Mal wieder sitzt er in diesem Scheißbüro und trägt diesen dämlichen Anzug. Nachdem seine Arbeit an Morpheus abgeschlossen ist, hat er sich umgehend an die liegen gebliebenen Vorgänge im Hauptquartier gemacht. Nun sitzt er also hier vor einem Stapel dröger Papiere und delegiert öden Verwaltungskram. Klar ist diese Arbeit auch wichtig, aber sie geht ihm nun mal nicht so flott von der Hand wie seinem Boss. Doch wenigstens ist ein Ende in Sicht und er hat die Hoffnung sich bald zur Ruhe begeben zu können. Sich seine immer noch leise pochende Stirn reibend erinnert er sich grinsend an das Gesicht von Ryu, als der berichtete, wie dieses Teufelsweib es geschafft hat, sich in die Werkstatt zu schleichen. Ihre Mischung aus Bestechung, Drohung und listiger Tücke hat sie exakt dahin gebracht, wo er sie haben will. Und natürlich geht sie davon aus, dass es ausschließlich ihre Leistung war, ihn überrascht zu haben. Weil sie eben nicht weiß, dass es seine Anordnung war, ihn nur im absoluten Notfall zu warnen. Aber das ist sie eben nicht. Nur ein lästiges, kleines, extrem knuspriges Hindernis. Moment. Knusprig? Wieso, zur Hölle, sieht er sie immer hüftschwenkend vor sich, wenn er an sie zu denken gezwungen ist? Mit diesen glänzenden, wild hüpfenden, dunkelbraunen Locken und ihrem blitzenden, blauen Laserblick? Genervt reibt er sich die brennenden Augen. Es wird langsam wirklich Zeit für eine Runde Schlaf. Vier durchwachte Tage sind selbst für einen Drachenkrieger recht viel, besonders, da er ja im Moment ohne seinen WasserDrachen auskommen muss. Ob Horotiu bereits bei der Berghütte eingetroffen ist? So wie er ihn kennt, hat er die größte Strecke sehr schnell per Wasserweg hinter sich gebracht. Doch über Land und vor allem durch die Berge, wird er ziemlich in seinem Tempo eingeschränkt sein. Natürlich könnte er auch weite Strecken fliegen, aber das und das gleichzeitige sich unsichtbar machen, würde ihn zu viel seiner Kraft kosten. Also wird er sich gedulden müssen und abwarten, ob und mit welchen Erkenntnissen sein Drache zurückkehrt. Erst dann wird er alles weitere optimal planen können. Aber … Rumms! Wieso hört er gerade ein verfluchtes Rumms? Ein Blick auf den Monitor zeigt ihm, dass sich das Gör mit seiner Wache im Vorzimmer in der Wolle hat. Genauer gesagt, hat sie Draig mit dem Rücken an die verdammte Bürotür genagelt. Daher also das Rumms. Doch scheint der Krieger nicht gewillt, sie passieren zu lassen und versperrt ihr mit gespreizten Beinen und ausgebreiteten Armen den Weg. Was sie mal wieder ziemlich auf die Palme zu bringen scheint. Jedenfalls deutet er ihre energisch fuchtelnden Arme und das wütende Fußaufstampfen nicht als gelassene Zustimmung. Er holt einmal tief Luft und wappnet sich innerlich. Dann drückt er die Sprechtaste und gibt mit resignierter Stimme seinen Befehl.

„Lass sie rein, Draig.“ Das triumphierende Kopf nach hinten werfen und die sich vor der bebenden Brust  verschränkenden Arme, übersieht er dann erstmal lieber. Diese Meisterleistung scheint seinem Krieger nicht zu gelingen, denn der öffnet ihr mit grimmig zusammengepressten Lippen die Tür. Weil sie das ja nicht kann, mit gekreuzten Armen. So ein berechnendes Luder. Stolz marschiert sie an dem wütenden Draig vorbei, den er mit einem kurzen Kopfnicken wieder auf seinen Posten schickt. Ohne auf seine Einladung zu warten, lässt sie sich geschmeidig wie eine Katze in den Besuchersessel gleiten und zieht die Beine unter sich. Eindeutig Katze. Eine sehr zufriedene Katze. Aber auch eine, die schon wieder die nächste Schandtat plant. Er kann ihr an dem süßen Stupsnäschen ansehen, dass sie etwas vorhat, das ihm kein Vergnügen bereiten wird. Auch wenn sie jetzt so lieblich lächelt, als könnte sie kein Wässerchen trüben.

„Also?“ Er hat das Schweigen satt und will nur noch in sein Bett und eine Runde schlafen. Und vielleicht davon träumen, wie er ihr den runden Hintern versohlt. Moment! Was genau denkt er da gerade? Übermüdung. Genau. Er ist schlicht und einfach schrecklich übermüdet.

„Was also?“ Ahhrg!! Weiber!

„Du kommst zu mir. Also gehe ich davon aus, dass du etwas willst. Also. Was. Willst. Du?“ Neckisches Funkeln aus blitzeblauen Glitzeraugen. Diese langen, schwarzen Wimpern stehen ihr wirklich gut und leisten sicher hervorragende Dienste beim Männer becircen. Vor allem, wenn sie sie, wie gerade eben, so scheinbar völlig harmlos über ihren hohen Wangenknochen flattern lässt.

„Ich wollte dich nur Fragen, wann wir an dem Wagen weiterschrauben wollen.“ Er kann förmlich spüren, wie sein müdes Gesicht unter ihrem forschenden Blick versteinert. Aber auch er beherrscht den Trick mit den halbgeschlossenen Augen und dem durch die Wimpern schauen. Also wendet er ihn mal eben an.

„WIR schrauben an gar nichts zusammen rum. Außerdem ist der Wagen bereits fertig und in der Lackiererei.“ Was soll denn das jetzt? Kann es sein, dass er da einen Funken Bedauern in ihren Augen aufblitzen sieht? Wo bleibt ihr übliches Gezicke? Ah. Da kommt es schon.

„Avóntos! Du solltest dich glücklich schätzen, dass ich überhaupt nur daran gedacht habe, mit dir was zu schrauben!“ So so … er ist also ein Dummkopf? Na, wenn sie denn meint. Im Moment ist er einfach zu müde, um da noch weiter drauf einzugehen.

„Okay. War's das dann?“ Oha. Jetzt also wieder der appetitlich durch ihre gekreuzten Arme hochgeschobene Busen.

„Nein. War es nicht. Ich habe dir ein paar Prototypen aus unserem Forschungslabor besorgt, die morgen eintreffen dürften. Darunter ist auch ein Satellitenschutzschild. Damit kann sich Ari jeder Überwachung entziehen. Nimm es als kleine Wiedergutmachung oder was auch immer.“ Erstaunt zieht er die Augenbrauen hoch. Er wusste zwar, dass der Rat daran tüftelt sich vor der Überwachung aus dem All zu verbergen, aber dass sie schon so weit sind und einen funktionierenden Prototypen haben?

„Und du gibst ihn mir einfach so?“

„Ja, einfach so. Weißt du, ich kann auch nett sein, wenn ich will. Und eigentlich bin ich tatsächlich nur zu Aris Schutz hier. Was mein Vater will und plant, interessiert mich nicht die Bohne. Aber ich befürchte, das geht in deinen Dickschädel nicht rein, oder? Ja. Hab ich mir schon so gedacht. Aber egal. Nimm die Teile oder lass es. Wenn du Hilfe beim Einbauen brauchst, sag mir Bescheid. Wenn nicht, auch gut. Dann muss ich mir eben eine andere Beschäftigung suchen, solange Ari nicht da ist. Auch wenn ich befürchte, dass dir meine Art der Freizeitgestaltung nicht gefallen dürfte. Also dann. Man sieht sich.“ Spricht's und schwingt ihren runden Hintern in der verdammt zu tief sitzenden Jeans aus seinem Büro. Nicht ohne im Vorbeigehen ihre Finger neckisch über Draigs Sixpack klimpern zu lassen. Was zur Hölle sollte das nun schon wieder? Draig schaut ihr wie hypnotisiert hinterher und ihn danach total perplex an. Irgendetwas in Takeres Ausdruck bringt ihn dazu, sehr schnell und sehr leise die Bürotür vor sich zu verschließen. Bei allen verfluchten Tiefseedämonen! So ein verdammtes Biest! Leise ächzend bricht er über dem Schreibtisch zusammen. Schlägt mit einem dumpfen Rumms seine Stirn auf die spiegelglatte Edelholzplatte. Müde. Er ist einfach nur noch müde …