab, um weiterzugehen. Kira lächelte hinter seinem Rücken.

„Du bist kein Esel, Finn, sondern nur ein verantwortungsbewusster Mensch. Es war richtig, dass du darüber nachgedacht hast.“

„Hmm, verantwortungsbewusst? Wenn ich wirklich verantwortlich gehandelt hätte, wäre es besser gewesen, vorher daran zu denken. Aber trotzdem danke für deine netten Worte. Wenn ich ehrlich bin, ist mir das in der Vergangenheit allerdings auch noch nie passiert.“

„Wir haben beide nicht darüber nachgedacht.“

„Stimmt.“

Finn stieß die Tür zu Kiras Schlafzimmer auf und warf seine Hose auf einen kleinen Sessel, der direkt neben der Tür zum Badezimmer stand. Mit schnellen fließenden Bewegungen zog er sich die Socken von den Füßen und schlüpfte aus seinem Hemd. Als er nackt vor ihr stand, starrte Kira ihn voller Faszination an. Sein Körper war schlichtweg beeindruckend. Unter seiner rechten Brust verlief eine etwa fünf Zentimeter lange Narbe senkrecht nach unten. Auch auf seinem Bauch erkannte Kira zwei längliche Narben, deren helle dünne Streifen sich deutlich von der Sonnenbräune abhoben. Finns kompakte Muskeln wirkten wie ausmodelliert. Kira musste schlucken. Ihr unverfrorener Blick ließ ihn einerseits schmunzeln, brachte ihm andererseits aber auch postwendend eine neue Erektion ein. „Gefällt dir, was du siehst?“

„Du machst eine Menge Sport, was?“, fragte sie mit einem anerkennenden Lächeln auf den Lippen.

„Hmm, geht so.“ Er sah ihr in die Augen und kam auf sie zu. „Jetzt bin ich dran. Zeig dich mir!“

„Du wolltest doch duschen“, kokettierte sie.

„Ich habe es mir gerade anders überlegt.“

Er schob die kleine Bluse über ihre Schultern zurück, ließ sie hinunter über ihre Arme gleiten und warf sie schließlich zu seinen Sachen. Kira löste das dünne Bindeband ihres Kleides und drehte sich um. „Machst du mir den Reißverschluss auf?“

„Ja sicher.“ Mit beiden Händen hob er ihr Haar an, teilte es und legte es ihr über die Schultern nach vorn. Langsam, gerade so, als wollte er sich selbst die Vorfreude nicht verderben, zog er den langen Reißverschluss des Kleides nach unten. Schon vorhin hatte er bemerkt, dass sie keinen Büstenhalter trug. Und als er jetzt ihren nackten Rücken vor sich sah, drückte er sanft die Lippen auf die Stelle zwischen ihren Schulterblättern. Kira seufzte. Die Spaghettiträger rutschten ihr über die Schultern, und das weich fließende Kleidungsstück glitt wie von selbst über ihre Hüften nach unten. Finns Fingerspitzen fuhren ihren Rücken hinab bis zu den kleinen Grübchen über ihrem Po.

„Dreh dich um“, verlangte er rau, und sie erfüllte seinen Wunsch.

Seine Augen konnten sich nicht sattsehen. Sie stand vor ihm, einfach so. Mit seinen Blicken zog er die perfekte Linie ihres Körpers nach. Die Spitzen ihrer dunkelroten Mähne liebkosten die aufgerichteten, kirschroten Brustwarzen. „Du machst mich atemlos, Kira“, flüsterte er.

Die angedeutete Demut in seiner Stimme ließ Kira für einen Moment die Augen schließen. Die Macht, die sie offenbar über ihn hatte, berauschte ihre Sinne, auch wenn sie wusste, dass seine Macht über sie noch weit darüber hinausging. Das Zittern kam zurück. „Küss mich, Finn!“

„Dann kann ich nicht mehr aufhören“, warnte er mit hochgezogenen Mundwinkeln.

„Dann hör nicht auf.“

„In letzter Zeit scheinen sich die Naturgewalten in dieser Gegend zu häufen“, flüsterte Kira matt und kicherte leise in sich hinein, als er schließlich nur einige Minuten später schwer atmend auf sie sank. Mit den Fingerspitzen streichelte sie träge seinen Nacken.

„Ich denke, wir haben es irgendwie überlebt, was meinst du?“, erwiderte Finn und verlagerte vorsichtig das Gewicht.

Wieder kicherte sie. „Du lebst, glaub mir, und wie du lebst, Finn Andersen!“

Behutsam schob er sich ganz von ihr und zog sie anschließend an seine Brust. „Wenn wir dieses Tempo weiter durchziehen, werden wir es allerdings nicht mehr sehr lange machen. Ich zumindest nicht. Ich bin schließlich keine zwanzig mehr, wie du selbst erst vor Kurzem so treffend bemerkt hast.“ Er spitzte die Lippen. „Du bist wirklich eine sehr … leidenschaftliche Frau, Kira.“

„Oh, Finn, bring mich jetzt nicht in Verlegenheit.“ Sie befreite sich ein wenig aus seiner Umarmung und küsste ihn leicht auf die Nase. „Was ist jetzt mit der Dusche, du armer alter Mann?“

„Gib mir fünf Minuten, dann schaffe ich es vielleicht aufzustehen.“ Er lächelte sie erschöpft an.

Langsam strich sie mit den Händen über die festen Säulen seiner Oberschenkel. „Wahrscheinlich brauchst du nur endlich Nahrung.“

„Oh, du gnadenloses Weib!“

Kira beugte sich vor und drückte die Lippen auf seinen Bauch. Mit der Zungenspitze umspielte sie seinen Nabel. Sofort spannten sich seine Bauchmuskeln an, und er zog scharf die Luft ein. „Könntest du das vielleicht ein wenig später noch mal wiederholen?“, wollte er grinsend wissen. „Ich meine, wenn ich wieder die Kraft habe, um angemessen darauf zu reagieren.“

„Klar, aber ich bin mit deiner Reaktion schon jetzt sehr zufrieden“, lachte sie und sah an ihm herunter.

„Ich bin völlig leer gepumpt, Süße. Der übermütige Kerl da unten gaukelt dir nur etwas vor.“

„Na, dann ruh dich ein wenig aus, du müder Krieger.“

Eine ganze Weile alberten sie noch auf diese Weise miteinander herum, doch dann wurde Finn wieder ernst. Er brachte sich in eine halbe Sitzposition und zog Kira noch einmal an sich. „Sag mal, du hast mich noch gar nicht gefragt, warum ich meine Meinung so plötzlich geändert habe“, sagte er.

Kira drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Brust und sah dann zu ihm hoch. „Du hast deine Meinung niemals geändert, Finn.“

„Wie soll ich das denn nun verstehen?“

„Du hast mir etwas vorgemacht – vielleicht sogar dir selber –, als du mir so nachdrücklich mitgeteilt hast, dass du nicht mit mir schlafen willst. Ich habe dir das niemals geglaubt, Finn. Ich konnte dir das nicht glauben, nachdem du mich an unserem ersten Abend geküsst hast. Dieser Kuss war … nun ja, er war eben sehr … aussagekräftig.“

Ihre tiefblauen Augen waren voller Wärme, und diese Wärme schien sich irgendwie unter seine Haut zu stehlen. Mit einer schnellen Bewegung drehte er sie auf den Rücken und legte sich halb auf sie. Ihre Blicke verschmolzen noch einmal miteinander.

„Die Wahrheit ist: Ich habe dich sofort gewollt, als ich dich zum ersten Mal sah“, bekannte er leise.

„Ich weiß.“ Sie lächelte, als er entrüstet die Augenbrauen hochzog. „Ich dich auch“, gab sie schnell zu. „Ich habe dich auch sofort begehrt.“

Die wohlige Wärme hielt an. Mit dem Mund strich er sanft über ihre Unterlippe, doch noch bevor die plötzliche Sintflut von Zärtlichkeit ihn ganz verschlingen konnte, beendete er den Kuss auch schon wieder und erhob sich ziemlich abrupt. Guter Sex ist eine Sache, sagte er sich, diese aufwühlende Zärtlichkeit jedoch eine ganz andere.

Kira spürte nur allzu deutlich die Distanz, die sich so plötzlich zwischen ihnen aufgetan hatte. Gedankenvoll und auch etwas verwirrt sah sie ihm nach, als er wortlos im angrenzenden Badezimmer verschwand. Nur Sekunden später hörte sie das Wasser der Dusche rauschen. Langsam und mit einem leisen Seufzen auf den Lippen erhob auch sie sich und folgte ihm.

„Er ist ein verdammt komplizierter Mann, Tina.“ Kira klemmte sich kurz den Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter und setzte ihren Wasserkocher in Gang, um sich einen Tee aufzubrühen.

„Aber das macht ihn wahrscheinlich auch so verflucht interessant, nicht wahr?“ Christinas etwas heiseres Lachen war angenehm vertraut und ließ Kiras Herz ein wenig leichter werden.

„Natürlich.“ Kira lachte ebenfalls in den Hörer. Sie griff nach ihrem Teebecher und kuschelte sich in ihre Lieblingscouchecke. „Er ist … ach, Tina, er ist so …“

„Fantastisch? Umwerfend? Gefährlich männlich?“, half Christina ihrer Freundin aus.

„Ja!“

„Liebes, du stammelst. Du bist total im Eimer.“

„Schon wieder hast du recht.“

„Es war also toll?“

„Es war ein …“

„Oh Gott, sag nichts mehr, ich kann mir ungefähr denken, was du mit deinem ewigen Gestammel ausdrücken willst. Wenn du nicht willst, dass ich sofort vor Neid erblasse, solltest du die schmutzigen Details sowieso lieber für dich behalten.“ Erneut drang Christinas Lachen an Kiras Ohr. „Also, im Ernst, Schatz! Natürlich habe ich jederzeit ein offenes Ohr für dich. Stammle also ruhig weiter, wenn es dir irgendwie hilft.“

„Ach, Tina, wenn ich dich nicht hätte.“

„Er ist dir also trotz allem noch immer ein Rätsel.“

„Ja, so kann man es wohl ausdrücken.“

„Also in Wahrheit will ich natürlich alles wissen. Wie hat er sich hinterher verhalten? Habt ihr irgendwann noch gefrühstückt?“

Kira lächelte. „Oh ja, später. Viel später.“

„Und dann? Hat er die Nacht bei dir verbracht?“

„Eben nicht. Wir haben gegessen, dann haben wir einen sehr langen Spaziergang gemacht.“

„Und er hat wahrscheinlich wenig geredet.“

„Woher weißt du das?“

„Ach, ich denke, das liegt an deiner Beschreibung des Mannes. Sie war doch sehr bildhaft. Ich halte ihn eher für den wortkargen Typen – und, Kira, diese wortkargen und nachdenklichen Typen haben es in sich, glaub mir!“

Kira nahm einen Schluck Tee, verbrannte sich prompt die Oberlippe und fluchte innerlich – allerdings nicht nur wegen des heißen Tees. „Da sagst du was Wahres. Zumindest habe ich das Gefühl, dass er immer schweigsamer wird, seit wir diese … Erfahrung miteinander geteilt haben. Irgendwas scheint ihn regelrecht zu bedrücken. Er war den Rest des Tages recht einsilbig.“

„Nun, nach dem, was du mir erzählt hast, nehme ich nicht an, das lag an eurer … wie sagtest du doch eben so schön, geteilten Erfahrung?“

Kira lachte erneut. „Nein, sicherlich nicht. Er war zwar komisch drauf, hat mir dabei aber niemals das Gefühl gegeben, das könnte an mir liegen. Ich kann nicht sagen, warum ich mir dessen so sicher bin, aber es ist so. Am frühen Abend hat er sich fast noch dafür entschuldigt, dass er nicht bei mir geblieben ist. Nein, ich glaube viel eher, Finn hat ein grundlegendes Problem mit sich selber – und ich habe den Verdacht, das könnte vorrangig mit seiner Vergangenheit und einem verstorbenen Freund zu tun haben, den er mir gegenüber einmal kurz erwähnt hat.“

„Warum fragst du ihn nicht einfach danach, Prinzessin? Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen.“

„Dieses Mal ist es anders. Ich will …“

„Na, raus mit der Sprache!“

„Ach, Tina, ich will ihn nicht gleich wieder … vergraulen.“

„Und du hast das Gefühl, das könnte passieren, wenn du ihn nach diesem Freund fragst? Au weia! Kira, entschuldige, aber da klingeln bei mir sofort alle Alarmglocken. Im Klartext heißt das nämlich für mich, dass du euch noch nicht wirklich als Paar ansiehst. Kurzum: Der Typ mauert noch und riskiert das unter bestimmten Männern beliebte ‚Ich-fang-dich-aber-du-fängst-mich-deshalb-noch-lange-nicht‘-Spiel – könnte ich damit recht haben?“

„Mhmm, ja, könnte schon sein. Aber ich denke, ich sollte ihm trotzdem noch ein bisschen Zeit geben.“ Kira seufzte. „Auch wenn es mir wirklich schwerfällt.“

„Kira, ich sage das nur ungern, aber du neigst gerne mal etwas zur Nachgiebigkeit, sobald du verknallt bist. Ich sage nur: Matthias Gundlach! Du solltest den gleichen Fehler besser nicht zweimal machen und einem Kerl blind vertrauen, nur weil er nach außen hin so ein toller Hecht ist.“

„Matthias war ein Lügner und hat mich praktisch von Anfang an betrogen. Ich war damals einfach zu jung und unerfahren.“

„Klar doch! Zu jung und zu unerfahren! Dass ich nicht lache, Kira! Du wolltest einfach nicht sehen, was er mit dir gemacht hat, denn dann hättest du dich schon viel eher von ihm trennen müssen. Matthias hat dir, ohne mit der Wimper zu zucken, immer wieder ins Gesicht gelogen, und du hast auch dann noch behauptet, er wäre ein grundehrlicher Mann – nur weil damals offenbar die ganze Welt fand, dass Matthias Gundlach und Kira Lengrien ein so wunderschönes Paar abgeben würden. Schatz, du warst einfach verliebt in sein weltmännisches Auftreten und blind für seine Niederträchtigkeit und seine überbordende Eigenliebe.“

Kira schnaubte unwillig in den Hörer. „Tina, also wirklich! Matthias und Finn haben so viel gemeinsam wie Kaviar und Schokoladenkuchen. Matthias kommt aus einer stinkreichen Familie, ist verwöhnt und egozentrisch. Finn ist in allem das vollkommene Gegenteil, das kannst du mir glauben. Nein, ich denke wirklich, dass Finn nur noch ein bisschen Zeit braucht, dann wird er sich mir schon anvertrauen. In der Zwischenzeit werde ich den Teufel tun, in seinen alten Wunden zu bohren.“

„Vorsicht, meine Liebe, du taktierst schon wieder! Du weißt doch, dass diese Vorgehensweise gefährlich enden kann. Du lässt ihn gewähren, nur um ihn noch ein bisschen länger behalten zu können, das hat noch niemals jemandem geholfen. Es ist falsch, Kira, ganz falsch! Und das solltest du wirklich wissen. Gib ihm lieber so früh wie möglich die Chance, dir zu sagen, was mit ihm los ist. Wenn dein Prachtkerl nicht von Anfang an mit offenen Karten spielen will, läuft in meinen Augen ohnehin etwas verkehrt. Und du steuerst damit wieder schnurstracks auf die nächste Liebeskatastrophe zu. Dann wird er dir früher oder später nämlich wehtun, glaub mir. So sind die Kerle nun mal. Wenn sie dich belügen wollen, werden sie es tun, ob du nun versuchst, sie auszutricksen oder nicht. Ach herrje, ich höre mich schrecklich schulmeisternd an, aber ich bin halt besorgt um dich, meine Kleine. Tut mir leid, wenn ich so schwarzmale, aber ich will dich nur vor weiterem Kummer bewahren. Ich hoffe, du weißt das?“

„Natürlich weiß ich, dass du im Grunde recht hast und um mich besorgt bist, Tina. Und ich kenne deine Einstellung zum männlichen Teil der Bevölkerung zur Genüge. Normalerweise halte ich ja auch selber nichts von irgendwelchem Taktieren, das weißt du auch, aber in diesem besonderen Fall liegen die Dinge nun mal anders. Auch wenn er noch etwas vor mir zurückhält, an ihm ist nichts Hinterhältiges oder gar Gemeines. Ganz im Gegenteil. Ich habe viel eher das Gefühl, dass Finn bei all seiner maskulinen Ausstrahlung in Wahrheit ein sehr sensibler Mann ist“

„Wenn du damit richtigliegst, muss ich dich erst recht warnen, auf dich und dein kleines Herz aufzupassen, Schatz.“

„Zu spät, Tina! Längst zu spät!“