12.
Das Wörtchen »Depot« war für das kleine Vorratslager zwar reichlich übertrieben, aber wir hatten alles gefunden, was wir für unser Unternehmen benötigten.
Vor allem gab es Marskombinationen mit Werkzeuggürteln und Verdichtungstornistern, deren Energieversorgung durch einen Batterievorrat gesichert war.
Die Waffen stammten aus der Hinterlassenschaft der militärischen Besatzung. Es waren moderne Maschinenkarabiner und Pistolen mit Minirak-Explosivgeschossen. Die Trommelmagazine der MKs faßten zweiundsechzig Schuß.
Wir hatten uns sofort umgezogen und gegessen. Die Konserven waren einwandfrei. Nur der Wasservorrat ließ zu wünschen übrig.
Ich kontrollierte das Aggregat meines Beatmungstornisters. Verdichterturbine, Sauerstoffscheider, Katalysatorschicht, Hochdruckkammer und Druckregelautomatik waren in bester Ordnung. Die volle Batterie lieferte Strom für hundert Arbeitsstunden, dann mußte sie nachgeladen werden.
Hannibal ruhte sich aus. Dabei stellte er sich erneut auf die Hypnos ein, die noch immer mit der Vernehmung der Gefangenen beschäftigt waren.
Vor drei Minuten hatten Barts und Dr. Label die ersten Anzeichen einer Beeinflussung gezeigt. Ihre Augen waren stumpf und die Körper steifer geworden. Um einen unüberwindlichen Zwang handelte es sich jedoch nicht. Diese Tatsache bewies mir, daß wir uns schon außerhalb der direkten Einflußsphäre befanden.
Ich hatte die Männer vorsichtshalber und mit ihrem Einverständnis gefesselt, damit sie sich nicht gegen ihren Willen von der Stelle bewegen konnten. Infolgedessen war ich gezwungen, alle Überprüfungen selbst vorzunehmen.
Das Materiallager war in einem mittelgroßen Raum untergebracht. Ich hatte Barts gefragt, ob er und Label die einzigen Männer seien, die darüber Bescheid wüßten.
Er hatte bejaht, aber auch eine kleine dienstliche Sünde zugeben müssen, die ihm normalerweise ein Disziplinarverfahren eingebracht hätte.
Unter den Technikern und Wissenschaftlern des Marsstützpunktes hatten sich kleine Interessengemeinschaften gebildet. Jede Gruppe wollte mit besonderen Entdeckungen aufwarten. So war es zu einer freundschaftlichen Rivalität gekommen.
Barts und Label hatten ihr Depot heimlich eingerichtet, um ihren Forschungsarbeiten besser nachgehen zu können.
Ich glaubte Barts, daß er der festen Meinung war, niemand wüßte etwas von seinem Stützpunkt. Wie es in Wirklichkeit aussah, war eine andere Frage.
Barts’ stumpfe Augen klärten sich. Ich öffnete meine paramentale Abschirmung und lauschte auf die suggestive Impulsgebung. Sie war schwächer geworden. Mit einiger Willensanstrengung konnte man die letzten Spuren des Zwanges ignorieren.
»Es wird besser«, sagte der rothaarige Techniker. »Wie kommt das?«
Hannibal meldete sich. Von einer Erschöpfung war noch nichts zu bemerken. Er hielt sich tadellos. Entweder hatte ihn der Aktivator besser stabilisiert als gedacht, oder Kanopzki hatte die Zähigkeit des Kleinen unterschätzt.
»Die Hypnos fliegen mit Luftgleitern das Gelände ab. In jeder Maschine sitzen drei Monstren, die ihre Rufe abstrahlen. Jetzt entfernen sie sich wieder.«
Das bewies noch deutlicher, daß die Fremden nicht genau wußten, wo wir waren. Topthar war groß. Man konnte fünfzig Kilometer weit in einer Richtung fahren, ohne ein Ende zu finden.
Unter den Maschinenetagen lagen die sogenannten Wohnsohlen. Dort existierte eine riesige Geisterstadt, die früher einmal mehrere Millionen Marsintelligenzen aufgenommen hatte.
Ich blickte erneut auf die Uhr. Es wurde Zeit, das Unternehmen fortzusetzen. Ich benutzte den Wachzustand der Techniker, um mit ihnen einen Plan auszuarbeiten.
»Wenn wir tausend Meter tiefer hinabsteigen, wird der Einfluß noch schwächer. Kennen Sie sich unten gut genug aus, um uns ans Ziel bringen zu können?«
»Ausgeschlossen«, lehnte Label ab. »Sie unterschätzen die Hohlräume. Ich bin froh, wenn wir auf dieser Ebene schnell und sicher zum nächsten Ausgang kommen.«
»Was wollen Sie tun, wenn er bewacht wird?« warf Barts ein. Trübsinnig schaute er auf seine Fesseln.
»Das wird sich zeigen. Erst wollen wir einmal dort sein. Wir benötigen den Rest der Nacht, um Manzo zu finden. Machen Sie sich fertig.«
Fünf Minuten später fuhren wir los. Auf dem Weg, der uns zumeist durch Nebengänge führte, orteten wir keinen Hypno. Die Beeinflussungswelle wurde noch zweimal spürbar, dann erlosch sie endgültig.
»Sie geben auf«, erklärte Hannibal. »Der Kommandant erteilt soeben den Rückzugsbefehl. Er hat erfahren, daß Barts und Label ein Versorgungslager besitzen.«
Barts sah seinen Kollegen spöttisch an.
»Na, habe ich es nicht immer gesagt? Die verehrten Kollegen haben doch bemerkt, was wir getan haben.«
Ich bat um Ruhe. Barts zuckte mit den Schultern und fuhr weiter. Er fand den Weg nach kleinen Markierungszeichen, die früher angebracht worden waren. Auch das war eine Gefahr, aber ich konnte nicht alle Augenblicke aussteigen, um die Farbsymbole zu entfernen.
Anschließend stellte ich mich auf den Kommandanten ein. Er hatte eine Offiziersbesprechung einberufen.
Die meisten Hypnos waren der Meinung, ich wäre trotz meiner Fähigkeiten nicht gefährlich genug, als daß man meine Flucht als Katastrophe anzusehen hätte. Da der Start ohnehin bevorstünde und die Vernichtung der Druckkuppeln selbstverständlich sei, könnte man sogar ein Abhören dieser Besprechung in Kauf nehmen. Eine intensive Suche nach mir wäre überflüssig geworden.
Der Expeditionschef lehnte ab. Er führte an, ich könnte wider Erwarten am Leben bleiben, bis der nächste terranische Transporter einträfe. Die vorzeitige Entdeckung einer Fremdtätigkeit sei nicht ratsam. Ich müßte gefunden werden.
Daraufhin rief ein Wissenschaftler den Befehlshaber eines Beibootes herein. Es war soeben von der Erde gekommen. Dem Expeditionschef wurde bewiesen, daß auf Terra der Ausnahmezustand herrschte. Man hatte sogar ermittelt, daß einige beeinflußte Saboteure lebend gefaßt und verhört worden waren. Der Wissenschaftler stellte die These auf, es könnte auf der Erde noch mehr Telepathen meiner Art geben.
Auf Grund dieser Mitteilung änderte der Kommandant seine Pläne und ordnete die Startbereitschaft an. Er beendete die Besprechung mit den sinngemäßen Worten:
»Die Untergrundstadt ist mit einer schweren Bombe zu sprengen. Ich lege Wert darauf, daß der Telepath nicht überlebt. Unsere Tätigkeit auf dem dritten Planeten ist offenbar erkannt worden. Falsche Deutungen sind erfahrungsgemäß an der Tagesordnung. Man weiß nicht, mit wem man es zu tun hat. Die Thermalkuppeln werden vernichtet. Wir lassen nichts zurück, woraus man Schlüsse ziehen könnte.«
Die nachfolgenden Diskussionen waren uninteressant. Ich hob die mentale Verbindung auf. Hannibal hatte mitgehört. Ich sah im Licht der Scheinwerfer, daß sein Gesicht bleich geworden war.
»Nun?« gab er telepathisch durch. Barts und Label ahnten nichts. Wir weihten sie auch nicht in den teuflischen Plan der Hypnos ein.
»Wenn wir nicht rechtzeitig handeln, hat die Menschheit verloren«, entgegnete ich auf Psi-Ebene.
»Wenn wir handeln können!«
»Wir versuchen es auf alle Fälle.«
»Angenommen, wir finden bei Manzo eine Spezialausrüstung – wie willst du sie so schnell einsetzen?«
»Er ist mit wenigstens zwei atomaren Sprengkörpern auf den Weg geschickt worden.«
»Sicher, das ist üblich. Eine große und eine schwächere Ladung. Wie willst du sie in das Schiff bringen?«
Damit hatte er das Kernproblem angesprochen. Ich schwieg und schirmte mich ab. Er rief mich auch nicht mehr an. Ich beschloß, alle Grübeleien zurückzustellen. Wenn wir das Grab nicht umgehend fanden, konnten wir ohnehin aufgeben.
Nach einer knappen Stunde teilte mir Label mit, wir befänden uns dicht vor einem Ausgang auf der Nordseite der Stadt. Vor der Sohlenschleuse angekommen, mußten wir den Wagen verlassen. Wir besaßen keine Hilfsmittel, ihn nach oben zu transportieren.
»Wir sollten die kommende Nacht abwarten«, gab Dr. Label zu bedenken. »In dreieinhalb Stunden wird es hell. Wir müssen mindestens fünfzehn Kilometer marschieren. Was halten Sie davon?«
»Nichts«, lehnte ich ab. »Bis zur nächsten Nacht ist der Kreuzer gestartet, und die Druckblasen sind vernichtet.«
Barts fuhr sich mit dem Handrücken über die Bartstoppeln. Dann setzte er wortlos seine Atemmaske auf und schaltete die Verdichtungsturbine ein.
Wir durchschritten die Schleuse. Die Türen konnten nur noch durch Muskelkraft bewegt werden.
Anschließend begann der Marsch über die Treppen, nur ging es diesmal nach oben. Ich wußte, daß wir Manzo nicht mehr vor Tagesanbruch erreichen konnten. Es spielte auch keine Rolle mehr.
Die Lage war so verzweifelt geworden, daß wir auf den Schutz der Dunkelheit verzichten mußten.
Das rote Leuchten über der Rundung des Horizonts verkündete den Anbruch des neuen Tages. Er war viel zu schnell gekommen.
Ich schaute auf das Thermometer. Die Temperatur lag jetzt bei minus sechzehn Grad Celsius. Uns war während des Gewaltmarsches warm geworden – fast zu warm! Niemand ging auf dem Roten Planeten zu Fuß. Die Isothermkombinationen waren für den Fahrbetrieb entwickelt worden.
Die im Stoff eingewebten Heizspiralen hatten wir schon nach einer Viertelstunde abgeschaltet. Trotzdem war es problematisch geworden, die Körperwärme abzustrahlen. Wir hatten die Belüftungsschlitze in den Anzügen geöffnet, um wenigstens die Feuchtigkeit entweichen zu lassen. Auf der anderen Seite hätten wir sie für die Sauerstoffverdichter dringend gebrauchen können, denn jeder Atemzug kostete Wasser. Die Behälter im unteren Teil der Tornister waren für die Aufnahme von zwanzig Litern vorgesehen. Das war wenig, wenn man gezwungen wurde, die trockene Luft ständig anzureichern.
Ich hatte den Zerstäubungsdosator bereits auf den minimalsten Wert eingestellt und die Maskenvorheizung gedrosselt. Die aus dem Flatterventil kommende Luft war angenehm kühl, aber wahrscheinlich nicht feucht genug.
Barts, Label und ich trugen noch je einen Reservekanister mit zehn Litern Inhalt. Unter Umständen waren wir aber gezwungen, von der Marschrichtung abzuweichen, um einen Kanal aufzusuchen.
Topthar war ein Knotenpunkt gewesen. Im Winter wurde genügend Wasser von den Polgebieten in die Bewässerungssysteme geleitet. Gefahr für unser Leben durch die Tücken der fremdartigen Umwelt bestand nicht, nur konnten wir es uns kaum leisten, noch mehr Zeit zu verschwenden.
Meine komplette Ausrüstung hätte auf der Erde wenigstens hundertfünfzig Pfund gewogen. Auf dem Mars hatte ich nur zirka fünfundfünfzig Pfund zu tragen. Die geringe Schwerkraft machte sich angenehm bemerkbar. Trotzdem waren wir nach zwei Stunden erschöpft.
Die Hügelgruppen nördlich der Stadt hatten wir teils umgangen, teils überschritten. Sie boten zwar eine vorzügliche Ortungsdeckung, aber für unser Fortkommen hatten sie einen gefährlichen Aufenthalt bedeutet.
Bei größter Anstrengung hatten wir pro Stunde fünf Kilometer zurücklegen können.
Jetzt rasteten wir. Hannibal zeigte erste Spuren der Erschöpfung. Die Aktivierungsinjektion ließ nach. Die sogenannten Indianerhügel waren noch ungefähr drei Kilometer entfernt. Die dünne Luft ließ keine genaue Schätzung zu. Selbst wenn man sich daran gewöhnt hatte, unterliefen immer wieder Fehler.
Die Bodenerhebung erschien so nahe, als könnte man sie mit wenigen Schritten erreichen. Barts warnte vor zu großem Optimismus.
Wir hatten uns unter einem vorspringenden Felshang niedergelegt. So dicht wie möglich an die Wand gepreßt, hofften wir, den Flugstreifen der Hypnos auch weiterhin entgehen zu können.
Von den Gesichtern der Männer waren nur die Augen zu erkennen, die nochmals durch anliegende Klarsichtbrillen gegen die Kälte abgeschirmt wurden. Die Minifunksprechgeräte in unseren Werkzeuggürteln hatten wir nicht benutzt. Wir wären wahrscheinlich sofort eingepeilt worden.
Ich kroch nach vorn und spähte unter der Steinplatte hervor nach oben. Von Luftgleitern war nichts zu sehen.
»Im Kreuzer ist alles ruhig«, rief mir Hannibal zu. »Die Startvorbereitungen dauern an. Gerätschaften und ausgeschleuste Beiboote werden ins Schiff gebracht.«
Ich umklammerte den Kolbenhals des Karabiners. Wieviel Zeit hatten wir noch?
Das Dröhnen eines thermischen Atomtriebwerks weckte mich aus meinen Überlegungen. Der näher kommende Gleiter glich einem fliegenden Dreieck mit aufgerissenem Haifischrachen.
Ich zog mich in die Deckung zurück und preßte den Körper gegen die Wand. Impulstaster zum Anmessen ausgeschickter Ortungswellen besaßen wir nicht. Wir konnten uns nur auf unser Gehör verlassen.
Barts entsicherte seine Waffe. Die Gleiter waren nicht durch Kraftfelder gesichert. Notfalls wäre es leicht möglich gewesen, einen davon abzuschießen. Unsere Minirakgeschosse besaßen eine hohe Durchschlagskraft, die Sprengwirkung war ebenfalls beachtlich.
»Er kreist«, brüllte mir Label zu. »Jetzt haben sie uns auf den Bildschirmen.«
Ich war nicht davon überzeugt. Die Maschinen hatten bis jetzt immer ein bestimmtes Gebiet abgeflogen. Wir warteten, bis das Pfeifen leiser wurde. Als ich wieder aus der Deckung hervorlugte, flog die Maschine mit hoher Fahrt in nördlicher Richtung davon.
Der Kreuzer und die Druckblasen lagen südöstlich von unserem Standort. Manzos Grab dagegen befand sich genau südlich.
Wir warteten noch fünf Minuten. Mittlerweile ging die Sonne auf und überflutete die trostlose Landschaft mit ihrem Licht. Die rostbraunen Berge hinter uns flammten in einem leuchtenden Violett auf. Die Temperatur ging weiter zurück.
Ein infernalisches Tosen ließ mich zusammenschrecken. Barts zwängte sich an mir vorbei, richtete sich auf und stürmte den sichtbehindernden Steilhang hinauf.
»Sie fliegen ab«, gab Hannibal durch. Ich achtete nicht darauf. Die Verzweiflung drohte mich zu übermannen.
Keuchend kam ich neben Barts an. Er lag auf dem Kamm des Felshügels und spähte nach vorn.
Unser Weg hatte uns zum Stützpunkt des Marskommandos zurückgeführt. Die Druckblasen waren nur noch knapp vier Kilometer entfernt. Manzos Grab lag rechts davon.
Das Panzerplast der Konstruktionen reflektierte das schräg einfallende Sonnenlicht. Geblendet schlossen wir die Augen. Als wir sie wieder öffneten, sahen wir, daß der Kreuzer vom Boden abgehoben hatte. Der Düsenlärm war nicht mehr so stark. Eine sonnenhelle Lohe schoß aus der unteren Polkuppel des Rumpfes.
Trotz seiner enormen Größe konnten wir das Raumschiff von hier aus mit einem Blick übersehen. Es flog nach Süden davon und setzte etwa fünf Kilometer von den Druckblasen entfernt erneut auf. Da wußte ich, wie vorsichtig der Kommandant der Monstren war.
Barts sah mich an. In seinen Augen glomm ein Funke der Erleichterung. Wahrscheinlich hatte er angenommen, die Hypnos flogen endgültig ab. Label und Hannibal kamen an und legten sich neben uns auf den Boden. Von hier aus genossen wir einen wunderbaren Blick auf die Kuppeln. Wir befanden uns etwa zweihundert Meter hoch.
»Taktische Landeplatzverschiebung«, sagte ich laut und deutlich. Die Marsluft war ein schlechter Schalleiter.
»Das verstehe ich nicht«, rief Label nervös. »Was heißt ›taktische Landeplatzverschiebung‹?«
»Daran sind wir schuld, Doc. Die Hypnos rechnen mit allem, sogar mit einem blindwütigen Angriff auf ihr Schiff. Sie wissen, daß wir mindestens wirkungsvolle Handfeuerwaffen besitzen. Sie gehen nicht das Risiko ein, unter Umständen von den Druckblasen aus beschossen zu werden. Da – sehen Sie! Jetzt bemerken Sie den zweiten Grund für den Standortwechsel.«
Der kugelförmige Rumpf begann plötzlich in blauem Feuer zu leuchten. Es verdichtete sich für einen Augenblick, so daß man die Konturen des Schiffes nicht mehr ausmachen konnte. Als sie wieder erkennbar wurden, verschwammen sie in einem irisierenden Flimmern von zartem Blau.
»Ein Energieschirm«, sagte Hannibal mutlos. »Jetzt ist es endgültig vorbei. Da kommt niemand hindurch. Großer, ich kapituliere. Selbst wenn Manzo eine Megatonnen-Bombe bei sich hätte – nun wäre sie wirkungslos. Wir könnten sie ruhig vor dem Schutzschirm zünden. Damit jagen wir nur die Druckblasen in die Luft.«
Ich hatte während des langen Marsches einen Plan erwogen. Er war verwegen und wahrscheinlich auch das Produkt meiner Panik, aber es war immerhin ein Plan. Die Chancen standen für uns eins zu hundert. Ich war gewillt, die geringe Möglichkeit auszuschöpfen.
Meine letzte Psi-Einstellung auf den Kommandanten hatte bewiesen, daß er doch viel unruhiger war, als wir angenommen hatten. Er kalkulierte alle Möglichkeiten durch, die ein Telepath haben konnte. Dabei hatte er mich sogar direkt angesprochen und mir mitgeteilt, er wüßte, daß ich ihn belausche.
Natürlich hatte der Kommandant nur seinen Verdacht geäußert, aber er war zutreffend. Die Monstren waren nicht nur überragend intelligent, sondern auch erfahren im Umgang mit Fremdintelligenzen. Sie wußten, wie sie sich zu verhalten hatten und daß mir die Informationen nichts nützten.
Ich schirmte mich gegen Hannibal ab und zog mich in die Sichtdeckung des Höhenzuges zurück.
Anschließend erteilte ich die letzten Befehle.
»Dr. Label – Sie und Major MA-23 bleiben hier. Barts und ich besitzen die größten Kraftreserven. Es genügt, wenn wir allein bis zu Manzo vorstoßen. Hannibal, du paßt auf Label auf. Sie müssen sich vorsichtshalber fesseln lassen, Doktor. Halten Sie hier die Stellung und versuchen Sie, Barts und mir im schlimmsten Falle Feuerschutz gegen angreifende Luftgleiter zu geben. Das Grab ist nur noch drei Kilometer entfernt. Mit den Minirakgeschossen können Sie ohne weiteres die Distanz überwinden. Ich bleibe mit Hannibal in telepathischer Nachrichtenverbindung. Ludinow ist tot. Ich kann ihn nicht mehr orten. Kanopzki ist in das Schiff gebracht worden und wird zur Zeit verhört. Bald werden die Hypnos wissen, daß es hier noch einen zweiten Telepathen gibt. Ich gestehe Ihnen offen, daß dies die verzweifeltste Situation ist, in der ich mich jemals befunden habe.«
Ich zögerte nicht mehr länger. Wenige Augenblicke später marschierten wir nach Süden. Die Hügelkette bot immer noch ausgezeichnete Deckungsmöglichkeiten. Sie endete erst dort, wo Manzo bestattet worden war.
Die Reservekanister hatten wir zurückgelassen, nachdem wir die Tornister aufgefüllt hatten. Die kommenden zwei Stunden würden über Sein oder Nichtsein entscheiden.
Heino Barts sprach kein Wort. Nur suchte er ununterbrochen den Himmel ab. Ich lauschte auf die typischen Hirnimpulse der Hypnos. Es waren aber weit und breit keine zu bemerken.
Nur vom Schiff her kam ein Schwall verschiedenartiger Gedankenwellen. Jeder der Fremden beschäftigte sich mit dem bevorstehenden Start. Die Verladung des ausgeschifften Materials war fast beendet.
Nachdem wir die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, nahm ich Kontakt mit dem Kommandanten auf. Er hatte bereits den Befehl erteilt, die nukleare Bombe in die Untergrundstadt zu bringen und sie auf der tiefsten Sohle zu lagern.
Ich sah auf die Uhr. Barts blieb stehen und lehnte sich schweratmend gegen einen Felsblock.
Meiner Schätzung nach benötigten die Hypnos ungefähr zwei Stunden zum Installieren der Bombe. Das war für uns die letzte Frist. Ich wußte bereits, daß der atomare Sprengkörper über Funk gezündet werden sollte. Es war aussichtslos, zu versuchen, ihn in der kurzen Zeitspanne zwischen Start und Detonation unschädlich zu machen. Außerdem hätten wir ihn erst einmal finden müssen.
»Weiter, Barts. Die Hypnos sind jetzt mit anderen Dingen beschäftigt. Denken Sie lieber darüber nach, an welcher Stelle der Wagen anhielt. Manzo muß in der Nähe liegen.«
»Ich habe Angst«, entgegnete er. »Können Sie das verstehen?«
Ich versuchte ein Lachen.
»Barts, wenn Sie wüßten, wie es in mir aussieht, hätten Sie das nicht gesagt.«
Er drehte sich um und verfiel in einen schwerfälligen Trab. Die Würfel waren gefallen.
Ich lief automatisch hinter dem Techniker her. Warum war ich nicht auf die Idee gekommen, das Lagermaterial auf zwei Wagen zu laden und die Stadt durch einen großen Ausgang zu verlassen? Was konnten wir der Menschheit nützen, wenn wir sinnlos den Tod herausforderten?
Tief in meinem Innern glaubte ich die Antwort zu finden. Wir waren Menschen, und auf der Erde gab es andere Menschen. Sie waren in Not. Vielleicht konnten wir doch noch helfen.
Ich gab es auf, darüber nachzudenken. Vor uns lagen die Indianerhügel. Ich erkannte die Kuppe, die wie der federgeschmückte Kopf eines Häuptlings aussah. Wir waren am Ziel.