Dreizack der Wogen
Wach auf!«, erklang eine ferne Stimme. Fi schlug die Augen auf und starrte zwischen Zweigen hindurch zu einer silbernen Mondsichel empor. Kühle Nachtluft streichelte ihre Wangen und von irgendwoher war das leise Grollen eines abziehenden Gewitters zu hören. Es regnete und ein Rauschen wie von Stromschnellen war zu hören. Fi begriff sofort, dass ihr das Elixier der Traumhändlerin erneut ein Tor zu ihren Träumen geöffnet hatte.
»Gilraen?« Sie sprang auf, sah sich suchend um und eilte durch den Regen hinüber zum Wildbach. Weit musste sie dafür nicht gehen. Das Wasser war über die Ufer getreten und umspülte sogar die Wurzeln der Eiche, unter der sie erwacht war. Die Fluten strömten mit einer Kraft dahin, als wäre irgendwo ein Damm gebrochen. Nur Gilraen war nirgends zu sehen.
»Wo bist du?«, rief Fi.
»Ich bin hier!«, vernahm sie inmitten des Gurgelns und Plätscherns eine Stimme. Sie spähte in den gespenstischen Wald aus kahlen, wie verbrannt wirkenden Bäumen, der sich jenseits des Baches erstreckte. Er wirkte düsterer als beim letzten Mal. Überhaupt kam es Fi so vor, als würde der Mond nur ihre Seite des Ufers bescheinen, während gegenüber alles in trostlose Dunkelheit gehüllt war.
Sie hielt nach dem Holzstumpf Ausschau, auf dem sie Gilraen beim letzten Mal gesehen hatte, doch das viele Wasser hatte ihn längst überspült.
Fi hob ihre Hand, die erneut von dem geheimnisvollen Silberflor umschmeichelt wurde. Wieder ging ein dünner Lichtbogen davon aus, der sich schwach über den rauschenden Strom spannte und seltsam ausgefranst wirkte. Fis Blick folgte dem dünnen Band und endlich entdeckte sie die kleine und verloren wirkende Silhouette ihres Freundes. Gilraen stand tief im Wald und seine Gestalt war zwischen den kahlen Bäumen kaum zu erkennen.
»Gilraen, du machst mir Angst!«
»Du musst keine Angst haben«, rief er zurück.
»Warum bist du so weit weg?« Sie spürte, dass sich irgendetwas zwischen ihnen verändert hatte.
»Das wirst du eines Tages verstehen.« Gilraens Stimme klang traurig. »Wichtig ist nur, dass ich bei dir bin. Denn ich möchte dir immer noch helfen.«
Fi warf einen unglücklichen Blick auf die Stromschnellen. Wie schon beim letzten Mal glaubte sie, inmitten der Fluten Bilder aufsteigen zu sehen. Bilder, die sich rasch näherten und ständig wechselten. Doch obwohl sie sich danach sehnte, die Bilder zu betrachten, wandte sie sich davon ab. »Nein«, schrie sie trotzig. »Ich muss erst wissen, wie es dir geht!«
»Was sagt dir denn dein Herz?«, kam es leise zurück.
Fi presste die Lippen aufeinander und eine Weile war nur das Rauschen des Wassers zu hören. »Dass du lebst«, sagte sie zögernd.
»Warum sorgst du dich dann?«, rief Gilraen. »Verschwende deine Gedanken nicht weiter an mich, konzentriere dich auf dich selbst. Du bist nur einen Schritt davon entfernt, deine Erinnerungen zurückzuerlangen.«
»Ich darf nicht nur an mich denken.« Fi schüttelte den Kopf. »Du musst mir sagen, wie ich Nikk helfen kann.«
»Denk an das, was dir Nikk über seinen Vater Aqualonius erzählt hat, als er sich in der gleichen Lage befand wie Nikk jetzt.«
»Meinst du damals, als Aqualonius bei der Suche nach dem verschwundenen Dreizack den Sonnenrat aufgesucht hat?«, fragte Fi.
»An welches Mitglied wandte er sich wohl?«, fragte Gilraen zurück.
Fi grübelte. »An die Trägerin des Glyndlamirs. An meine Mutter.«
»Sieh an!«, erwiderte Gilraen. »Wenn Aqualonius mit der Trägerin des Glyndlamirs sprechen wollte, dann erbat er von ihr vielleicht die gleiche Hilfe, die Nikk jetzt auch von dir benötigt.«
»Willst du damit sagen, dass ich mithilfe des Schwursteins auch den Dreizack finde?«
»Du hegst diese Hoffnung doch bereits seit deiner Reise ins Totenreich«, kam es aus den Schatten des Waldes zurück. »Warum zweifelst du plötzlich daran? Sowohl der Glyndlamir als auch der Dreizack der Wogen wurden von Elfenkönig Avalaion in die Wirklichkeit gebracht. Das geschah sicher nicht ohne Grund.«
»Heißt das, meine Mutter hat uns ausgeschickt, um dem Meervolk zu helfen?«, rätselte Fi.
»Vielleicht musst du dem Meervolk helfen, damit du deine eigentliche Aufgabe erfüllen kannst«, antwortete Gilraen. »Sieh ins Wasser, Fi. Hab keine Angst vor dem, was sich dir dort offenbart, sonst war mein Opfer in Albion umsonst.«
Fi trat zitternd an den brausenden Wildbach mit ihren Erinnerungen heran. »Gilraen, werden wir uns eines Tages wiedersehen? Ich meine nicht hier, sondern … in der Wirklichkeit?«
Die Gestalt zwischen den Bäumen bewegte sich, wirkte jedoch seltsam kantig und schroff. »Was sagt dir denn diesmal dein Herz?«
Das Wasser rauschte. Der silberne Regen fiel weich auf Fi nieder und um sie herum funkelte alles in hellem Silberlicht.
Als Fi erwachte, lag sie in der Hängematte auf Koggs’ Schiff. Die Planken knarrten, Wasser rauschte an der Außenwand des Schiffes entlang und von oben konnte sie die rauen Stimmen der Seeleute hören. Wie lange hatte sie geschlafen? Als sie das Elixier der Traumhändlerin zu sich genommen hatte, hatten sie noch im Schmugglerviertel vor Anker gelegen. Seitdem mussten Stunden vergangen sein. Immerhin stand Nikk neben ihr und sah sie gespannt an. Er trug jetzt wieder das Muschelhorn, das sie damals nahe der Sireneninsel geborgen hatten.
»Und?« Er beugte sich über sie. »Hast du deine Erinnerungen zurückerlangt?«
Fi setzte sich auf und atmete tief ein. »Ja, ich erinnere mich wieder an alles. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das so gut ist.« Fi konnte nicht weiterreden, denn die Macht der Eindrücke schnürte ihr die Kehle zu. Ein Strom heißer Tränen rann über ihre Wangen und sie schluchzte.
Ergriffen zog Nikk sie an seine Brust. »So schlimm?«, fragte er besorgt
»Schlimmer, Nikk. Viel schlimmer.« Fi bebte vor Kummer und Schmerz. »Was in den letzten zwanzig Jahren geschehen ist, ist unfassbar schrecklich. So viel Not, so viele Entbehrungen, so viele Freunde, die meinetwegen gestorben sind.« Sie schluchzte abermals und Nikk streichelte sanft ihren Rücken. »Gilraen und ich, wir sind gescheitert«, flüsterte sie. »Hätte er sich am Ende nicht für mich geopfert, hätte ich gar nicht aus Albion fliehen können. Das eigentliche Ziel, der Grund, weshalb wir ausgeschickt wurden, ist nun unerreichbar fern.«
»Warum wurdet ihr ausgeschickt?«
»Um den Glyndlamir in der Ewigen Flamme des …« Fi biss sich auf die Lippen. »Bitte Nikk, ich darf das niemandem verraten. Nicht einmal dir.«
»Irgendwann musst du jemandem vertrauen.«
Sie löste sich aus den Armen des Meermanns, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn eine Weile ernst an. »Unser Auftrag bestand darin, Albion mit magischen Mitteln aus der Umklammerung der Schatten zu befreien. Bitte bring mich nicht dazu, dir Einzelheiten zu erzählen. Der Glyndlamir, zu dessen Hütern Gilraen und ich bestimmt wurden, spielt jedenfalls bei alledem eine Schlüsselrolle. Morgoya ist uns jedoch zuvorgekommen und hat all unsere Hoffnungen zunichtegemacht.«
»Das heißt, du hast Albion den Rücken gekehrt, um wenigstens den Glyndlamir vor ihr in Sicherheit zu bringen?«
»Ja und nein.« Fi atmete tief ein. »Nachdem Gilraen in die Gefangenschaft Morgoyas geriet, war ich völlig auf mich allein gestellt. Ich war verzweifelt und wusste nicht, was ich tun sollte. Zugleich hatte ich eigenartige Träume. Träume, die in mir die Hoffnung keimen ließen, dass unsere Mission vielleicht doch noch nicht verloren war. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, doch es erschien mir fast so, als würde mich ein Ruf ereilen.«
»Ein Ruf?« Nikk richtete sich interessiert auf. »Hat dich vielleicht die Feenkönigin auf diese Weise über das Nordmeer geführt?«
Fi runzelte die Stirn. »Hätte sie das nicht bei unserer Begegnung in Jada’Maar erwähnt?«
Der Prinz nickte zögernd. Plötzlich weiteten sich seine Augen. »Und was, wenn es der Ruf von Elfenkönig Avalaion war?«
»Avalaion? Wie kommst du …«
»War er nicht derjenige, der den Glyndlamir einst erschaffen hat?«
Fi starrte Nikk entgeistert an. »Ja, nach allem, was wir wissen, schon.«
»Na also.« Nikk drückte aufmunternd ihre Hand. »Denk nur an das Schicksal meines Volkes am Ende der Drachenkriege. Als wir Avalaions Hilfe brauchten, stand er uns bei. Und entsandte er nicht auch deine Vorfahren, um dem Menschenhelden Sigur Drachenherz bei seinem Kampf gegen Murgurak dem Raben beizustehen?«
»Das ist alles richtig, aber …«
»Kein ›aber‹, Fi. Erneut brechen dunkle Zeiten über uns alle herein. Ich bin mir inzwischen sicher, dass sich die Elfen aus den Wäldern des Westens zu keinem Zeitpunkt von uns abgewandt haben. Ganz im Gegenteil: Ist es denn so abwegig, darauf zu hoffen, dass sie uns beobachten und sich noch immer in unsere Geschicke einmischen?«
Fi gestand sich ein, dass der Gedanke tröstlich war. »Nein, das ist nicht abwegig«, antwortete sie.
»Und welchen Inhalt hatte der Ruf, der in deinen Träumen mitschwang?«, wollte Nikk wissen.
»Dass die Hoffnung für Albion hier auf dem Festland zu finden sei.«
»Mehr nicht?«
»Nein.« Fi verzog unglücklich das Gesicht. »Aber der Ruf gab mir das Gefühl, ihm folgen zu müssen. So als hätte ich keine andere Wahl.«
»Dann hat deine Suche vielleicht gerade erst begonnen«, meinte Nikk feierlich.
»Aber wenn ich scheitere, besiegele ich damit endgültig das Schicksal meines Volkes. Und ich stehe dieser Aufgabe ganz allein gegenüber.«
»Du bist nicht allein«, beruhigte sie Nikk. »Noch bin ich an deiner Seite. Und wenn wir den heutigen Tag überleben und ich wieder zurück ins Meer muss, bleiben dir immer noch treue Gefährten, wie ich mir kaum bessere vorstellen kann. Du musst nur Vertrauen haben.«
»Ach Nikk, wenn du wüsstest, welche Verantwortung auf mir lastet.« Fi sah ihn unglücklich an. »Ich schätze Magister Eulertin, und ich mag Koggs, sehr sogar. Ich weiß, dass beide glauben, das Richtige zu tun. Aber tun sie das wirklich? Sie dulden immerhin eine Gargyle, eine Kreatur des Schattens. Damit haben sie in meinen Augen den Fuß in eine Tür gestellt, die sie vielleicht nie wieder schließen können.«
Nikk umfasste liebevoll ihr Gesicht. »Ich glaube eher, dass du dir mit diesen Gedanken selbst im Weg stehst. Sogar die Feenkönigin scheint Magister Eulertin gewogen zu sein. Aber ich respektiere deine Zweifel.«
»Ich muss darauf hoffen, dass sich Gilraen aus der Gefangenschaft Morgoyas befreit und den Weg zu mir zurückfindet«, sagte Fi trotzig. »Nur er kann mir helfen.«
Nikk schürzte die Lippen. »Ich wünsche dir natürlich, dass er es schafft. Nur solltest du deine Hoffnungen nicht allein auf ihn stützen.« Er griff nach dem Muschelhorn. »Erinnerst du dich noch an die Worte der Feenkönigin? Sie sprach davon, dass wir den Schatten standhalten müssen, damit eine Macht heranreifen kann, deren Zeit noch kommt. Eine Macht, der allein die Kraft gegeben ist, die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.«
»Du sprichst von dieser letzten Flamme?«
Der Meermann nickte. »Meine Aufgabe besteht darin, im Meer weiter Wacht zu halten. Doch du könntest ihr eines Tages sogar begegnen. Wenn die letzte Flamme uns alle vor Morgoya retten kann, schließt das dein versklavtes Volk doch mit ein, oder?«
Fi sah Nikk an und endlich keimte wieder Hoffnung in ihr. »Vielleicht muss ich dabei helfen, sie zu finden!«
»Wer weiß? Wenn es wirklich Elfenkönig Avalaion war, der dich hierhergeführt hat, wird er seine Gründe dafür gehabt haben. Nur müssen wir uns jetzt erst einmal den gegenwärtigen Ereignissen zuwenden. Also, weißt du inzwischen, was aus dem Glyndlamir geworden ist?«
»Oh ja.« Fi schwang sich aus der Hängematte und trat an die Taurolle heran, neben der sie vor einigen Tagen nahe der Sireneninsel erwacht war. Sie bückte sich und tastete mit den Fingern einen schmalen Spalt zwischen Tau und Schiffswand ab, bis sie einen kühlen metallischen Gegenstand berührte. Als sie schließlich die Kette zu fassen bekam, erhob sie sich und präsentierte Nikk das mondeiserne Amulett.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Der Prinz riss die Augen auf und trat zu ihr. Bewundernd betrachtete er die Gravur mit den verschiedenen Mondphasen. »Der Schwurstein war die ganze Zeit über hier an Bord?«
»So ist es.« Fi zuckte die Schultern. »Ich hätte schon viel früher darauf kommen können. Wo hätte ich den Glyndlamir sonst so rasch verstecken können? Wo ich doch zugleich seine Kräfte aktiviert hatte, um mir die Erinnerungen an ihn und alles, was mit ihm zusammenhing, zu rauben? Jetzt, da ich weiß, wie sich der Traumaspekt des Glyndlamirs anrufen lässt, könnte ich es vermutlich sogar noch einmal wagen. Nur diesmal vielleicht, ohne fast mein ganzes Gedächtnis zu löschen.« Sie lächelte unsicher. »Inzwischen habe ich Einblicke in seine Kräfte, von denen ich zuvor kaum etwas wusste.«
»Und wird uns das Amulett dabei helfen, den Dreizack zu finden?« Nikk sah sie aufgewühlt an. »Wir haben Hammaburg am Vormittag verlassen und sind inzwischen weit draußen auf dem Meer. Ich hoffe, diese Entscheidung war richtig, denn du sagtest doch, dass du den Dreizack beim Nixenbrunnen irgendwo am Meeresgrund gesehen hast.«
»Ja.«
»Gut, denn schon heute Abend endet mein Aufenthalt über dem Wasser.«
»Wie spät ist es?«, fragte Fi.
»Später Nachmittag«, antwortete Nikk. »Du hast über zwölf Stunden geschlafen. Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.«
Fi umfasste den Glyndlamir mit beiden Händen und schloss die Augen. Zunächst versuchte sie es mit reiner Konzentration, doch dann besann sie sich eines Besseren und ließ ihre Gedanken schweifen. Ein Bild. Sie brauchte irgendeinen Anker. Plötzlich stieg die Rankenskulptur aus Jada’Maar vor ihrem geistigen Auge auf, die ihr erstmals die Verbindung zwischen Amulett und Dreizack offenbart hatte. Nikk gab einen erstaunten Laut von sich. Fi blinzelte und sah, dass der Glyndlamir silbern erstrahlte. Zugleich spürte sie eine wohlige Wärme in sich aufsteigen, die jedoch nicht vom Amulett, sondern von einem Ort irgendwo weit unter dem Schiff ausging. Sie schloss die Augen wieder und das Bild eines wundersamen Bauwerks mit Türmen, die wie riesige Spitzmuscheln geformt waren, und mit hell erleuchteten Fenstern erschien. Delfine und Meernymphen schwammen daran vorbei. Aufgeregt beschrieb sie Nikk, was sie sah.
»Das klingt nach dem Meerespalast«, rief er. »Aber wo genau sollen wir dort suchen?«
Fi öffnete die Augen und ließ das Mondeisenamulett sinken. Sofort erlosch auch dessen Schimmer. »Ich weiß es nicht. Ich fürchte, ich muss erst näher an den Palast heran, bevor mir das Amulett noch mehr offenbart.«
»Gut, wir sind ohnehin auf dem Weg dorthin.« Der Meermann drückte Fi eine taubeneigroße Glaskugel in die Hand. »Das hat mir übrigens Magister Eulertin für dich mitgegeben. Die Kugel vermag Licht zu erzeugen. Das könnte dir unter Wasser vielleicht von Nutzen sein.«
Fi steckte die Glaskugel dankbar ein und folgte Nikk hinauf an Deck. Das Schiff steuerte durch einen ungemütlichen Nebel, der über dem Meer aufgezogen war.
»Nein, nein, nein!«, gellte von links eine schneidige Stimme zu ihnen herüber. Zu Fis Erstaunen stand dort Magister Horatio Chrysopras. Mit einer Hand hielt er wütend die Krempe seines Spitzhutes fest, während er mit der anderen ein paar von Koggs’ Leuten anwies, eine Truhe mit klimperndem Inhalt vor dem Hauptmast abzustellen. »Die Kisten mit den Luftelementaren müssen für jede Geschützeinheit gut erreichbar sein. Kurze Wege, versteht ihr! Und nagelt die Truhe fest!«
Irritiert sah Fi dabei zu, wie schräg hinter dem Zauberer andere Matrosen damit beschäftigt waren, mächtige Holzröhren in Eisenklammern zu spannen, die mit Scharnieren an der Reling befestigt waren. Vier dieser Röhren ragten über die Steuerbordreling, vier weitere waren an der Backbordreling angebracht. Jede von ihnen war zum Deck hin mit einer Verschlussklappe versehen, die den übergroßen Zinndeckeln von Bierkrügen ähnelte. Doktorius Erasmus Gischterweh half den Seeleuten bei der Arbeit, wenngleich es Fi so vorkam, dass der dicke Windmacher den Männern eher im Weg stand.
»Ah, Fi ist endlich wieder wach!«, rief er mit seiner Bassstimme. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Wie ich sehe, werden die letzten Vorkehrungen getroffen«, sagte Nikk knapp. Seine Blicke suchten Koggs, der auf dem Bugkastell stand und gemeinsam mit Magistra Alruna Wogendamm eine weitere Holzröhre auf einem drehbaren Holzbock befestigte.
»Darf ich fragen, was Ihr hier treibt?«, wandte sich Fi an Magister Chrysopras. Der maß sie mit militärisch strengem Blick. »Nun, Herr Elf, ich schätze, Ihr gehört zu den Geheimnisträgern an Bord. Da will ich mal nicht so sein, ähem.« Über seine strengen Züge huschte eine fast kindliche Begeisterung. »Wir setzen die Anregungen von Käpt’n Windjammer in die Praxis um. Er kam gestern auf eine ganz famose Idee zum Bau neuartiger Geschütze. Wir haben sie auf den Namen Aeols-Bombarden getauft!« Er führte Fi nah an eine der Holzröhren heran, während weiter hinten ein paar Männer damit beschäftigt waren, Kisten mit Steinkugeln aus dem Niedergang zu schleppen. »Die Geschosse ebenfalls zur Deckmitte!«, brüllte er ihnen zu, bevor er sich wieder an Fi wandte. Zufrieden öffnete er die eiserne Verschlussklappe der Röhre. »Die Steinkugeln stopfen wir in diese Röhren, dann folgt – quasi als Treibmittel – eine Feenkristallphiole mit einem der Luftelementare, die meine Kollegen eingefangen haben.« Er schloss die Klappe und verriegelte sie. Anschließend deutete er auf ein Loch am hinteren Ende der Röhre, aus der ein eiserner Bolzen ragte. »Jetzt heißt es nur noch gut zielen und kräftig auf den Bolzen schlagen, damit die Phiole zerbricht. Und dann – Wamm!« Er grinste böse. »Das befreite Luftelementar versucht zu entkommen und treibt dabei die Steinkugel aus der Röhre. Ich kann dir sagen, die luftigen Biester beschleunigen die Kugeln fast so gut wie ein Katapult.«
»Bei allen Schicksalsmächten, über wie viele dieser gefangenen Luftelementare verfügt ihr denn?«
»Sechsundfünfzig«, schnaubte Doktorius Gischterweh, der gerade neben sie getreten war. »Wir haben sie in die Feenkristallflaschen gesperrt, die Käpt’n Windjammer noch im Laderaum hatte.« Er seufzte. »Womit wir die wohl teuersten Schiffsgeschütze der Welt hergestellt hätten. Aber das war die einzige Möglichkeit, das Segelschiff in so kurzer Zeit seekampftauglich zu machen.«
»Nun macht Euch mal nicht gleich in die Hose, verehrter Kollege!«, schnaubte Chrysopras. »Spart Euch das für den Zeitpunkt auf, wenn wir im Gefecht liegen.«
»Stimmt, ich sollte wirklich noch mal unter Deck …« Der Dicke stürmte davon. Chrysopras wandte sich ein paar Seeleuten unter Robs Kommando zu, die auf dem Heckkastell eine lange Eisenstange aufstellten. »Bootsmann, einen Augenblick! Der Blitzableiter bedarf noch einiger abschließender Formeln!«
Fi stiefelte zur Treppe des Heckkastells, wo sich Koggs, Magistra Wogendamm und Nikk unterhielten. »… die Nereide schon bei Sonnenaufgang losgeschickt«, sagte Magistra Wogendamm und griff zu ihren vielen Ketten. »Ich bin mir sicher, dass die Antwort innerhalb der nächsten Stunde eintrifft.«
»Ich hoffe, das ist nicht zu spät«, knurrte der Klabauter.
»Koggs«, rief Fi, »kann mir bitte mal jemand erklären, was das alles soll?«
»Wir bereiten uns auf den Kampf vor!«, erwiderte der kleine Kapitän. »Sieht man doch.«
»Aber gegen wen?«
»Na, gegen wen wohl?« Koggs sah sie finster an. »Mort Eisenhand natürlich!«
»Er ist hier?« Fi konnte weit und breit kein weiteres Schiff ausmachen.
»Er kommt, sei dir dessen gewiss.« Koggs griff zu seinem Säbel. »Kiela hat mich vor ihm gewarnt. Sie sagte, ich würde ihm begegnen, noch bevor der Sieben-Tage-Zyklus des Meervolks sein Ende findet. Und das ist diese Nacht!«
»Dann trennen sich unsere Wege jetzt«, meinte Nikk. Er drückte Magistra Wogendamm und dem Klabauter die Hand. »Danke für alles, was ihr für mich getan habt. Sollte meine Mission scheitern, hoffe ich, dass ihr mehr Glück habt.«
»Papperlapapp, Königliche Hoheit. Das wird schon!« Koggs wandte sich Fi zu. »Ich hoffe, du kommst wieder zu uns zurück?«
Fi dachte an Nikks ermahnende Worte und lächelte schmal. »Gern, wenn ich hier weiterhin willkommen bin.«
Koggs grinste. »Na klar, du Mondfisch!« Er klopfte ihr kameradschaftlich auf die Schulter und fuhr im gleichen Atemzug einen seiner Männer an, der mit Waffen unter dem Arm durch eine Luke heraufkletterte. »Ich sagte, alle Entermesser, du faule Seegurke. Nicht bloß drei!«
Magistra Wogendamm kramte unter ihren viel zu weiten Gewändern ein Fläschchen aus Feenkristall hervor und drückte es Fi in die Hand. »Hier, ein Wasserelementar. Vielleicht kannst du es da unten gebrauchen. Viel Glück!« Sie bedachte Nikk mit einem letzten hingebungsvollen Blick und folgte dem Klabauter.
»Bist du bereit?«, wollte Nikk wissen. Fi verstaute Pfeile und Bogen unter der Treppe und zog sich die Stiefel aus. »Ja, es kann losgehen.«
Gemeinsam kletterten sie über die Reling und sprangen ins Meer. Als die Fluten über Fi zusammenschlugen, hätte sie beinahe aufgeschrien, so kalt war das Wasser. Endlich tauchte Nikk in seiner Meermanngestalt neben ihr auf. Ohne zu zögern, küsste er sie. Sie sanken in die Tiefe und ein wohliger Schauer rieselte durch Fis Körper, der die Kälte verdrängte. Dafür erfasste sie eine Hitze, die ihr beinahe ein Gurren entlockte. Doch als sie den Mund öffnete, strömte so selbstverständlich Meerwasser in ihre Lunge wie eben noch die kühle Seeluft. Viel zu rasch löste sich Nikk von ihr.
Der Wogenpalast ist nicht mehr weit entfernt, vernahm sie seine Stimme in ihrem Kopf. Wie bei ihrem ersten Aufenthalt im Meer zog Nikk sie mit kräftigen Flossenschlägen tiefer in die Fluten. Der Kiel von Koggs’ Schiff wurde immer kleiner und wenig später konnte Fi den dunklen, mit Muscheln und Garnelen übersäten Meeresboden ausmachen, der sich schier endlos unter ihnen ausbreitete. Hin und wieder waren kleinere Fische zu sehen und in einiger Entfernung zog ein Hammerhai seine Runde. Fi verlor jedes Gefühl für Zeit und Entfernung, bis sie irgendwann weit vor sich eine bergige Erhebung erblickte, die von Algenwäldern und gewaltigen Felsen umschlossen wurde. Zu ihrer Überraschung tönten von dort melodische Klänge an ihre Ohren. Was ist das?, fragte sie in Gedanken.
Nichts Gutes, erwiderte Nikk. Sie tauchten vorsichtshalber zwischen den höchsten Ausläufern des Algenwaldes hindurch, um sich im Gewirr der Pflanzenstränge jederzeit verstecken zu können. Endlich erreichten sie den Rand des untermeerischen Höhenzugs. Fi schwamm an Nikks Seite bis dicht an den Grat der Erhebung heran und spähte darüber hinweg. Der Anblick, der sich ihr bot, war atemraubend. Inmitten einer tiefen Senke thronte eine hell erleuchtete Palastanlage aus perlweißem Muschelkalk. Der Palast der Wogen ähnelte eher einem künstlichen Berg als jenen Prunkanlagen, wie sie die Menschen bauten. An vielen Stellen schraubten sich hohe Türme der Meeresoberfläche entgegen, die riesigen Spitzmuscheln ähnelten. Weiche, fließende Formen dominierten die prachtvolle Anlage. In die Türme waren Fenster aus blauem und grünem Kristall eingelassen, unter denen sich gewaltige Muschelbalkone in die Fluten reckten.
Fis Blick wanderte über gewaltige Friese aus bunten Muscheln mit wellenförmigen Ornamenten. Auf mehreren Ebenen befanden sich Durchlässe, deren verspielte Rundbögen die Gestalt von Tintenfischen und Kraken besaßen. Es gab auch Plattformen, auf denen reizvolle Algen- und Tanggärten angelegt waren und deren Blätter sanft in den Fluten wogten. Überall trieben Laternenfische und bunte Leuchtquallen durch das Wasser. Ihr Lichtschein richtete sich vor allem auf eine stattliche Prozession des Meervolks aus Hunderten Meernymphen und -männern, die sich von einem gegenüberliegenden Riff aus gemächlich über eine Allee alter Galionsfiguren hinweg auf den Wogenpalast zubewegte. Obwohl das Meervolk keine Wege brauchte, war die Allee über und über mit warm schimmernden Bernsteinen durchsetzt. Sie führte durch einen gepflegt wirkenden Park aus hohen Algen, der den Palast wie ein grüner Halbmond umgab.
Fi verengte die Augen und sah, dass die Prozession von einem Dutzend Nixen mit Muschelhörnern angeführt wurde. Sie waren also für die Musik verantwortlich. Ihnen folgte ein kolossaler und mit Blattgold geschmückter Muschelwagen, der von sechs Riesenseepferdchen gezogen wurde. Ihre Zügel lagen in der Hand eines bärtigen Meermanns mit langen Haaren, der in der Rechten einen Dreizack aus Flussgold und Mondeisen hielt. Fi wusste sofort, dass das Nikks Onkel Effreidon war. Stolz rauschte er an langen Reihen barbusiger Nixen vorbei, deren Häupter mit Muschelkränzen geschmückt waren und die aus schlanken Amphoren grünlich schimmernde Leuchtalgen warfen. Ihnen folgte ein Tross aus Delfinreitern, die Harpunen in den Händen hielten. Fi fiel auf, dass die Nixen weitaus zahlreicher waren als die männlichen Vertreter ihres Volkes. Auf sieben Frauen kam vielleicht ein Meermann.
Ich wusste, dass Effreidon keine Zeit verlieren würde, erklang Nikks aufgebrachte Stimme in ihrem Kopf. Das Krönungszeremoniell hat bereits begonnen. Effreidon muss gerade seinen heuchlerischen Eid an den Königsgräbern abgelegt haben und ist jetzt auf dem Weg, die Krone in Empfang zu nehmen. Wir müssen schnell handeln.
Fi wandte den Blick von der Szene vor sich ab, griff nach dem Glyndlamir und schloss die Augen. Abermals spürte sie jene Wärme in sich aufsteigen, die sie bereits auf Koggs’ Schiff gefühlt hatte. Doch sie kam nicht vom strahlenden Wogenpalast, sondern von einem Riff schräg hinter der prächtigen Anlage. Fi informierte Nikk über ihre Entdeckung.
Dahinten? Nikk spähte am Palast vorbei zu den düsteren Felsen. Bist du dir sicher? Das ist kein Ort, den man freiwillig aufsuchen möchte.
Warum nicht?, wollte Fi wissen.
Weil sich dort die Flutenkerker befinden, in denen die Seedrachen eingesperrt sind.
Fi seufzte innerlich. Wenn das so ist, mag der Ort ein gutes Versteck für den Dreizack sein, sandte sie Nikk in Gedanken. Da sucht niemand.
Nikk betrachtete die Prozession mit finsterem Blick. Das Dumme ist, dass wir auf dem Weg dorthin möglicherweise entdeckt werden. Plötzlich lächelte er grimmig. Er packte das Muschelhorn und blies in das mondeiserne Mundstück. Der lang gezogene Ton, der jetzt durch die Fluten hallte, mischte sich mit den Klängen der Prozession. Die Nixen und Meermänner hatten den Palast gerade erreicht, als hinter ihnen silbrig glänzende Bewegungen auszumachen waren. Fi riss die Augen auf. Das waren Heringe. Aberhunderte von Heringen kamen auf sie zu. Nikk packte Fi an der Hand und wartete ab, bis der Schwarm das Riff erreichte und sie förmlich verschluckte. Dann stieß er sich ab, zog Fi hinter sich her und brachte die Heringe irgendwie dazu, schräg nach rechts unten auszubrechen. Fi blieb nichts anderes übrig, als sich ganz auf Nikk zu verlassen, denn abgesehen von den glänzenden Fischleibern, von denen jeder die Größe ihres Unterarms erreichte, sah sie nichts mehr um sich herum. Eigentümliche Knurrlaute erreichten ihre Ohren und das Wasser war jetzt von einem Rauschen wie von einem brodelnden Kochtopf erfüllt.
Nikk zog sie weiter mit sich und drückte sie irgendwann in den Schatten eines spitzen Felsvorsprungs. Der Heringsschwarm rauschte an ihnen vorbei und endlich erreichte wieder matter Lichtschein Fis Augen. Hinter ihr erhoben sich schroffe, hoch aufragende Felsen. Sie befanden sich jetzt weit im Rücken des Meerespalastes inmitten jener untermeerischen Hügelkette, in der das Meervolk die Flutenkerker errichtet hatte.
Wohin jetzt?, wollte Nikk wissen und sah sich lauernd nach Wächtern um.
Fi ließ sich von dem Mondeisenamulett führen. Sie schwammen an der zerklüfteten Felswand entlang, passierten von Muscheln verkrustete spitze Felsen, bis sie ein riesiges Loch in der Felswand erreichten, das ihnen dunkel entgegengähnte. Es war mit einem mächtigen Gitter aus dicken Korallen versehen und mindestens doppelt so groß wie ein Scheunentor.
Hier?, fragte Nikk ungläubig. Das ist das Verlies der Hydra. Das heißt, das war es. Er schwamm näher und starrte argwöhnisch in die Dunkelheit. Fi erkannte nun selbst, dass das gewaltige Gitter nicht verschlossen war. Die schwarze Höhle dahinter machte ihr Angst. Als sie zwischen den dicken Streben hindurch in die Finsternis glitten, kramte sie Eulertins Leuchtkugel hervor, die in einem goldenen Licht erstrahlte.
Nikk hielt inne. Im Licht der Kugel war gut zu erkennen, wie riesig das Verlies war. Der komplette Boden war übersät mit kleinen und großen Fischknochen. Fi umfasste den Glyndlamir noch fester und ließ sich fast traumwandlerisch durch den Flutenkerker treiben. Die Wärme, die sie nun spürte, kam von unten. Fi tauchte bis zum Höhlenboden hinab. Hier, Nikk. Sie hob die golden schimmernde Leuchtkugel an. Irgendwo direkt unter uns.
Der Meermann glitt mit einem mächtigen Flossenschlag neben Fi. Sie räumten Knochen und faulige Fischschuppen beiseite, bis ein silberner Schein ihre Aufmerksamkeit erregte. Kurz darauf zerrte Nikk das kostbare Fundstück aus dem Unrat. Sie hatten den Dreizack der Wogen gefunden!
Unglaublich! Ergriffen betrachtete Nikk die prächtige Königsinsigne. Die gabelförmige Spitze mit den drei scharfen Schneiden blitzte silbern im Licht der magischen Glaskugel. Die Schelle, die die Spitze mit dem langen, ebenfalls mondeisernen Stab verband, bestand dagegen aus schimmerndem Flussgold. Die Griffstange war mit wellenförmigen Ziselierarbeiten überzogen, die ebenfalls mit Gold ausgefüllt waren.
Danke, Fi! Nikk sah die Elfe feierlich an. Das werde ich dir niemals vergessen.
Fi nickte. Dann lass uns so schnell wie möglich zum Wogenpalast schwimmen, um dem Treiben dort ein Ende zu bereiten.
Unser Kommen sollte aber erst so spät wie möglich entdeckt werden. Nikk führte Fi durch das Verlies zur hinteren Felswand. Effreidon muss damit rechnen, dass ich jederzeit aufkreuze. Er wird sicher seinen Schwarm angewiesen haben, die Umgebung im Auge zu behalten.
Seinen Schwarm?, fragte Fi.
Seine Ehefrauen, erklärte Nikk knapp. Die Menschen in den Dschinnenreichen würden wohl Harem dazu sagen. Mein Onkel Effreidon hat in den vergangenen Jahrhunderten zwölf Frauen geehelicht. Darunter auch zwei Frauen des Menschenvolkes. Und glaube mir, der Schwarm eines Meermanns kümmert sich sehr um seinen Gatten und kann ziemlich gereizt reagieren.
Sie erreichten ein von Muscheln verkrustetes Loch, das von überkreuzten Streben gesichert war. Wir werden daher über einen geheimen Tunnel zum Palast vorstoßen. Mein Großvater hat ihn einst anlegen lassen, um unbemerkt mit der Hydra sprechen zu können. Nikk griff durch die Streben hindurch und tastete die Wand der überfluteten Röhre ab, bis sich das Gitter plötzlich öffnete. So gefährlich diese Seedrachen auch sind, fuhr er fort, viele von ihnen sind intelligente Gesprächspartner.
Einen Moment. Fi hielt Nikk zurück. Hat jeder Meermann so einen Schwarm?
Ja, sicher. Nikks Miene trübte sich. Ich kann nur hoffen, dass es meinen Ehefrauen während meiner Abwesenheit gut ergangen ist.
Deinen Ehefrauen?, fragte Fi ungläubig. Wann, bitte, wolltest du mir von deinem Schwarm erzählen? Immerhin hast du mir das Angebot gemacht, dich ins Meer zu begleiten.
Aber Fi, Nikk ergriff feierlich ihre Hand, dieses Angebot gilt doch noch immer. Ich halte dich für das erstaunlichste Mädchen, dem ich jemals begegnet bin. Ich befürchte jedoch, dass du dich längst dagegen entschieden hast. Habe ich Recht? Nikk sah sie forschend an. Oder befürchtest du, dich mit meinen anderen Frauen nicht zu verstehen? Das musst du nicht. Sie sind alle liebreizender, als du dir vorstellen kannst. Genau wie du. Ich bin mir sicher, sie werden sich freuen, dich kennenzulernen.
Fi fehlten die Worte. Sie standen kurz davor, die sprichwörtliche Höhle des Löwen zu betreten und ausgerechnet jetzt musste sie so etwas erfahren. Doch angesichts des völligen Unverständnisses, das in Nikks Augen lag, übermannte Fi ein Anflug von Heiterkeit. Über dem Wasser hätte sie laut losgelacht.
Bei allen Wogen, was ist mit dir?, fragte Nikk verständnislos.
Nichts. Sie berührte innerlich lachend seine Schulter. Kennst du das: Man zerbricht sich wegen einer bestimmten Sache den Kopf – und dann zeigt sich, dass man nur einer fixen Idee hinterhergejagt ist.
Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, was du meinst.
Ach Nikk, auch du bist in jeder Hinsicht erstaunlich. Fi schwamm lächelnd an ihm vorbei in die Felsröhre. Und jetzt lass uns versuchen den Thron für dich zurückzugewinnen. Dein Schwarm braucht dich.