LXXIX

Das Scharren eines sehr energischen Besens weckte mich.

Daraus entnahm ich zweierlei. Jemand hielt es für seine Pflicht, mich zu wecken. Und ich hatte letzte Nacht doch noch nach Hause gefunden, denn wenn man in die Gosse fällt, lassen einen die Leute in Frieden.

Ich stöhnte und knurrte ein bißchen, als Vorwarnung. Der Besen verstummte gekränkt. Ich warf mir eine Tunika über, stellte fest, daß sie schmutzig war, und verdeckte die Flecken mit einer zweiten. Ich wusch mir das Gesicht, putzte die Zähne und kämmte mich, aber mein Zustand wurde dadurch nicht besser. Mein Gürtel fehlte, und ich fand nur einen Schuh. Ich stolperte hinaus.

Die Frau, die es sich zur Aufgabe machte, meine Wohnung in Ordnung zu halten, hatte schon geraume Zeit in aller Stille Wunder gewirkt, ehe sie dieses Gescharre mit dem Besen anfing. Ihre schwarzen Augen durchbohrten mich verächtlich. Mit dem Zimmer war sie fertig, als nächstes würde sie sich auf mich stürzen.

»Ich wollte dir Frühstück machen, aber es wird wohl eher ein Mittagessen!«

»Tag, Mutter«, sagte ich.

 

Ich setzte mich an den Tisch, weil meine Beine mich nicht tragen wollten. Ich versicherte meiner Mutter, es sei schön, wieder daheim zu sein, wo einem die liebende Mama ein anständiges Essen vorsetzte.

»Du hast dich also wieder in die Nesseln gesetzt!« knurrte meine Mutter, unbeeindruckt von meinen Schmeicheleien.

Sie stellte mir das Essen hin, und während ich hilflos darin herumstocherte, wischte sie den Balkon auf. Ihren neuen Bronzeeimer hatte sie gefunden – und meine Löffel.

»Die sind gut. Nettes Muster.«

»Sie sind ein Geschenk von einem netten Menschen.«

»Hast du sie schon besucht?«

»Nein.«

»Und Petronius Longus?«

»Auch nicht.«

»Was hast du heute vor?«

Die meisten Männer in meinem Beruf sind gewitzt genug, um sich vor den neugierigen Anwandlungen ihrer Familie zu schützen. Welcher Klient nimmt sich schon einen Detektiv, der immer erst seiner Mutter Bescheid sagen muß, ehe er das Haus verläßt?

»Ich muß jemanden suchen.« Meine Geistesgegenwart hatte unter dem Essen gelitten.

»Warum bist du so gereizt? Was hat der arme Kerl überhaupt verbrochen?«

»Mord.«

»Ach du meine Güte!« Meine Mutter seufzte. »Es gibt wirklich Schlimmeres!«

Damit spielte sie wohl auf meine Missetaten an.

»Wenn ich’s mir recht überlege«, brummte ich, während ich den Löffel abspülte und mit einem weichen Tuch trockenrieb, wie Helena es mir aufgetragen hatte, »dann gehe ich doch lieber ins Wirtshaus.«

 

Bei dem Gedanken an Alkohol kam mir fast die Galle hoch. Unter qualvollen Rülpsern machte ich mich auf den Weg zu Petronius.

Er blies daheim Trübsal; für den Dienst war er noch zu schwach. Das erste, was er mir sagte, war: »Falco, warum ist das Betrugskommando hinter dir her?«

Anacrites.

»Ein Mißverständnis wegen meiner Spesenabrechnung.«

»Lügner! Anacrites hat mir gesagt, was auf dem Haftbefehl steht.«

»Ach, wirklich?«

»Er hat versucht, mich zu bestechen!«

»Damit du was tust, Petro?«

»Dich ans Messer liefere …«

»Heißt das, daß du mich festnehmen willst …«

»Sei nicht albern!«

»Rein aus Neugier. Wieviel hat er dir denn geboten?«

Petro grinste. »Nicht genug!«

Petronius würde niemals mit einem Palastspion zusammenarbeiten, aber Anacrites wußte sehr wohl, daß er nur das Gerücht auszustreuen brauchte, mit meiner Verhaftung sei Geld zu verdienen, und schon würde bei der nächsten Gelegenheit, da mein Hausherr seine Mieteintreiber vorbeischickte, irgendein Habenichts auf einer Hintertreppe vom Aventin seine Chance wittern und mich verpfeifen. Aus dieser Patsche würde ich mich ohne störende Unannehmlichkeiten wohl kaum befreien können.

»Keine Angst«, sagte ich lahm. »Das biege ich schon wieder hin.« Petronius lachte bitter.

Arria Silvia kam herein, um ein Auge auf uns zu haben. Wir redeten eine Weil um den heißen Brei herum: erst über ihre Heimreise, dann über meine, über mein verrücktes Rennpferd und sogar über die Jagd nach Pertinax, alles, ohne Helena ein einziges Mal zu erwähnen. Erst als ich schon im Aufbruch war, riß Silvia die Geduld. »Dürfen wir annehmen, daß du über Helenas Zustand Bescheid weißt?«

»Ihr Vater hat mich unterrichtet.«

»Unterrichtet!« echote Silvia empört. »Warst du schon bei ihr?«

»Sie weiß, wo sie mich findet, falls sie mich sehen möchte.«

»Also wirklich, Falco, alles was recht ist …«

Ich tauschte einen Blick mit Petro, und er sagte leise zu seiner Frau: »Misch dich lieber nicht ein. Die beiden regeln das auf ihre Weise.«

»Nein, die Dame regelt das lieber allein!« blaffte ich die beiden an. »Mit euch hat sie also gesprochen?«

»Ich hab sie gefragt!« korrigierte Silvia vorwurfsvoll. »Das sah doch ein Blinder, wie arg das arme Mädchen sich quälen mußte.«

Das hatte ich befürchtet.

»Na, darauf könnt ihr euch direkt was einbilden! Mir hat sie nämlich keinen Ton gesagt! Und bevor ihr mich an den Pranger stellt, solltet ihr euch einmal fragen, wie ich mir bei der ganzen Geschichte vorkomme: Helena hatte keinen Grund, mir ihren Zustand zu verschweigen! Und ich weiß sehr wohl, warum sie’s doch getan hat …«

Silvia fiel mir entsetzt ins Wort: »Du glaubst, ein anderer ist der Vater!«

Der Gedanke war mir nie gekommen. »Das«, bemerkte ich kühl, »wäre eine Möglichkeit.«

Petronius, der in gewissen Dingen sehr direkt war, schien schockiert. »Das glaubst du doch nicht im Ernst!«

»Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«

Ich wußte es sehr wohl. Und das war viel schlimmer.

Ich sah mich noch einmal nach den beiden um, die wütend und miteinander im Bunde dastanden; dann ging ich.

Mir einzureden, ich sei nicht der Vater dieses Kinds war beleidigend für Helena und erniedrigend für mich. Und doch wäre die Wahrheit schlimmer: Wer war ich denn? Wie lebte ich? Wenn Helena Justina mein Kind nicht auf die Welt bringen wollte, konnte ich ihr das nicht verdenken.