Das Glück scheint Gnaeus Pompeius Magnus nicht verlassen zu haben, dachte Caesar Anfang Dezember und lächelte in sich hinein. Der Große hatte angedeutet, daß er beabsichtigte, der Bedrohung durch die Piraten ein Ende zu machen, und als im Hafen von Ostia die sizilianische Getreideernte eintraf, beschloß Fortuna, ihm gehorsamst ein weiteres Mal die Hand zu reichen. In Ostia löschten die Frachtschiffe ihr kostbares Ladegut aus den tiefen Laderäumen auf Lastkähne, die es auf dem letzten Stück der Reise, den Tiber hinauf, zu den Silos im Hafen von Rom schafften. Dort erst war es endgültig in Sicherheit.
Mehrere hundert Schiffe liefen auf Ostia zu, um dann feststellen zu müssen, daß keine Lastkähne auf sie warteten; der für Ostia zuständige Quästor hatte sich in der zeitlichen Koordination geirrt und den Lastkähnen eine Extrareise gestattet — den Tiber aufwärts nach Tuder und Ocriculum, wo die Ernte aus dem Tibertal darauf wartete, flußabwärts nach Rom geschafft zu werden. Während die Kapitäne und die Getreidemagnaten tobten und der unglückselige Quästor hektisch herumlief, gab ein erboster Senat dem einzigen Konsul Quintus Marcius Rex den Auftrag, die Sache unverzüglich in Ordnung zu bringen.
Es war ein deprimierendes Jahr für Marcius Rex gewesen, dessen Kollege kurz nach dem Amtsantritt gestorben war. Der Senat hatte sofort einen Ersatzkonsul bestimmt, aber auch der war gestorben; es war ihm nicht vergönnt gewesen, auch nur ein einziges Mal auf dem kurulischen Sessel Platz zu nehmen. Eine eilige Konsultation der heiligen Bücher ergab, daß keine weiteren Schritte unternommen werden durften. Marcius Rex mußte allein regieren. Das hatte seinen Plan vereitelt, noch während des Konsulats in seine Provinz Cilicia zu reisen, die man ihm zugeschanzt hatte, nachdem es den Horden profitorientierter Ritter endlich gelungen war, sie Lucullus zu entreißen.
Und gerade jetzt, als Marcius Rex gehofft hatte, nach Cilicia aufbrechen zu können, mußte dieses Debakel mit dem Getreide in Ostia passieren. Schäumend vor Wut stellte er zwei Prätoren von ihren Gerichtshöfen in Rom frei und schickte sie auf dem schnellsten Weg nach Ostia, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Sechs Liktoren in roten Tuniken, die Äxte in den Rutenbündeln, gingen Lucius Bellienus und Marcus Sextilius voraus. Und genau zur gleichen Zeit nahm im Tyrrhenischen Meer eine Piratenflotte mit mehr als hundert schlanken Kriegsgaleeren Kurs auf Ostia.
Als die beiden Prätoren eintrafen, stand bereits die halbe Stadt in Flammen, und die Piraten waren eifrig damit beschäftigt, die Mannschaften der vollbeladenen Getreideschiffe dazu zu zwingen, ihre Fahrzeuge wieder hinaus aufs Meer zu rudern. Von der Frechheit dieses Überfalls — wem wäre es im Traum eingefallen, daß Piraten einen Ort angreifen könnten, der nur ein paar Meilen vom mächtigen Rom entfernt liegt? — waren alle überrascht worden. Die nächsten Truppen befanden sich in Capua; die Miliz von Ostia war viel zu sehr vom Löschen des Feuers in Anspruch genommen, um über militärische Gegenmaßnahmen nachdenken zu können. Es war nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, einen Boten mit der Bitte um Hilfe nach Rom zu schicken.
Keiner der beiden Prätoren zeichnete sich durch Entscheidungsfreudigkeit aus, und so standen sie beide konsterniert und orientierungslos in dem Durcheinander auf den Anlegeplätzen herum. Dort wurden sie von Piraten entdeckt, die sie samt ihren Liktoren gefangennahmen, an Bord einer Galeere schleppten und fröhlich mit ihnen aufs Meer hinausfuhren, hinter der davonsegelnden Getreideflotte her. Die Gefangennahme zweier Prätoren — der eine von ihnen kein Geringerer als der Onkel des großen patrizischen Edelmanns Catilina — samt Liktoren und fasces versprach mindestens zweihundert Talente Lösegeld!
Die Auswirkungen dieses Überfalls waren in Rom ebenso unvermeidlich wie vorhersehbar; die Getreidepreise schossen augenblicklich in den Himmel, Horden von aufgebrachten Händlern, Müllern, Bäckern und Verbrauchern liefen hinunter ins untere Forum, um gegen die Unfähigkeit der Regierung zu demonstrieren; und der Senat trat in der Curia zusammen, bei geschlossenen Türen, damit niemand die trübselige Debatte zu hören bekam, zu der es unweigerlich kommen mußte. Und trübselig war sie. Es fand sich nicht einmal jemand, der sie eröffnen wollte.
Nachdem Quintus Marcius Rex mehrmals und ohne Erfolg um Redebeiträge gebeten hatte, erhob sich schließlich — mit unendlichem Widerwillen, wie es schien — der gewählte Volkstribun Aulus Gabinius. Caesar fand, daß er in dem düsteren, gefilterten Licht gallischer denn je aussah. Das war das Problem aller Männer aus Picenum — in ihrem Äußeren trat der Gallier stärker zum Vorschein als der Römer. Pompeius war da keine Ausnahme. Es waren gar nicht so sehr die rötlichen oder weizenblonden Haare, die viele von ihnen hatten, auch nicht die blauen oder grünen Augen; viele reinrassige Römer waren blond. Selbst Caesar. Nein, das Problem lag im picenischen Knochenbau. Das volle, runde Gesicht, das platte Kinn, die kurze Nase (Pompeius hatte fast eine Stupsnase), die schmalen Lippen. Gallisch, nicht römisch. Und damit waren sie im Hintertreffen. Da konnten sie noch so hartn\1ckig behaupten, von sabinischen Einwanderern abzustammen, alle Welt wußte sehr wohl, daß sie in Wahrheit die Abkömmlinge jener Gallier waren, die sich vor mehr als dreihundert Jahren in Picenum angesiedelt hatten.
Die Reaktion der meisten Senatoren auf ihren Klappstühlen war beinahe körperlich spürbar, als Gabinius der Gallier sich erhob: Abneigung, Mißfallen, Ärger. Unter normalen Umständen hätte er auf der Rednerliste sehr weit hinten gestanden. Vierzehn noch im Amt befindliche und vierzehn designierte Magistrate sowie ungefähr zwanzig Konsulare wären um diese Zeit des Jahres vor ihm an der Reihe gewesen — vorausgesetzt, alle waren anwesend. Aber es waren nie alle anwesend. Und trotzdem war es ein beinahe ungeheuerlicher Vorgang, daß eine Senatsdebatte von einem Volkstribun eröffnet wurde.
»Ihr stimmt mir doch zu, daß es kein gutes Jahr war?« fragte Aulus Gabinius das Haus, nachdem er die Formalitäten hinter sich gebracht und die Männer über und unter ihm in der Reihenfolge der Hackordnung begrüßt hatte. »Während der letzten sechs Jahre sind wir ausschließlich gegen die kretischen Piraten zu Felde gezogen, aber sind die Piraten, die gerade Ostia überfallen und die Getreideflotte gekapert haben — von den entführten Prätoren und ihren Insignien will ich hier gar nicht reden —, sind die etwa ganz von Kreta hergekommen? O nein, sie fahren unbehelligt auf unseren Meeren herum und haben Stützpunkte in Sizilien und Liguna, auf Sardinien und Korsika. Zweifellos werden sie von Megadates und Pharnaces angeführt, die seit einigen Jahren von einem hübschen kleinen Pakt mit den verschiedenen Statthaltern da unten in Sizilien profitiert haben, unter anderem mit dem verbannten Gaius Verres — einem Pakt, der es ihnen erlaubt, sich nach Lust und Laune in sizilianischen Häfen und Gewässern zu bewegen. Ich könnte mir gut vorstellen, daß sie ihre Verbündeten gesammelt und diese Getreideflotte den ganzen Weg von Lilybaeum herauf verfolgt haben. Vielleicht sollte der Überfall ursprünglich auf hoher See stattfinden. Und dann hat irgendein rühriger, in ihrem Sold stehender Mensch in Ostia sie wissen lassen, daß es in Ostia keine Lastkähne gibt und daß es während der nächsten acht oder neun Tage auch keine geben wird. Warum sollten sie also auf See angreifen und sich mit einem Teil der Getreideflotte begnügen? Da war es doch besser, zu warten, bis sie alle zusammen und voll beladen im Hafen von Ostia liegen würden! Schließlich weiß die ganze Welt, daß Rom es nicht für nötig befindet, Legionen im heimatlichen Latium zu stationieren! Wer hätte sie in Ostia aufhalten sollen? Wer hat sie in Ostia aufgehalten? Die Antwort ist kurz und einfach — niemand!«
Dieses letzte Wort bellte er in den Raum hinein; alle zuckten zusammen, aber keiner antwortete. Gabinius blickte sich um und wünschte, Pompeius hätte ihm zugehört. Was für ein Jammer! Immerhin würde Pompeius sich über den Brief freuen, den Gabinius noch heute abend an ihn losschicken wollte.
»Es muß etwas geschehen«, fuhr Gabinius fort, »und zwar mehr als so ein katastrophaler Feldzug, wie ihn unser großer Häuptling Metellus das Zicklein dort unten auf Kreta führt. Erst gelingt es ihm nicht, einen jämmerlichen Haufen von Kretern zu Lande zu besiegen, dann läßt er Cydonia belagern, das schließlich kapituliert, aber den großen Piratenadmiral Panares läßt er entwischen! Nachdem noch ein paar Städte gefallen sind, belagert er Cnosus, hinter dessen Mauern sich der berühmte Piratenadmiral Lasthenes verkrochen hat. Als der Fall der Stadt unvermeidlich erscheint, zerstört Lasthenes sämtliche Schätze, die er nicht mitnehmen kann, und flüchtet. Was für eine erfolgreiche Belagerung! Und welches Unglück ist unserem Zicklein wohl mehr zu Herzen gegangen? Die Flucht des Lasthenes oder der Verlust des Schatzes? Na, der Verlust des Schatzes natürlich! Lasthenes ist nur ein Pirat, und Piraten nehmen sich nicht gegenseitig als Geiseln. Piraten rechnen damit, am Kreuz zu enden wie die Sklaven, die sie einmal waren!«
Gabinius, der Gallier aus Picenum, legte eine Pause ein und grinste so verwegen, wie nur ein Gallier es konnte. Nachdem er tief Luft geholt hatte, fügte er hinzu: »Es muß etwas geschehen!« Dann setzte er sich.
Niemand sagte etwas. Niemand rührte sich.
Quintus Marcius Rex seufzte. »Hat jemand etwas zu sagen?« Sein Blick wanderte über die Ränge auf beiden Seiten des Hauses, und erst der spöttische Ausdruck auf Caesars Gesicht ließ ihn innehalten. Warum schaute Caesar so spöttisch?
»Gaius Julius Caesar, du bist einst von Piraten gekapert worden, und es ist dir gelungen, sie zu besiegen. Hast du uns nichts zu sagen?« fragte Marcius Rex.
Caesar erhob sich von seinem Platz in der zweiten Reihe. »Nur ein Satz, Quintus Marcius: Es muß etwas geschehen.« Damit setzte er sich wieder.
Der einzige Konsul dieses Jahres warf resignierend die Hände in die Luft und löste die Versammlung auf.
»Wann wirst du zuschlagen?« wollte Caesar von Gabinius wissen, als sie zusammen die Curia Hostilia verließen.
»Noch nicht gleich«, erwiderte Gabinius gutgelaunt. »Erst muß ich noch ein paar Dinge erledigen, und Gaius Cornelius auch. Ich weiß, es ist üblich, das Jahr als Volkstribun mit den wichtigsten Angelegenheiten zu eröffnen, aber ich halte das für eine schlechte Taktik. Sollen sich unsere hochgeschätzten gewählten Konsuln Gaius Piso und Manius Acilius Glabrio doch erst einmal den Hintern auf ihren kurulischen Stühlen wärmen. Erst wenn sie glauben, daß Cornelius und ich unser Repertoire ausgeschöpft haben, werde ich wieder auf das heutige Thema zurückkommen.«
»Also im Januar oder Februar?«
»Sicher nicht vor Januar«, sagte Gabinius.
»Und Magnus hat alles bereit, um gegen die Piraten loszuschlagen?«
»Bis auf den kleinsten Haken und den letzten Wasserschlauch. Ich kann dir versichern, Caesar: Rom wird staunen!«
Caesar dachte einen Augenblick nach und blickte Gabinius dann spöttisch an. »Gaius Piso wird Magnus nicht auf seine Seite ziehen können. Der klebt zu fest an Catulus und den boni. Von Glabrio verspreche ich mir mehr. Er hat nicht vergessen, was Sulla ihm angetan hat.«
»Als Sulla ihn gezwungen hat, sich von Aemilia Scaura zu trennen?«
»Richtig. Er ist nächstes Jahr Zweiter Konsul, aber es könnte nützlich sein, wenigstens einen Konsul in der Hinterhand zu haben.«
Gabinius lachte leise. »Für unseren lieben Glabrio hat Pompeius sich schon etwas ausgedacht.«
»Gut. Versuche einen Keil zwischen die Konsuln zu treiben, Gabinius. Dann kommst du schneller ans Ziel.«
Ende Oktober, nach Servilias Rückkehr aus Cumae, hatten Caesar und Servilia ihre Affäre wieder aufgenommen. Für beide war sie noch ebenso aufregend wie zuvor. Aurelia machte gelegentliche Versuche, Caesar etwas zu entlocken, doch ihr Sohn zeigte sich wenig mitteilsam und ließ seine Mutter im unklaren darüber, wie ernst ihm die Sache war. Er mochte Servilia noch immer nicht, aber das tat der Beziehung keinen Abbruch. Sie erforderte keine Zuneigung. Wer weiß, dachte er, vielleicht würde sogar etwas Wichtiges fehlen, wenn ich sie gern hätte. »Hast du mich eigentlich gern?« fragte er Servilia an dem Tag, bevor die neuen Volkstribunen ihr Amt antraten.
Sie bot ihm zuerst die eine, dann die andere Brust und wartete mit ihrer Antwort, bis beide Brustwarzen hart waren und sie zu spüren begann, wie die Hitze durch ihren Bauch weiter nach unten kroch.
»Ich hab niemanden gern«, sagte sie schließlich und legte sich auf ihn. »Entweder ich liebe oder ich hasse.«
»Ist das bequem so?«
Sie hatte keinen Humor, deshalb verstand sie die Frage nicht als doppeldeutige Anspielung auf ihre soeben eingenommene Position, sondern bezog sich gleich auf die eigentliche Bedeutung.
»Wesentlich bequemer, als wenn man jemanden gern hat, würde ich sagen. Ich habe testgestellt, daß Menschen, die sich gern haben, nicht mehr imstande sind, normal miteinander umzugehen. Sie erzählen sich zum Beispiel keine unangenehmen Wahrheiten mehr, wohl aus Angst, dem anderen weh zu tun. Liebe und Haß dagegen lassen unangenehme Wahrheiten zu.«
»Würdest du gern eine unangenehme Wahrheit hören?« fragte er sie lächelnd und blieb völlig regungslos liegen, was sie beinahe zur Verzweiflung trieb, denn in ihr kochte das Blut, und sie wollte ihn endlich in sich spüren.
»Warum bist du nicht endlich still und machst weiter, Caesar?«
»Weil ich dir eine unangenehme Wahrheit sagen will.«
»Also los, dann sag sie mir!« fauchte sie und massierte sich selbst die Brüste, weil er es nicht tat. »Es macht dir anscheinend Spaß, mich zu quälen!«
»Du liegst viel lieber auf mir als unter oder neben mir«, sagte er.
»Stimmt. Bist du jetzt zufrieden? Können wir weitermachen?«
»Noch nicht. Warum liegst du am liebsten auf mir?«
»Weil ich oben sein will«, erwiderte sie verdutzt.
»Aha!« sagte er und rollte sie auf den Rücken. »Und jetzt bin ich oben.«
»Andersherum war’s mir lieber.«
»Ich befriedige alle deine Bedürfnisse, Servilia, aber nicht deine Machtgier!«
»Und wo soll ich jetzt hin mit meiner Machtgier?« fragte sie und wand sich unter ihm. »So bist du mir zu groß und zu schwer!«
»Du hast ganz recht mit der Bequemlichkeit«, sagte er und hielt sie fest. »Mit jemandem, den man nicht mag, muß man auch kein Mitleid haben.«
»Wie grausam«, sagte sie.
»Liebe und Haß sind grausam. Nur Zuneigung ist freundlich.« Doch Servilia, die zu niemandem Zuneigung verspürte, hatte ihre eigene Methode, sich zu rächen; sie zog ihre scharfgeschliffenen Fingernägel von seiner linken Gesäßhälfte bis hinauf zum linken Schulterblatt und zeichnete ihm fünf blutige, parallele Linien auf den Rücken.
Sie bereute es auf der Stelle. Er packte sie an den Handgelenken, preßte ihr die Knochen zusammen; dann zwang er sie unter sich und drang in sie ein, hart und fest und immer tiefer. Als sie schließlich laute Schreie ausstieß, wußte sie nicht einmal, ob vor Schmerz oder Erregung, doch einen Augenblick lang war sie überzeugt davon, daß ihre Liebe sich in Haß verwandelt hatte.
Der wahre Schaden, den dieses Beisammensein angerichtet hatte, wurde Caesar erst bewußt, als er nach Hause kam. Die fünf blutroten Streifen schmerzten stark, und als er seine Tunika auszog, konnte er sehen, daß er noch immer blutete. Auf den Schlachtfeldern hatte er sich den einen oder anderen Kratzer oder Schnitt zugezogen, daher wußte er, daß jemand ihm die Wunden auswaschen mußte, wenn er vermeiden wollte, daß sie sich entzündeten und zu eitern anfingen. Wäre Burgundus in Rom gewesen, hätte er sich an ihn gewandt, aber Burgundus lebte mit Cardixa und seinen acht Söhnen in Caesars Villa in Bovillae, wo sie sich um die Pferde und die Schafe kümmerten, die Caesar dort züchtete. Lucius Decumius war nicht geeignet; er war nicht sauber genug. Und Eutychus würde die Geschichte seinem Geliebten weiterzählen, und dann wüßte bald der halbe Kreuzwegeverein Bescheid. Also blieb nur seine Mutter. Er mußte seine Mutter bitten.
Sie warf einen kurzen Blick darauf und sagte: »O ihr Götter!«
»Wär’ ich doch einer, dann würde es nicht so weh tun.«
Sie ging hinaus und kam mit zwei Schüsseln zurück, die eine halbvoll mit klarem Wasser, die andere mit alkoholreichem, aber saurem Wein, dazu ein paar saubere Tücher aus ägyptischem Leinen.
»Leinen ist besser als Wolle. Wolle hinterläßt Fussel in der Wunde«, sagte sie und nahm zuerst den Wein. Sie war nicht besonders vorsichtig und ging so gründlich vor, daß ihm die Tränen in die Augen traten. Er lag auf dem Bauch — den Körper so weit bedeckt, wie der Anstand es erforderte — und ließ ihre Hilfeleistung klaglos über sich ergehen. Alles, was nach Aurelias Behandlung noch eiterte, tröstete er sich, würde jeden Mann an Faulbrand zugrunde gehen lassen.
»Servilia?« fragte sie, als sie sicher war, jeden Erreger mit dem Weingeist verscheucht zu haben. Sie hatte begonnen, die Wunde mit Wasser zu säubern.
»Servilia.«
»Was ist das für ein Verhältnis?« wollte sie wissen.
Er mußte lachen. »Kein besonders bequemes.«
»Das sehe ich. Am Ende wird sie dich noch umbringen.«
»Ich fühle mich stark genug, das zu verhindern.«
»Du hast also noch nicht genug?«
»Ganz bestimmt nicht, Mutter.«
»Ich habe nicht das Gefühl«, verkündete sie schließlich, während sie das Wasser abtupfte, »daß diese Beziehung dir guttut, Caesar. Es wäre besser, du würdest sie beenden. Ihr Sohn ist deiner Tochter versprochen, das heißt, ihr beiden müßt in den nächsten Jahren den Anstand wahren. Bitte, Caesar, beende diese Geschichte.«
»Ihr beende sie, wenn ich ihrer überdrüssig bin — keinen Tag früher.«
»Halt, noch nicht aufstehen!« fuhr Aurelia ihn an. »Es muß erst richtig trocknen, und dann ziehst du eine saubere Tunika drüber.« Sie begann in seiner Kommode zu suchen, bis sie eine gefunden hatte, die vor ihrer schnüffelnden Nase bestehen konnte. »Man merkt, daß Cardixa nicht im Haus ist. Die Wäscherin macht ihre Arbeit nicht ordentlich. Ich werde sie morgen zur Rede stellen.« Sie warf die Tunika neben ihm aufs Bett. »Diese Beziehung ist nicht gesund«, sagte sie. »Sie führt zu nichts Gutem.«
Er antwortete nichts darauf. Als er die Beine vom Bett schwang und die Arme durch die Tunika steckte, war seine Mutter bereits gegangen. Und das, dachte er, ist auch gut so.
Am zehnten Tag des Dezember traten die neuen Volkstribunen ihren Dienst an, aber nicht Aulus Gabinius ergriff auf der Rostra das Wort. Dieses Privileg war Lucius Roscius Otho von den boni vorbehalten, der einer jubelnden Menge von Rittern verkündete, daß es nun an der Zeit sei, ihnen die alten Reihen im Theater wieder zur Verfügung zu stellen. Bis zu Sullas Diktatur waren die vierzehn Reihen gleich hinter den für die Senatoren reservierten ersten beiden Reihen ausschließlich den Rittern vorbehalten gewesen. Aber Sulla, der alle Ritter haßte, hatte ihnen dieses Vorrecht entzogen — und dazu hatte er sechzehnhundert von ihnen ihren Grund und Boden, ihr Vermögen und ihr Leben genommen. Othos Eingabe fand so viel Zustimmung, daß sie sofort angenommen wurde. Keine Überraschung für Caesar, der von der Senatorentribüne aus zusah. Die boni waren Meister in der Fähigkeit, sich bei den Rittern beliebt zu machen; das war ein Stützpfeiler ihres anhaltenden Erfolgs.
Die nächste Sitzung der Plebejischen Versammlung interessierte Caesar weit mehr als Othos Kniefall vor den Rittern; Aulus Gabinius und Gaius Cornelius, Pompeius’ Volkstribunen, übernahmen das Kommando. Zunächst ging es darum, die Konsuln für das kommende Jahr von zweien auf einen zu reduzieren, und Gabinius ging dabei mit grandioser Schlauheit vor. Er bat die Plebejer, dem Zweiten Konsul, Glabrio, die Statthalterschaft einer neuen Provinz im Osten (mit Namen Bithynia-Pontus) zu übertragen, und gleich darauf stellte er den Antrag, Glabrio bereits am Tag nach seiner Vereidigung dorthin zu schicken. Dann wäre Gaius Piso mit der Regentschaft über Rom und Italien auf sich allein gestellt. Die Ritter dominierten die Plebs, und ihr Haß auf Lucullus ließ sie für die Eingabe stimmen, denn sie beraubte Lucullas der Macht — und der vier ihm verbliebenen Legionen. Er war immer noch beauftragt, gegen die beiden Könige Mithridates und Tigranes zu kämpfen, doch mehr als einen hohlen Titel besaß er nun nicht mehr.
Caesar hatte in dieser Sache zwiespältige Gefühle. Persönlich verabscheute er einen Mann wie Lucullus, der lieber Inkompetenz in Kauf nahm, als sich über das Protokoll hinwegzusetzen. Und doch blieb die Tatsache, daß er dem römischen Ritterstand bei der Ausbeutung der Bevölkerung in den Provinzen keine freie Hand gegeben hatte. Deshalb haßten die Ritter ihn so leidenschaftlich. Und deshalb würden sie jedem Gesetzentwurf zustimmen, der Lucullus die Hände band. Schade, dachte Caesar und seufzte innerlich, einerseits forderte er bessere Lebensbedingungen für die Bevölkerung in den römischen Provinzen und wünschte sich Lucullus’ politisches Überleben, andererseits verlangte die ungeheure Kränkung, die Lucullus ihm mit der Behauptung zugefügt hatte, er habe sich gegenüber dem König Nicomedes prostituiert, nach Lucullus’ Sitz.
Gaius Cornelius war nicht so fest mit Pompeius verbündet wie Gabinius; er war einer jener rar gesäten Volkstribune, denen es wirklich darum ging, zum Himmel schreiendes Unrecht aus der Welt zu schaffen, und das gefiel Caesar. Deshalb hoffte Caesar, daß Cornelius nicht aufgeben würde, nur weil seine erste kleine Reform abgeschmettert worden war. Er hatte die Plebs dazu veranlassen wollen, es römischen Wucherern zu untersagen, Geld an ausländische Staaten zu verleihen. Vernünftige und patriotische Gründe hatten ihn zu dieser Eingabe veranlaßt. Die Geldverleiher waren zwar keine römischen Beamten, aber sie bedienten sich römischer Beamter, wenn es galt, fällige Schulden einzutreiben. Das führte dazu, daß viele Ausländer glaubten, der Staat selbst betreibe das Geschäft des Geldverleihens. Darunter litt Roms Ansehen. Andererseits waren einfältige ausländische Staaten, die sich in Geldnöten befanden, eine großartige Einkommensquelle für den Ritterstand. Kein Wunder also, daß Cornelius gescheitert ist, dachte Caesar betrübt.
Sein zweiter Vorschlag wäre auch beinahe gescheitert, und Caesar erkannte, daß dieser picentische Bursche zu Kompromissen fähig war — eine seltene Fähigkeit bei diesem Menschenschlag. Cornelius wollte dem Senat die Macht entziehen, kraft der er Einzelpersonen per Dekret von bestimmten gesetzlichen Auflagen befreien konnte. Natürlich waren nur sehr reiche und noble Bürger in der Lage, sich eine solche Befreiung zu verschaffen, die ihnen in der Regel dann gewährt wurde, wenn ihr Sprachrohr — ein Senator — eine Sondersitzung einberufen und dafür gesorgt hatte, daß sie mit den richtigen Leuten bestückt war. Im Senat, der seine Privilegien eifersüchtig hütete, hatte sich so heftiger Widerstand gerührt, daß Cornelius die Niederlage voraussah. Also änderte er seine Eingabe und ließ dem Senat das Recht der Freistellung — allerdings unter der Bedingung, daß ein Quorum von zweihundert Senatoren anwesend sein mußte, um solch ein Dekret zu erlassen. Der Entwurf wurde angenommen.
Seither hatte Caesar diesen Gaius Cornelius mit steigendem Interesse beobachtet. Als nächstes widmete er sich den Prätoren. Seit Sullas Diktatur beschränkte ihr Aufgabenbereich sich auf die Pflege des Zivilund des Strafrechts. Das Gesetz schrieb einem Prätor vor, beim Amtsantritt seine edicta offenzulegen, die Regeln, nach denen er persönlich Recht zu sprechen gedachte. Aber kein Gesetz verlangte von ihm, sich auch an diese edicta zu halten, und wenn ein guter Freund einen kleinen Freundschaftsdienst brauchte oder wenn irgendwo ein bißchen Geld zu verdienen war, dann wurden die edicta einfach ignoriert. Cornelius forderte die Plebs auf, diese Lücke zu schließen und die Prätoren dazu zu zwingen, sich an die edicta zu halten. Diesmal erkannte die Plebs den Sinn des Erlasses so deutlich wie Caesar und machte ihn per Abstimmung zum Gesetz.
Leider konnte Caesar alledem nur tatenlos zusehen. Kein Patrizier durfte sich in die Angelegenheiten der Plebejer einmischen. Er hatte nicht das Recht, im Komitium zu stehen, durfte in der plebejischen Versammlung weder abstimmen noch das Wort ergreifen oder als Partei an einem Gerichtsverfahren teilnehmen. Er durfte auch nicht als Volkstribun kandidieren. Und so stand Caesar zusammen mit anderen Patriziern auf den Stufen der Curia Hostilia, so nah an den versammelten Plebejern, wie es ihm gestattet war.
Cornelius’ Aktivitäten offenbarten einen faszinierenden Aspekt von Pompeius’ Persönlichkeit. Nicht im Traum hätte Caesar vermutet, daß Pompeius daran interessiert sein könnte, Unrecht aus der Welt zu schaffen. Und doch schien es so zu sein, bedachte man Cornelius’ hartnäckige Beharrlichkeit in Angelegenheiten, die auf Pompeius’ Pläne nicht den geringsten Einfluß haben konnten. Wahrscheinlicher erschien es Caesar jedoch, daß Pompeius Cornelius nur duldete, um Männern wie Catulus und Hortensius Sand in die Augen zu streuen Diese boni waren erbitterte Gegner jeglicher Art von militärischen Sonderkommandos, und auf ein solches Sonderkommando hatte es Pompeius wieder einmal abgesehen.
Die Hand des Großen war — zumindest für Caesar — in Cornelius’ nächstem Gesetzentwurf schon deutlicher zu spüren. Gaius Piso, der jetzt allein regieren mußte, weil Glabrio in den Osten ging, war ein cholerischer, rachsüchtiger und dabei höchst mittelmäßiger Mann, der ganz auf der Seite von Catulus und den boni stand. Er würde gegen jedes Sonderkommando für Pompeius wettern, daß die Balken des Senats erzitterten, und in seinem Rücken würden Catulus, Hortensius, Bibulus und der Rest der Meute dazu heulen. Da er außer seinem Namen und seiner erlauchten Abstammung wenig zu bieten hatte, mußte Gaius Piso auf massive Bestechung zurückgreifen, um seine Wahl zu sichern. Und ausgerechnet jetzt wollte Cornelius ein neues Gesetz gegen Korruption einbringen — Piso und den boni blies ein kalter Wind ins Gesicht, zumal die Plebs so wenig Hehl aus ihrer Zustimmung machte, daß an einer Verabschiedung des Gesetzes kaum zu zweifeln war. Natürlich hätte ein Volkstribun der boni sein Veto einlegen können, aber Otho, Trebellius und Globulus waren sich ihres eigenen Einflusses — auf ein Veto — nicht sicher genug. Statt dessen legten die boni sich mächtig ins Zeug, um der Plebs — und Cornelius — das Zugeständnis abzuringen, daß Gaius Piso persönlich das neue Gesetz gegen Bestechung einbringen durfte. Und damit, dachte Caesar seufzend, mußte sich niemand mehr vor diesem Gesetz fürchten, am allerwenigsten Gaius Piso. Man hatte den armen Cornelius ausmanövriert.
Als Aulus Gabinius das Wort ergriff, erwähnte er weder die Piraten noch das Sonderkommando für Pompeius den Großen auch nur mit einem Wort. Er beschränkte sich auf Nebensächlichkeiten, denn er war bei weitem raffinierter und intelligenter als Cornelius. Aber auch nicht so selbstlos. Das kleine Plebiszit, das er durchbrachte und das es ausländischen Gesandten verbot, sich in Rom Geld zu leihen, war offensichtlich nur eine abgemilderte Version von Cornelius’ Vorschlag, den Geldverleih an ausländische Staaten überhaupt zu verbieten. Aber was mochte Gabinius im Schilde geführt haben, als er den Senat per Gesetz dazu verurteilte, sich während des Monats Februar ausschließlich mit ausländischen Delegationen zu beschäftigen? Als Caesar es dann begriffen hatte, lächelte er. Der kluge Pompeius! Wie hatte er sich verändert, seit er als Konsul in den Senat eingetreten war. Immer hatte er Varros Leitfaden für richtiges Verhalten zur Hand, damit ihm bloß keine peinlichen Fehler unterliefen. Denn Caesar wußte, daß diese lex Gabinia nur einen Zweck haben konnte: Pompeius wollte ein zweites Mal Konsul werden und sich für diese zweite Amtszeit schon jetzt eine Mehrheit sichern. Niemand würde mehr Stimmen auf sich vereinigen, also würde er Erster Konsul werden. Das hieß, er würde im Januar die Amtsgeschäfte führen, im Monat Februar wäre der Zweite Konsul an der Reihe, und im März würde er wieder das Rutenbündel übernehmen. Der April wäre demnach der zweite Monat des Zweiten Konsuls. Wenn jedoch der Senat sich im Februar nur mit außenpolitischen Angelegenheiten befaßte, würde der Zweite Konsul frühestens im April die Chance haben, sich bemerkbar zu machen. Brillant!
Während dieser amüsanten Turbulenzen drängte sich plötzlich ein anderer Volkstribun in Caesars Leben, und das war weit weniger vergnüglich. Der Mann hieß Gaius Papirius Carbo, und er forderte die Plebejische Versammlung per Gesetzesvorlage auf, Caesars Onkel Marcus Aurelius Cotta unter der Anschuldigung, er habe Kriegsbeute aus der bithynischen Stadt Heracleia unterschlagen, vor Gericht zu stellen. Unglücklicherweise war ausgerechnet Lucullus in diesem Jahr Cottas Konsulatskollege gewesen, und alle wußten, daß die beiden befreundet waren. Der Haß der Ritter auf Lucullus nahm die Plebs vor vornherein gegen jeden seiner Freunde ein und gewährte diesem Carbo, was er verlangte. Caesars geliebter Onkel würde wegen Unterschlagung angeklagt werden, aber nicht vor dem ausgezeichneten Ständegericht, das Sulla eingesetzt hatte. Marcus Cotta würde sich vor mehreren tausend Männern verantworten müssen, die danach lechzten, Lucullus und seine Freunde in die Knie zu zwingen.
»Es gab nichts mehr zu stehlen!« beteuerte Marcus Cotta Caesar gegenüber. »Mithridates hatte Heracleia monatelang als Stützpunkt benutzt, und danach ist die Stadt noch ein paar Monate lang belagert worden. Als ich sie betrat, Caesar, war sie nackt wie eine neugeborene Ratte! Jeder wußte es! Was glaubst du wohl, was die dreihunderttausend Soldaten und Seeleute von Mithridates zurückgelassen haben? Sie haben Heracleia gründlicher ausgeplündert als Gaius Verres Sizilien!«
»Vor mir mußt du deine Unschuld nicht beteuern, Onkel«, sagte Caesar mit düsterem Blick. »Und ich darf dich noch nicht einmal verteidigen, weil du vor der Plebs angeklagt wirst und ich ein Patrizier bin.«
»Das ist mir klar. Cicero wird es übernehmen.«
»Das wird er nicht, Onkel. Hast du’s noch nicht gehört?«
»Was?«
»Zwei Trauerfälle in der Familie. Zuerst ist sein Vetter Lucius gestorben und den Tag darauf auch noch sein Vater. Zu allem Überfluß hat Terentia ein rheumatisches Leiden, daß um diese Jahreszeit in Rom nur noch schlimmer wird. Und sie gibt in der Ehe den Ton an! Cicero ist nach Arpinum geflohen.«
»Dann eben Hortensius, mein Bruder Lucius und Marcus Crassus«, sagte Cotta.
»Nicht ganz so erfolgversprechend, aber es wird genügen, Onkel.«
»Das bezweifle ich, ehrlich gesagt. Die Plebs will meinen Kopf.«
»Ja, ja, die Ritter haben es auf jeden abgesehen, den sie für einen Freund des armen Lucullus halten.«
Marcus Cotta warf Caesar einen belustigten Blick zu. »Des armen Lucullus?« fragte er. »Dein Freund ist er doch nicht gerade!«
»Stimmt«, sagte Caesar. »Und trotzdem, Onkel Marcus, ich kann nicht umhin, ihm für seine finanziellen Vereinbarungen im Osten Anerkennung zu zollen. Sulla hat ihm den Weg gewiesen, aber Lucullus ist noch weiter gegangen. Statt den Zollpächtern zu erlauben, Roms östliche Provinzen auszubluten, hat Lucullus dafür gesorgt, daß die römischen Steuern und Zölle nicht nur gerecht sind, sondern auch die Zustimmung der einheimischen Bevölkerungen finden. Der alte Weg, der es den Zollpächtern erlaubte, die Provinzen gnadenlos auszupressen, mag den Rittern größere Einnahmen beschert haben, aber er hat auch große Feindschaft gegen Rom geschürt. Ich verabscheue den Mann, das ist wahr. Lucullus hat mich nicht nur beleidigt, er hat mir auch die militärische Anerkennung streitig gemacht, die mir genauso zugestanden hätte wie ihm. Und doch ist er ein großartiger Administrator — und ich bedaure ihn.«
»Ein Jammer, daß ihr beiden euch nicht verstanden habt, Caesar. In mancher Hinsicht gleicht ihr euch wie Zwillinge.«
Fassungslos starrte Caesar den Halbbruder seiner Mutter an. Meistens konnte er nicht viel familiäre Ähnlichkeit zwischen Aurelia und ihren drei Halbbrüdern entdecken, aber diese trockene Bemerkung Marcus Cottas hätte auch von Aurelia stammen können! Und jetzt schaute sie ihn sogar aus Marcus Cottas großen, rötlich-grauen Augen an. Höchste Zeit zu gehen, wenn Onkel Marcus anfing, sich in seine Mutter zu verwandeln. Außerdem war er mit Servilia verabredet.
Doch auch diese Verabredung sollte einen unglückseligen Verlauf nehmen.
Immer wenn Servilia als erste eintraf, zog sie sich aus und erwartete ihn im Bett. Nicht so heute. Heute saß sie vollständig angekleidet auf einem Stuhl in seinem Arbeitszimmer.
»Ich muß etwas mit dir besprechen«, sagte sie.
»Ärger?« fragte er und nahm ihr gegenüber Platz.
»Von der elementarsten und — wenn ich darüber nachdenke — unvermeidlichsten Sorte. Ich bin schwanger.«
Seinem kühlen Blick war nicht die geringste Gefühlsregung anzumerken. »Ich verstehe«, sagte Caesar und sah sie fragend an. »Ist das ein Problem?«
»In mancher Hinsicht.« Sie befeuchtete sich die Lippen, ein Hinweis darauf, daß sie, gegen ihre Gewohnheit, nervös war. »Was meinst du dazu?«
Er zuckte die Achseln. »Du bist verheiratet, Servilia. Also ist es wohl dein Problem.«
»Ja. Und wenn es ein Junge ist? Du hast keinen Sohn.«
»Bist du sicher, daß es von mir ist?«
»Daran«, sagte sie mit Nachdruck, »kann es keinen Zweifel geben. Seit mehr als zwei Jahren hab’ ich nicht mehr mit Silanus im selben Bett geschlafen.«
»Es ist trotzdem dein Problem. Auch wenn es ein Junge wird, kann ich ihn nicht anerkennen, es sei denn, du trennst dich von Silanus und heiratest mich noch vor der Geburt. Wenn es während der Ehe mit Silanus zur Welt kommt, ist es sein Kind.«
»Würdest du das Risiko eingehen?« fragte sie.
Er zögerte nicht. »Nein. Mein Gefühl sagt mir, daß es ein Mädchen ist.«
»Und ich weiß es nicht. Ich habe nicht damit gerechnet, also habe ich mich auch nicht darauf konzentriert, einen Jungen zu zeugen. Das Geschlecht ist völlig offen.«
Mit einiger Bewunderung stellte er fest, daß sie die Sache mit ähnlicher Gelassenheit aufnahm wie er. Die Dame hatte sich im Griff.
»Dann solltest du Silanus so schnell wie möglich in dein Bett kriegen, Servilia.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich fürchte, daraus wird nichts«. sagte sie. »Silanus ist kein gesunder Mann. Es liegt nicht an mir, daß wir nicht mehr in einem Bett schlafen. Silanus bekommt keine Erektion, und er schämt sich deswegen zu sehr.«
Caesar pfiff leise durch die Zähne. »Unser Geheimnis wird also bald kein Geheimnis mehr sein«, stellte er fest.
Sie war weder zornig über seine Gleichgültigkeit, noch verdammte sie ihn wegen seiner Eigennützigkeit, das mußte man ihr zugestehen. In mancher Hinsicht waren sie sich tatsächlich sehr ähnlich. Vielleicht war Caesar deshalb so bemüht, sich nicht emotional an sie zu binden: Beide waren sie Menschen, die ihre Gefühle — und ihre Leidenschaften — mit dem Verstand kontrollierten.
»Nicht unbedingt«, sagte sie und lächelte. »Ich sehe Silanus heute, wenn er vom Forum nach Hause kommt. Vielleicht kann ich ihn dazu überreden, das Geheimnis zu bewahren.«
»Ja, das wäre besser, vor allem im Hinblick auf die Verlobung unserer Kinder. Für mich selbst kann ich geradestehen, aber ich würde Julia oder Brutus nicht gern weh tun und die Frucht unseres Verhältnisses dem gewöhnlichen Gerede preisgeben.« Er beugte sich vor, küßte ihr die Hand und sah sie lächelnd an. »Es ist schließlich kein gewöhnliches Verhältnis, oder?«
»Nein«, sagte Servilia, »alles andere als gewöhnlich.« Doch sie mußte sich schon wieder die Lippen befeuchten. »Ich bin noch nicht weit, wir könnten uns noch bis Mai oder Juni treffen. Falls du willst.«
»Und ob«, sagte Caesar. »Und ob ich will, Servilia.«
»Ich fürchte, danach werden wir uns für sieben oder acht Monate nicht sehen.«
»Es wird mir fehlen. Und dir?«
Diesmal nahm sie seine Hand, aber sie küßte sie nicht, hielt sie nur in der ihren und lächelte ihn an. »Während dieser sieben oder acht Monate könntest du mir einen Gefallen tun, Caesar.«
»Und der wäre?«
»Bitte verführe Catos Frau Atilia.«
Er lachte laut auf. »Ich soll mich solange mit einer Frau vergnügen, die nicht fähig ist, dich zu verdrängen, was? Gar nicht dumm.«
»Stimmt, dumm bin ich nicht. Tu mir den Gefallen! Bitte! Verführe Atilia!«
Caesar dachte darüber nach. »Cato ist kein würdiger Gegner, Servilia. Wie alt ist er? Sechsundzwanzig? Ich gebe zu, daß er sich zu einer Laus im Pelz entwickeln könnte, aber ich warte lieber ab, bis es soweit ist.«
»Für mich, Caesar! Tu’s für mich! Bitte!«
»Haßt du ihn denn so sehr?«
»So sehr, daß ich ihn am Boden sehen will«, sagte sie durch die Zähne. »Cato verdient es nicht, eine politische Karriere zu machen.«
»Ich kann ihn nicht daran hindern, indem ich Atilia verführe. Das weißt du. Aber wenn dir soviel daran liegt, meinetwegen.«
»Sehr gut. Ich danke dir.« Sie seufzte erleichtert, dann fiel ihr etwas anderes ein. »Warum hast du eigentlich nie daran gedacht, Bibulus’ Frau Domitia zu verführen? Zweifellos hätte er die Hörner längst verdient, schließlich ist er bereits ein gefährlicher Gegner. Außerdem ist Domitia die Cousine des Ehemanns meiner Halbschwester Porcia. So wäre auch Cato davon betroffen.«
»Das ist der Raubvogel in mir«, sagte er belustigt. »Die Vorfreude auf Domitia ist so groß, daß ich die eigentliche Tat immer wieder hinausschiebe.«
»Cato«, erwiderte Servilia, die keinen Humor besaß, »ist mir viel wichtiger.«
Von wegen Raubvogel, dachte sie auf dem Rückweg zum Palatin. Er sieht sich als Adler, aber Bibulus’ Frau behandelt er mit Samtpfoten.
Schwangerschaft und Kinder gehörten zum Leben dazu und waren etwas, daß man mit einem Minimum an Unannehmlichkeiten durchstehen mußte. Bei Brutus war das anders gewesen. Brutus hatte ihr ganz allein gehört; sie hatte ihn selbst gestillt, hatte ihm persönlich die Windeln gewechselt, ihn gebadet, mit ihm gespielt und sich über ihn gefreut. Ihren beiden Töchtern gegenüber hatte sie eine völlig andere Einstellung gehabt. Gleich nach der Geburt waren sie Kindermädchen anvertraut worden, und sie hatte erst wieder ernsthaft an sie gedacht, als es Zeit wurde, daß sie eine etwas strengere, römischere Erziehung erhielten. Die hatte sie ihnen auch angedeihen lassen, doch ohne großes Interesse und ohne Liebe. Mit sechs Jahren waren sie beide auf Marcus Antonius Gniphos Schule geschickt worden. Die Schule war ihr von Aurelia empfohlen worden, und sie hatte noch keinen Grund gehabt, diese Entscheidung zu bedauern.
Und jetzt, sieben Jahre später, würde sie wieder ein geliebtes Kind bekommen, die Frucht einer Leidenschaft, die längst ihr Leben bestimmte. Was sie für Gaius Julius Caesar empfand, war ihrer Natur nicht fremd, es war ein intensives, mächtiges Gefühl, einer großen Liebe durchaus ebenbürtig. Nein, das größte Hindernis lag in seiner Natur; er war absolut nicht gewillt, sich von persönlichen Gefühlen beherrschen zu lassen. Diese erste, instinktiv richtige Einschätzung hatte sie vor den Fehlern bewahrt, die Frauen gewöhnlich machten — sie unterzog seine Gefühle keinerlei Prüfungen, und sie erwartete weder Treue noch ehrliches Interesse an irgendwelchen Angelegenheiten, die über das hinausgingen, was in dieser verschwiegenen Wohnung in der Subura passierte.
Sie war an diesem Nachmittag nicht mit der Erwartung dorthin gegangen, er würde sich über die Neuigkeit freuen, die sie ihm zu berichten hatte, oder gar so etwas wie Vaterstolz entwickeln, und sie hatte recht daran getan, sich keinen großen Illusionen hinzugeben. Er war weder erfreut noch verärgert; er hatte es ihr ja gesagt — es war ihr Problem und hatte mit ihm nichts zu tun. Aber hatte sie nicht doch, irgendwo ganz tief drinnen, die Hoffnung gehegt, er könnte Anspruch auf das Kind erheben? Nein, wahrscheinlich nicht, jedenfalls war sie jetzt auf dem Heiniweg weder verzweifelt noch übermäßig enttäuscht. Da er nicht verheiratet war, hätte nur eine einzige Verbindung durch Scheidung gelöst werden müssen — ihre mit Silanus. Aber wie hatten die Römer Sulla damals verurteilt, als er sich Hals über Kopf scheiden ließ! Sulla hatte sich nicht um die Leute geschert, als Scaurus’ junge Frau Witwe geworden war. Auch ein Caesar würde daran keinen Gedanken verschwenden. Allerdings hatte Caesar — anders als Sulla — ein Ehrgefühl; auch wenn es vielleicht gar nicht so ehrenhaft war, wurde es doch viel zu sehr durch das bestimmt, was er selbst von sich erwartete. Für beinahe jeden Aspekt seines Lebens schuf Caesar sich seine eigenen Verhaltensmaßregeln. Er bestach keine Geschworenen, er preßte die ihm anvertrauten Provinzen nicht aus, er heuchelte nicht. Das alles war letztlich ein Ausdruck dafür, daß er es sich nicht leichtmachen wollte; er wollte nicht auf jene Taktiken zurückgreifen, die eigens dafür erdacht worden waren, einem Mann die politische Karriere zu erleichtern. Sein Selbstvertrauen war durch nichts zu erschüttern, er zweifelte nicht eine Sekunde an seiner Fähigkeit, die Ziele zu erreichen, die er sich steckte. Aber Anspruch auf dieses Kind zu erheben und sie zu bitten, sich von Silanus scheiden zu lassen, damit er sie noch vor der Geburt heiraten konnte — nein, nicht im Traum würde ihm das einfallen. Und sie wußte auch, warum. Weil er damit seinen Konkurrenten auf dem Forum demonstriert hätte, daß er unter dem Pantoffel von jemand Geringerern stand, in diesem Fall einer Frau.
Natürlich hätte sie ihn für ihr Leben gern geheiratet, aber nicht, damit er die Vaterschaft für ihr Kind übernahm. Sie hätte ihn gern geheiratet, weil sie ihn mit dem Herzen ebensosehr liebte wie mit dem Körper, weil sie in ihm einen der großen Römer erkannte, einen angemessenen Ehemann, der ihre Erwartungen an seine politische Karriere und seine militärischen Fähigkeiten nicht enttäuschen würde, dessen Herkunft und dignitas auch ihrem Leben einen neuen Glanz verleihen würden. Er war ein Publius Cornelius Scipio Africanus, ein Gaius Servilius Ahala, ein Quintus Fabius Maximus Cunctator, ein Lucius Aemilius Paullus — ein Mann von wahrhaft patrizischem Adel, ein echter Römer, reichlich ausgestattet mit Intellekt, Energie, Entscheidungskraft und charakterlicher Stärke. Ein idealer Gatte für eine Servilia Caepionis. Der ideale Stiefvater für ihren geliebten Brutus.
Das Abendessen stand kurz bevor, als sie nach Hause kam; der Verwalter teilte ihr mit, daß Decimus Junius Silanus in seinem Studierzimmer saß. Was ist nur mit ihm los? dachte sie, als sie das Zimmer betrat, in dem er gerade einen Brief schrieb. Mit seinen vierzig Jahren sah er eher wie fünfzig aus, seine Krankheit hatte ihm zu beiden Seiten der Nase tiefe Furchen in die Wange gegraben, sein früh ergrautes Haar hob sich kaum von der grauen Haut ab. Auch wenn er sich redlich mühte, seinen Pflichten als Stadtprätor nachzukommen — die Anforderungen des Amtes unterhöhlten seine ohnehin recht fragile Lebenskraft. Sein Leiden war so geheimnisvoll, daß die diagnostischen Fähigkeiten aller konsultierten Ärzten davor kapitulieren mußten, auch wenn die allgemeine Ansicht der Mediziner darauf hinauslief, daß es zu langsam fortschritt, um eine bösartige Ursache zu haben, zumal weder eine ertastbare Geschwulst gefunden wurde, noch die Leber vergrößert war. Übernächstes Jahr würde er sich um das Konsulat bewerben können, aber Servilia glaubte nicht daran, daß er für solch einen Wahlkampf das nötige Durchhaltevermögen besaß.
»Wie geht’s dir heute?« fragte sie und nahm vor seinem Schreibtisch Platz.
Er hatte den Blick gehoben und ihr zugelächelt, als sie eingetreten war, und legte jetzt erfreut die Feder zur Seite. Seine Liebe zu ihr hatte nach fast zehn Jahren Ehe nichts von ihrer Kraft verloren, aber seine in jeder Hinsicht manifeste Unzulänglichkeit als Ehemann nagte noch mehr an ihm als die Krankheit. Er war sich der angeborenen Mängel seines Charakters wohl bewußt, und als nach Junillas Geburt die Krankheit sich seiner bemächtigte, hatte er mit Vorwürfen und Kritik gerechnet, aber Servilia hatte ihn in Ruhe gelassen, auch dann noch, als sein nächtliches Brennen in den Eingeweiden so heftig wurde, daß er in ein eigenes Schlafgemach umziehen mußte. Nachdem jeder Versuch, mit ihr zu schlafen, mit dem peinlichen Eingeständnis seiner Impotenz geendet hatte, war es ihm angenehmer und weniger beschämend erschienen, sich körperlich von ihr zurückzuziehen, auch wenn er sie gern geküßt und mit ihr geschmust hätte.
Er antwortete ehrlich auf ihre Frage: »Nicht besser und nicht schlechter als sonst.«
»Mann, ich möchte mit dir reden«, erwiderte sie.
»Jederzeit, Servilia.«
»Ich bin schwanger, und ich muß dir ja wohl nicht sagen, daß es nicht dein Kind ist.«
Sein graues Gesicht wurde weiß, er schwankte. Servilia sprang auf und ging zum Spieltisch, auf dem zwei Karaffen und ein paar silberne Becher standen, schüttete unverdünnten Wein in einen davon und stützte Silanus, während er — ein wenig widerwillig — Wein aus dem Becher schlürfte.
»Oh, Servilia!« stöhnte er, nachdem das Stimulans seine Wirkung getan und sie an ihren Platz zurückgekehrt war.
»Falls es dich tröstet«, sagte sie, »es hat mit deiner Krankheit und deiner körperlichen Schwäche nichts zu tun. Selbst wenn du die Manneskraft eines Priapus hättest, ich wäre trotzdem zu diesem Mann gegangen.«
Tränen traten in seine Augen und liefen über seine Wangen.
»Nimm ein Taschentuch, Silanus!« fuhr sie ihn an.
Er zog eines heraus, wischte sich das Gesicht ab und raffte sich zu der Frage auf: »Wer ist es?«
»Alles zu seine Zeit. Zuerst will ich wissen, was du zu tun gedenkst. Der Mann wird mich nicht heiraten. Es würde seinen Stolz kränken, und der bedeutet ihm mehr als ich. Ich kann es ihm nicht einmal verdenken.«
»Wie kannst du so sachlich sein?« fragte er verwundert.
»Alles andere hätte wenig Sinn! Wäre es dir lieber, ich würde jammern und herumbrüllen, damit alle erfahren, was nur uns etwas angeht?«
»Nein, besser nicht«, antwortete er müde und seufzte. Er steckte das Schnupftuch wieder weg. »Natürlich nicht. Auch wenn es mir bewiesen hätte, daß du ein Mensch bist. Wenn mich etwas bekümmert, Servilia, dann ist es dein Mangel an Menschlichkeit, deine Unfähigkeit, menschliche Schwächen zu verstehen. Du zimmerst dir das Gerüst deines Lebens zurecht wie ein routinierter Handwerker.«
»Eine seltsame Metapher«, fand Servilia.
»Aber so bist du mir immer vorgekommen, und vielleicht habe ich dich sogar darum beneidet, weil mir diese Fähigkeit fehlt. Ich bewundere dich dafür, aber es ist wenig tröstlich und läßt keinen Raum für Mitgefühl.«
»Verschwende dein Mitgefühl nicht an mich, Silanus. Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Was gedenkst du angesichts meiner Situation zu tun?«
Er erhob sich und stützte sich auf die Lehne seines Stuhls, bis er sicher sein konnte, daß seine Beine ihn trugen. Dann ging er ein paarmal im Zimmer auf und ab, blieb stehen und sah sie an. Sie war ruhig, gefaßt, ja völlig ungerührt angesichts des Desasters.
»Da du den Mann nicht heiraten wirst, erscheint es mir als das beste, für eine Weile wieder in dein Schlafzimmer zu ziehen, damit es so aussieht, als sei ich der Vater des Kindes«, sagte er und ging zurück zu seinem Platz.
Hätte sie ihm nicht wenigstens die Genugtuung gönnen können, einen entspannten, erleichterten, vielleicht sogar glücklichen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen? Nein, nicht Servilia! Nichts an ihr veränderte sich, nicht einmal ihr Blick.
»Ein vernünftiger Vorschlag, Silanus«, sagte sie. »Ich in deiner Lage hätte nicht anders gehandelt, aber man kann ja nie wissen, wann Männer sich in ihrem Stolz verletzt fühlen.«
»Es verletzt meinen Stolz, Servilia, aber ich ziehe es vor, nicht auch noch mein Ansehen zu verlieren, zumindest nicht in den Augen unserer Welt. Niemand weiß davon?«
»Er weiß es, aber er wird es für sich behalten.«
»Bist du schon weit?«
»Nein. Wenn wir ab sofort wieder in einem Bett schlafen, wird man am Geburtsdatum nicht erkennen können, daß es nicht von dir ist.«
»Ja, du mußt sehr diskret gewesen sein, denn ich habe noch nichts gehört, und es finden sich immer Leute, die einem gehörnten Ehemann das Gerücht zutragen.«
»Es wird keine Gerüchte geben.«
»Wer ist es?« fragte Silanus noch einmal.
»Gaius Julius Caesar. Für einen Geringeren hätte ich meinen Ruf nicht aufs Spiel gesetzt.«
»Nein, natürlich nicht. Und sein Zeugungsapparat soll ja mindestens so beeindruckend sein wie seine Herkunft«, fügte Silanus verbittert hinzu. »Liebst du ihn?«
»O ja.«
»Das verstehe ich, auch wenn ich den Mann nicht ausstehen kann. Die Frauen machen sich seinetwegen zu Närrinnen.«
»Ich habe mich nicht zur Närrin gemacht«, sagte Servilia tonlos.
»Das ist wahr. Und du wirst dich weiter mit ihm treffen?«
»Ja. Ich werde niemals damit aufhören.«
»Eines Tages wird es herauskommen, Servilia.«
»Möglich, aber es dient keinem von uns, wenn die Affäre publik wird, also werden wir versuchen, sie so lange wie möglich geheimzuhalten.«
»Ich nehme an, ich sollte dir dankbar dafür sein. Mit ein wenig Glück werde ich es nicht mehr erleben.«
»Ich möchte nicht, daß du stirbst, Mann.«
Silanus lachte, aber es war ein freudloses Lachen. »Auch dafür sollte ich dankbar sein! Ich würde dir durchaus zutrauen, meinen Abgang zu beschleunigen, wenn es deinen Absichten dienlich wäre.«
»Es ist meinen Absichten nicht dienlich.« »Ich verstehe.« Er atmete schwer. »Um der Götter willen, Servilia, eure Kinder sind einander offiziell versprochen! Wie kannst du darauf hoffen, daß eure Affäre geheim bleibt?«
»Ich wüßte nicht, wie Brutus und Julia uns gefährlich werden sollten, Silanus. Wir treffen uns nicht in ihrer Nähe.«
»Offensichtlich in niemandes Nähe. Und die Sklaven haben Angst vor dir.«
»So ist es.«
Er stützte das Gesicht in die Hände. »Ich möchte jetzt gern allein sein, Servilia.«
Sie erhob sich sofort. »Das Abendessen ist gleich fertig.«
»Ich esse heute nichts.«
»Das solltest du aber«, sagte sie, während sie zur Tür ging. »Es ist mir aufgefallen, daß deine Schmerzen für ein paar Stunden nachlassen, wenn du gegessen hast, vor allem, wenn du gut gegessen hast.«
»Heute nicht! Geh jetzt, Servilia!«
Servilia ging hinaus, zufrieden mit dem Gespräch und Silanus durchaus wohlgesonnen.
Die Plebejische Versammlung sprach Marcus Aurelius Cotta der Unterschlagung und Veruntreuung schuldig, belegte ihn mit einer Geldstrafe, die den Wert seines Besitzes überstieg, und versagte ihm Feuer und Wasser im Umkreis von vierhundert Meilen.
»Athen kommt also nicht in Frage«, sagte er zu seinem jüngeren Bruder Lucius und zu Caesar, »und Massilia ist eine grauenhafte Vorstellung. Ich werde wohl nach Smyrna gehen, zu Onkel Publius Rutilius.«
»Immerhin eine angenehmere Gesellschaft als Verres«, sagte Lucius, erschüttert über das Urteil.
»Ich habe gehört, die Plebejer wollen Carbo als Zeichen ihrer Wertschätzung die konsularischen Insigmen zusprechen«, sagte Caesar und kräuselte die Lippen.
»Samt Liktoren und fasces?« stieß Marcus Cotta erschrocken hervor.
»Ich gebe ja zu, daß wir einen zweiten Konsul gebrauchen können, nachdem Glabrio abgezogen ist, um seine neue Doppelprovinz zu regieren, und es kann auch sein, daß die Plebs purpurgesäumte Togen und kurulische Stühle verteilen darf, Onkel Marcus, aber daß sie Amtsgewalt verleihen darf, wäre mir neu!« Caesar zitterte noch immer vor Wut. »Das haben wir alles den Steuerpächtern in Asia zu verdanken!«
»Laß nur, Caesar«, sagte Marcus Cotta. »Die Zeiten ändern sich. Man ist geneigt zu sagen, es ist die letzte Nachwirkung von Sullas Bestrafung des Ordo Equester. Zum Glück haben wir das alles vorausgesehen und Lucius meine Ländereien und das gesamte Vermögen überschrieben.«
»Den Erlös sende ich dir nach Smyrna«, sagte Lucius Cotta. »Auch wenn die Ritter dich gestürzt haben, ein paar üble Elemente im Senat haben ihr Scherflein dazu beigetragen. Catulus, Gaius Piso und die anderen spreche ich frei, aber Publius Sulla, sein Lakai Autronius und der Rest der Bande haben Carbo bei der Anklage geholfen. Und auch Catilina. Das werde ich ihnen nie verzeihen.«
»Ich auch nicht«, sagte Caesar. Er versuchte zu lächeln. »Ich liebe dich von ganzem Herzen, Onkel Marcus. Das weißt du. Aber nicht einmal du kannst verlangen, daß ich einen Drachen wie Pompeius’ Schwester verführe, nur um Publius Sulla Hörner aufzusetzen.«
Jetzt mußten sie doch lachen. Es erschien wie ausgleichende Gerechtigkeit und war ein tröstlicher Gedanke, daß Publius Sulla sein Leben mit einer Frau wie Pompeius’ Schwester verbringen mußte, die weder jung noch schön war und die dem Weinkrug entschieden zu häufig zusprach.