10
„Ist Lucern in Ordnung? Er sieht furchtbar blass aus.”
Auf Allisons Bemerkung hin warf Kate einen besorgten Blick auf ihren Autor. Luc war tatsächlich blass. Das hatte sie schon in seinem Zimmer gedacht, aber unter den Lampen hier im großen Empfangsbereich für den Willkommensbrunch schien er noch bleicher auszusehen. Sie hätte darauf bestehen sollen, dass er sie biss.
Das hatte sie selbstverständlich auch versucht. Sie hatte ihm gesagt, er solle es einfach tun, aber Chris hatte immer wieder an die Tür geklopft, und Lucern hatte sich geweigert. Er fürchtete, sie würde sich danach zu schwach fühlen, und er wollte nicht, dass ihr schwindlig wurde, wenn sie sich für den Brunch zurechtmachte, und sie womöglich noch hinfiel. Außerdem hatten sie nicht genug Zeit, hatte er gesagt. Er würde es später tun.
Als sie jetzt sah, wie blass er war, hätte sie sich treten können, nicht mehr Druck ausgeübt zu haben. „Kate?”
Sie drehte sich um und zwang sich, ihre Chefin anzulächeln. „Ein bisschen Jetlag. Er ist okay.”
Allison akzeptierte die Lüge, konzentrierte sich wieder auf ihr Essen und überließ es Kate, sich Sorgen um Lucern zu machen. Sie würde ihn zwingen, sie zu beißen, sobald sie den Brunch verlassen hatten; sie konnten für einen Quickie nach oben eilen, bevor sie zu der Veranstaltung mit den Lesern gingen. Und dann würde sie eine Möglichkeit finden, Blut für ihn zu ergattern. Selbst wenn es ihnen gelingen sollte, Bastien heute zu erreichen, würde es mit Sicherheit bis morgen dauern, bevor er eine weitere Lieferung arrangieren konnte.
Kate runzelte die Stirn, als ihr klar wurde, dass Bastien vielleicht gerade in diesem Moment anrief und niemand da war, um den Anruf entgegenzunehmen. Und so würde es den ganzen Tag gehen. Und am Abend würde es nicht anders sein, falls sie zu der Veranstaltung mit den CoverModels gingen. Vielleicht konnten sie das streichen. Lucern wurde dort nicht wirklich gebraucht. Die Fans würden sich alle nur für die männlichen CoverModels interessieren und die Abwesenheit von Lucern vielleicht gar nicht bemerken. Allison und Chuck hingegen schon. Kate betrachtete missmutig ihren Teller.
Allison würde sich nicht daran stören, wohl aber Chuck. Was ihn anging, hatte die Firma für Lucerns Anwesenheit auf der Konferenz bezahlt, und er wollte etwas für sein Geld haben.
„Kann er sprechen?”
Bei dieser ätzenden Frage von Chuck blickte Kate wütend auf.
Sie hatte dafür gesorgt, dass Chris auf Lucerns Seite saß und sie auf der anderen, und Chuck saß neben Allison, aber der Verleger beugte sich an der Cheflektorin vorbei, sodass sein Kinn praktisch auf ihrer Brust ruhte, als er Lucern ansprach. Allison war sauer, und das konnte Kate ihr nicht verübeln. Chuck konnte so ein Schwein sein; er machte alle Frauen im Büro an und versuchte ihnen in den Ausschnitt zu gaffen. Er war nicht sonderlich beliebt bei den Angestellten, und sie konnten es kaum erwarten, dass sein Posten mit jemand anderem besetzt wurde.
Bei Roundhouse geschah das fast jährlich. Kate hoffte nur, dass Chuck Morgan da keine Ausnahme darstellte. Niemand bei Roundhouse war glücklich gewesen, als er an George Sassoons Stelle getreten war. George war ein hervorragender Mann gewesen, der von Radio und Fernsehen ins Verlagswesen gewechselt war und all seine Erfahrung mit eingebracht hatte. Er hatte Großartiges für Roundhouse geleistet, und es hatte niemanden überrascht, dass eine größere Firma ihn wegschnappte. Chuck Morgan war ein jämmerlicher Ersatz.
Ihr Blick ging an Chucks höhnischem Gesicht vorbei zu Jodi Hampton, der Schriftstellerin, die neben ihm saß. Jodi warf neugierige Blicke zu Lucern hinüber. Das überraschte Kate nicht. Er war nicht nur ein attraktiver Mann, sondern es wurde ihm auch ein hohes Maß an VIP-Behandlung zuteil. Die Lektoren und das restliche Personal von Roundhouse sollten sich an den Tischen verteilen, sodass all ihre Schriftsteller sich eingebunden fühlten.
Chris und Kate jedoch würden die ganze Woche nicht von Lucerns Seite weichen, und Allison und Chuck hatten den geheimnisvollen Mr. Argeneau unbedingt kennenlernen wollen, sodass sie nun alle um ihn herumsaßen. Blieben nur Deeana Stancyk und Tom Duchamp, der VP der Werbeabteilung, um sich unter die restlichen dreißig Roundhouse-Autoren zu mischen.
„Ich sagte, kann er sprechen?”
Kates Blick fiel wieder auf Chuck. Er war einer der wenigen Männer, deren Aussehen sein unangenehmes Wesen spiegelten: ein rotes Gesicht voller Aknenarben, ein hängender grauer Schnurrbart und ein kahl werdender Kopf mit Sommersprossen. Kate dachte über die Frage nach. Lucern war leider selbst zu den besten Zeiten eher schweigsam. Im Augenblick sagte er kein Wort. Sie öffnete den Mund, um eine Ausrede für sein Schweigen zu liefern, dann änderte sie ihre Meinung plötzlich., Der Verlag hatte ihn hierhaben wollen, und sie hatte das erreicht.
Wenn sie mit seinem Verhalten nicht zufrieden waren, würden sie sie in der Zukunft vielleicht nicht mehr nötigen, Lucern zu belästigen. Sie zuckte nur die Achseln und sagte: „Nicht viel.”
Chuck war nicht gerade erfreut. Das war Kate egal. Es entsprach nur der Wahrheit, und man konnte sie nicht für Lucerns Wesen verantwortlich machen. Wieder glitt ihr Blick zu dem Autor hinüber. Chris sagte gerade etwas, und Lucern nickte matt. Er hatte Spannungsfalten um die Augen, die sie beunruhigten.
Sie fragte sich, ob er wohl große Schmerzen hatte. Sie fing sofort wieder an, darüber nachzudenken, wie sie ihm Blut beschaffen konnte, und zwar mehr als den halben Liter, den sie ihm ungefährdet abtreten konnte. Im Geiste stellte sie bereits eine ganze Liste von Opfern zusammen, die er beißen könnte, aber so sehr sie den Gedanken auch genoss, Chuck dabei ganz nach oben zu setzen, wollte sie eigentlich nicht, dass Lucern jemand anderen biss als sie.
Sie dachte immer noch über dieses Problem nach, als die Teller weggeräumt wurden und die Preisverleihungen begannen. Sie lauschte halbherzig, als die Nominierungen für jede Kategorie vorgetragen wurden, gefolgt von der Nennung des Siegers.
Kate klatschte, wenn es die anderen taten, ansonsten war sie mehr oder weniger in Gedanken versunken. „Und als letztes Buch in dieser Kategorie ist nominiert: Luke Amiraults Verliebt in einen Vampir.”
Kate setzte sich ruckartig auf, als Lucs Pseudonym erklang. Sie war kein bisschen überrascht, dass Lucern neben ihr das Gleiche tat. Sie hatte vergessen ihm zu sagen, dass sein Buch in drei unterschiedlichen Kategorien nominiert war. Als er sich zu ihr hindrehte und ihr einen anklagenden Blick zuwarf, verzog sie das Gesicht.
„Du bist nominiert. Das bedeutet nicht, dass du gewinnen wirst”, sagte sie beschwichtigend.
„Und der Sieger ist.... Luke Amirault mit Verliebt in einen Vampir!”
„Merde”, murmelte Lucern.
„Scheiße”, echote Kate auf Englisch. Sie zögerte einen Moment, aber als Lucern nicht aussah, als wollte er aufstehen, beugte sie sich zu ihm, um zu erklären: „Du musst aufstehen und deinen Preis abholen.”
„Ich will aber nicht.”
Kate spürte, wie sich bei dieser kindischen Beschwerde ihr Herz zusammenzog. Sechshundert Jahre alt, und er klang immer noch wie ein Baby. Männer waren einander so ähnlich, ganz gleich, welcher Spezies sie angehörten.... oder sollte sie lieber sagen, welchem Volk? Wie auch immer. Sie nahm seinen Ellbogen, stand auf und zwang ihn, es ihr gleichzutun. „Ich auch nicht. Also machen wir es zusammen.”
Zu ihrer großen Erleichterung erhob er sich widerstandslos und ließ sich von ihr auf die Bühne am anderen Ende des Raumes führen. Die Anwesenden klatschten und äußerten Beifallsbekundungen. Lucern schien das alles nicht zu bemerken. Seine Gesichtshaut war angespannt, seine Miene beinahe gequält, als er störrisch nach vorn stapfte. Kate hätte nicht sagen können, ob seine ablehnende Haltung mit seinem Hunger zusammenhing oder damit, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie wusste, dass er solche Dinge hasste.
In Toronto hatte sie einen Eindruck davon erhalten, wie zurückgezogen er lebte. Und wenn sie das nach drei Tagen in seiner Gesellschaft nicht begriffen hätte, dann hätte das Gespräch mit seiner Mutter und seiner Schwester auf der Hochzeit viel über ihn verraten.
Kathryn Falk, Lady Barrow die Frau, die hinter der Romantic-Tunes-Buchclub-Zeitschrift, der Konferenz und diversen anderen Unternehmen stand, wartete auf der Bühne, um den Preis persönlich zu überreichen. Sie lächelte strahlend, als Kate und Lucern die Stufen zum Podium hinaufstiegen, dann flackerte Sorge in ihrem Blick auf, als sie das seltsame Verhalten der beiden bemerkte. Kate versuchte ebenfalls, ein strahlendes Lächeln zustande zu bringen, um die Frau zu beruhigen, aber sie hätte selbst ein wenig Trost brauchen können. Lucern war nicht gerade ein Redner, und zweifellos wurde eine Art von Ansprache erwartet.
„Meinen Glückwunsch, Mr. Amirault”, sagte Lady Barrow, als sie den Preis überreichte. „Ich habe Ihre Vampirreihe mit großem Vergnügen gelesen.” Lucern brummte, nahm den Preis und wollte wieder von der Bühne steigen. Kate starrte ihm hinterher, dann murmelte sie etwas und beeilte sich, ihn am Arm zu packen.
„Du musst dich bedanken”, zischte sie und drängte ihn wieder zu Lady Barrow und dem Podium.
„Ich will aber nicht.”
Kate runzelte angesichts der Schwäche in seiner Stimme die Stirn. Sie zog sein übliches „Nein” beinahe vor und stellte sich die Frage, wie sehr sich der Mangel an Blut negativ auf seinen Geist auswirken konnte. Wenn sie nicht bald Blut für ihn fand, würde er dann durchdrehen und vollkommen den Verstand verlieren? Sie wand sich innerlich bei dem Gedanken. „Sag einfach danke”, befahl sie ihm grimmig und steuerte ihn aufs Podium zu.
„Geht es ihm gut?”, fragte Lady Barrow flüsternd, als Lucern vor dem Mikrofon stehen blieb. Er starrte ausdruckslos auf das Meer von Gesichtern hinab. Kate fragte sich, ob die Menge wie ein Festessen von Steaks für ihn aussah. Dann nickte sie.
„Jetlag”, log sie.
„Sind Sie sicher, dass das alles ist?” Kathryn schien ihre Zweifel zu haben, also fügte Kate hinzu: „Und ein bisschen Darmgrippe, fürchte ich.” Dann gab sie auf und gestand: „Es geht ihm überhaupt nicht gut.”
„Oje”, murmelte Lady Barrow.
„Aber wir hoffen, dass es schnell wieder vorbeigeht”, versicherte sie der Frau. „Wir werden vielleicht die CoverModels auslassen, um zum Arzt zu gehen.”
„Zum Arzt? Am Abend?”
„Das war der früheste Termin, den wir bekommen konnten”, log Kate.
„Oh.” Lady Barrow schüttelte den Kopf, dann schien sie zu bemerken, dass Lucern nun schon einige Zeit schweigend am Mikrofon stand. Der Raum schwieg erwartungsvoll.
Kate trat an Lucerns Seite und schubste ihn. „Sag danke.”
„Danke”, verkündete oder besser gesagt knurrte er pflichtbewusst und trat sofort wieder vom Mikrofon zurück.
Kate zuckte zusammen, aber Lady Barrow rettete die Situation, indem sie zwischen die beiden trat und seinen Arm packte. Sie drängte ihn wieder nach vorn, dann übernahm sie das Mikrofon und sagte: „Meine Damen.... und Herren.” Letzteres sagte sie mit einem Grinsen zu einem Tisch mit männlichen Models, die außer einer Handvoll männlichen Verlagspersonals und vereinzelten Ehemännern von Autorinnen die einzigen anwesenden Männer waren. „Wie Sie an seiner Blässe erkennen können, geht es Mr. Amirault nicht gut, aber er hat darauf bestanden, an dieser Zeremonie teilzunehmen, um Ihnen allen für Ihre Unterstützung zu danken.”
Sie ließ einen Augenblick verstreichen, damit das Publikum das verdauen konnte, dann fuhr sie fort: „Ich jedenfalls bin dankbar, dass er den Weg hierher gefunden hat. Lassen Sie uns applaudieren und ihm für seine wunderbaren Geschichten danken. Ich jedenfalls danke Ihnen, Luke.” Kathryn Falk wandte sich ihm zu, um ihn zu umarmen, und die Menge brach in Applaus aus.
Kate war unendlich erleichtert. Lady Barrow hatte sie gerettet! Dann bemerkte sie, dass Lucerns Nasenlöcher bebten und er das Gesicht zum Hals der Frau senkte. Noch beunruhigender war der silbrige Schimmer, der in seine Augen getreten war. Er bewegte die Lippen auf der Suche nach einer Ader dicht an Lady Barrows Haut heran.
Kate riss entsetzt die Augen auf. Er stand kurz davor, Lady Barrow mitten auf der verdammten Bühne zu beißen!
„Nein!” Der Schrei kam von Kates Lippen, als sie Lucerns ausgefahrene Zähne sah. Es war ein lauter Schrei. Der ganze Raum schwieg verdutzt. Aber das war Kate gleich, denn Lady Barrow riss sich aus Lucerns Armen und fuhr erstaunt herum. Lucern sah sie verärgert an, weil sie seine Vorbereitungen unterbrochen hatte.
„Äh.... ”, sagte Kate in die ohrenbetäubende Stille. Sie bewegte sich zum Mikrofon und fügte hinzu: „Nein. Es ist.... äh.... nicht notwendig, ihm zu danken. Lucern ist.... er ist einfach nur froh, dass er diese Möglichkeit hatte, Ihnen allen gegenüber seinen Dank auszusprechen. Äh.... danke!”
Die Menge begann wieder zu klatschen, doch Kate nahm das kaum wahr. Lucern bewegte sich erneut auf die nichts ahnende Lady Barrow zu, immer noch mit diesem hungrigen Blick in den Augen. Kate zwang sich zu einem Lächeln, packte seinen Arm und führte ihn weg.
„Du hättest sie beinahe gebissen”, zischte sie ihn an.
„Ich wollte nur ein paar Tropfen.” Er klang mürrisch.
„Nur ein paar Tropfen?”, rief sie. „Direkt auf der Bühne, wo es alle sehen können?”
„Sie hätten es für einen PublicityGag gehalten”, verteidigte er sich. Dann seufzte er und gab jämmerlich zu: „Ich konnte einfach nicht anders. Sie hat starkes, süßes Blut.”
Kate starrte ihn an. „Du hast doch nicht.... ”
„Nein, du hast mich rechtzeitig aufgehalten. Aber ich kann es am Geruch feststellen.”
Kate verzog das Gesicht, dann bemerkte sie, dass die Falten um seine Augen tiefer geworden waren und er nun auch welche um den Mund hatte. „Wie schlimm ist der Hunger jetzt?” Dumme Frage. Der Mann hätte Lady Barrow beinahe auf offener Bühne gebissen! Der Hunger war schlimm. Was sie wirklich wissen wollte, war: „Ich meine, hast du Schmerzen?”
Er nickte finster.
„Das bisschen Sonnenlicht gestern hat so viel Ärger verursacht?”, fragte sie. Wenn das der Fall war, fand sie, dass Vampire in mancher Hinsicht schwächer als Menschen waren. Zumindest dieser Aspekt ließ sie regelrecht anfällig erscheinen.
„Dieses kleine bisschen Sonnenlicht gestern, der Kerl mit der Erkältung, der neben mir ihm Flugzeug saß und immer wieder in meine Richtung gehustet hat, der.... ”
„Von kranken Leuten umgeben zu sein verbraucht ebenfalls mehr Blut?”, fragte Kate erschrocken. Sie befanden sich in einem Hotel mit ein paar Tausend Personen es wimmelte hier wahrscheinlich nur so von Bakterien. Kein Wunder, dass er so zurückgezogen lebte.
„Ja.” Lucern nickte. „Die Nanos umzingeln diese Bakterien offenbar und töten sie, aber das verbraucht mehr....”
„.... Blut”, schloss Kate unglücklich.
„Ja. Und dann das Sonnenlicht hier.”
Kate sah sich überrascht in dem hellen Raum um. Die Wände hatten keine Fenster, aber es gab Oberlichter. Sie bestanden aus Milchglas, und Kate hatte nicht geglaubt, dass sie ein Problem sein würden. Aber sie hätte daran denken sollen. Ihr Blick ging zu dem Tisch, an dem sie saßen, und sie hätte beinahe gestöhnt, als ihr klar wurde, dass sie einen Tisch direkt unter einem Oberlicht gewählt hatte. „Der Alkohol letzten Abend war auch nicht hilfreich”, fuhr Lucern fort. „Er dehydriert den Körper ebenfalls.”
Kate runzelte die Stirn. Sie hatte die zerdrückten Bierdosen, den leeren Pizzakarton und Haufen von Erdnussschalen um den Couchtisch herum bemerkt. Es sah aus, als hätten sich Chris und Lucern einen zünftigen Männerabend gegönnt. Jetzt musste Luc teuer dafür bezahlen. Offenbar war sein Zustand das Ergebnis vieler unterschiedlicher Ursachen. Aber die letzte war eindeutig ihre Schuld.
Sie hatten ihren Tisch beinahe erreicht, doch Kate führte Lucern an ihm vorbei auf einen der Ausgänge zu. „Komm mit.”
„Wo gehen wir hin?” Er klang verwirrt.
„Wir suchen dir etwas zum Essen.” Sie ging auf die Empfangshalle zu und sah sich um. Es blieb wirklich keine Zeit mehr, zu ihrer Suite zu gehen. Sie brauchten einen näher gelegenen Platz.
Sie zerrte ihn zur Herrentoilette. „Geh rein und sieh nach, ob niemand da ist”, schlug sie vor.
„Wenn nicht, bring die Leute dazu zu gehen. Das kannst du doch, oder? Du weißt schon, ihren Geist beherrschen und so was alles.... ”
„Ja. Aber .... ”
„Tu es einfach”, verlangte Kate.
Lucern schüttelte den Kopf, betrat aber dennoch den Waschraum. Kurze Zeit später ging die Tür auf und ein Mann kam heraus. Kate erkannte ihn als eines der Models. Sie lächelte ihn nervös an, doch er erwiderte das Lächeln nicht er schien sie nicht einmal zu bemerken. Seine Augen waren glasig, seine Miene ausdruckslos.
Sie sah ihm hinterher, als er davonging, dann huschte sie in den Waschraum, erleichtert, Lucern allein vorzufinden.
„Also gut.” Sie ging entschlossen auf ihn zu. „Fangen wir an.”
Lucern schüttelte den Kopf, als sie ihr Handgelenk ausstreckte. „Ich kann nicht.”
„Wie meinst du das, du kannst nicht?”, fauchte sie gereizt. „Du hast Chris und auch mich schon einmal gebissen, also kannst du es selbstverständlich. Fahr einfach deine Zähne aus.”
„Kate, ich kann nicht. Es würde dir wehtun.”
„Letzte Nacht hat es nicht wehgetan”, wandte sie ein.
„Das lag daran, dass du von sexueller Begierde überwältigt warst.”
Kate errötete, aber es hatte keinen Sinn, es abzustreiten. Sie war ziemlich scharf auf ihn gewesen. „Was hat das damit zu tun?” Sie kniff die Augen zusammen. „Chris war nicht.... ”
„Selbstverständlich nicht.” Er fing an ungeduldig zu klingen. „Aber seinen Geist kann ich beherrschen.”
„Dann tu dasselbe mit meinem.”
„Das kann ich nicht, Kate. Dein Geist ist zu stark.”
„Tatsächlich?” Eine gewisse Freude über diese Tatsache erfasste sie. Gut zu wissen! Sie hatte einen starken Geist. Oh, wurde ihr plötzlich klar, sie hatte sogar einen stärkeren Geist als Chris, denn nach allem, was sie gesehen hatte, als sie gestern Abend in die Suite zurückgekehrt war, war es Lucern nicht schwergefallen, ihn zu beherrschen. Sie hätte gerne damit angegeben, aber Lucern redete immer noch.
„Ich kann nur in deinen Kopf eindringen, wenn du schläfst oder wenn du von Leidenschaft erfüllt bist. Zumindest nehme ich an, dass ich es kann. Du hast doch keine Schmerzen verspürt, als ich dich letzte Nacht gebissen habe, oder?”
Kate schüttelte den Kopf. „Nein. Überhaupt nicht.”
Er nickte. „Dann muss sich dein Geist genug geöffnet haben, dass ich ihn mit Begierde durchdringen konnte.”
„Hm.” Kate versuchte, das zu verdauen. „Und woher weißt du, dass du in meinen Kopf gelangen kannst, wenn ich schlafe?”
Lucern schaute plötzlich schuldbewusst drein, und Kate musste an den erotischen Traum denken, den sie in seinem Haus gehabt hatte. „Du hast doch nicht.... ”, begann sie.
Er zuckte schuldbewusst zusammen, dann hob er beschwichtigend die Hände. „Ich habe nur.... nur nach dir gesehen. Und du hast so süß und hinreißend ausgesehen, dass ich mir vorgestellt habe, was ich gerne mit dir machen würde, aber mir war nicht klar, dass du meine Gedanken aufnehmen konntest, bis du.... all.... ” Er zuckte unbehaglich die Schultern. „Ich habe sofort aufgehört.”
Kate starrte ihn wütend an; sie fühlte sich verwundbar und bloßgestellt. Der Traum, den sie in seinem Haus gehabt hatte, war überhaupt kein Traum gewesen, sondern ein Produkt seiner Fantasie. Oder war es doch ein Traum gewesen? Ein Wachtraum? Jedenfalls nicht ihrer.
Die Waschraumtür ging auf, und sowohl sie als auch Lucern fuhren zu einem Mann in mittlerem Alter herum, der hereinkommen wollte. Lucern sah ihn verärgert an, seine Augen sprühten silbriges Feuer. Gehen Sie. Sobald sie wieder allein waren, packte Kate Lucerns Hand und zog ihn in eine der Kabinen, sie konnte ihn schlecht alle Leute beeinflussen lassen, die die Herrentoilette betraten. Die Kabine war eng, aber zum Beißen würde sie wohl genügen. „Tu es einfach, Luc. Du brauchst das Blut. Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche.”
„Ich will dir nicht wehtun.” Sie seufzte gereizt, aber insgeheim freute es sie, dass es ihm so widerstrebte, ihr Schmerzen zuzufügen. Vor allem, da er so offensichtlich unter etwas litt, wobei sie helfen konnte. Die Schmerzen würden nicht schlimmer sein als eine Spritze. Jedenfalls ging sie davon aus, dass es nicht unangenehmer sein würde.
„Warte mal! Was, wenn ich dir meinen Geist öffne?”, schlug sie vor, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie das bewerkstelligen sollte. Sie nahm an, sie müsste einfach offene Gedanken denken. „Lass uns das versuchen! Ich werde meinen Geist öffnen und.... ”
„Kate”, begann Lucern, und sie wusste, dass er sich weigern würde. Sie stand hier in einem verdammten Herrenklo - und auch noch in einer Kabine! - und bot diesem dummen Kerl ihr Blut an, als wäre sie eine weibliche Version von Renfield. Und er stand einfach da und war höflich und altmodisch. Demnach musste er wirklich alt sein. Nach ihrer Erfahrung nahmen sich die Männer heutzutage, was ihnen angeboten wurde, ob es zum Wohl der Frau war oder nicht. Zum Teufel, manchmal nahmen sie sogar, was ihnen nicht angeboten wurde.
„Verdammt, Luc”, unterbrach sie ihn ungeduldig. Sie packte den Ausschnitt ihres Kleids und drehte den Rand nach außen, um die Sicherheitsnadel sehen zu können, mit der sie den BH-Träger am Stoff des Kleids befestigt hatte.
„Was machst du denn da?” Wieder sah er sie missbilligend an.
Guter Gott, dachte sie gereizt. Sie war inzwischen selbst ziemlich verärgert. Sie hatte angenommen, nur Babys müssten teelöffelweise gefüttert werden. Sie öffnete die Sicherheitsnadel, zog sie aus dem BH, stach sich rasch in eine Fingerspitze und drückte sie dann fest, bis ein schöner dicker Tropfen herauskam. Entschlossen hielt sie ihn ihm vor die Nase.
„Hast du Hunger?”, fragte sie. Sie folgte ihm, als er gegen die Kabinenwand zurückwich, um ihrem Finger auszuweichen, dann fuchtelte sie ihm damit vor der Nase herum. Triumphierend bemerkte sie, dass seine Nasenlöcher zuckten. „Komm schon. Du hast Hunger. Probier einen Tropfen. Leck ein bisschen. Wenn du es nicht magst, finden wir jemand anders. Wenn du es magst, wirst du dich besser fühlen, nachdem du an meinem Hals geknabbert hast. Komm schon, Lucern, ein Löffelchen Kate zum Frühstück und.... ” Die Worte brachen in einem erstaunten Keuchen ab, als er das Blut von ihrer Fingerspitze leckte. Er war so schnell mit der Zunge über ihren Finger gefahren, dass sie es kaum spürte, aber sehr zu ihrer Zufriedenheit leuchteten seine Augen silbrig auf. Sie hatte ihn.
Kate legte den Kopf schief und kniff die Augen in Vorbereitung au (das, was kommen würde, zusammen, dann erinnerte sie sich an diese Sache mit dem offenen Geist. Sie dachte: Mein Geist ist offen. Lucern kann hereinkommen. Mein Geist ist offen. Lucern kann hereinkommen. Offenbar war das Öffnen des Geistes nicht so einfach. Sie spürte seine Hände auf ihren Armen, dann seine Lippen an ihrem Hals, dann einen quälenden Schmerz, als er seine Zähne hineinsenkte.
„Au, au, au!” Gegen ihren Willen fing Kate an, sich zu wehren. Lucern wich sofort zurück. Aber er hielt sie immer noch an den Armen gepackt, und er atmete schwer. Das silbrige Feuer in seinen Augen war eine Feuersbrunst, als er versuchte, seinen Durst zu beherrschen. Kate biss sich unglücklich auf die Lippe, beschämt, als sie erkannte, was für ein Weichei sie war. Aber es hatte so wehgetan! Keine Spritze war je so schlimm gewesen. Spritzen waren allerdings auch nicht annähernd so groß wie Lucerns Zähne. Sie drückte eine Hand an die Kehle. „Wahrscheinlich weiß ich doch nicht, wie ich meinen Geist öffnen soll.”
Lucern zog die Hände weg. „Du solltest lieber gehen. Ich glaube nicht, dass ich mich noch viel länger beherrschen kann.”
Kate zögerte, dann trat sie vor und schlang die Arme um seinen Hals.
„Was machst du denn?”, fragte er harsch.
„Nun, ich muss sexuell erregt sein, um dich in meinen Kopf zu lassen, damit es nicht wehtut, also solltest du dich lieber beeilen und mich erregen.”
„Kate, wir sind in einer Toilette! Das hier ist wohl kaum der Ort, an dem.... ”
„Du bist wohl nicht besonders abenteuerlich, wie?”, fragte sie.
„Vergiss, wo wir sind, und mach schon, Junge. Das hier ist ein öffentlicher Waschraum jeden Augenblick könnten mehr Leute reinkommen”, stellte sie fest. Sie reckte sich hoch und küsste ihn. Mehr brauchte sie nicht zu tun. Lucern begann sofort, ihren Kuss zu erwidern. Sie schlang die Arme wie stählerne Bänder um seinen Hals.
Kate nahm an, dass das, was nun folgte, die Vampirversion eines Quickies war. Es war ganz anders als die leidenschaftlichen Momente, die sie in ihrer Suite geteilt hatten. Sie konnte es nicht erklären, aber hinter allem, was er tat, war die Absicht zu spüren, als wäre er nicht vollkommen bei der Sache, sondern vollzöge bestimmte Dinge, um sie zu erregen, als notwendiges Vorspiel, um sie beißen zu können. Er schien irgendwie distanziert zu sein.
Nicht wirklich engagiert. Seine Küsse waren geübt und immer noch aufregend, aber selbst während sie stöhnte und sich ihm öffnete, war sie sieh bewusst, dass er nicht vollkommen da war. Zumindest war sie sich dessen anfangs bewusst. Als seine Zunge in ihren Mund drängte, war sie ein wenig zu beschäftigt, als dass es sie noch gekümmert hätte. Lucern öffnete die Knöpfe vorn an ihrem Kleid und steckte die Hand hinein, schob sie unter ihren BH, um eine Brust in seine kühle Hand zu nehmen. Kate stöhnte und schauderte, als seine Zunge die Spitze ihrer Brustwarze berührte.
Als Nächstes glitt sein Bein zwischen ihre Beine und schob ihr Kleid nach oben, bis sein Obersehenkel gegen ihre Mitte rieb. Kate keuchte, dann küsste sie ihn ekstatisch. Als Lucern sich von ihr löste, stöhnte sie, den Kopf zurückgelehnt, als sie sich nach hinten bog und gegen sein Bein drückte, weil sie mehr wollte. Sie spürte seine Lippen in ihrem Nacken, aber alles fühlte sich so gut an, dass sie nur erfreut murmelte und den Kopf schief legte, um ihm einen besseren Zugang zu ermöglichen. Dann spürte sie, dass er an ihrem Hals saugte. Diesmal verwechselte sie es nicht mit einem Knutschfleck, aber sie empfand keinen Schmerz.... bis ihr umnebeltes Hirn ihr sagte, was er da tat und dass es wehtun sollte.
Die Erregung ließ nach.
Gerade, als Kate die ersten schwachen Schmerzen spürte, schien Lucern zu erkennen, was geschah, und lenkte sie ab. Er schob die Hand unter ihren Rock, seine Finger berührten leicht die Innenseite ihres Oberschenkels und schoben ihre Beine ein wenig mehr auseinander. Dann schob er den dünnen Stoff ihres Höschens beiseite und streichelte sie. Kate vergaß alles, was an ihrem Hals geschah. Sie keuchte und murmelte ekstatisch, wand sich unter seiner Zärtlichkeit, dann schrie sie auf, als er einen Finger in sie schob.
„Oh, Luc!” Sie keuchte, fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar und drückte seinen Kopf an sich, als hinge ihr Leben davon ab. Sie stöhnte, während sie seine Hand ritt, ihr Körper summte vor Erregung, so stark, dass ihre Knie schwach wurden. Kate öffnete die Augen und versuchte ihn zu warnen, dass ihre Beine nachgaben, aber sie wurde abgelenkt von der Tatsache, dass sie alles nur noch verschwommen sah. Auch das wollte sie Lucern sagen, aber es schien zu anstrengend zu sein. Eine seltsame Schlaffheit überfiel sie.
Die Kabinenwand an ihrem Rücken vibrierte, als die Tür der nächsten Kabine geöffnet wurde. Offenbar war noch jemand in die Herrentoilette gekommen. Es störte sie nicht allzu sehr, aber dann hob Lucern den Kopf und sah Kate stirnrunzelnd und besorgt an. Vorsichtig weitersaugend, passte er seinen Griff an und drehte Kate, sodass sie auf der Toilette zu sitzen kam. Er sagte nichts, aber seine Miene war finster, als er schließlich ihre Kleidung ordnete und die Knöpfe ihres Kleides schloss. Sobald er sie wieder bekleidet hatte, öffnete er die Kabinentür und spähte hinaus, dann zog er sie auf die Beine, legte sich ihren Arm über die Schulter und trug sie halb aus der Toilette. Kate sah niemanden, aber die Kabinentür neben der, die sie benutzt hatten, war geschlossen, und sie konnte Füße darunter sehen. Jemand war tatsächlich hereingekommen, bemerkte sie mit vagem Interesse.
„Da seid ihr ja! Ich habe überall nach euch beiden gesucht.” Kate sah sich um und entdeckte Chris, der auf sie zukam. Er wirkte angespannt, seine Stimme war eindringlich. „Chuck platzt vor Wut. Lucern hat auch die beiden anderen Kategorien gewonnen, für die er nominiert war, und war nicht da, um die.... lieber Himmel, Kate, geht es dir gut? Du siehst furchtbar aus.”
„Es geht ihr nicht gut”, erklärte Lucern, der sich innerlich einen Tritt verpasste. Das war alles seine Schuld. Er hatte zu viel Blut genommen, er hatte sich nicht beherrschen können. Sobald die süße, warme Flüssigkeit seine ausgetrocknete Zunge berührt hatte, war er verloren gewesen. Wenn nicht jemand hereingekommen wäre, hätte er für nichts garantieren können. Sein besorgter Blick ging zu Kates blassem Gesicht, und wieder tadelte er sich. Zum Glück hatte er nicht so viel genommen, dass es eine ernste Gefahr darstellen würde, aber Kate würde sich schwach fühlen und
„Ich dachte, Sie wären derjenige, der sich nicht wohlfühlt”, sagte Chris verwirrt.
„Es ist offenbar ansteckend”, murmelte Lucern. Er steuerte sie auf die Fahrstühle zu.
„Na wunderbar”, sagte Chris. „Dann kriege ich es bestimmt als Nächster.” Dann hellte sich seine Miene auf. „Aber Sie scheinen darüber hinweg zu sein. Sie haben wieder ein bisschen Farbe im Gesicht. Zumindest geht es offenbar schnell vorbei.” Lucern verzog schuldbewusst das Gesicht. Seinen rosigen Teint verdankte er Kates Blut. Und das war auch der Grund, wieso sie jetzt so schwach war, während er sich tatsächlich ein bisschen besser fühlte. Ein bisschen. Er nahm an, wenn er noch ein paar Liter Blut bekommen könnte, würde er wieder er selbst sein.
„Wo gehen wir hin?”, fragte Chris, als sie auf den Fahrstuhl warteten.
„Ich bringe sie nach oben, damit sie sich hinlegen kann.”
„Nein.” Kate zwang sich, sich aufzurichten, wobei sie bedenklich schwankte. „Wir sollten zum Leser-und Autorentreff gehen.”
„Du bist nicht in der Verfassung, zu einem dummen Treff zu gehen”, widersprach Lucern. „Du brauchst etwas Süßes und Ruhe, um den.... ” Er hielt inne, denn er wollte vor Chris nicht mehr sagen.
„Ich muss einfach nur dasitzen. Sie bieten sogar Erfrischungen an”, erklärte Kate beharrlich. Sie wandte sich Chris zu. „Ist die Preisverleihung zu Ende?”
„Noch eine halbe Stunde, denke ich.” Der Lektor warf einen Seitenblick zu Lucern, als die Fahrstuhltür aufging. Sie halfen Kate hinein. „Beim Leser-und Autorentreff sollte Kate okay sein. Wir können sie im Auge behalten. Chuck wird Zustände kriegen, wenn sie nicht auftaucht.”
Lucern schwieg, als Chris auf den Fahrstuhlknopf drückte. Er war nicht froh über diese Entscheidung, aber er wollte Kates Job auch nicht aufs Spiel setzen. Und er würde sie im Auge behalten.