14
Madeleine spürte die Annäherung der Schlaflosen so deutlich wie nie zuvor. Bastiens Schergen versuchten nicht, sich zu verbergen. Sie demonstrierten ihre Übermacht.
Armand erwachte in ihren Armen. Sie hatten aus leeren Säcken und einer Decke ein Lager gebaut und für ein paar Stunden jeden Gedanken an das Später verdrängt. Mit der Dämmerung holte die Realität sie wieder ein.
»Er ist da«, wisperte sie, konnte nicht vermeiden, dass ihre Stimme zitterte. »Wenn du ein Ass aus dem Ärmel ziehen willst, wird es langsam Zeit!«
Ach was, Stimme. Sie zitterte!
In Armands Grinsen erkannte Madeleine die Arroganz wieder, die er an jenem ersten Abend in ihrem Wohnzimmer zur Schau gestellt hatte. Er begann, auf jeder Seite des Kellers eines der winzigen Fenster freizuräumen, um hinaus in die herabsinkende Dämmerung zu spähen. Sie half ihm, obwohl sie nicht verstand, wonach er Ausschau hielt. Der verwilderte Garten ringsum und der Lattenzaun, der ihn umgab, bot ihren Angreifern Deckung, während sie selbst in der Falle saßen.
»Armand?« Sie musste es jetzt einfach wissen. Sie würde den Verstand verlieren, wenn er ihr nicht endlich sagte, was er vorhatte. »Was war in dem Werkzeugkasten?«
»Werkzeug, was sonst?« Er lachte über ihre verzweifelte Grimasse. »Es ist völlig egal, was es darstellt. Diese Dinge stammen aus der höheren Sphäre. Sie sind aus dem gleichen Stoff gemacht wie das Auto.« Seine erhobene Hand dämpfte ihre Aufregung. »Es gibt verschiedene Artefakte, mit unterschiedlichen Eigenschaften. Das Auto war geschaffen, um Energie freizusetzen. Der Gegenstand der Macht ist selbst für die Erzengel etwas sehr Seltenes und Kostbares.«
Draußen war es inzwischen vollständig dunkel. Madeleine spürte die Annäherung der fremden Vampire nicht nur, sie hörte sie, so leise ihre Schritte und Herzschläge auch sein mochten. In der Dunkelheit kehrte ihre eigene Macht zurück. Gestärkt durch Armands Blut.
»Sie kommen!«
In dieser Sekunde brach die Hölle los.
Mit einem Schlag wurde es taghell. Das Licht drang bis in den Keller, als stellten Steinmauern und Erdreich kein Hindernis dar. Der Lärm, der ihre Ohren traktierte, klang wie hundert Bombenexplosionen. Draußen flogen Holz, Pflanzenteile und sogar Steinbrocken durch die Luft. Instinktiv duckte sie sich, um Kopf und Gesicht zu schützen. So plötzlich, wie es begonnen hatte, endete das Getöse.
Sie kam nicht dazu, zu fragen, was geschehen war. Armand zog sie auf die Füße. »Wir müssen schnell hier raus. Für den Fall, dass ich nicht alle erwischt habe.«
Er hielt etwas Leuchtendes hoch. Wo hatte er eine Lampe her? Madeleine stolperte, als sie sich ablenken ließ und das Ding in seiner Hand anstarrte. Es war keine Lampe, sondern ein Schraubenschlüssel! Das obere Ende glühte so hell, dass es die Kellertreppe auch für menschliche Augen ausreichend beleuchtete.
»Ich habe das Werkzeug rund um den Garten verteilt und gezündet, als sie über den Zaun kamen«, flüsterte Armand, als wäre damit alles erklärt. Sie betraten den verwüsteten Garten. Laub, Äste und die Reste des Lattenzaunes bildeten ein einziges Chaos. Wie durch ein Wunder hatte das baufällige Haus keine weiteren Schäden davorgetragen.
»Bitte horche ganz tief in dich hinein!«, verlangte Armand. »Ist noch einer von ihnen am Leben?«
Madeleine starrte ihn erschrocken an. So groß ihre Furcht vor Bastien und seinen Helfershelfern auch sein mochte, dass Armand sie alle auf einen Schlag getötet hatte, schockierte sie. Verschreckt sah sie sich um.
»Du wirst keine Leichen finden. Wenn sie tot sind, hat die Energie sie verzehrt.«
»Ich werde dich jetzt töten!« Die Stimme in ihrem Rücken ließ Madeleine sämtliche Haare zu Berge stehen. Sie wirbelte herum. Armand bewegte sich betont bedächtig. »Das solltest du als Gunst erkennen, Aurelius! Das Ende aller Schmerzen ist weit mehr als du verdienst!«
Aus den Schatten schälte sich eine hochgewachsene, breitschultrige Gestalt. Er trug sein langes, rabenschwarzes Haar im Nacken zu einem Zopf zusammengefasst. Die Augen glänzten wie Kohle und seine Kleidung bestand aus schwarzem Leder. Nur die Blässe seines Gesichts und seiner Hände stach aus der Finsternis hervor. In seiner Rechten blitzte die Klinge eines Schwertes. Er hielt die Waffe mit der ruhigen Eleganz des geübten Kämpfers.
»Bastien!«