9. KAPITEL

N ach Ablauf einer weiteren Woche war Susan überzeugt, dass Cord der rätselhafteste Mann war, den sie je kennengelernt hatte. Gerade als sie zu dem Schluss gekommen war, dass er nur sexuelles Interesse an ihr hatte, verwirrte er sie damit, dass er sie jeden Abend ausführte, sie mit Wein und gutem Essen verwöhnte und mit ihr bis in die Morgenstunden tanzte.

Mit ihm zu tanzen, war etwas Besonderes. Er bewegte sich so verführerisch, dass das Tanzen fast wie ein Vorspiel war. Wenn sie seinen kraftvollen Körper an ihrem spürte, spielten ihre Sinne verrückt, und die unverhohlene Reaktion seines Körpers zeigte ihr, dass es ihm genauso ging. In Cords Armen fühlte Susan sich sicher und beschützt.

Er war in jeder Hinsicht ein Gentleman: Er war zärtlich, besorgt und machte ihr auf eine Weise den Hof, die sie genoss. Ein paar Tage ließ er sie allein schlafen, dann trug er sie wieder auf seinen Armen in ihr Schlafzimmer. Wenn er dann einige Stunden später ging, lag sie nackt auf dem Bett, zu erschöpft, um sich auch nur zuzudecken. Mit einem Lächeln auf den Lippen, die von leidenschaftlichen Küssen geschwollen waren, schlief sie ein.

Eigentlich hätte Susan schon längst vor Schlafmangel zusammenbrechen müssen, aber im Gegenteil: Sie war voller Energie. Spielend erledigte sie die Arbeit und war von ihrer Vorfreude, abends wieder in Cords Armen zu liegen, so eingenommen, dass sie Prestons Niedergeschlagenheit kaum bemerkte.

Doch dieses Glück machte den Schlag, der unweigerlich folgen musste, umso grausamer. Eines Morgens kam Preston in ihr Büro, grau im Gesicht. Als Susan von ihren Unterlagen aufsah, erstarb ihr das Lächeln auf den Lippen. Besorgt stand sie auf und nahm Prestons Arm.

„Was ist denn passiert?“ Sie machte sich Vorwürfe, dass sie in den letzten Tagen so wenig auf ihn geachtet hatte. Irgendetwas hatte ihn beschäftigt, und jetzt schämte sich Susan für ihren Egoismus.

Wortlos reichte er ihr einige Papiere. Sie runzelte die Stirn. „Was ist das?“

„Lies es.“

Susan blätterte die Unterlagen durch. Ihre Augen weiteten sich, wäh-rend sie noch hoffte, es handele sich nur um einen Irrtum. Aber die Schriftstücke waren unmissverständlich, ihre Bedeutung war klar. Cord hatte eine ausstehende Anleihe der Blackstone Company aufgekauft und forderte jetzt den Betrag zurück. Sie hatten eine Zahlungsfrist von drei-ßig Ta gen.

Das Gefühl, betrogen worden zu sein, erstickte Susan fast. Sie ließ die Papiere auf den Tisch fallen und sah Preston entsetzt an. Wie konnte Cord so etwas tun?

„Nun, jetzt weißt du, auf wen du dich da eingelassen hast“, sagte Preston mit einem Blick auf die Unterlagen.

Susan musste sich auf den Tisch stützen, weil ihr schwindelig wurde. Ihre Enttäuschung war unermesslich. Warum hatte Cord das getan? Begriff er denn nicht, dass er damit nicht nur Preston, sondern auch ihr wehtat? Er bedrohte die ganze Firma, nicht nur ihr Vermögen, sondern auch die Arbeitsplätze von Hunderten. Das musste er doch wissen, und daraus folgte, dass es ihm egal war.

Nach der Woche voller Leidenschaft war die brutale Erkenntnis, dass ihm das alles nichts bedeutete, für Susan wie ein Schlag ins Gesicht.

„Ich hatte immer angenommen, dass wir gegen so etwas abgesichert sind.“ Teilnahmslos starrte Preston zu Boden. „Aber Cord hat einen Weg gefunden und die Anleihe gekauft. Er will sie eintreiben. Gott weiß, woher er das Geld hat oder wie er überhaupt von der Anleihe erfahren hat …“ Er brach ab und sah Susan anklagend an.

Wie konnte Preston glauben, dass sie ihn an Cord verraten würde, nach allem, was sie getan hatte, um Cord von seinen Racheplänen abzubringen! Aber andererseits, warum nicht? Wieso sollte Preston ihr vertrauen? Cord tat es ja auch nicht, obwohl sie sich ihm leidenschaftlich hin gab.

„Wie kannst du das glauben?“, brachte Susan hervor. „Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen.“

„Woher wusste er es dann?“

„Ich weiß es nicht!“, rief sie. Sie war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. „Es tut mir leid, aber ich habe ihm nichts gesagt, ich schwöre es.“

Preston holte bebend Luft. „Er spielt uns gegeneinander aus“, sagte er elend. Dann nahm er Susan in die Arme. „Ich weiß, dass du ihm nichts gesagt hast, du könntest so etwas gar nicht. Es tut mir leid. Ich bin völlig fertig, Susan. Er versucht, uns zu ruinieren.“

Sie konnte es nicht leugnen, denn der Beweis lag vor ihr auf dem Tisch. Susan drückte das Gesicht an Prestons Schulter. Das Schlimme war, dass sie Cord nicht weniger liebte, obwohl er so rücksichtslos war. Sie hätte wissen müssen, worauf sie sich bei einem Mann wie ihm einließ.

Jetzt mussten sie handeln und eine Strategie entwickeln. „Wie sehr wird die Gesellschaft zu leiden haben?“, begann sie sachlich.

Preston ließ sich in einen Stuhl fallen. „Sehr. Er hätte sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Zurzeit können wir wenig Geld lockermachen, weil wir sehr viel in Projekte investiert haben, die sich frühestens in einem Jahr auszahlen werden, vielleicht sogar erst in zwei. Du hattest mit dem Laserwerk in Palo Alto zu tun, du weißt ja, wie viel allein in diesem Projekt steckt.“

„Und was ist mit unserem persönlichen Vermögen? Wenn wir das liquide machen, können wir vielleicht genug Geld aufbringen …“

Preston schüttelte den Kopf und lächelte resigniert. „Was glaubst du, womit ich unsere Schulden bei ihm bezahlt habe?“

Susan lehnte sich zurück. Das hatte Cord ja geschickt eingefädelt! Und er musste es schon lange geplant haben. Erst hatte er gedroht, vor Gericht zu gehen, dann hatte er sich zurückgelehnt und gewartet, bis Preston ihm das Geld zurückgezahlt hatte, das ihn bis an sein Limit brachte. Und jetzt startete er eine neue Attacke.

Doch sie hatte nicht vor aufzugeben. „Imogene und ich könnten doch dafür aufkommen. Wir haben Aktien, die wir verkaufen können, und Grundstücke in bester Lage …“

„Susan, hör auf damit“, wandte Preston sanft ein. „Mutter hat Cord ebenfalls aus ihrem eigenen Vermögen bezahlt und ist so knapp bei Kasse wie ich. Du könntest die Summe allein nicht aufbringen, ohne dich zu ruinieren.“

Sie zuckte die Schultern. „Wenn wir zwei Jahre durchstehen, wäre die Firma wieder sicher. Das ist alles, was zählt.“

„Glaubst du wirklich, ich lasse zu, dass du alles verkaufst, was Vance dir geschenkt hat? Von eurer Hochzeit an hat er alles getan, damit du immer in gesicherten Verhältnissen lebst, egal, was noch passiert. Er liebte dich, und ich erlaube nicht, dass du rückgängig machst, was er für dich getan hat.“

„Solange wir nicht Bankrott gehen, kann man das alles ersetzen.“ „Dass wir die Anleihe bezahlen, ist keine Garantie. Offensichtlich hat Cord genug Geld im Hintergrund, um uns zu zerstören, wenn er will. Wenn er eine zweite Anleihe kauft, müssen wir Konkurs anmelden, selbst wenn du alles verkaufen würdest.“

Prestons Argumente waren unwiderlegbar. Susan fror bis ins innerste Mark. „Dann können wir gar nichts tun?“

„Ich weiß nicht. Wir müssen genau überlegen. Das Schlimme ist, Cord hat ebenfalls Anteile an der Gesellschaft, aber das scheint ihn nicht aufzuhalten. Offenbar nimmt er den Verlust in Kauf, solange er mir nur schadet. Ich kann nicht glauben, dass er so weit geht. Ich weiß ja, dass er mich hasst, aber das ist … das ist verrückt!“

Der Gedanke, dass jemand so wild entschlossen war, aus Rache gegen sein eigenes Interesse vorzugehen, war für Susan unerträglich. Cord zog die Schrauben an und freute sich, dass Preston litt. Er hatte ja sogar zugegeben, dass er ihn demütigen wollte.

Es war Zeit, das sinnlose Herumreiten auf der Vergangenheit endlich zu beenden. Das Ganze dauerte schon viel zu lange und hatte Menschen einer Familie zu bitteren Feinden gemacht.

Es war schon spät, als Susan an diesem Tag das Büro verließ. Die ganze Zeit hatte sie mit Preston verschiedene Möglichkeiten durchdacht, wie sie die Gesellschaft vor dem Ruin retten könnten. Sie kam vollkommen erschöpft nach Hause, wo Emily auf sie wartete und sie zum Essen drängte.

„Gehen Sie heute Abend wieder mit Cord aus?“, fragte sie.

„Oh … ich weiß nicht. Er sagte, er käme heute vielleicht später. Er hatte irgendetwas in New Orleans zu erledigen.“ Bei dem Gedanken wurde ihr übel. Was könnte er vorhaben? Wollte er noch einen weiteren Nagel in den Sarg der Blackstone Company treiben?

„Nun, ich glaube, Sie brauchen mehr Schlaf, als Sie in der letzten Zeit hatten“, schalt Emily. „Sie sehen aus wie aus dem Wasser gezogen. Schicken Sie ihn früh weg, wenn er kommt.“

Irgendwie brachte Susan ein dankbares Lächeln zustande. „Ja, mach ich.“

Sie liebte Cord, aber was seine Gefühle für sie betraf, war sie unsicher. Sie hatte im Augenblick eher den Eindruck, er wollte ihr ein Messer in den Rücken stechen.

Vielleicht kam er ja auch gar nicht. Susan hoffte es fast: Sie war müde und zu verletzt von seinem Verrat. Aber wieso sollte sie sich etwas vormachen? Schließlich hatte er ihr nichts versprochen. Alles, was er ihr bisher gegeben hatte, war körperliche Lust, und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich darüber hinaus binden wollte.

Dass er an diesem Abend dennoch kam, überraschte Susan. Es war schon nach neun Uhr, als sie sein Auto auf der Auffahrt hörte. Ihr Herz klopfte laut, und sie streifte ihre feuchtkalten Hände am Rock ab. Wie sollte sie Cord gegenübertreten?

Es klingelte an der Tür. Susan stand einfach nur da, unfähig, sich zu rühren. Kalte Furcht überlief sie. Die Sekunden verrannen, und Cord läutete erneut. Erst als er gegen die Tür hämmerte, fand sie die Kraft, zu öff nen.

Cord stand drohend auf der Schwelle. Grob fasste er Susan am Arm. „Bist du in Ordnung?“, fragte er atemlos, und die Sorge in seiner Stimme war unüberhörbar. „Das Licht war an, aber ich dachte, es stimmt was nicht, als du nicht aufgemacht hast.“

Er riss Susan in seine Arme, presste seinen Mund auf ihren und küsste sie so hungrig, dass sie einen Moment lang alles vergaß. Sein aufregender männlicher Duft und der Kaffeegeschmack seines Mundes überwältigten sie, und sie grub die Finger tief in seine Rückenmuskeln, während sie seinen Kuss erwiderte.

Bevor sie denken konnte, hatte er sie auf seine Arme gehoben und lief mit ihr die Treppen hinauf. Als sie spürte, wie ihr der letzte Rest Selbstkontrolle entglitt, keuchte Susan: „Warte! Ich muss mit dir …“

Wieder legte er seinen Mund auf ihren und erstickte ihre verzweifelten Worte mit einem tiefen Kuss, bevor er sich mit ihr aufs Bett legte. Hätte er sie losgelassen, hätte sie vielleicht eine Chance gehabt, sich zu sammeln. Aber er schob sich auf sie, ohne seine Küsse zu unterbrechen, und ließ die Hände unter ihren Rock gleiten, um ihr den Slip auszuziehen.

Überwältigt von Cords grenzenloser Lust, vergaß Susan den Graben, der sie von ihm trennte. Sie legte ihm die Arme um den Nacken, als er ihre Beine spreizte und so leidenschaftlich in sie eindrang, dass sie lustvoll aufschrie.

Nicht nur Susan war von seiner Eile überrascht. Cord war beunruhigt gewesen, als Susan auf sein Klopfen hin nicht geöffnet hatte, und im Geist hatte er sie schon leblos am Fuß der Treppe liegen sehen. Nachdem sie schließlich doch aufgemacht hatte, zwar bleich und still, aber offenbar wohlbehalten, hatte sich seine Erleichterung in heißes Verlangen verwandelt.

Er musste sie sofort besitzen und sich tief in sie senken, um sich zu versichern, dass sie immer noch da war und ihm gehörte. Nur ihr Geschmack, das Gefühl ihrer seidigen Haut unter seinen Händen, ihre vertraute Umarmung konnten seine Angst vertreiben. Sein Verlangen steigerte sich immer mehr, während er spürte, wie die Spannung auch in ihr wuchs. Zu wissen, dass sie ihn wollte und er sie befriedigen konnte, verschaffte ihm genauso viel Lust wie ihr biegsamer Körper.

Susan war machtlos, die kleinen Schreie zu unterdrücken, die sich ihr entrangen. Sie wollte Befriedigung, schob die Finger in sein Haar und bog sich Cord entgegen.

Er lag schwer auf ihr, aber sie spürte sein Gewicht kaum. Als Cord sich ihre Beine um den Rücken legte, wurde ihr Stöhnen lauter. Absichtlich verlangsamte er sein Tempo, um Susans Lust zu verlängern. Mit seinen starken Händen auf ihren Hüften führte er sie und hielt immer wieder inne, sobald sie sich seinem Rhythmus angepasst hatte.

Plötzlich hörte Susan sich selbst die drei Liebesworte keuchen, die sie ihm immer hatte sagen wollen, aber bislang nie ausgesprochen hatte.

Cord stöhnte auf und verstärkte seinen Griff. Auch er war am Ende seiner Kontrolle. Hungrig drang er noch einmal tief in sie ein, und unmittelbar darauf verströmte er sich in ihr.

Um ihre Schreie zu unterdrücken, vergrub sie das Gesicht an seiner Schulter, als ein ekstatischer Höhepunkt sie wild erschauern ließ.

Susan strich Cord das schweißnasse Haar von der Schläfe. Er rollte sanft von ihr herunter und legte sich auf den Rücken, einen Arm über den Au gen.

Jetzt, nachdem ihre körperliche Sehnsucht gestillt war, kehrte Susans Anspannung zurück. Niemals hätte sie zulassen dürfen, dass er mit ihr schlief, heute, wo so viel geschehen war. Und jetzt wusste er auch noch, dass sie ihn liebte!

In ihrer Resignation bekam Susan nur halb mit, wie Cord ins Bad ging. Als sie Wasser rauschen hörte, öffnete sie die Augen und sah, dass er ein Glas Wasser trank. Er hatte seine Kleidung schon wieder in Ordnung gebracht, und Susan wusste, dass er gleich gehen würde, jetzt, da er seine Lust gestillt hatte. Sie ballte die Hände zu Fäusten.

Cord sah sie vorwurfsvoll an. „Du hast mich vorhin zu Tode erschreckt“, sagte er. „Warum bist du nicht an die Tür gegangen?“

Susan setzte sich auf und schob sich den Rock hinunter. Dann strich sie sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. „Du hast eine Anleihe der Blackstone Company aufgekauft und forderst sie ein“, erklärte sie tonlos.

„Das hat nichts mit dir zu tun“, bemerkte er rau.

Das Lachen, das aus ihr herausbrach, klang fast wie ein Schluchzen. Susan stand auf. Fast hätten ihr die Beine den Dienst verweigert.

„Doch, das hat es, und das weißt du. Wenn du Preston und Imogene attackierst, attackierst du auch mich. Wenn sie Bankrott gehen, dann gehe ich auch Bankrott.“

„Darüber musst du dir keine Sorgen machen. Ich sorge für dich.“

Die kühle Arroganz seiner Worte machte sie sprachlos. „Was soll das denn heißen? Willst du mich wie eine … eine Sklavin halten? Soll ich dafür auch noch dankbar sein?“

Er hob eine Augenbraue. „Ich verstehe ehrlich gesagt nicht ganz, wo dein Problem liegt“, meinte er und fügte wie beiläufig hinzu: „Immerhin hast du gesagt, dass du mich liebst.“

Susan stöhnte auf. Was er da sagte, war unglaublich. Sie konnte ihm kaum in die Augen sehen.

„Du würdest … du würdest uns wirklich in den Bankrott treiben, nur um es Preston heimzuzahlen? Selbst wenn du weißt, dass viele andere auch ihren Job verlieren werden?“

„Ja.“ Sein Ton war unerbittlich, und die letzte Hoffnung in ihr erstarb. Bisher hatte sie einen winzigen Hoffnungsschimmer gehabt, er würde die Dinge nicht bis zum Äußersten treiben.

„Damit tust du dir doch nur selbst weh!“, rief sie. „Wie kannst du das tun?“

Lässig zuckte er die Schultern.

„Cord, hör auf damit! Bitte! Übertreib es nicht. Wann wirst du genug haben? Und wenn du uns alle ruiniert hast, was dann? Davon wird Judith auch nicht mehr lebendig.“

Seine Züge versteinerten, und Susan spürte, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. „Du willst doch nur deine Schuldgefühle wegen Judith beruhigen, weil du daran beteiligt warst, was ihr passiert ist …“

Mit wenigen Schritten war er bei ihr und packte sie an den Schultern. „Hör auf mit Judith! Es war ein Fehler, dir von ihr zu erzählen, aber es wird noch ein viel größerer sein, wenn du sie noch einmal erwähnst. Zum letzten Mal, halt dich da raus.“

„Ich kann nicht. Es ist schon zu spät.“ Traurig sah sie ihn an.

Er und Preston würden einander vernichten, und sie konnte nichts dagegen tun. In diesem Familienkrieg konnte es keine Gewinner geben. Welten trennten sie von Cord, und sie wollte verzweifelt aufschreien, aber mühsam unterdrückte sie den Schmerz, der ihr das Herz zer riss.

Cord lockerte seinen Griff und zog sie an sich. Susan ließ es schweigend geschehen: Vielleicht war es ja das letzte Mal, dass er sie so hielt. Er presste die warmen Lippen auf ihre empfindsame Halsbeuge, wobei sie ein süßer Schauer überlief. Nur diese schlichte Berührung löste bereits wieder Begehren in ihr aus.

„Geh nicht ins Büro“, bat er und küsste sie aufs Haar. „Halt dich aus der Sache heraus. Vance hat dir ein sicheres Vermögen hinterlassen, und was mit Preston geschieht, wird dich nicht betreffen.“ Langsam streichelte er ihren Rücken. „Du hast gesagt, dass du mich liebst, und wenn du das wirklich tust, wirst du dich nicht gegen mich auf seine Seite schlagen.“

Einen schwachen Moment lang wollte Susan tun, was Cord von ihr verlangte, damit sie in seiner süßen Umarmung alles vergessen könnte. Dann straffte sie sich und schob ihn energisch weg. Sie war bleich.

„Ja, ich liebe dich“, sagte sie leise, weil es keinen Sinn hatte, es zu leugnen. „Aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um zu verhindern, dass du die Familie in den Bankrott treibst.“

„Du entscheidest dich für ihn?“

„Nein. Aber ich finde es falsch, was du tust, und wenn du nicht damit aufhörst, muss ich ihm helfen, dich zu stoppen.“

Wut blitzte in seinen Augen auf. „Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, mir einfach zu vertrauen?“, fragte er heiser.

„So, wie du mir vertraust?“, gab sie ungehalten zurück. „Du hast mir doch selbst gerade erzählt, dass du versuchst, uns in den Bankrott zu treiben! Soll mich das vielleicht beruhigen?“

Er schnaubte verächtlich. „Ich hätte es wissen müssen! Du behauptest, dass du mich liebst, und dann bittest du mich, Preston in Ruhe zu lassen. Du bist gut im Bett, Baby, aber so kannst du mir nicht kommen. Da beißt du auf Granit.“

„Ich weiß“, gab sie zurück. „Ich wusste es schon immer. Aber ich hatte nicht vor, dich unter Druck zu setzen. Ich glaube … du gehst jetzt besser.“

„Das glaube ich allerdings auch.“

Aus tränenverschleierten Augen sah sie ihn zur Tür gehen. Bestimmt kommt er nie wieder, dachte sie. „Leb wohl“, brachte sie hervor. Innerlich zerbrach sie fast.

Grimmig sah er sie an. „Wir sehen uns noch, auch wenn du dir das Gegenteil wünschen wirst.“ Damit verschwand er.

Die ganze Nacht brachte Susan schlaflos zu. Cord war weg.

Endlos wiederholten sich die Worte in ihrem schmerzenden Kopf und begleiteten sie auch an den folgenden grauen Tagen.

Sie wusste nicht einmal, ob die Sonne schien, und es war ihr auch egal, nur ihr Durchhaltevermögen trieb sie noch voran. Nach Vances Tod hatte sie derselbe stählerne Wille aufrecht gehalten, auch wenn sie sich am liebsten für immer irgendwo verkrochen hätte.

Vances Tod konnte sie akzeptieren, weil sie sein Sterben miterlebt hatte, aber mit Cord war es schlimmer. Er hatte sie verlassen, doch er schien überall zu sein. Sie sahen sich auf verschiedenen Veranstaltungen, und Susan musste so tun, als wäre nichts, obwohl der Kummer sie fast überwältigte. Meistens war er mit Cheryl da, aber wie sie hörte, war die nicht die Einzige, mit der er ausging.

Susan musste mit ansehen, wie er höflich mit anderen sprach oder seinen Arm um Cheryls Taille legte, während er Susan nur eisige Blicke zuwarf. Sie quälte sich mit der Vorstellung, wie er die andere küsste und heiße Nächte mit ihr verbrachte.

Um nicht verrückt zu werden, fuhr sie jeden Tag ins Büro und machte Überstunden, um mit Preston einen Plan auszuarbeiten. Sie mussten Bargeld beschaffen, ohne die Gesellschaft ernsthaft zu gefähr-den. Es war eine fast unmögliche Aufgabe, und wenn Cord eine zweite Anleihe aufkaufte, wären sie am Ende ihrer Möglichkeiten.

Ohne Preston etwas davon zu sagen, verkaufte Susan einige Grundstücke in New Orleans, die Vance ihr hinterlassen hatte, und fügte das Geld der Summe für Cord zu.

Schließlich hatten sie es geschafft: Es war genug Geld zusammengekommen, um die Anleihe zu decken. Ihre Erleichterung war so groß, dass Susan und Preston beschlossen, abends in New Orleans in einem Restaurant zu feiern.

Susan tat das Essen gut. Seit Cord sie verlassen hatte, hatte sie abgenommen. Jeden Morgen beim Blick in den Spiegel sagte sie sich, dass es nur an der vielen Arbeit lag und nicht an der Frustration, dass ihr die Kleider nicht mehr richtig passten.

Auf der Heimfahrt wandte sich Preston an sie. „Du hast dich wegen der Anleihe von Cord getrennt, nicht wahr?“

Es wäre unsinnig gewesen, eine Ausrede zu suchen, also beließ sie es bei einem kurzen „Ja.“

„Das tut mir leid.“ Er warf ihr einen frustrierten Blick zu. „Ich sollte mich freuen, weil ich dich ungern mit ihm gesehen habe, aber es tut mir leid, dass er dich verletzt hat. Ich wollte nicht, dass du da mit hineingezogen wirst.“

„Es war meine Entscheidung. Er bestand darauf, dass ich Stellung beziehe, und ich konnte es einfach nicht mit ansehen, dass eine Menge Leute ihren Arbeitsplatz verlieren, ohne dass es ihn kümmert.“

„Ich hoffe, er weiß, was er verliert“, bemerkte Preston und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu.

Und selbst wenn, dachte Susan, wäre es ihm egal. Er verging sicherlich nicht vor Sehnsucht nach ihr, ja, er sah sogar jedes Mal besser aus, wenn sie ihn zufällig traf, und wurde von der Frühlingssonne immer brauner. Ob er wohl schon fertig war mit dem Ausbau der Hütte am Jubilee River?

Seit er nicht mehr da war, war ihr Leben freudlos geworden. Susan fragte sich, wann dieses stumpfe Dasein je ein Ende nehmen würde.