Meine Mutvision – der Blick in die Zukunft

Das eigene Leben in die Hand zu nehmen, aktiv und selbstbestimmt zu gestalten, sich konkrete Ziele zu setzen und sie auch anzupacken – das braucht vor allem eines: Mut.

In diesem Kapitel erfahren Sie,

  • was ein Lebenskonzept und klare Vorstellungen über Ihre Prioritäten bringen, um Ihr Leben selbstbestimmt gestalten zu können,

  • wie Sie sich selbst Anreize schaffen, damit Sie reale Fortschritte in Ihrem Mutverhalten erzielen,

  • was Risiko und Lebensfreude miteinander zu tun haben,

  • wie Sie den Teufelskreis der Angst überwinden,

  • wie Sie aktiv Ihren beruflichen Erfolg gestalten und es schaffen, mutig Entscheidungen zu treffen.

Mein Leben selbstbestimmt gestalten

Wie viele Menschen kennen Sie, die aktiv Konflikte angehen, die ohne Rücksicht auf Verluste sagen, was sie denken, einfordern, was ihnen zusteht, oder in Extremsportarten ihren „Adrenalinkick“ suchen? Ängste vor den möglichen Konsequenzen und erlerntes „soziales“ Verhalten hält die meisten von uns ab, mutig für sich und die eigenen Ziele einzustehen. „Das tut man nicht!“, „Das kannst Du nicht machen!“ sind Stoppzeichen, die wir selbst oder andere uns vor die Nase stellen. Für ein harmonisches Miteinander und ein angstfreies Leben mag die selbst auferlegte Zurückhaltung hilfreich sein. Ein glückliches und selbstbestimmtes Leben aber sieht anders aus.

Beispiel

In der traditionellen chinesischen Medizin wird ein langes Leben erreicht, wenn zwischen Anspannen und Entspannen Balance herrscht. Beide bilden in ihren Gegensätzen eine Einheit. Dominiert ein Element das andere, wirkt sich das beim Menschen negativ auf seine körperliche und geistige Konstitution aus. Ziel ist es folglich, diese Elemente in harmonischen Einklang zu bringen und zu bewahren.

Für unser Thema: „Mehr Mut zum selbstbestimmten Leben“ bedeutet das: Suchen Sie bewusst Situationen auf, die Sie fordern und Stress bei Ihnen auslösen. Gehen Sie bewusst an Ihre Grenzen. Gemeint ist nicht, dass Sie sich blind in unberechenbare Gefahrensituationen begeben sollen. Mutig kann es zum Beispiel sein, bei ihrem nächsten Mitarbeitergespräch einen Karriereschritt zu fordern oder beim anstehenden Autokauf die eigenen Preisvorstellungen durchzusetzen. Wären Sie dabei angespannt? – Das gehört dazu! Es entspricht unserer Natur eher als ein angst- und stressfreies Leben im Schlaraffenland. Wir Menschen sind durch unsere Entwicklung nicht auf Sicherheit und Bequemlichkeit programmiert. Der in der westlichen Welt erreichte Wohlstand tut uns nicht gut. Zivilisationskrankheiten, Langeweile und Aggressivität sind klare Zeichen dafür. Anspannung, Stress und herausfordernde Situationen sind nicht notwendiges Übel, um ein erfülltes Leben zu führen, sondern wesentliche Bestandteile. Genauso gehören Entspannung und angstfreie Zeiten zu einem erfüllten Leben.

Wichtig

Der Mensch ist von seiner jahrmillionenlangen Vergangenheit her auf Gefahr, Anstrengung und Kampf programmiert. Die dabei entwickelten Triebe können wir mit unserem Großhirn steuern, aber wir können sie nicht wegerziehen. Das ist gut so! Woher beziehen wir mehr Lebensfreude: von einer lustvoll erlebten Triebbefriedigung (überstandener Gefahr, gestillter Hunger, befriedigte Neugier, …) oder aus dem „klaren“ Verstand und eingehaltenen Regeln?

Die eigene Balance finden

Ein gesundes und glückliches Leben basiert auf dem Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Beides bedingt sich und jedes einseitige Verschieben führt zum Ungleichgewicht. Körper und Geist leiden langfristig, wenn Sie ständig angespannt leben. Krankheitsbilder wie Burn-out, Herzinfarkt und Schlaganfall sind typische Krankheitsbilder. Andererseits verlieren Sie durch Entspannung ohne vorhergehende Anspannung an Energie und Lebensfreude. Mögliche Folgen dauerhafter Entspannung sind allgegenwärtig: Menschen kommen um vor Langeweile, suchen Ersatzbefriedigung in Drogen oder den Kick im Extremen.

Sein Leben selbstbestimmt gestalten bedeutet, Anspannung und Entspannung bewusst zu steuern. Sorgen Sie für Phasen, die fordernd, beängstigend oder stressig sind. Achten Sie auf Ruhezeiten, in denen Sie sich regenerieren und sammeln können. Der positive Nebeneffekt eines solchen Programms: Sie werden Schritt für Schritt mutiger.

Meine Handlungsmöglichkeiten erweitern

Bevor Sie Ihr Handeln mit dem Ziel, mutiger zu sein, verändern, sollten Sie analysieren, was Sie tun und weshalb Sie sich „unmutig“ fühlen. Das Imitieren eines „mutigen“ Menschen oder das Erlernen „mutiger“ Verhaltensweisen ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Veränderungen nicht zur eigenen Persönlichkeit passen. Jeder Mensch ist geprägt durch seine ureigene Entwicklungsgeschichte. Wenn wir unsere Schwächen ab- und unsere Stärken ausbauen wollen, gilt es diese Geschichte zu würdigen.

Beispiel

Haben Sie als Kind die Ferien mit Ihren Eltern eher am Meer oder in den Bergen verbracht? Sollte Letzteres der Fall sein, ist es wahrscheinlich, dass Sie „ausgesetzte Höhensituationen“ nicht als bedrohlich empfinden – und entsprechend weniger Mut benötigen, um sie zu meistern.

Für eine Selbstanalyse sind wir Menschen mit einer einmaligen Fähigkeit ausgestattet worden: der Reflexion!

Wichtig

Der Mensch kann seine Gefühle, Verhaltensweisen und Handlungen wahrnehmen und beeinflussen – er kann sich „beherrschen“ und reflektieren. Anders als bei Tieren steht bei uns der beherrschende Verstand den Trieben gegenüber. Für unser Zusammenleben ist es unabdingbar, dass wir zum Beispiel unsere Aggressionen beherrschen und den Sexualtrieb kontrollieren. Mit unserer Fähigkeit der Reflektion können und müssen wir uns entscheiden: Wann und wie leben wir unsere Triebe aus (und gewinnen damit Lebensfreude) und wann zügeln wir sie (um soziale Akzeptanz zu erfahren)?

Der folgende Test hilft Ihnen dabei, zu reflektieren und zu analysieren, in welchem Verhältnis Sie Ihr Leben zwischen An- und Entspannung führen.

Der Balance-Test

Ängstigende und anspannende Situationen werden unterschiedlich wahrgenommen. Genauso verhält es sich mit der Entspannung. Was zählt, ist alleine, wie Sie die Situation bewerten. Dieser Test soll Ihnen dabei helfen, zu bestimmen, ob Sie Ihr Leben in einem gesunden Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung führen.

Entscheiden Sie, ob die folgenden Aussagen vollkommen (3 Punkte), überwiegend (2 Punkte), teilweise (1 Punkt) oder überhaupt nicht (0 Punkte) auf Sie zutreffen:

Situation Punkte
Meine Arbeit fordert mich, ohne mich zu überfordern.
Zu meinen Kollegen habe ich eine gute Beziehung.
Ich bin stolz auf das, was ich mache.
Abends und am Wochenende habe ich genug Energie, um etwas zu unternehmen.
Zuhause denke ich nicht an meine Arbeit.
Ich schlafe gut.
Meine Familie würde mich als ausgeglichenen Menschen beschreiben.
Alles, was ich mache, mache ich mit Überzeugung.
Ich verfolge meine Ziele konsequent.
Die Ansprüche meiner Umgebung (Familie, Kollegen, Chefs) belasten mich nicht.
Situationen, in denen ich mich hilflos oder machtlos fühle, kenne ich kaum.
Es gelingt mir manchmal, Anstrengung mit Lust zu erleben.
Ich bin stolz auf meine erbrachten Leistungen, auch wenn sie von anderen nicht gewürdigt werden.
Herausfordernde Situationen in Beruf oder Freizeit spornen mich an.
Ich kann Pausen und „Nichtstun“ genießen.

Auswertung: Balance-Test

  • 45 – 30 Punkte

Gratulation! Sie haben ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung gefunden. Sie erleben anspannende Situationen als bereichernd und sorgen für sich. Sie wissen, was Ihnen wichtig ist, und wie Sie sich selbst motivieren können. Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten, um andere Menschen in Ihrem Umfeld auf diesem Weg zu unterstützen.

  • 29 – 20 Punkte

Auf den ersten Blick scheinen Sie Ihr Leben im Gleichgewicht zu führen. Andererseits gehen Sie viele Kompromisse ein, von denen Sie nicht innerlich überzeugt sind. Achten Sie darauf, dass Sie rechtzeitig wahrnehmen: Was ist mir wichtig? Wann handle ich „um des lieben Friedens willen“ gegen meine innere Überzeugung? Entscheiden Sie sich bewusst und häufiger dafür, mutig den eigenen Standpunkt zu vertreten.

  • 19 – 0 Punkte

Ihr Unzufriedenheitspotential ist hoch. Nach außen werden Sie eher als angepasst und flexibel wahrgenommen. Hohe Erwartungen setzen Sie unter Druck. Es fällt Ihnen schwer, den „eigenen Weg“ zu finden. Eine Voraussetzung für mehr Balance in Ihrem Leben ist, dass Sie sich selbst weniger unter Druck setzen, um es allen Recht zu machen und eigene Fehler nicht zuzulassen. Nutzen Sie die Tipps und Übungen in den folgenden Kapiteln dazu.

Übung: Mein Lebenskonzept

Formulieren Sie in einigen Sätzen Ihr Lebenskonzept. Einmal angenommen, Ihr Leben beginnt morgen komplett neu und Ihnen stehen alle Optionen offen: Wie würden Sie Ihr Leben gestalten? Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, können Sie sich einzelne Ziele setzen und konkrete Schritte planen.

Wie möchte ich leben? Wie sieht mein idealer Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresablauf aus? Wo und mit wem möchte ich leben?
Welchen Stellenwert sollen Arbeit, Familie, Freunde, Freizeit, Sport etc. in meinem Leben einnehmen?
Wie würden die Rahmenbedingungen meiner beruflichen Tätigkeit idealerweise aussehen?
In welche realen sozialen Netze möchte ich eingebunden sein? Welche Rollen will ich in diesen Netzen wahrnehmen?

Prioritäten setzen

Im Idealfall setzen Sie Ihre Lebensenergie für Ziele ein, die Ihnen wichtig sind. Ob Sie beruflichen Erfolg, Zeit mit der Familie, Gesundheit oder Ihre persönlichen Träume verwirklichen, liegt alleine an Ihnen. Oft wird es Mut erfordern, diese Ziele anzugehen. Der erste Schritt ist, sich diese Ziele bewusst zu machen.

Wichtig

„Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“ Laozi, chinesischer Philosoph

Übung: Blick zurück „aus der Zukunft“

Stellen Sie sich vor, Sie feiern Ihren 75. Geburtstag. Ihr bester Freund ist anwesend und hält eine Rede, in der er Ihr Leben Revue passieren lässt. Überlegen Sie sich nun:

  • Welche Punkte würden Sie sich in dieser Rede wünschen?

  • Auf welche Leistungen wären Sie besonders stolz?

  • Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften wird Ihr Freund nennen?

  • Welchen Stellenwert werden Aspekte wie Familie, beruflicher Erfolg, gesellschaftliche Stellung, Freizeitaktivitäten, soziales Engagement, Urlaube, Gesundheit etc. einnehmen?

Schreiben Sie jetzt Ihre eigene „Jubiläumsrede“. Spätestens beim erneuten Lesen werden Sie Ihre Lebensprioritäten identifizieren können. Geben Sie die Rede auch einer Vertrauensperson zum Lesen und bitten Sie um Feedback. So erfahren Sie, wie nah oder weit entfernt Sie von Ihren Zielen sind und was Sie tun können, um Ihren Prioritäten näher zu kommen.

Wichtig

Verlieren Sie Ihre Prioritäten nicht aus den Augen. Setzen Sie Ihre Energie und Ihren Mut entsprechend ein. Und vor allem: Konzentrieren Sie sich auf Ihre wichtigsten Prioritäten!

Übung – Hände verschränken

Legen Sie Ihre Hände zusammen und verschränken Sie die Finger. Liegt der Daumen der rechten oder der linken Hand oben? Nehmen Sie nun Ihre Hände wieder auseinander und verschränken Sie sie anders: Lag beim ersten Mal der rechte Daumen zuoberst, dann legen Sie nun den linken Daumen oben auf. Genauso gehen Sie mit allen anderen Fingern vor. Wie fühlt sich das an? Ungewohnt oder gar unangenehm?

Wichtig

Selbst kleine Neuerungen in unserem Verhalten (wie das veränderte Verschränken der Hände) können wochenlanges „Üben“ erfordern, um als normal empfunden zu werden. Bedenken Sie: Eine Verhaltensänderung hin zu mehr Mut ist eine wesentliche Neuerung, die Ausdauer und Training erfordert.

Von Sportlern lernen

Wichtigstes Ziel der Trainingsaktivitäten von Spitzensportlern ist es, Körper und Geist an die im Wettkampf auftretenden Belastungen zu gewöhnen. Das wird erreicht durch unterschiedliche Trainingsintensitäten und -umfänge sowie gezielte An- und Entspannungsphasen. Kurz: Ausgefeilte Trainingspläne sorgen dafür, im entscheidenden Moment topfit zu sein! Genauso können wir unser Verhalten mit dem Ziel, mutiger zu sein, trainieren. Um auch wirklich einen Trainingserfolg zu erzielen und möglichen Schaden (Verletzungen) zu vermeiden, hilft es, sich an ein paar Grundlagen der Trainingslehre zu halten.

Fünf Trainingsgrundsätze für mutiges Verhalten

1. Realistische Ziele setzen
Für einen Hobbyläufer mit 2 × 7 km Lauftraining pro Woche ist es unrealistisch, einen Marathon in 3 Stunden zu absolvieren. Was im Sport gilt, gilt auch für mein Mut-Verhalten. Es ist ein großer Unterschied, ob ich mutig einschneidende Entscheidungen treffe (z. B. Heirat, Orts- und/oder Berufswechsel) oder Mut brauche, um mich im nächsten Teammeeting zu Wort zu melden. Formulieren Sie Ihr Ziel möglichst genau! Wenn es ein anspruchsvolles „Mut-Ziel“ ist, suchen Sie sich Zwischenziele. Auch für den Hobbyläufer ist es mit einer gezielten Vorbereitung schließlich möglich, den Marathon zu laufen. Beispiel: Vor einer größeren Gruppe von Menschen eine freie Rede zu halten, ist für viele Menschen eine Mut-Überforderung. Ein realistisches erstes Mut-Ziel auf dem Weg könnte sein: Halten Sie eine kurze, vorbereitete Rede im vertrauten Rahmen der engen Kollegen.
2. Ohne Reiz keine Leistungssteigerung
Mut „lernen“ Sie nur durch Erfahrungen. Verschaffen Sie sich Lernerfolge, indem Sie sich bewusst Situationen aussetzen, die Mut erfordern, die Sie aber nicht überfordern. Planen Sie diese Schritte sorgfältig: Was wäre „einen kleinen Schritt mutiger“ als das, was ich jetzt mache? Wann und wie kann ich diesen Schritt gehen? Was gilt muss ich dabei beachten und welche Risiken kann ich eingehen? Steigern Sie diese Lernreize langsam und – wichtig – in Ihrem eigenen Tempo! Beispiel: Wenn ich als Reiter mit dem Springreiten beginne, werde ich zunächst über kein Hindernis springen, sondern den speziellen Springsitz lernen. Dann wird über niedrige Hindernisse gesprungen. So kann ich relativ ungefährliche „Lernreize“ setzen und die Angst vor Stürzen abbauen. Mit zunehmender Erfahrung werden – durch höhere Hindernisse – die Mut-Reize gesteigert.
3. Das individuelle Leistungsvermögen einschätzen
Als Sportler kenne ich meine Stärken und Grenzen. Im Idealfall gelingt es mir, meine Stärken einzusetzen und gleichzeitig meine Grenzen zu wahren. So wird der konditionsschwache, aber technisch ausgereifte Boxer auf einen schnellen K.-o.-Sieg hinarbeiten. Kein Mensch hat nur Schwächen oder ist immer ängstlich! Wann sind Sie mutig? Welche Situationen meistern Sie ohne Angst? Wo sind die Grenzen Ihrer Leistungsfähigkeit? Wann wird aus Mut Leichtsinn, weil Sie den Anforderungen nicht gewachsen sind? Beispiel: Bevor Sie sich beruflich für eine neue Herausforderung entscheiden, sollten Sie wissen, ob Sie den Anforderungen gewachsen sind. Besitzen Sie die für die neue Aufgabe erforderlichen fachlichen Kenntnisse? Sind Sie den körperlichen Belastungen gewachsen? Wie gehen Sie mit Unsicherheit und Stress um, die eventuell mit einer Führungsposition verbunden sind? Die Sicherheit „Mein Leistungsvermögen passt zu den erwarteten Anforderungen!“ erleichtert mutige Entscheidungen erheblich.
4. Die Belastung langsam steigern
In der Vorbereitung auf einen Marathonlauf wird der Hobbyläufer seine Trainingsleistung nicht unmittelbar verdoppeln. Das würde nicht zur Leistungssteigerung führen, sondern zu Überlastung und Frust. Genau wie im Sport lässt sich im persönlichen Verhalten eine „Leistungssteigerung“ nur durch langsames Intensivieren der Belastung erreichen. Gehen Sie behutsam und schrittweise vor und steigern Sie die „mutfordernden“ Situationen langsam. Beispiel: Bei der nächsten Projektvergabe strebe ich die Projektleitung an und möchte diese, gegen den Widerstand meiner Kollegen, für mich einfordern. Ein Zwischenziel auf diesem Weg könnte sein: Im anstehenden Projektmeeting übernehme ich die Moderation und bremse die Dauerredner konsequent ein. So mache ich meinen Wunsch nach mehr Verantwortung sichtbar und erlebe, wie mutiges Verhalten in der Leitungsrolle funktioniert.
5. Belastungs- und Erholungsphasen planen
Im Sport ist nach einer intensiven Trainings- oder Wettkampfbelastung eine gewisse Zeit der Wiederherstellung nötig. In dieser Ruhephase regeneriert sich der Körper und stellt, im Idealfall, eine über dem Ausgangsniveau liegende Leistungsfähigkeit her. Belastung und Entlastung werden als Einheit betrachtet. Wenn es darum geht, mutiges Verhalten zu „trainieren“ sollten Sie diesen Grundsatz beachten. Vorhaben wie: „Ab Morgen bin ich mutiger!“ sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Gönnen Sie sich nach und vor Belastungsreizen (Mut fordernden Situationen) ganz bewusst Phasen, in denen Sie sich nicht unter Druck setzen. So können Sie Erfahrungen verarbeiten und Mut fördernde Eigenschaften wie Selbstvertrauen und Entscheidungsstärke entwickeln. Beispiel: Seit Wochen fehlt Ihnen der Mut, die neue Kollegin aus der Nachbarabteilung zu einem Mittagessen einzuladen. Immer wieder nehmen Sie sich vor, sie einfach anzusprechen, entschuldigen sich selbst aber mit allerlei Ausreden. Tipp: Suchen Sie einen Zeitpunkt, in dem Sie entspannt sind und den Kopf frei haben – zum Beispiel nach einem Urlaub. Und sorgen Sie dafür, dass nach der stressigen Situation nicht unmittelbar der nächste Stress folgt. So können Sie das Erlebte, wie auch immer es ausgegangen ist, in Ruhe verarbeiten.

Meine Lebensfreude und -lust erhöhen

Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Bei Mut und Lebensfreude verhält es sich ähnlich. Brauche ich mehr Mut, um meine Lebensfreude zu erhöhen? Oder führt eine positive Grundhaltung automatisch zu einem höheren Mut-Level?

Das Mut-Lebensfreude-Problem wird sich ebenso wenig lösen lassen wie das Henne-Ei-Problem. Begnügen wir uns mit der Tatsache, Lebensfreude und mutiges Handeln sind verbunden. Verstehen Sie uns nicht falsch: Wir sind nicht der Ansicht, nur mutiges Handeln führe zu einem erfüllten Leben! Ängstliche Menschen können auf ihre Art sehr wohl das Leben genießen. Fest steht aber: Mutiges und selbstbestimmtes Handeln leistet einen wertvollen Beitrag für ein erfülltes Leben bieten.

Wichtig

Setzen Sie sich nicht zu sehr unter Druck, wenn Sie mutiger werden wollen. Beachten Sie mögliche „Nebenwirkungen“ wie höhere Risiken, Stress und Unsicherheit. Sonst gewinnen Sie nicht an Lebensqualität hinzu, sondern reduzieren sie.

Übung

Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen.

Wozu strebe ich mehr Mut an?
Was in meinem Leben soll sich verändern, wenn ich mutiger bin?
Gibt es einen Menschen, den ich als „Mut-Vorbild“ sehe? Welche Eigenschaften und Haltungen zeichnen diesen Menschen aus?
Welche Risiken gehe ich ein, wenn ich künftig mutiger bin?
Welche fünf Werte/Haltungen (z. B. Autonomie, Gerechtigkeit, Abenteuer, Vertrauen) sind für mich die wesentlichen Bestandteile eines erfüllten Lebens? In welcher Reihenfolge?
Welche dieser Aspekte stehen eventuell einem mutigeren Handeln im Weg?
Wie gelingt es mir, mehr Mut und diese Werte zu verbinden?

Ganz richtig: Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Wichtiger als schnelle Antworten zu finden ist es, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. So gelingt es Ihnen, dass mehr Mut zu einer höheren Lebensfreude führt.

Lust am Risiko

„In einer Welt, die nach gängiger Meinung von der Sucht nach Geld, Macht, Ansehen und Vergnügen beherrscht ist, überrascht es, Leute zu finden … welche ihr Leben beim Klettern am Fels riskieren.“ Mit diesen Worten beschreibt Mihály Csíkszentmihályi, ein emeritierter Psychologieprofessor, sein Forschungsgebiet. Warum verbinden Menschen bestimmte Aktivitäten trotz Risiko und Anstrengung mit intensiver Lust? Um das herauszufinden, hat Csíkszentmihályi verschiedene Gruppen befragt, die als mutig oder risikobereit gelten: Bergsteiger, Chirurgen und Piloten. Alle beschrieben ihre Aktivitäten als spannend und intensiv. Sie suchten diesen Zustand, um des Zustandes selbst willen und nicht wegen äußerer Belohnungen wie Anerkennung, Geld oder Macht. Der Wissenschaftler bezeichnet diesen besonderen Zustand bei völligem Aufgehen in einer Tätigkeit als Flow. Um mit einer Aktivität ein Flow-Erleben zu verbinden, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Aktivität bietet eine unmittelbare Rückmeldung und hat ihre Zielsetzung in sich selbst – sie wird vor allem als Selbstzweck betrieben.

  • Der Mensch bündelt seine ganze Konzentration voll auf die Aktivität.

  • Die Anforderungen führen weder zu Überforderung noch zu Langeweile – die Anforderungen der Aktivität und die Fähigkeit stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.

Flow ist ein Gefühl des Aufgehens in einer anspruchsvollen, eventuell riskanten, aber glatt laufenden Tätigkeit. Menschen im Flow empfinden Freude, während sie sich gleichzeitig auf ihrem höchsten Leistungs- und Konzentrationsniveau befinden. „Man ist dermaßen in der Tätigkeit drinnen, dass einem kein von der unmittelbaren Tätigkeit unabhängiges ‚Ich’ in den Sinn kommt … Man sieht sich selbst nicht getrennt von dem, was man tut“, zitiert Csíkszentmihályi in seinem Buch „Flow – Das Geheimnis des Glücks“ einen Risikosportler.

Abbildung

Der Flow-Kanal

Wichtig

Um Flow zu erleben, müssen Sie ein gewisses Maß an Können mitbringen. Nur wenn Sie in Ihrer „Risikoaktivität“ – egal ob in Sport, Beruf oder Freizeit – eine gewisse Kompetenz mitbringen, gelingt es, den erwünschten Zustand zwischen Über- und Unterforderung herzustellen.

Flow kommt nur zustande, wenn das Können der Anforderung entspricht. Außerhalb des Flow-Kanals führt Überforderung zu Stress und Unterforderung führt zu Langeweile. Mutiges Handeln findet im Bereich dazwischen statt. Wenn die eigenen Fähigkeiten gerade noch reichen, um den Anforderungen zu genügen, werden die Grenzen verschoben.

Neugierde treibt an

Hinter dem beschriebenen „Flow-Erleben“ steht unser urzeitliches Bedürfnis nach Sicherheit. Wenn Unbekanntes nicht mehr unbekannt, fremde Menschen nicht mehr fremd und Probleme gelöst sind, gibt es keinen Grund mehr, Angst davor zu haben. Der Reiz besteht darin, Neues zu entdecken, das Unbekannte bekannt zu machen und Probleme zu lösen. Das gelingt uns Menschen durch neugieriges Herangehen und Ausprobieren. Das Unbekannte ist oft mit Risiko und Unsicherheit behaftet. Deshalb haben wir Angst davor. Mutiges Herangehen lohnt sich doppelt:

  • Je größer das überwundene Hindernis oder das gelöste Problem ist, desto größer ist die gewonnene Sicherheit.

  • Für die Unsicherheit und Anstrengung, die wir aufwenden, um eine Gefahr zu überwinden oder ein Problem zu lösen, werden wir mit einem intensiven Lustgefühl belohnt.

Um dieses Gefühl zu erleben, ist es nicht notwendig, dass wir in unseren Bemühungen erfolgreich waren und das Problem gelöst oder das Hindernis überwunden haben. Das Gefühl, sich überwunden, die Herausforderung angenommen zu haben, reicht aus, um mit sich zufrieden zu sein.

Teufelskreis der Angst

Ängstliche Menschen befinden sich unterhalb des „Flow-Kanals“. Aus Angst vor Überforderung, Misserfolg oder Schaden bleiben Sie unter ihren Möglichkeiten. Die Folge: Sie sind von sich enttäuscht. Das Gefühl der Aufgabe nicht gewachsen zu sein, erhöht den Stress und bestätigt schließlich die Angst vor Überforderung – ein Teufelskreis.

Abbildung

Der Teufelskreis der Angst

Wie können Sie den Teufelskreis verhindern oder zumindest stoppen?

Das Wissen um einen Teufelskreis hat immense Vorteile: Wenn Sie sich in einem System auskennen (ein Teufelskreis ist ein System, wenn auch ein negatives), dann finden Sie einen Weg, wie Sie den Mechanismus unterbrechen können. Die folgende Anleitung unterstützt Sie dabei:

Schritt für Schritt aus dem Teufelskreis der Angst
Bildelement 1. Die Problematik „Überforderung“ erkennen und sinnvoll aufarbeiten
Ist die Angst berechtigt? Haben Sie öfter Überforderungserlebnisse? Analysieren Sie, ob Sie zu viel von sich erwarten und wie Sie Ihre Erwartungen auf ein realistisches Maß reduzieren können.
Ist die Angst nicht berechtigt, weil Sie sich in Wahrheit noch nie überfordert haben? Woher kommt die Angst dann? Eventuell steht dahinter eine überzogen selbstkritische Haltung. Trifft dies zu, dann sollten Sie sich mehr mit Ihren Stärken auseinandersetzen: Was können Sie gut? Wann und wie setzen Sie Ihre Talente ein?
Bildelement 2. Die möglichen Folgen analysieren
Angenommen, Sie haben sich wirklich überfordert: Was wären die Konsequenzen – im schlechtesten und im besten Fall?
Angenommen, Sie haben sich getäuscht und die Herausforderung wider Erwarten geschafft: Was wären die Konsequenzen – welchen persönlichen Gewinn würden Sie erzielen?
Bildelement 3. Sich an persönliche Erfolge erinnern
Welche Erfolge erzielten Sie in Ihrem Leben?
Welche Talente nutzten Sie?
Konzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten und Stärken, nicht auf Ihre Schwächen!
Bildelement 4. Die eigene Entwicklung planen
Welche Kompetenzen benötigen Sie, damit Sie das Gefühl haben, der Herausforderung gewachsen zu sein?
Wie und bis wann können Sie sich diese Kompetenzen aneignen?
Planen Sie den ersten Schritt zum Ausbau dieser Kompetenz.
Bildelement 5. Ein positives Umfeld schaffen
Lassen Sie sich aktiv von Ihrem Umfeld unterstützen, holen Sie sich Feedback.
Nutzen Sie die Zeiten, in denen Sie sich sicher und kompetent fühlen, um zu handeln.
6. Verantwortung für sich übernehmen und aktiv werden
Niemand außer Ihnen ist für Ihren Erfolg oder Misserfolg verantwortlich. Sie müssen selbst aktiv werden, sonst verändert sich nichts.
Nutzen Sie Misserfolge und Scheitern als wertvolle Erfahrung. Der Entwicklungsfortschritt nach Misserfolgen ist deutlich größer als nach Erfolgen.
Sie waren „zu mutig“ und sind gescheitert? Dann schütteln Sie sich einmal kräftig. Belohnen Sie sich für Ihren Mut und blicken Sie nach vorne!
Wichtig

„Misserfolg ist lediglich eine Gelegenheit, mit neuen Ansichten noch einmal anzufangen.“ Henry Ford, Gründer der Ford Automobilwerke

Meinen beruflichen Erfolg aktiv aufbauen

Unsere Arbeitswelt verändert sich laufend: Neue Berufe entstehen, alte verschwinden, neue Kompetenzen werden verlangt, andere nicht mehr gefordert. Statt Mitarbeiter einzustellen werden sogenannte Freelancer beauftragt, welche die gleichen Aufgaben als selbstständige Unternehmer ausführen. Der berufliche Werdegang eines heute 20-Jährigen ist mit dem eines 50-Jährigen nicht mehr zu vergleichen. Kennzeichen moderner Berufsbiografien sind häufige Neustarts, wenig Bindung und Planbarkeit. Wer unter diesen Rahmenbedingungen seinen Karriereweg finden will, muss neben einer hohen Anpassungsfähigkeit vor allem eines mitbringen: Mut, den eigenen Weg zu gehen und Neuland zu betreten.

Beispiel

Fast 50 Jahre lang arbeitete Hubert Gebhardt als Bankkaufmann in derselben Bank. Er stieg in dieser Zeit vom Lehrling zum Abteilungsleiter Zahlungsverkehr auf. In seinem Arbeitsleben erlebte er einige Veränderungen: Computer übernahmen Arbeitsprozesse , Abteilungen wurden abgespalten und wieder zusammenführt und die Bank wurde von einer anderen Bank übernommen. Als er mit 66 Jahren in den Ruhestand geht, zieht er ein positives Fazit: „Ich bin gut abgesichert. Die jungen Leute heute tun mir leid. Keine festen Arbeitsverträge, ständige Job- und Ortswechsel. Wie man da eine Familie gründen und ernähren will, ist mir unbegreiflich.“

Genügte früher eine lange Firmenzugehörigkeit, um die Karriereleiter nach oben zu klettern, müssen Sie heute flexibel, eigenverantwortlich und mobil sein. Die Freiheit an diesem Wandel mitzuwirken, ist so belastend wie befriedigend. Selbst zu definieren, was ich wann, wie ich arbeite, kann den Lebensgewinn enorm steigern – oder einschränken. Plagen mich Existenzängste und Unsicherheit, wird aus der Lust eine Last. Was können Sie in diesem Umfeld tun, um ihren beruflichen Erfolg zu gestalten?

Wichtig

Die Veränderungen in unserer Arbeitswelt sind nicht nur unangenehm, sie bergen auch Chancen. Unternehmen geben zunehmend die Verantwortung für Entwicklung und Karriere an den Einzelnen ab. Wenn Sie die Rolle als Chef über Ihre eigene Arbeitskraft akzeptieren, eröffnet das neue Möglichkeiten. Nehmen Sie die eigene Karriere mutig selbst in die Hand.

Welche Eigenschaften brauchen Sie in der modernen Arbeitswelt, um erfolgreich zu sein? Neben den berufsspezifischen Fachkenntnissen werden folgende Faktoren immer wichtiger:

  • Eigenmotivation und -initiative: Die Fähigkeit und der Wille, den eigenen beruflichen Weg aus einem inneren Antrieb heraus voranzutreiben.

  • Frustrationstoleranz: Kompetent mit Scheitern umgehen und Misserfolge als Erfahrung für die Zukunft begreifen.

  • Entscheidungsstärke: Sich mutig entscheiden können, auch wenn Risiken bleiben und nicht alle Konsequenzen absehbar sind.

  • Selbstkenntnis: Klarheit über die eigenen Stärken und Schwächen und ein selbstbewusster Umgang damit.

  • Optimismus: Innere Sicherheit, dass die Zukunft gut wird und entsprechendes Handeln.

Motivieren Sie sich selbst

Äußere Motivationsanreize wie Geld, Status und Urlaub wirken nur begrenzt. Nachhaltiger ist Ihr innerer Antrieb, Ihre Eigenmotivation. Für den beruflichen Erfolg sind sie in doppelter Hinsicht wichtig:

  1. Eigenmotivation setzt immer erstrebenswerte Ziele: „Wenn ich das tue, dann bekomme ich jenes …“ Mit einem klaren Ziel vor Augen gelingt es Ihnen auch, mutiger zu werden: „Wenn ich mehr Mut entwickle, dann gelingt mir … und dadurch gewinne ich …“

  2. Eine hohe Eigenmotivation wird beruflich stets positiv gewertet: „Der macht das aus innerem Antrieb heraus, und nicht, weil wir es von ihm erwarten.“

Gefühle zur Selbstmotivation nutzen

Unsere Selbstmotivation wird durch zwei Emotionen bestimmt:

Gute Gefühle herstellen Schlechte Gefühle vermeiden
Selbsterhaltung, Spaß, Lust und Wohlergehen erleben. Schmerz, Pein, Bedrohung und Unangenehmes fernhalten.

Ihre Eigenmotivation basiert auf einer Kombination der beiden Gefühle. Erforschen Sie Ihre eigene „Gefühlslage“ und setzen Sie positive Anreize und negative Konsequenzen in ein passendes Verhältnis.

Beispiel

Wenn Sie sich motivieren wollen, die Bewerbung für einen neuen Job anzugehen:

Positive Motivationsanreize: Ich erhalte die Chance für beruflichen Aufstieg, interessantere Tätigkeiten, ein neues spannendes Umfeld. Im Bewerbungsprozess werde ich durch das Feedback Neues über mich erfahren.

Negative Konsequenzen: Wenn ich nichts mache, werde ich immer unzufriedener. Die berufliche Belastung wird sich kritisch auf mein Privatleben auswirken.

Achten Sie darauf, Ihre Emotionen nicht als Entschuldigung für „Nichtstun“ und für „Es bleibt besser, wie es ist“ zu nutzen, wie im folgenden schlechten Beispiel.

Beispiel

Wenn Sie sich motivieren wollen, endlich die Missstände in ihrer Abteilung beim Chef anzusprechen:

Positive Motivationsanreize: Ich könnte abwarten, bis ein anderer die Initiative ergreift. Wenn die Missstände bleiben, muss ich mir nicht so viel Mühe geben und kann es locker angehen lassen.

Negative Konsequenzen: Der Chef wird es nicht hören wollen. Das Gespräch wird unangenehm und anstrengend für mich werden …

Aufgabe

Nutzen Sie eigene emotionale Anreize, um mutiger zu werden. Überlegen Sie sich eine berufliche Situation, in welcher Sie sich mehr Mut wünschen. Formulieren Sie drei positive Anreize und drei negative Konsequenzen, die für mutiges Handeln sprechen.

Vom Opfer zum Lenker

Beispiel

Kurt Schlack bereitet die Präsentation akribisch vor. Das ganze Wochenende verbringt er im Büro, um alle Daten und Fakten, die den Kunden interessieren könnten, einzubauen. Seine Enttäuschung, als der Kunde ihm lapidar Bescheid gibt: „Wir haben uns für einen anderen Anbieter entschieden“, war riesig. Schnell hatte er die Ursachen für sich geklärt und seinem Chef mitgeteilt: „Die Vorbereitungszeit war zu knapp, die Kundenanforderungen nicht erfüllbar und die Kollegen haben mich nicht unterstützt.“

Wie hätte Herr Schlack wohl im Erfolgsfall argumentiert? Sicher hätte er die volle Verantwortung übernommen und den Abschluss auf seine Präsentation zurückgeführt. Kurt Schlack gestaltet sich in diesem Fall eine „Opfer-Geschichte“. Bei Misserfolgen geben wir die Verantwortung gerne ab. In der Opferrolle funktioniert das besonders gut: Die Umstände, die anderen oder gar das Schicksal sind für das Misslingen verantwortlich. Das mindert kurzzeitig unseren Druck und erleichtert uns. Das Fatale daran: Die Ursachen bleiben und der nächste Misserfolg wird kommen!

Wichtig

Geben wir die Verantwortung für Misserfolge ab, so hilft uns das nur kurzfristig – wir entlasten unser Gewissen. Die langfristig schlechte Seite daran: Wir geben Selbstverantwortung ab, Ursachen für Misserfolge bleiben bestehen und wir sind abhängig von anderen.

Opfer-Geschichten für wenig Mut könnten sein:

  • Wenn die Aussichten am Arbeitsmarkt besser wären, dann …

  • Wenn mein Chef toleranter und einsichtiger wäre …

  • Ich hatte nie die Chance …

  • Mir blieb gar nichts anderes übrig, als …

  • Eigentlich wollte ich, aber dann …

  • Wenn die Kollegen nicht so stur wären …

Hinter all diesen Opfer-Geschichten steht dieselbe Aussage: „Ich kann nichts dafür!“

Übung

Welche Gründe haben Sie fürs Nicht-mutig-Sein? Analysieren Sie Ihre Opfer-Situationen. Welche Geschichten dienen nur der eigenen Entlastung und wann sind Sie wirklich Opfer der Umstände?

Situationen, in denen ich nicht mutig bin, aber auch nicht verantwortlich: Gründe, warum ich Opfer der Umstände bin:

Reflektieren Sie die Situationen erneut. Mit etwas Abstand gelingt es Ihnen, den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. Schlüpfen Sie in die Rolle des Lenkers! Was können Sie selbst tun, um die Situation zu meistern?

Entscheiden Sie sich mutig

Beispiel

Nach seinem Wirtschaftsstudium hat Fabian Hütta zwei Jobangebote vorliegen. Das eine verspricht bei guter Bezahlung und exzellenten Aufstiegsmöglichkeiten große berufliche Herausforderungen. Alternativ könnte er in einer staatlichen Behörde anfangen. Dort erwarten ihn geregelte Arbeitszeiten und die Möglichkeit, später verbeamtet zu werden. Fabian Hütta fehlt der Mut, sich für das eine oder das andere Angebot zu entscheiden. Am liebsten wäre ihm ein Angebot, das sämtliche Vorteile vereint und die Nachteile ausklammert.

Jede Entscheidung bringt Vor- und Nachteile mit sich. Im Idealfall wägen wir die Vor- und Nachteile ab und entscheiden uns für die insgesamt vorteilhaftere Bilanz. Das ist nicht immer möglich, zum Beispiel wenn ich nicht alle Vor- und Nachteile kenne. Dann verursachen Entscheidungssituationen Stress. Um mutig zu entscheiden, wie es im Berufsleben gefordert ist, hilft es, sich die Rahmenbedingungen für menschliches Entscheiden näher anzuschauen.

Fünf Rahmenbedingungen des Entscheidens

Das menschliche Gehirn ist nicht auf „Multitasking“ ausgelegt. Es strebt nach einfachen, klaren Entscheidungen. Überfordern Sie sich und Ihr Gehirn nicht. Es gelingt uns nicht, alle Fakten, Daten und Konsequenzen für eine perfekte Entscheidung zu erfassen und zu verarbeiten.
Jeder Mensch ist abhängig von der Bewertung durch andere. Er will gefallen, bewundert werden und dazugehören. Das beeinflusst Entscheidungen stärker als Sie denken. Wie abhängig sind Sie vom Urteil anderer? Machen Sie sich Ihre Beweggründe klar. Rein objektive Entscheidungen gibt es nicht. Analysieren Sie die subjektiven Einflüsse.
Schnelle Entscheider werden oft als kompetent wahrgenommen. Kreativität und eine genaue Analyse kommen unter Zeitdruck zu kurz. Setzen Sie sich bei Entscheidungen nicht unter Zeitdruck! Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, um zu einem Urteil zu kommen und entscheiden dann – konsequent.
Kurzfristige Ziele behindern gute Entscheidungen. Berücksichtigen Sie bei Entscheidungen immer die langfristigen Folgen. Wie wirkt sich die Entscheidung auf Ihre langfristige Strategie aus? Möglicherweise hilft die Entscheidung kurzfristig aus einer Krise, verschärft das Problem aber langfristig.
Wir über- oder unterschätzen unsere analytischen Fähigkeiten. Jeder hat Schwächen (z. B. Trägheit, Ehrgeiz, Angst …), die seine Entscheidungsfähigkeit beeinflussen. Akzeptieren Sie Ihre Schwächen. Nur so gelingt es, sie in Entscheidungssituationen zu kontrollieren. Wenn Sie zum Beispiel Angst vor den Konsequenzen Ihrer Entscheidungen haben: Setzen Sie sich mit dieser Angst auseinander. Wovor genau habe ich Angst? Was könnte die Angst reduzieren?
Wichtig

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Molière, französischer Dramatiker

Die fünf Stufen jeder Entscheidung

Wollen Sie mutig entscheiden? Unser Gehirn entscheidet in fünf Operationen. Verlangsamen Sie diese Schritte, indem Sie alle Aspekte schriftlich festhalten.

Entscheidungsschritt Beispiel
Wie lautet die Fragestellung? Welches Jobangebot soll ich annehmen?
Zielklärung: Was soll nach der Entscheidung anders/besser sein? Bezahlung, Aufgaben, Perspektiven, Zufriedenheit
Vergleich der Optionen Option 1: Umzug, … Option 2: Sicherheit, … Option 3: Abenteuer, …
Auswahl einer Option Option 2 bietet mir persönlich die meisten Vor- und gleichzeitig die geringsten Nachteile.
Verantwortung für Vor- und Nachteile übernehmen und handeln! Meine ersten konkreten Schritte sind …

Üben Sie mit Ihren Ängsten umzugehen

Beispiel

Julius Pucher ist Teamleiter einer kleinen Vertriebsmannschaft. Er ist ein Top-Verkäufer und versteht es, seine Mitarbeiter zu motivieren. Unzufrieden macht die Mitarbeiter, seinen Chef und auch Herrn Pucher selbst seine Entscheidungsschwäche. Egal, ob es um Kundenwünsche, Urlaubsanträge oder strukturelle Entscheidungen geht – ihm fehlt der Mut, sich konkret festzulegen. Sein Coach beauftragt ihn, im Alltag spontane Entscheidungen zu trainieren, indem er in die andere Richtung übertreibt. Beispiele: Bestellung im Restaurant ohne Blick ins Menü, spontaner Kinobesuch, ohne den Film auszuwählen, Einkaufen mit Zeitlimit etc.

Das Ziel des Entscheidungstrainings ist, dass sich Herr Pucher in Entscheidungssituationen weder unüberlegt schnell festlegt, noch wichtige Entscheidungen auf die lange Bank schiebt.

Übung

Trainieren Sie mutiges Verhalten in drei Schritten:

1. Schritt: Definieren Sie: In welchem Bereich will ich mutiger werden? Beispiel: Sie wollen

  • sich weniger gefallen lassen,

  • deutlicher Ihre Meinung sagen oder

  • Grenzen setzen.

2. Schritt: Suchen Sie Situationen, in denen Sie ohne schwerwiegende Folgen übertreiben können – legen Sie phantasievoll los. Es geht nicht darum, andere zu demütigen, sondern spielerisch Angst zu überwinden und positive Erfahrungen zu sammeln. Beispiel:

  • Keifen Sie den Vordrängler in der Menschenschlange hemmungslos an.

  • Beschimpfen Sie den Radfahrer, der auf der falschen Seite fährt.

  • Spielen Sie Polizist und weisen andere Verkehrsteilnehmer laut auf ihr Fehlverhalten hin oder

  • weisen Sie Raucher auf die Folgen ihrer Sucht hin.

3. Schritt: Übertragen Sie Ihre Erfahrungen Schritt für Schritt in den Alltag. Sie werden sehen: Mit diesen Erlebnissen im Hintergrund fällt es Ihnen leichter, mutig zu sein.

Auf einen Blick: Meine Mutvision
  • Der Wechsel zwischen An- und Entspannung trägt zu einem erfüllten Leben bei. Suchen Sie Herausforderungen, gehen Sie immer wieder an Ihre Grenzen.
  • Planen Sie konkrete Ziele für Ihr Leben. Achten Sie darauf, dass sie realistisch sind. Steigern Sie immer wieder die Anforderungen und planen Sie Ruhephasen ein.
  • Menschen empfinden Lust am Risiko. Das völlige, konzentrierte Aufgehen in einer Tätigkeit, verbunden mit einem Glücksgefühl, nennt man Flow. Der sog. Flow-Kanal liegt zwischen Überforderung und Langeweile.
  • Aus Angst vor Überforderung bleiben wir oft unterhalb unserer Möglichkeiten und geraten in einen Teufelskreis. Übungen helfen Ihnen, ihn zu durchbrechen.
  • Ihren beruflichen Erfolg können Sie aktiv gestalten: Üben Sie, die Opferrolle zu verlassen und lernen Sie selbstbestimmt zu entscheiden.