3. Die Nacht des Sturmes

 

Kein Sturm wütete. Man sah nur ein weites, offenes, dunkles Meer. Kein Land, keine Schiffe. Niemand konnte die nächtliche Geburt des Sturmes miterleben. Aber es gab eine Syzygie: eine ekliptikale Gleichstellung von Sonne, Mond und Erde, wobei der Mond der Erde am nächsten war und das sehnsüchtige Meer den Rücken unter der Anziehungskraft des Mondes wölbte.

Über dem Meer war die Luft kühl. Trocken. Und weiter oben verharrte eine gewaltige Masse noch kälterer Luft, die irgendwo im Norden und im Osten entstanden und über den Baltischen Schild nach Südwesten gedriftet war. Gleichzeitig hatte sie sich höher in die Troposphäre erhoben. Ihre sibirische Kälte hatte sich noch verstärkt. Und nun, äußerst kalt und äußerst hoch, schob sie sich still und verachtungsvoll über den Atlantik.

Aber sie würde nicht weiterziehen können.

Etwas bewegte sich dicht über den gewölbten Rücken des Meeres hinweg; etwas, das genauso enorm war wie die Kälte hoch oben. Diese Luftmasse, in den Tropen entstanden, trug Wärme und Feuchtigkeit in sich. Und genau wie ihr Gegenstück kälter als im Durchschnitt war, wies sie ganze drei Wärmegrade mehr auf als die übliche Drift.

Warme Luft steigt auf, kalte Luft sinkt hinab – eine schlichte Tatsache der Physik, der Meteorologie. Der Sturm wurde geboren. Er sog die warme, feuchte Luft in einem heftigen mesozyklonalen Wirbel nach oben, wodurch die nun zerrissene Luft Geschwindigkeiten von 180 Stundenkilometer erreichte. Eine Wasserhose bildete sich und verband das Meer mit dem Himmel. Der sich kondensierende Wasserdampf aus der warmen Luft knisterte vor Elektrizität. Wolken schwollen kochend und tobend an.

Über dem Atlantik bildete sich eine mächtige Superzellen-Sturmwolke, einem gigantischen Amboss gleich, und die Nacht wurde noch dunkler. Mit Millionen Tonnen Wasser gefüllt, drehte sie sich langsam und böswillig und wälzte sich auf das Land zu.