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SAMSTAG, 23. FEBRUAR

Am Samstag morgen las Charley mit wachsender Faszination die New York Post. MORD DURCH NACHAHMUNGSTÄTER, lautete die überdimensionale Schlagzeile.

Hauptthema des Berichts auf den Innenseiten war die Ähnlichkeit von Erin Kelleys Tod mit der Authentische Verbrechen-Sendung über Nan Sheridan.

Jemand hatte einem Kriminalreporter der Post von dem Brief an Nan Sheridans Mutter erzählt, in dem angekündigt worden war, Dienstag abend würde eine junge Frau aus New York ermordet werden. Der Reporter zitierte eine nicht genannte Quelle und schrieb, das FBI sei einem möglichen Serienmörder auf der Spur. In den letzten zwei Jahren seien sieben junge Frauen aus Manhattan verschwunden, nachdem sie auf Bekanntschaftsanzeigen geantwortet hatten. Auch Erin Kelley hatte das getan.

Nan Sheridans Tod wurde noch einmal geschildert.

Erin Kelleys Hintergrund; Interviews mit Kollegen aus der Juweliersbranche. Alle gaben die gleiche Antwort.

Erin war ein reizender, warmherziger Mensch und ungeheuer begabt. Das Bild, das die Post abdruckte, war das gleiche, das Erin Charley geschickt hatte. Das entzückte ihn.

Am Mittwoch abend würde der Sender in der Reihe Authentische Verbrechen die Episode über Nans Tod wiederholen. Das würde interessant sein. Natürlich hatte er die Sendung letzten Monat aufgezeichnet, aber es würde trotzdem reizvoll sein, sie noch einmal zu sehen und dabei zu wissen, daß jetzt Hunderttausende von Leuten Amateurdetektiv spielten.

Charley runzelte die Stirn. Nachahmungstäter!

Nachahmungstäter bedeutete, daß sie meinten, jemand anders imitiere ihn. Wut stieg in ihm auf, heftige, wilde Wut. Sie hatten kein Recht, nicht ihn für den Täter zu halten. Genauso, wie Nan kein Recht gehabt hatte, ihn vor fünfzehn Jahren nicht zu ihrer Party einzuladen.

In den nächsten paar Tagen würde er in sein Versteck zurückkehren. Er mußte einfach hingehen. Er würde den Videorecorder einschalten und die gleichen Schritte tanzen wie Fred Astaire. Und dabei würde er nicht Ginger, Leslie oder Ann Miller in den Armen halten.

Sein Herz begann schneller zu schlagen. Diesmal würde es auch nicht Nan sein. Es würde Darcy sein.

Er nahm Darcys Bild zur Hand. Das weiche braune Haar, der schlanke Körper, die großen, fragenden Augen.

Wieviel schöner würde dieser Körper sein, wenn er ihn steif und kalt in den Armen hielt!

Nachahmungstäter.

Wieder runzelte er die Stirn. Die Wut pochte in seinen Schläfen und begann eine seiner schrecklichen Migränen auszulösen. Nur ich allein, Charley, habe die Macht über Leben und Tod dieser Frauen. Ich, Charley, bin in das Gefängnis der anderen Seele eingedrungen und beherrsche sie nun.

Er würde Darcy nehmen und das Leben aus ihr herauswürgen, wie er es bei den anderen getan hatte. Und er würde die Behörden mit seinem Genie an der Nase herumführen und ihren langsamen Verstand narren und verwirren.

Nachahmungstäter.

Die Leute, die das schrieben, sollten die Schuhkartons im Keller sehen. Dann würden sie Bescheid wissen. Diese Kartons, die einen Schuh und einen Abendschuh vom Fuß aller toten Mädchen enthielten, angefangen mit Nan.

Natürlich.

Es gab eine Möglichkeit zu beweisen, daß er kein Nachahmungstäter war. Sein Körper zitterte in lautlosem, unfrohem Lachen.

Ja, natürlich. Es gab eine Möglichkeit.