10. KAPITEL
Es ist nicht ungewöhnlich“, eröffnete Dr. Easterwood ruhig. „Diese Pillen sind sehr niedrig dosiert, und wenn die Einnahme mehrere Tage unterbrochen wird, ist es bei entsprechendem Timing durchaus möglich, dass es zu einer Schwangerschaft kommt. Bei Ihnen ist es der Fall.“
Sarah war sehr gefasst. Sie hatte sich wochenlang an den Gedanken gewöhnen können, schon seit sie festgestellt hatte, dass sie wegen der schweren Grippe sechs Tage lang keine Pille genommen hatte. Sie wusste nicht, was sie nun tun sollte, aber sie liebte das kleine Wesen bereits, das in ihr heranwuchs. Wie sonst hätte sie für Romes Kind empfinden können?
„Sie werden vierunddreißig sein, wenn das Kind geboren wird“, fuhr Dr. Easterwood fort. „Das ist spät für ein erstes Kind, aber Sie sind gesund, und ich erwarte keine Komplikationen. Trotzdem möchte ich Sie streng im Auge behalten und in verschiedenen Entwicklungsstadien des Babys gewisse Tests durchführen. Ich möchte Sie alle vierzehn Tage statt einmal im Monat sehen. Momentan sehe ich ein mögliches Problem nur dann, wenn das Kind sehr groß ist. Dann müssen wir vermutlich einen Kaiserschnitt ausführen, weil Ihr Becken sehr eng ist.“
Sarah hörte der Ärztin zu, doch sie hatte ganz andere Sorgen. Die Geburt war noch Monate entfernt. Ihr gegenwärtiges Problem bestand darin, wie sie es Rome beibringen sollte und wie er reagieren würde. Sie wusste, dass er keine Kinder mehr wollte. Und sie erinnerte sich allzu deutlich an seine Reaktion, als die junge Frau mit den zwei Kindern in den Laden gekommen war.
Dr. Easterwood verordnete ihr die Einnahme von Vitaminen, und dann tat sie etwas Seltsames. Sie umarmte Sarah und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Viel Glück“, sagte sie. „Ich weiß, dass Sie sich schon sehr lange ein Baby wünschen.“
Schon immer, dachte Sarah und fürchtete sich erneut vor der Aussprache mit Rome.
Die Versuchung, es so lange wie möglich geheim zu halten, die Konfrontation hinauszuzögern und jeden Moment mit ihm zu genießen, der ihr noch blieb, war sehr groß. Doch er hatte ein Recht darauf, es zu erfahren. Wenn sie es ihm verschwieg, würde er es ihr zu Recht genauso übel nehmen wie die Schwangerschaft selbst.
Während des ganzen Dinners versuchte sie ihm die Neuigkeit mitzuteilen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Nach dem Essen zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. Schließlich folgte Sarah ihm. In sehr schlichten Worten sagte sie es ihm.
Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht. „Wie bitte?“, flüsterte er.
„Ich bin schwanger.“ Sie sprach sehr beherrscht und hatte die Finger miteinander verschränkt, um das Zittern zu verbergen.
Er ließ den Kugelschreiber fallen und schloss einen Moment lang die Augen. Dann blickte er sie voller Bitterkeit an. „Wie konntest du mir das antun?“, fragte er rau. Er stand auf, drehte ihr den Rücken zu, senkte den Kopf und rieb sich den Nacken.
Der Vorwurf verschlug ihr die Sprache. Sie wusste, dass es ein Schock für ihn sein würde, aber sie hatte nicht geahnt, dass er denken könnte, sie wäre absichtlich schwanger geworden, gegen seinen ausdrücklichen Wunsch.
„Du wusstest, wie ich dazu stehe. Du wusstest es und hast es trotzdem getan. Hast du mich nur deswegen geheiratet? Um mich als Erzeuger zu benutzen?“ Er drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war voller Schmerz und Zorn. „Verdammt, Sarah, ich habe darauf vertraut, dass du die verdammten Pillen nimmst! Warum hast du es nicht getan?“
Mit sehr dünner Stimme erwiderte sie: „Ich hatte die Grippe. Ich konnte nichts einnehmen.“
Er erstarrte, blickte in ihr bleiches Gesicht und schluckte schwer, als ihm bewusst wurde, was er da gesagt hatte und wie sehr es sie verletzt haben musste. Er wusste, dass sie ihn liebte, und er wusste auch, dass sie ihn niemals vorsätzlich betrügen würde. Er trat auf sie zu, streckte eine Hand nach ihr aus, doch sie wich zurück.
„Ich war heute bei Dr. Easterwood“, fuhr sie mit tonloser Stimme fort. „Als ich die Grippe hatte und keine Pillen nehmen konnte, ist es wohl zu einem Eisprung und zur Empfängnis gekommen …“
Sie hat den Mut aufgebracht, dachte er zerknirscht, es mir noch am selben Tag zu sagen. Und er hatte sie beschimpft, obwohl es eher seine Schuld als ihre war. Er hätte bedenken müssen, dass sie die Pillen nicht hatte nehmen können. Kaum hatte sie sich besser gefühlt, hatten sie sich gleich wieder geliebt. Ist es da passiert? fragte er sich. Oder in der folgenden Nacht, als er sie mehrmals geliebt hatte? Oder am nächsten Tag, als er überraschend eine Geschäftsreise hatte antreten müssen und sie zum Abschied auf dem Schreibtisch im Hinterzimmer ihres Geschäfts verführt hatte?
„Es tut mir leid“, sagte er sanft. Er sah, wie steif sie sich hielt, so als wollte sie sich gegen weiteren Schmerz wappnen, und er verspürte einen seltsamen Stich in der Herzgegend. In diesem Moment, trotz seiner Verzweiflung, erkannte er, dass er sie liebte. Behutsam griff er erneut nach ihr, und diesmal ließ sie sich in die Arme nehmen.
Er zog sie an sich, streichelte über ihren Rücken. Sie weinte nicht. Es beunruhigte ihn mehr als heiße Tränen. Ihr Körper wirkte steif, und sie erwiderte die Umarmung nicht. Er strich ihr weiterhin über den Rücken, murmelte ihr sanfte Worte zu, und allmählich entspannte sie sich und hob die Hände zu seinen Schultern.
Schließlich glaubte er, dass sie sich genügend beruhigt hatte, um über die beste Lösung sprechen zu können, und er fragte: „Hast du einen Termin vereinbart?“
„Dr. Easterwood möchte mich zweimal im Monat sehen.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich meine einen Termin für eine … eine Abtreibung.“ Trotz seiner Einstellung fiel es ihm schwer, das Wort auszusprechen.
Sie zuckte zusammen, hob entsetzt den Kopf. „Wie bitte?“
In diesem Moment erkannte Rome, dass sie diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen hatte. Er entfernte sich von ihr. „Ich will nicht, dass du dieses Baby bekommst“, erklärte er schroff. „Ich will es nicht. Ich will nie wieder ein Kind.“
Sarah fühlte sich, als hätte sie einen heftigen Schlag versetzt bekommen. Sie rang nach Atem. „Rome, es ist auch dein Baby! Wie kannst du wollen …“
„Nein“, unterbrach er sie mit schmerzverzerrter Stimme. „Ich habe meine Kinder begraben. Ich habe an ihren Gräbern gestanden und zugesehen, wie sie mit Erde bedeckt wurden. Ich kann es nicht noch mal ertragen. Ich kann kein anderes Kind akzeptieren. Versuche nicht, es von mir zu verlangen. Ich habe gelernt, ohne sie zu leben, und kein anderes Kind kann sie jemals ersetzen.“ Auch er rang nach Atem, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Ruhiger, leiser fügte er hinzu: „Sarah, ich liebe dich. Das ist mehr, als ich mir je wieder erhofft hatte. Dich zu haben, dich zu lieben hat meinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Aber ein Baby … nein. Ich kann es nicht. Bekomme es nicht. Wenn du mich liebst, dann … bekomme das Baby nicht.“
Keine Frau sollte jemals vor diese Entscheidung gestellt werden, dachte Sarah benommen. Sie verstand seine Verzweiflung. Sie erinnerte sich an sein Gesicht, als er an den Gräbern seiner Kinder gestanden hatte, und sie wusste, dass er am liebsten mit ihnen gestorben wäre. Doch dieses Wissen machte es ihr nicht leichter. Sie liebte ihn, und deshalb liebte sie auch sein Kind.
Er blickte sie verzweifelt an, und plötzlich wurden seine Augen und seine Wangen feucht. „Bitte“, flehte er mit zitternder Stimme.
„Ich kann nicht“, flüsterte sie tonlos. „Ich würde alles tun, worum du mich bittest, aber das nicht. Ich liebe dich so sehr, dass ich niemals einem Teil von dir schaden könnte, und dieses Lebewesen ist ein Teil von dir. Ich liebe dich seit Jahren, nicht erst seit den paar Monaten, die wir verheiratet sind. Ich habe dich schon geliebt, bevor du Diane überhaupt kennengelernt hast. Ich habe Justin und Shane geliebt, weil sie von dir waren.“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dich nicht zu lieben, was immer du auch tust. Wenn du dieses Baby wirklich nicht akzeptieren kannst, ist es deine Entscheidung. Aber ich kann es nicht vernichten.“
Rome wandte sich ab, mit behäbigen Bewegungen, wie ein alter Mann. „Und was nun?“, fragte er mit schwerer Stimme.
„Es ist deine Entscheidung“, wiederholte Sarah. Es wunderte sie, dass ihre Stimme so ruhig klang. „Wenn du gehen willst, habe ich Verständnis dafür. Wenn du bleibst, werde ich versuchen …“ Ihre Stimme brach plötzlich, und sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr: „Ich werde versuchen, dir das Baby fernzuhalten. Ich werde dich nie darum bitten, es zu versorgen oder zu halten. Ich schwöre, dass du nicht einmal seinen Namen erfahren wirst, wenn du nicht willst. Im Grunde genommen wirst du gar kein Vater sein.“
„Ich weiß nicht“, sagte er matt. „Es tut mir leid, aber ich weiß einfach nicht.“
Er ging an ihr vorbei, und sie folgte ihm mit weichen Knien. Auf dem Weg zur Wohnungstür blieb er mit gesenktem Kopf stehen. Ohne sie anzusehen, sagte er: „Ich liebe dich. Mehr als du ahnst. Ich wünschte, ich hätte es dir schon vorher gesagt, aber …“ Er machte eine hilflose Handbewegung. „Etwas in mir ist mit ihnen gestorben. Sie waren noch so klein und sind immer zu mir gekommen, wenn sie Schutz brauchten. In ihren Augen gab es nichts, was ich nicht konnte. Aber als sie mich wirklich brauchten, konnte ich ihnen nicht helfen. Ich konnte sie nur … im Arm halten … als es schon zu spät war.“
Sein Gesicht war verzerrt vor Kummer, und er rieb sich die Augen, wischte die Tränen fort, die er um seine Söhne weinte. „Ich muss gehen. Ich muss eine Zeit lang allein sein. Ich melde mich. Pass auf dich auf.“
Nachdem sich die Tür längst hinter ihm geschlossen hatte, stand Sarah immer noch da und starrte das nackte Holz an. Sie hatte gewusst, dass es schwer sein würde, aber sie hatte nicht geahnt, dass seine Reaktion so heftig, sein Schmerz so stark sein würde.
Er hatte gesagt, dass er sie liebte. Wie grausam war es, dass ihr mit einer Hand der Himmel geboten und mit der anderen wieder weggenommen wurde!
Rome kam an diesem Abend nicht nach Hause. Sarah lag in dem Bett, das sie seit ihrer Grippe jede Nacht mit ihm geteilt hatte, und weinte, bis ihre Tränen versiegten.
Am nächsten Morgen ging sie ins Geschäft, obwohl sie nicht geschlafen hatte. Erica bemerkte ihr blasses Gesicht sowie die geschwollenen Augen, schwieg aber taktvoll und bediente die meisten Kunden, sodass Sarah im Büro bleiben und die Buchführung auf den neuesten Stand bringen konnte. Selbst diese Tätigkeit war schmerzlich, denn alles erinnerte sie an Rome. Er hatte die Bücher eingerichtet, das Computerprogramm für sie erstellt, jeden Samstag in diesem Büro gearbeitet, und vielleicht war sogar auf eben diesem Schreibtisch ihr Kind gezeugt worden.
Als Derek am Nachmittag kam und sie sah, fragte er sofort: „Was ist mit Ihnen? Kann ich helfen?“
Eine Woge der Zuneigung stieg in ihr auf. Wie ein Sechzehnjähriger so wundervoll sein konnte, war ihr unverständlich. Für ihn konnte sie sogar lächeln. „Ich bin schwanger.“
Er zog sich den einzigen anderen Stuhl im Raum heran. „Ist das schlimm?“
„Ich finde es wundervoll. Das Problem ist, dass Rome es nicht will. Er war schon mal verheiratet und hatte zwei kleine Jungen. Sie starben bei einem Autounfall vor fast drei Jahren, und seitdem kann er keine Kinder mehr ertragen. Es ist immer noch zu schmerzvoll für ihn.“
„Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Er weiß erst, wie er wirklich fühlt, wenn das Baby geboren ist und er es sieht. Babys sind etwas ganz Besonderes, wissen Sie.“
„Ja, ich weiß. Und du auch.“
Er schenkte ihr sein verträumtes, friedliches Lächeln und stand auf, um seinen Pflichten nachzugehen.
Eine weitere Nacht verging ohne ein Wort von Rome, doch in dieser Nacht schlief Sarah vor Erschöpfung und den Anforderungen, die die Schwangerschaft an ihren Körper stellte.
Als Sarah am nächsten Abend nach Hause fuhr, fiel ihr plötzlich auf, dass der Frühling ins Land zog. Es war noch kühl, aber die Bäume begannen auszuschlagen. Am Ende des letzten Sommers hatte sie in ihrem Büro gesessen und den Übergang des Sommers in Herbst und Winter mit dem Zerrinnen ihres Lebens verglichen, ohne Zukunft und ohne Hoffnung. Nun wurde ihr bewusst, dass jedem Winter ein neuer Frühling folgte. Der Winter hatte ihr Liebe gebracht, der Frühling brachte neues Leben, und plötzlich fühlte sie sich friedvoller. Die Kontinuität des Lebens beruhigte sie.
Romes Wagen stand auf dem Parkplatz. War er gekommen, um zu bleiben oder um seine Sachen zu packen? Mit weichen Knien ging sie zur Wohnung hinauf. In dem Wissen, dass die nächsten Minuten entscheidend für ihr weiteres Lebensglück waren, öffnete sie die Tür.
Ein köstliches, würziges Aroma empfing sie.
Rome erschien in der Küchentür. Er sah dünner aus, obwohl es erst zwei Tage her war, seit sie ihn gesehen hatte, und sein Gesicht wirkte abgespannt. Er war jedoch perfekt rasiert und trug eine Anzughose. Daher wusste sie, dass er wie gewöhnlich ins Büro gegangen war. „Spaghetti“, kündigte er ruhig an und deutete zur Küche. „Wenn du es nicht essen kannst, werfe ich es weg, und wir gehen zum Dinner aus.“
„Ich kann es essen“, entgegnete sie ebenso ruhig. „Bisher ist mir noch nicht übel.“
Er lehnte sich an den Türrahmen, so als wäre er sehr müde. „Ich will dich nicht verlassen. Ich will bei dir sein, mit dir schlafen, dein Gesicht am Frühstückstisch sehen. Aber ich will nichts von dem Baby wissen. Sprich nicht mit mir darüber, beziehe mich nicht ein. Ich will nichts damit zu tun haben.“
Sarah nickte. „In Ordnung“, brachte sie nur hervor und ging in ihr Zimmer, um sich umzuziehen.
Das Dinner verlief still und angespannt. Sie fragte Rome nicht, wo er gesteckt oder warum er diese Entscheidung getroffen hatte, und er verriet von sich aus nichts. Er hatte gesagt, dass er mit ihr schlafen wolle, doch als sie zu Bett gingen, wurde ihr bewusst, dass er es anders meinte als sie. Denn zum ersten Mal seit langer Zeit ging er in sein eigenes Zimmer. Sarah versuchte, nicht allzu enttäuscht zu sein, aber sie vermisste ihn. Ohne ihn fühlte sie sich verloren, und das Bett erschien ihr kalt und viel zu groß. Außerdem verstärkte die Schwangerschaft ihre Bedürfnisse. Sie wollte Rome als Liebhaber, nicht nur als Schlafgefährten.
Zwei Tage später kam Max in ihren Laden und lud Sarah zum Lunch ein. Er führte sie in ein kleines ruhiges Restaurant. Nachdem die Kellnerin die Bestellung aufgenommen hatte, bedachte er Sarah mit einem forschenden Blick. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, natürlich“, erwiderte sie überrascht.
„Ich wollte mich selbst vergewissern. Rome hat zwei Nächte in meiner Wohnung verbracht und sich wie ein Verrückter aufgeführt.“
Dort hatte er also gesteckt! „Danke, dass du es mir sagst.“
„Mein liebes Mädchen, du weißt doch, dass ich Drachen für dich töten würde, wenn es noch welche gäbe. Sag mir, was ich für dich tun kann.“
„Ich nehme an, du kennst die ganze Geschichte?“
Er nickte. „Er war völlig verwirrt. Ich habe ihm meinen besten Scotch gegeben, und schließlich hat er angefangen zu reden. Ich wusste nichts von seiner Vergangenheit. Als er mir von seiner ersten Frau und seinen beiden Söhnen erzählt hat, war ich sehr betroffen, und dabei bin ich kein besonders gefühlsbetonter Typ.“ Ausnahmsweise wirkte er sehr ernst. „Am ersten Abend wollte er mir nicht mehr erzählen. Am nächsten Tag hat er wie normal gearbeitet, obwohl er nicht normal war. Es war gefährlich, ihn nur anzusprechen. Am zweiten Abend hat er mir erzählt, dass du schwanger bist.“
„Hat er dir gesagt …“
„Ja.“ Er legte eine Hand auf ihre. „Ich finde, er ist verrückt oder dumm oder beides. Wenn du ein Kind von mir bekämst, wäre ich unsagbar stolz. Aber ich habe auch nicht seine Erfahrungen gemacht.“
„Diane war meine beste Freundin“, flüsterte Sarah. „Ich kannte die Kinder. Es war … furchtbar.“
„Er hat mir von deinem Ultimatum erzählt. Du bist die mutigste Frau, die ich kenne. Du hast alles auf eine Karte gesetzt. Und du hast gewonnen.“
„Ich habe noch nicht gewonnen. Ich habe nur eine zweite Chance.“
„Er hat mir gesagt, dass er nichts mit dem Kind zu tun haben will. Falls es dabei bleibt und du jemals etwas brauchst, dann bin ich für dich da. Es wäre mir eine Ehre, als Ersatzvater zu fungieren. Ich würde dich ins Krankenhaus fahren, dir bei der Entbindung die Hand halten, was immer du willst.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Ist dir klar, zu was ich mich gerade verpflichtet habe? Rome ist nicht der einzige Dummkopf. Ich kann nur hoffen, dass er schlau genug ist, keinen anderen Mann in diesem Ausmaß bei seiner Frau einspringen zu lassen.“
Sarah lachte. „Du Ärmster! Dir ging es so gut, bis du an die Entbindung gedacht hast, nicht wahr?“
Er grinste. „Ich war schon immer äußerst galant, so weit es meine Zimperlichkeit zulässt.“
Der Lunch wurde serviert, und Sarah aß zum ersten Mal seit Tagen mit gutem Appetit.
„Mir ist jetzt klar“, sinnierte Max, „warum Rome unbedingt Exklusivrechte auf dich haben wollte. Nach seiner traumatischen Vergangenheit braucht er unbedingt Stabilität in seinem Leben. Er wusste nicht, dass du ihn liebst, oder?“
„Nein, damals nicht. Jetzt weiß er es.“
„Inzwischen liebt er dich auch. Er ist kein Idiot und hat gemerkt, welch ein Schatz du bist. Er ist natürlich trotzdem ein Unhold, aber er ist verdammt klug. Dummheit ist das Einzige, was ich nicht ertragen kann. Manchmal nervt es mich, dass ich ihn so sehr mag.“
Max war unbezahlbar. Er setzte seinen geistreichen Humor ein, um sie aufzuheitern und gleichzeitig zu beruhigen. Sarah konnte von Glück sagen, dass sie so gute Freunde hatte, die sie und auch Rome mochten und versuchten, ihre Ehe zu retten.
„Du bist ein wundervoller Mann“, sagte sie. „Was dir fehlt, ist eine wundervolle Texanerin, die dich aus deiner britischen Reserve lockt.“
„Meine britische Reserve wird gelegentlich über Bord geworfen, und ich habe bereits eine wundervolle Texanerin gefunden. Ich würde sie gern meiner Familie vorstellen, aber sie muss erst gezähmt wer den.“
Der kultivierte Max mit einer feurigen, wilden Frau war eine faszinierende Vorstellung. Sarah beugte sich vor, mit unzähligen neugierigen Fragen auf den Lippen, aber er hob eine Hand und wehrte ab: „Der Kavalier genießt und schweigt.“
An diesem Abend kam Rome in Sarahs Zimmer und liebte sie sehr sanft. Danach, als er sich zurückziehen wollte, legte sie eine Hand auf seinen Arm. „Bitte, bleib noch ein bisschen bei mir.“
Er zögerte, legte sich dann wieder hin und nahm sie in die Arme. „Ich will dir nicht wehtun“, sagte er mit rauer Stimme. „Ich begehre dich zu sehr. Wenn ich bleibe, lieben wir uns noch mal.“
Sie rieb die Wange an seiner Brust und entgegnete belustigt: „Das hoffe ich ja gerade. Ich möchte, dass du bei mir bleibst, solange du dich bei mir wohlfühlst.“
„Wohl? Genau so fühle ich mich bei dir.“ Er nahm ihre Hand, führte sie an seinem Körper hinab und zeigte ihr, wie erregt er war. „Wenn du körperlich nicht in der Lage bist, die Nacht so zu verbringen, wie ich gern möchte, dann lass mich lieber gehen.“
„Ich bin zu allem in der Lage“, versicherte sie und rollte sich auf ihn. „Ich bin völlig gesund.“
Er ging sehr behutsam mit ihr um und achtete darauf, dass sie sich nicht überanstrengte. Sie wusste, dass seine Besorgnis allein ihr galt, nicht dem Baby, aber es tröstete sie dennoch. Er sagte ihr, dass er sie liebte, und als sie schließlich einschliefen, hielt er sie eng an sich gedrückt.
Als Sarah zu ihrer zweiwöchentlichen Untersuchung ging, verkündete Dr. Easterwood: „Es scheint alles perfekt zu sein. Wie steht es mit morgendlicher Übelkeit?“
„Keine“, erwiderte Sarah strahlend.
„Gut.“
„Warum muss ich alle zwei Wochen kommen?“
„Wegen Ihres Alters, und weil es Ihr erstes Kind ist. Ich bin wahrscheinlich übervorsichtig, aber ich möchte, dass Sie alle zwei Stunden eine Pause von dreißig Minuten einlegen und die Füße hochlegen.“
Das Baby entwickelte sich zu einem Gemeinschaftsprojekt. Marcie kam mindestens einmal am Tag vorbei, Max tauchte zu unerwarteten Zeiten auf, Erica und die Kunden achteten auf die Einhaltung der Ruhepausen, und Derek überwachte alles.
Sarah war im vierten Monat, als Rome an einem Mittwochnachmittag, als das Geschäft geschlossen war, unerwartet früh nach Hause kam. Sie legte gerade die Küchenschränke mit Papier aus und war mit dem Oberkörper in das unterste Fach gekrochen. Er packte sie an den Hüften und zog sie entschieden heraus. „Ich stelle jemanden für die Hausarbeit ein“, entschied er. „Schon morgen.“
„Millionen von Frauen auf der ganzen Welt kümmern sich um ihren Haushalt, während sie schwanger sind, bis zum Tag der Geburt.“
„Du bist nicht Millionen von Frauen. Es wäre etwas anderes, wenn ich nicht so oft verreisen müsste. Ich kann dir helfen, wenn ich hier bin. Aber wenn ich weg bin, will ich sicher sein, dass du nicht auf oder in Schränken herumkriechst.“
Seine Besorgnis war ein gutes Zeichen. Sie beruhte nicht darauf, dass Sarah unbeholfen oder unförmig war. Sie hatte nur ein Pfund zugenommen und trug immer noch ihre normale Kleidung. Das einzige spürbare Anzeichen der Schwangerschaft war eine größere Fülle und eine größere Empfindsamkeit ihrer Brüste, was beides Rome zu faszinieren schien.
Er war stiller als zuvor, fürsorglicher und dennoch zurückhaltender. Wenn er verreist war, rief er noch öfter an. Wenn er ein Geschäftsessen hatte, arrangierte er es häufiger, dass sie teilnehmen konnte, damit sie den Abend nicht allein verbrachte. Er erkundigte sich jedoch nie nach dem Baby oder der letzten Untersuchung.
Sie wusste, dass sie auf das Vergnügen verzichten musste, gemeinsam mit ihm einen Namen auszusuchen oder über das faszinierende Thema zu spekulieren, ob es ein Junge oder ein Mädchen würde. Doch viele Väter zeigten wenig Interesse an ihrem Nachwuchs, bis die Wehen einsetzten. Sarah hoffte immer noch. Sie musste hoffen, auch wenn zu befürchten war, dass sie dem Kind eines Tages erklären musste, warum sein Daddy nichts von ihm wissen wollte.
Mit oder ohne Rome musste sie sich auf das Baby vorbereiten. Daher begann sie das dritte Schlafzimmer als Kinderzimmer einzurichten. Derek half ihr, die vorhandenen Möbel zum Verkauf in das Geschäft zu befördern. Marcie ging mit ihr einkaufen. Eine Wiege, ein Kinderbett und ein Schaukelstuhl wurden aufgestellt und ein fröhliches Mobile aufgehängt. Eines Nachmittags fand Sarah auf dem Beifahrersitz ihres Wagens einen großen Teddybären, der nur von Derek stammen konnte. Sie setzte ihn in den Schaukelstuhl und taufte ihn Boo-Boo.
Eines Abends, als Rome einige verlegte Papiere suchte, öffnete er die Tür zum dritten Schlafzimmer und knipste das Licht an. Er erstarrte, löschte hastig das Licht und schloss die Tür. Sein Gesicht war bleich. Er öffnete die Tür nicht wieder.
Sarah bat Marcie, mit ihr einen Kursus über natürliche Geburt zu besuchen und ihr bei den Übungen zu helfen. Erfreut, aber auch zweifelnd entgegnete Marcie: „Ich weiß eigentlich nichts vom Kinderkriegen. Ich meine, ich habe zwar Derek bekommen, aber er hatte alles bestens organisiert. Das klingt seltsam, aber ich schwöre, dass es so war. Die Wehen setzten um acht Uhr morgens ein, gerade als die Visite im Krankenhaus begann. Derek war schon immer sehr rücksichtsvoll. Er wurde um halb zehn geboren, ohne Probleme und mit sehr wenig Anstrengung meinerseits. Er hat von selbst geschrien, bevor der Arzt ihn dazu bringen musste. Dann hat er an seiner Faust genuckelt und ist eingeschlafen. Das war alles.“
Sie blickten sich an und brachen beide prustend in heftiges Lachen aus.
Sarah machte regelmäßig alle Übungen, die Dr. Easterwood ihr zur Stärkung des Rückens und der Bauchmuskulatur verordnet hatte, und sie nahm folgsam die Vitamine ein. Ansonsten ließ sie regelmäßig Ultraschalluntersuchungen machen, die zeigten, dass das Baby sich völlig normal entwickelte.
Eines Abends vor dem Einschlafen bettete Rome Sarahs Kopf an seine Schulter und zog sie fest an sich. Sie hatten sich gerade geliebt, und sie fühlte sich schläfrig und zufrieden. In diesem Moment bewegte sich das Baby zum ersten Mal sehr heftig. Der winzige Fuß trat gegen ihren Bauch, der an Romes Seite ruhte. Er erstarrte, unterdrückte einen Fluch und sprang aus dem Bett.
Nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, sagte er rau: „Es tut mir leid.“ Er beugte sich zu ihr hinunter, küsste sie und streichelte ihr über das Haar. „Ich liebe dich, aber ich kann es nicht ertragen. Ich schlafe bis nach der Geburt in meinem Zimmer.“
Sarah bemühte sich um ein Lächeln und sagte, allerdings mit Tränen in den Augen: „Ich verstehe. Mir tut es auch leid.“
Zwei Tage später brach Rome zu einer ausgedehnten Geschäftsreise auf. Sarah vermutete, dass er sich freiwillig dazu angeboten hatte, aber sie konnte es ihm nicht verdenken. Die Schwangerschaft wurde immer offensichtlicher. Ihre Figur rundete sich, und sie musste inzwischen Umstandskleider tragen. Das werdende Lebewesen hatte Romes Schlafgewohnheiten und sein Liebesleben verändert. Kein Wunder, dass er den Drang verspürte, wegzufahren.
Während seiner Abwesenheit rief Max jeden Tag an. Sarah war noch nie so umsorgt worden. Derek herrschte wie ein sanfter Despot im Geschäft. Da er Schulferien hatte, gab es kein Entrinnen vor ihm. Er war bereits da, wenn sie eintraf, und ging nie vor ihr. Rome hatte tatsächlich eine Haushälterin engagiert. Mrs. Melton war eine freundliche Frau mittleren Alters, die das Apartment makellos in Ordnung hielt. Hätte Sarah nicht Zerstreuung in ihrem Geschäft gefunden, wäre sie vermutlich verrückt geworden.
Rome blieb drei Wochen fort. Es wurden die längsten Wochen ihres Lebens, aber alle bemühten sich, sie aufzuheitern. Nur Marcie, Derek und Max kannten die Umstände, aber sämtliche Kunden bemutterten Sarah.
Eines Tages rief Rome im Geschäft an und teilte Sarah kurz mit, dass er am nächsten Tag nach Hause kommen würde. Als sie den Hörer auflegte, standen ihr Tränen in den Augen.
Derek nahm sie in die Arme, führte sie ins Büro und schloss die Tür. Er wiegte sie sanft, trocknete ihr dann die Augen und setzte sie auf einen Stuhl. „War das Rome?“
„Ja. Er kommt morgen. Es hat mich nur so gefreut, seine Stimme zu hören und zu wissen, dass er bald nach Hause kommt.“
Derek lächelte und strich ihr über die Schulter. „Ich habe gestern die Zusage für mein Stipendium erhalten. Rome und Mr. Conroy haben sich wirklich für mich eingesetzt. Und alles vor allem Ihretwegen.“
„Oh Derek, da bin ich aber sehr froh für dich! Du verdienst das Beste.“
„Ich habe viel über Schwangerschaft und Geburt gelesen, für den Fall, dass etwas passiert und Sie mich brauchen. Ich glaube, ich könnte ein Baby holen.“
Sarah zweifelte nicht daran. Wenn Derek sich mit etwas befasst hatte, dann konnte er es auch ausführen.
„Ich habe beschlossen, Arzt zu werden“, fuhr er würdevoll fort. „Geburtshelfer. Zu beobachten, wie das Baby in Ihnen wächst, ist für mich das Größte, was ich je erlebt habe. Ich möchte vielen Babys auf die Welt helfen.“
„Ich könnte mir keinen besseren Anfang für ein Kind vorstellen“, sagte Sarah gerührt.
Er beugte sich vor und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Wenn dieses Baby ein Mädchen wird, dann warte ich vielleicht auf sie. Ich glaube, Ihre Tochter wird etwas ganz Besonderes.“
Mit einem zärtlichen Lächeln strich Sarah dem Jungen eine Locke aus der Stirn. „Sie könnte keinen besseren Mann bekommen“, flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange.
Am nächsten Nachmittag überließ sie Erica und Derek das Geschäft und fuhr früh nach Hause, weil sie es nicht erwarten konnte, Rome zu sehen. Als sie die Wohnung betrat, kam er gerade aus dem Bad. Ihr stockte der Atem bei seinem Anblick. Er sah wundervoll aus. Mit klopfendem Herzen lief sie auf ihn zu, hielt dann jedoch abrupt inne. Sie warf ihm einem hilflosen, verwirrten Blick zu und wurde bewusstlos, nicht nur zum ersten Mal während der Schwangerschaft, sondern in ihrem ganzen Leben.
Rome stürmte ihr entgegen, konnte sie aber nicht mehr auffangen. Mit einem leisen Fluch hob er sie vom Boden hoch und legte ihren schlaffen Körper auf das Bett. Kalter Schweiß brach ihm aus. Er befeuchtete einen Waschlappen, rieb ihre Hände und ihr Gesicht ab, legte den Lappen dann auf ihre Stirn. Ihre Augenlider flatterten, und dann starrte sie ihn verwirrt an. „Ich bin ohnmächtig geworden“, murmelte sie erstaunt.
„Wie heißt deine Ärztin?“, fragte er hektisch.
„Easterwood.“
Er suchte die Nummer aus dem Telefonbuch und wählte. Er verlangte die Ärztin und berichtete ihr, was geschehen war. Sie stellte ihm einige Fragen, und er warf Sarah einen grimmigen Blick zu. „Ja, sie hat eine abrupte Bewegung gemacht. Sie ist gerannt.“
Er lauschte eine Weile, und seine Miene wurde noch grimmiger. „Ich verstehe. Wie groß ist die Gefahr, dass es zu vorzeitigen Wehen kommt?“
Er hörte erneut aufmerksam zu, legte den Hörer auf und wandte sich zornig an Sarah. „Du bist in Gefahr, weil du in deinem Alter das erste Kind bekommst. Das Risiko ist noch größer, weil dein Becken sehr eng ist. Und du bist gerannt.“ Er machte eine grimmige Miene und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich will dieses Baby nicht, und schon gar nicht, wenn es ein Risiko für dich bedeutet. Warum hast du mir das nicht gesagt? Was glaubst du wohl, was du mir antust, wenn dir etwas passiert wegen eines Babys, das ich nicht …“ Er brach ab, rang mühsam um Beherrschung.
Sarah setzte sich auf, zog ihn in die Arme und drückte ihn an sich. „Rome, Darling, mir geht es gut. Ehrlich. Mach dir keine Sorgen. Ein Kaiserschnitt ist nur dann nötig, wenn das Baby sehr groß wird, und bisher ist es das nicht.“
Er schüttelte den Kopf, schloss die Arme um sie. „Hast du vergessen, wie groß Justin und Shane waren? Sie haben beide über neun Pfund gewogen! Allein der Gedanke, dass du ein so großes Kind bekommst, ist … ist … beängstigend.“
„Mal’ nicht den Teufel an die Wand, bitte. Ich hatte bisher keine Probleme. Keine Übelkeit, keine geschwollenen Füße, keine Rückenschmerzen. Ich bin völlig in Ordnung.“
Er bog ihren Kopf zurück, musterte ihr Gesicht, sah die Liebe und die Besorgnis. Besorgnis um ihn, nicht um sich selbst. Er küsste sie, bettete dann ihren Kopf an seine Brust. „Ich liebe dich“, murmelte er bewegt. „Du bist mein Wunder. Nimm es mir nicht.“
„Ich gehe nirgendwohin“, versicherte sie. „Ich habe zu lange auf dich gewartet. Jahrelang. Deswegen habe ich nie geheiratet, und deswegen dachte jeder, dass ich in meiner Arbeit aufgehe. Mich hat nie ein anderer Mann interessiert als du.“
Er rieb das Kinn an ihrer Schläfe und schloss die Augen. „Ich liebe dich so sehr, dass es mir Angst macht“, gestand er schließlich sehr leise. „Ich habe Diane geliebt, aber der Schmerz um ihren Verlust ist verschwunden, durch dich. Ich will dieses Baby nicht, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen zu dir. In mir ist einfach etwas gebrochen, als die Jungen starben, und ich glaube nicht, dass es je wieder verheilen wird. Ein anderes Baby wird sie niemals ersetzen.“
Nein, nichts konnte die beiden Jungen ersetzen. Und er konnte noch nicht begreifen, dass dieses ungeborene Kind kein Ersatz war, sondern eine eigenständige Persönlichkeit. Dass er es eines Tages einsehen würde, war ein weiteres Wunder, für das sie betete.