LVIII
Eine gewisse Unruhe entstand. Im Raum summte und brummte es wie bei einem Bankett, wenn die Nackttänzerinnen hereingelassen werden. Als ich in die Mitte der Bibliothek zurückging, huschte Euschemon an mir vorbei. Er ließ sich neben Philomelus nieder, und die beiden begannen ein leises Gespräch. Dann raffte Helena einen Teil ihrer Schriftrollensammlung zusammen und lief die Reihe entlang, um dem aufgeregten jungen Autor das verlorene Manuskript zurückzugeben. Sie setzte sich zu ihm und Euschemon, und ich sah sie den Finger schütteln. So wie ich sie kannte, riet sie Philomelus, sich einen verlässlichen Geschäftsberater zuzulegen, bevor er irgendwelche Verträge abschloss.
Fusculus kam durch die Verbindungstür, einen zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Er nickte mir auf Vigilesart zu. Ich interpretierte das Nicken, so gut es ging. Bei den Vigiles konnte es bedeuten, dass nur das bestellte Essen geliefert worden war. Mit Gesten gab ich ihm zu verstehen, die alte Dame hereinzubringen, die ständig auf dem Clivus Publicus herumschlurfte. Fusculus zuckte zusammen. Sie musste ihn mit ihrem Einkaufskorb traktiert haben.
Lysa und Diomedes hatten die Köpfe zusammengesteckt. Zeit, ihre kleinen Spiele zu unterbrechen.
»Achtung, bitte – und Ruhe!«, rief ich im Kommandoton.
Fusculus brachte die Großmutter herein, die er vorsichtig am Arm hielt. Auf meine Bitte hin führte er sie langsam im Raum herum. Ich bat sie, auf jeden zu deuten, den sie ihrer Erinnerung nach am Todestag gesehen hatte.
Die alte Dame genoss es, im Mittelpunkt zu stehen, und starrte jeden ausführlich an, während alle in einem Zustand nervöser Anspannung zurückschauten, sogar diejenigen, die meiner Meinung nach nichts zu befürchten hatten. Meine Hauptzeugin deutete auf alle Autoren bis auf Urbanus (ein guter Test für Verlässlichkeit), dann nacheinander auf Philomelus und sogar Fusculus, Passus, Petronius und mich. Wirklich gründlich – und für meine Zwecke vollkommen nutzlos.
Ich nahm ihren anderen Arm und führte sie zu Diomedes. »Haben Sie den hier ausgelassen?«
»Oh, den hab ich so oft gesehen … tut mir Leid, Falco, ich weiß es wirklich nicht.«
Diomedes lachte spröde und übertrieben selbstsicher. Fusculus fing über dem Kopf der alten Dame meinen Blick auf, und ich spürte seine Feindseligkeit. Seine gesamte Antipathie gegen Griechen richtete sich jetzt auf diesen hier. Er bedachte Diomedes und Lysa mit einem hässlichen Grinsen und führte die neugierige alte Frau zu einem Platz bei den Vigiles, damit sie den Spaß weiterverfolgen konnte.
»War einen Versuch wert«, meinte ich bedauernd. »Sie sind ein Glückskind!«, sagte ich zu Diomedes. »Ich war wirklich davon überzeugt, dass Sie gelogen haben. Ich dachte, Sie wären hier gewesen. So wie ich es sah, hatten Sie Ihren Vater umgebracht, Vibia hatte Sie blutbedeckt am Tatort gefunden und Ihnen dann geholfen, Ihre Spuren zu verwischen – im wahrsten Sinne des Wortes, falls es blutige Fußabdrücke gab. Es könnte sogar die Dame gewesen sein, die auf die Idee kam, Sie lässig an einem Stück Nesselpastete kauend auf den Weg zu schicken. Sobald Sie gesäubert waren und das Haus verlassen hatten, rannte sie hinaus auf die Straße, als hätte sie erst in diesem Moment die Leiche gefunden …«
Alle hörten mir in lautlosem Schweigen zu. Sie merkten, wie gut die Geschichte zu den Fakten passte. Vibia Merulla blieb ausdruckslos.
»Als Gegengabe für Vibias Schweigen über Ihre Tat – dachte ich – hatte Ihre Mutter ihr das Haus geschenkt. Vibia selbst war so entsetzt darüber, Sie am Tatort zu finden, Diomedes, dass sie begann Ihnen aus dem Weg zu gehen … Und aus diesem Grund gefiel ihr der Gedanke nicht, dass Sie eine ihrer Verwandten heiraten würden. Meine Güte!«, rief ich strahlend aus. »Wie konnte ich mich so irren?«
Ich wirbelte zu der resoluten Witwe herum.
»Nichts dazu zu sagen, Vibia? Wenn Sie den Mörder Ihres Mannes decken, nur um an das Haus zu kommen, muss Ihr Appetit darauf gewaltig sein! Tja, ein korinthischer Oecus ist ja auch nicht zu verachten. Und das Haus ist natürlich voll möbliert – wunderschöne Möbel, nicht wahr? So üppig. Alle Kissen bis zum Bersten gefüllt.«
Ich sah Diomedes an.
»Ich habe nicht vor, diesen Priester als Zeugen aufzurufen. Ich glaube, er hat gelogen, als er behauptete, Sie hätten den ganzen Tag lang Opfer dargebracht. Sie gehen zwar zum Tempel der Minerva, aber nicht, um dort zu beten. Es gibt andere Gründe, da regelmäßig rumzuhängen – vor allem die Schriftstellergruppe. Sagen Sie uns, schreiben Sie, Diomedes?«
Sein Blick war unstet, aber er saß mit zusammengepressten Lippen da und funkelte mich an. Seine Mutter machte ein unbeteiligtes Gesicht.
»Blitis!«, rief ich. »Schreibt Diomedes?«
»Ja«, erwiderte Blitis. »Er hat Zisimilla und Magarone verfasst.«
»Wirklich? Ein heimlicher Schreiberling?«, fuhr ich unbarmherzig fort. »Hocken Sie in Ihrem Zimmer, denken sich Ihr kreatives Meisterwerk aus und feilen daran herum, junger Mann? Und, Diomedes, beharren Sie darauf, selbst wenn alle anderen es als Schund beschreiben?«
Ich wirbelte zu den Vigiles herum und fragte Petronius rasch: »Hat er von der Pastete genommen?«
»Ja«, erwiderte Petronius sofort, ohne seine Notizen zu Rate ziehen zu müssen. »Er schnappte sich das letzte Stück, als ich versuchte es in die Finger zu bekommen.« Ich sah, wie Helena ein Kichern unterdrückte und die Vigiles einander zugrinsten.
Ich ging hinüber und beugte mich zu der alten Dame hinab. »Darf ich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen? Ich glaube, Diomedes kam um die Mittagszeit her und schlenderte später wieder hinaus, in Richtung des Minervatempels, mit einem etwas zu unschuldigen Gesichtsausdruck?«
»Oh, jetzt erinnere ich mich.« Auch sie grinste mit zahnlosem Kiefer. Sie war ein listiges altes Hutzelweib, genoss die Sache durch und durch. »Ich hab ihn reingehen sehen, als ich mir ein paar Linsen für das Essen geholt habe. Später, als ich noch Zwiebeln brauchte, sah ich ihn wieder herauskommen. Ich fand es merkwürdig, weil er was anderes anhatte.«
»Aha! Wieso das?«, wollte ich von Diomedes wissen. »War Blut auf der ersten Tunika?«
»Sie bringt da was durcheinander«, meinte er mürrisch.
Ich gab Aelianus ein Zeichen. Er setzte diejenigen auf der hintersten Bank um. Fusculus half ihm, die Bank zur Seite zu rücken, öffnete die Türen und schob den großen Handkarren mit Diomedes’ Besitztümern herein.
Ich ging quer durch den Raum zu dem aufgehäuften Gepäck. Als Erstes zog ich eine Schriftrolle aus einem ziselierten Silberbehälter. »Helena, schau dir das bitte an. Sag mir, ob du die Handschrift von der Geschichte erkennst, die dir und Passus so gar nicht gefallen hat.« Sie nickte fast sofort. Fusculus trat hinter mich und wollte mich wohl darauf hinweisen, wo ich auf dem Karren suchen sollte, aber ich schaffte es auch ohne seine Hilfe. »Diomedes, stimmen Sie zu, dass das hier Ihr persönlicher Besitz ist?«
In einem kniehohen Stiefel entdeckte ich grob hineingestopften Papyrus. »Was haben wir denn da? Ein interessanter Schuhspanner. Zwei völlig zerknitterte Blätter, die offenbar die – lasst mich mal sehen – die Titelseiten von Zisimilla und Magarone und Gondomon, König von Traximene sind. Was ist das, Diomedes?« Ich zerrte ihn auf die Füße. »Sieht wie ein Beweis dafür aus, wer Gondomon verfasst hat – diese Titelseite wurde auf die Rückseite einer Popinarechnung geschrieben.«
»Meine!«, behauptete Diomedes tollkühn. »Ich geh da oft etwas trinken …«
»Aber hier steht Urbanus.«
Urbanus teilte mir ganz ruhig mit: »Ich lass die Rechnungen immer liegen. Philomelus steckt sie ein. Er hat kein Geld für Papyrus, und ich überlass sie ihm gern als Schreibmaterial.«
Lysa, glühend vor mütterlichem Zorn, sprang ihrem Sohn zur Seite. »Dummer Junge«, schimpfte sie ihn. »Nun sag schon die Wahrheit!« Sie wandte sich an mich. »Das beweist gar nichts!«, schnaubte sie. »Chrysippus ist an allem schuld. Er wollte die Titelseite mit der von den Schriftrollen austauschen, die er dem Sohn des Transportunternehmers gestohlen hatte. Er hatte vor, die Geschichte unter dem Namen unseres Sohnes zu veröffentlichen. Diomedes war viel zu feinfühlig und redlich, um dem zuzustimmen … Ja, er entfernte sogar die Originale und hob sie auf, damit er beweisen konnte, was passiert war, falls sein Vater die Sache durchzog.«
Oh, sie war gut!
»Sehr großherzig!« Zwischen den Vorhangbahnen aus schwerem Brokat, Kissen und Läufern lag ein Kissen, das äußerst klumpig aussah, schlecht gestopft und ziemlich ungewöhnlich für dieses Haus. Es ähnelte überhaupt nicht den glatten, dicken Dingern, die ich damals von Vibias Liege auf den Boden geworfen hatte. Ich zog es aus dem Haufen. »Stammt das auch aus Ihrem Zimmer?« Tief verstört nickte Diomedes nur kurz.
Ich riss den locker und mit ungeübter Hand genähten Saum des Kissenbezuges auf und schleuderte Diomedes den Inhalt vor die Füße. Alle japsten erschrocken.
»Eine blutdurchtränkte Tunika. Ein Paar blutige Schuhe. Der Endknauf eines Schriftrollenstabes, mit einem Delfin auf einer vergoldeten Plinthe – das genaue Gegenstück zu dem Endknauf des Stabes, den Sie Ihrem Vater so grausam in die Nase gestoßen haben.«
Diomedes beugte sich vor und packte einen Speer aus dem Haufen seiner Sachen. Helena schrie auf.
»Jupiter!«, murmelte ich, als ich nach dem Schaft griff. Mit ein paar raschen Bewegungen schob ich mich Hand über Hand hinauf, bis ich gegen Diomedes’ Brust lehnte. »In wen wollten Sie den denn reinstoßen?«, fragte ich sarkastisch.
Wir waren nur eine Handbreit voneinander entfernt, aber er klammerte sich an den Speer. Petronius hatte uns erreicht. Er und Fusculus packten Diomedes. Ich riss ihm den Speer aus den Händen. Sie drehten ihm die Arme auf den Rücken.
Ich krallte meine Finger in seine schicke Tunika, rechts und links von seinem erbärmlichen Hals. »Ich will Ihr Geständnis hören.«
»In Ordnung«, gab er kalt zu. Lysa brach in unkontrolliertes und hysterisches Schluchzen aus.
»Vielen Dank«, sagte ich in höflichem Ton, der ein zusätzliches Honorar wert war. »Einzelheiten wären von Nutzen.«
»Er weigerte sich, mein Werk anzunehmen, obwohl ich sein einziger Sohn bin. Meines war ebenso gut wie das aller anderen, aber er behauptete, etwas ganz Hervorragendes gefunden zu haben. Er wollte Philomelus weismachen, seine Geschichte sei wertlos, damit er nichts dafür zu bezahlen brauchte. Er würde sogar Pisarchus dazu bringen, die Produktionskosten zu übernehmen, und dann den gesamten Gewinn einstreichen. Er war total aufgeregt. Dann sagte er, dass er es sich als Verleger eines erstklassigen Werkes nicht leisten könnte, seinen Namen durch die Veröffentlichung meiner Arbeit zu beschmutzen.«
»Also haben Sie ihn umgebracht?«
»Das wollte ich nicht. Als wir anfingen uns zu prügeln, ist es einfach passiert.«
Seine hysterische Mutter schlug jetzt auf mich ein, während sie versuchte ihre Arme schützend um ihren Jungen zu schlingen. Ich ließ ihn los und zog sie weg.
»Hören Sie auf, Lysa. Sie können ihm nicht helfen. Es ist vorbei.«
Das traf auch auf sie zu. Schluchzend brach sie zusammen. »Ich kann es nicht ertragen. Ich habe alles verloren …«
»Chrysippus, die Bank, dieses Haus, das Skriptorium und Ihren verrückten Sohn – und ohne die Bank sind Sie wahrscheinlich auch Lucrio los …« Ermutigend raunte ich ihr zu: »Gestehen Sie, dass Sie Avenius haben umbringen lassen, dann können wir Sie auch gleich mit einsperren.«
Manche Frauen kämpfen bis zum bitteren Ende. »Niemals!«, spuckte sie. Das war’s dann mit meiner wilden Hoffnung, gleich zwei Geständnisprämien einzustreichen.
Während die Vigiles die Beweisstücke auflisteten und Vorbereitungen trafen, ihren Gefangenen abzuführen, blieb Diomedes erstaunlich ruhig. Wie viele, die grausige Verbrechen gestehen, schien ihn die Beendigung seines Schweigens zu erleichtern. Er war sehr bleich. »Was wird jetzt passieren?«
Fusculus erinnerte ihn kurz angebunden: »Dasselbe wie mit Ihren Beweisen.« Er trat gegen den leeren Kissenbezug. »Für Sie ist es der Tiber. Sie werden in einen Vatermördersack eingenäht.«
Fusculus sah davon ab, hinzuzufügen, dass der unglückliche Mann seinen düsteren Tod durch Ertrinken mit dem Hund, dem Hahn, der Viper und dem Affen teilen würde. Allerdings hatte ich ihm das gestern schon erzählt. Nach dem entsetzten Blick zu schließen, war sich Diomedes seines Schicksals nur zu bewusst.