12.

 

Das Wört­chen »De­pot« war für das klei­ne Vor­rats­la­ger zwar reich­lich über­trie­ben, aber wir hat­ten al­les ge­fun­den, was wir für un­ser Un­ter­neh­men be­nö­tig­ten.

Vor al­lem gab es Mars­kom­bi­na­tio­nen mit Werk­zeug­gür­teln und Ver­dich­tungs­tor­nis­tern, de­ren Ener­gie­ver­sor­gung durch einen Bat­te­rie­vor­rat ge­si­chert war.

Die Waf­fen stamm­ten aus der Hin­ter­las­sen­schaft der mi­li­tä­ri­schen Be­sat­zung. Es wa­ren mo­der­ne Ma­schi­nen­ka­ra­bi­ner und Pis­to­len mit Mi­ni­rak-Ex­plo­siv­ge­schos­sen. Die Trom­mel­ma­ga­zi­ne der MKs faß­ten zwei­und­sech­zig Schuß.

Wir hat­ten uns so­fort um­ge­zo­gen und ge­ges­sen. Die Kon­ser­ven wa­ren ein­wand­frei. Nur der Was­ser­vor­rat ließ zu wün­schen üb­rig.

Ich kon­trol­lier­te das Ag­gre­gat mei­nes Be­at­mungs­tor­nis­ters. Ver­dich­ter­tur­bi­ne, Sau­er­stoff­schei­der, Ka­ta­ly­sa­tor­schicht, Hoch­druck­kam­mer und Druck­re­gel­au­to­ma­tik wa­ren in bes­ter Ord­nung. Die vol­le Bat­te­rie lie­fer­te Strom für hun­dert Ar­beits­stun­den, dann muß­te sie nach­ge­la­den wer­den.

Han­ni­bal ruh­te sich aus. Da­bei stell­te er sich er­neut auf die Hyp­nos ein, die noch im­mer mit der Ver­neh­mung der Ge­fan­ge­nen be­schäf­tigt wa­ren.

Vor drei Mi­nu­ten hat­ten Barts und Dr. La­bel die ers­ten An­zei­chen ei­ner Be­ein­flus­sung ge­zeigt. Ih­re Au­gen wa­ren stumpf und die Kör­per stei­fer ge­wor­den. Um einen un­über­wind­li­chen Zwang han­del­te es sich je­doch nicht. Die­se Tat­sa­che be­wies mir, daß wir uns schon au­ßer­halb der di­rek­ten Ein­fluß­sphä­re be­fan­den.

Ich hat­te die Män­ner vor­sichts­hal­ber und mit ih­rem Ein­ver­ständ­nis ge­fes­selt, da­mit sie sich nicht ge­gen ih­ren Wil­len von der Stel­le be­we­gen konn­ten. In­fol­ge­des­sen war ich ge­zwun­gen, al­le Über­prü­fun­gen selbst vor­zu­neh­men.

Das Ma­te­ri­al­la­ger war in ei­nem mit­tel­großen Raum un­ter­ge­bracht. Ich hat­te Barts ge­fragt, ob er und La­bel die ein­zi­gen Män­ner sei­en, die dar­über Be­scheid wüß­ten.

Er hat­te be­jaht, aber auch ei­ne klei­ne dienst­li­che Sün­de zu­ge­ben müs­sen, die ihm nor­ma­ler­wei­se ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­ge­bracht hät­te.

Un­ter den Tech­ni­kern und Wis­sen­schaft­lern des Mar­s­stütz­punk­tes hat­ten sich klei­ne In­ter­es­sen­ge­mein­schaf­ten ge­bil­det. Je­de Grup­pe woll­te mit be­son­de­ren Ent­de­ckun­gen auf­war­ten. So war es zu ei­ner freund­schaft­li­chen Ri­va­li­tät ge­kom­men.

Barts und La­bel hat­ten ihr De­pot heim­lich ein­ge­rich­tet, um ih­ren For­schungs­ar­bei­ten bes­ser nach­ge­hen zu kön­nen.

Ich glaub­te Barts, daß er der fes­ten Mei­nung war, nie­mand wüß­te et­was von sei­nem Stütz­punkt. Wie es in Wirk­lich­keit aus­sah, war ei­ne an­de­re Fra­ge.

Barts’ stump­fe Au­gen klär­ten sich. Ich öff­ne­te mei­ne pa­ra­men­ta­le Ab­schir­mung und lausch­te auf die sug­ge­s­ti­ve Im­puls­ge­bung. Sie war schwä­cher ge­wor­den. Mit ei­ni­ger Wil­lens­an­stren­gung konn­te man die letz­ten Spu­ren des Zwan­ges igno­rie­ren.

»Es wird bes­ser«, sag­te der rot­haa­ri­ge Tech­ni­ker. »Wie kommt das?«

Han­ni­bal mel­de­te sich. Von ei­ner Er­schöp­fung war noch nichts zu be­mer­ken. Er hielt sich ta­del­los. Ent­we­der hat­te ihn der Ak­ti­va­tor bes­ser sta­bi­li­siert als ge­dacht, oder Ka­nopz­ki hat­te die Zä­hig­keit des Klei­nen un­ter­schätzt.

»Die Hyp­nos flie­gen mit Luft­glei­tern das Ge­län­de ab. In je­der Ma­schi­ne sit­zen drei Mons­tren, die ih­re Ru­fe ab­strah­len. Jetzt ent­fer­nen sie sich wie­der.«

Das be­wies noch deut­li­cher, daß die Frem­den nicht ge­nau wuß­ten, wo wir wa­ren. Top­thar war groß. Man konn­te fünf­zig Ki­lo­me­ter weit in ei­ner Rich­tung fah­ren, oh­ne ein En­de zu fin­den.

Un­ter den Ma­schi­ne­ne­ta­gen la­gen die so­ge­nann­ten Wohn­soh­len. Dort exis­tier­te ei­ne rie­si­ge Geis­ter­stadt, die frü­her ein­mal meh­re­re Mil­lio­nen Mar­sin­tel­li­gen­zen auf­ge­nom­men hat­te.

Ich blick­te er­neut auf die Uhr. Es wur­de Zeit, das Un­ter­neh­men fort­zu­set­zen. Ich be­nutz­te den Wach­zu­stand der Tech­ni­ker, um mit ih­nen einen Plan aus­zu­ar­bei­ten.

»Wenn wir tau­send Me­ter tiefer hin­ab­stei­gen, wird der Ein­fluß noch schwä­cher. Ken­nen Sie sich un­ten gut ge­nug aus, um uns ans Ziel brin­gen zu kön­nen?«

»Aus­ge­schlos­sen«, lehn­te La­bel ab. »Sie un­ter­schät­zen die Hohl­räu­me. Ich bin froh, wenn wir auf die­ser Ebe­ne schnell und si­cher zum nächs­ten Aus­gang kom­men.«

»Was wol­len Sie tun, wenn er be­wacht wird?« warf Barts ein. Trüb­sin­nig schau­te er auf sei­ne Fes­seln.

»Das wird sich zei­gen. Erst wol­len wir ein­mal dort sein. Wir be­nö­ti­gen den Rest der Nacht, um Man­zo zu fin­den. Ma­chen Sie sich fer­tig.«

Fünf Mi­nu­ten spä­ter fuh­ren wir los. Auf dem Weg, der uns zu­meist durch Ne­ben­gän­ge führ­te, or­te­ten wir kei­nen Hyp­no. Die Be­ein­flus­sungs­wel­le wur­de noch zwei­mal spür­bar, dann er­losch sie end­gül­tig.

»Sie ge­ben auf«, er­klär­te Han­ni­bal. »Der Kom­man­dant er­teilt so­eben den Rück­zugs­be­fehl. Er hat er­fah­ren, daß Barts und La­bel ein Ver­sor­gungs­la­ger be­sit­zen.«

Barts sah sei­nen Kol­le­gen spöt­tisch an.

»Na, ha­be ich es nicht im­mer ge­sagt? Die ver­ehr­ten Kol­le­gen ha­ben doch be­merkt, was wir ge­tan ha­ben.«

Ich bat um Ru­he. Barts zuck­te mit den Schul­tern und fuhr wei­ter. Er fand den Weg nach klei­nen Mar­kie­rungs­zei­chen, die frü­her an­ge­bracht wor­den wa­ren. Auch das war ei­ne Ge­fahr, aber ich konn­te nicht al­le Au­gen­bli­cke aus­stei­gen, um die Farb­sym­bo­le zu ent­fer­nen.

An­schlie­ßend stell­te ich mich auf den Kom­man­dan­ten ein. Er hat­te ei­ne Of­fi­ziers­be­spre­chung ein­be­ru­fen.

Die meis­ten Hyp­nos wa­ren der Mei­nung, ich wä­re trotz mei­ner Fä­hig­kei­ten nicht ge­fähr­lich ge­nug, als daß man mei­ne Flucht als Ka­ta­stro­phe an­zu­se­hen hät­te. Da der Start oh­ne­hin be­vor­stün­de und die Ver­nich­tung der Druck­kup­peln selbst­ver­ständ­lich sei, könn­te man so­gar ein Ab­hö­ren die­ser Be­spre­chung in Kauf neh­men. Ei­ne in­ten­si­ve Su­che nach mir wä­re über­flüs­sig ge­wor­den.

Der Ex­pe­di­ti­ons­chef lehn­te ab. Er führ­te an, ich könn­te wi­der Er­war­ten am Le­ben blei­ben, bis der nächs­te ter­ra­ni­sche Trans­por­ter ein­trä­fe. Die vor­zei­ti­ge Ent­de­ckung ei­ner Fremd­tä­tig­keit sei nicht rat­sam. Ich müß­te ge­fun­den wer­den.

Dar­auf­hin rief ein Wis­sen­schaft­ler den Be­fehls­ha­ber ei­nes Bei­boo­tes her­ein. Es war so­eben von der Er­de ge­kom­men. Dem Ex­pe­di­ti­ons­chef wur­de be­wie­sen, daß auf Ter­ra der Aus­nah­me­zu­stand herrsch­te. Man hat­te so­gar er­mit­telt, daß ei­ni­ge be­ein­fluß­te Sa­bo­teu­re le­bend ge­faßt und ver­hört wor­den wa­ren. Der Wis­sen­schaft­ler stell­te die The­se auf, es könn­te auf der Er­de noch mehr Te­le­pa­then mei­ner Art ge­ben.

Auf Grund die­ser Mit­tei­lung än­der­te der Kom­man­dant sei­ne Plä­ne und ord­ne­te die Start­be­reit­schaft an. Er be­en­de­te die Be­spre­chung mit den sinn­ge­mä­ßen Wor­ten:

»Die Un­ter­grund­stadt ist mit ei­ner schwe­ren Bom­be zu spren­gen. Ich le­ge Wert dar­auf, daß der Te­le­path nicht über­lebt. Un­se­re Tä­tig­keit auf dem drit­ten Pla­ne­ten ist of­fen­bar er­kannt wor­den. Falsche Deu­tun­gen sind er­fah­rungs­ge­mäß an der Ta­ges­ord­nung. Man weiß nicht, mit wem man es zu tun hat. Die Ther­mal­kup­peln wer­den ver­nich­tet. Wir las­sen nichts zu­rück, wor­aus man Schlüs­se zie­hen könn­te.«

Die nach­fol­gen­den Dis­kus­sio­nen wa­ren un­in­ter­essant. Ich hob die men­ta­le Ver­bin­dung auf. Han­ni­bal hat­te mit­ge­hört. Ich sah im Licht der Schein­wer­fer, daß sein Ge­sicht bleich ge­wor­den war.

»Nun?« gab er te­le­pa­thisch durch. Barts und La­bel ahn­ten nichts. Wir weih­ten sie auch nicht in den teuf­li­schen Plan der Hyp­nos ein.

»Wenn wir nicht recht­zei­tig han­deln, hat die Mensch­heit ver­lo­ren«, ent­geg­ne­te ich auf Psi-Ebe­ne.

»Wenn wir han­deln kön­nen!«

»Wir ver­su­chen es auf al­le Fäl­le.«

»An­ge­nom­men, wir fin­den bei Man­zo ei­ne Spe­zi­al­aus­rüs­tung – wie willst du sie so schnell ein­set­zen?«

»Er ist mit we­nigs­tens zwei ato­ma­ren Spreng­kör­pern auf den Weg ge­schickt wor­den.«

»Si­cher, das ist üb­lich. Ei­ne große und ei­ne schwä­che­re La­dung. Wie willst du sie in das Schiff brin­gen?«

Da­mit hat­te er das Kern­pro­blem an­ge­spro­chen. Ich schwieg und schirm­te mich ab. Er rief mich auch nicht mehr an. Ich be­schloß, al­le Grü­belei­en zu­rück­zu­stel­len. Wenn wir das Grab nicht um­ge­hend fan­den, konn­ten wir oh­ne­hin auf­ge­ben.

Nach ei­ner knap­pen Stun­de teil­te mir La­bel mit, wir be­fän­den uns dicht vor ei­nem Aus­gang auf der Nord­sei­te der Stadt. Vor der Soh­len­schleu­se an­ge­kom­men, muß­ten wir den Wa­gen ver­las­sen. Wir be­sa­ßen kei­ne Hilfs­mit­tel, ihn nach oben zu trans­por­tie­ren.

»Wir soll­ten die kom­men­de Nacht ab­war­ten«, gab Dr. La­bel zu be­den­ken. »In drei­ein­halb Stun­den wird es hell. Wir müs­sen min­des­tens fünf­zehn Ki­lo­me­ter mar­schie­ren. Was hal­ten Sie da­von?«

»Nichts«, lehn­te ich ab. »Bis zur nächs­ten Nacht ist der Kreu­zer ge­st­ar­tet, und die Druck­bla­sen sind ver­nich­tet.«

Barts fuhr sich mit dem Handrücken über die Bart­stop­peln. Dann setz­te er wort­los sei­ne Atem­mas­ke auf und schal­te­te die Ver­dich­tungs­tur­bi­ne ein.

Wir durch­schrit­ten die Schleu­se. Die Tü­ren konn­ten nur noch durch Mus­kel­kraft be­wegt wer­den.

An­schlie­ßend be­gann der Marsch über die Trep­pen, nur ging es dies­mal nach oben. Ich wuß­te, daß wir Man­zo nicht mehr vor Ta­ges­an­bruch er­rei­chen konn­ten. Es spiel­te auch kei­ne Rol­le mehr.

Die La­ge war so ver­zwei­felt ge­wor­den, daß wir auf den Schutz der Dun­kel­heit ver­zich­ten muß­ten.

 

Das ro­te Leuch­ten über der Run­dung des Ho­ri­zonts ver­kün­de­te den An­bruch des neu­en Ta­ges. Er war viel zu schnell ge­kom­men.

Ich schau­te auf das Ther­mo­me­ter. Die Tem­pe­ra­tur lag jetzt bei mi­nus sech­zehn Grad Cel­si­us. Uns war wäh­rend des Ge­walt­mar­sches warm ge­wor­den – fast zu warm! Nie­mand ging auf dem Ro­ten Pla­ne­ten zu Fuß. Die Iso­therm­kom­bi­na­tio­nen wa­ren für den Fahr­be­trieb ent­wi­ckelt wor­den.

Die im Stoff ein­ge­web­ten Heiz­spi­ra­len hat­ten wir schon nach ei­ner Vier­tel­stun­de ab­ge­schal­tet. Trotz­dem war es pro­ble­ma­tisch ge­wor­den, die Kör­per­wär­me ab­zu­strah­len. Wir hat­ten die Be­lüf­tungs­schlit­ze in den An­zü­gen ge­öff­net, um we­nigs­tens die Feuch­tig­keit ent­wei­chen zu las­sen. Auf der an­de­ren Sei­te hät­ten wir sie für die Sau­er­stoff­ver­dich­ter drin­gend ge­brau­chen kön­nen, denn je­der Atem­zug kos­te­te Was­ser. Die Be­häl­ter im un­te­ren Teil der Tor­nis­ter wa­ren für die Auf­nah­me von zwan­zig Li­tern vor­ge­se­hen. Das war we­nig, wenn man ge­zwun­gen wur­de, die tro­ckene Luft stän­dig an­zu­rei­chern.

Ich hat­te den Zer­stäu­bungs­do­sa­tor be­reits auf den mi­ni­mals­ten Wert ein­ge­stellt und die Mas­ken­vor­hei­zung ge­dros­selt. Die aus dem Flat­ter­ven­til kom­men­de Luft war an­ge­nehm kühl, aber wahr­schein­lich nicht feucht ge­nug.

Barts, La­bel und ich tru­gen noch je einen Re­ser­ve­ka­nis­ter mit zehn Li­tern In­halt. Un­ter Um­stän­den wa­ren wir aber ge­zwun­gen, von der Marsch­rich­tung ab­zu­wei­chen, um einen Ka­nal auf­zu­su­chen.

Top­thar war ein Kno­ten­punkt ge­we­sen. Im Win­ter wur­de ge­nü­gend Was­ser von den Pol­ge­bie­ten in die Be­wäs­se­rungs­sys­te­me ge­lei­tet. Ge­fahr für un­ser Le­ben durch die Tücken der fremd­ar­ti­gen Um­welt be­stand nicht, nur konn­ten wir es uns kaum leis­ten, noch mehr Zeit zu ver­schwen­den.

Mei­ne kom­plet­te Aus­rüs­tung hät­te auf der Er­de we­nigs­tens hun­dert­fünf­zig Pfund ge­wo­gen. Auf dem Mars hat­te ich nur zir­ka fünf­und­fünf­zig Pfund zu tra­gen. Die ge­rin­ge Schwer­kraft mach­te sich an­ge­nehm be­merk­bar. Trotz­dem wa­ren wir nach zwei Stun­den er­schöpft.

Die Hü­gel­grup­pen nörd­lich der Stadt hat­ten wir teils um­gan­gen, teils über­schrit­ten. Sie bo­ten zwar ei­ne vor­züg­li­che Or­tungs­de­ckung, aber für un­ser Fort­kom­men hat­ten sie einen ge­fähr­li­chen Auf­ent­halt be­deu­tet.

Bei größ­ter An­stren­gung hat­ten wir pro Stun­de fünf Ki­lo­me­ter zu­rück­le­gen kön­nen.

Jetzt ras­te­ten wir. Han­ni­bal zeig­te ers­te Spu­ren der Er­schöp­fung. Die Ak­ti­vie­rungs­in­jek­ti­on ließ nach. Die so­ge­nann­ten In­dia­ner­hü­gel wa­ren noch un­ge­fähr drei Ki­lo­me­ter ent­fernt. Die dün­ne Luft ließ kei­ne ge­naue Schät­zung zu. Selbst wenn man sich dar­an ge­wöhnt hat­te, un­ter­lie­fen im­mer wie­der Feh­ler.

Die Bo­den­er­he­bung er­schi­en so na­he, als könn­te man sie mit we­ni­gen Schrit­ten er­rei­chen. Barts warn­te vor zu großem Op­ti­mis­mus.

Wir hat­ten uns un­ter ei­nem vor­sprin­gen­den Fels­hang nie­der­ge­legt. So dicht wie mög­lich an die Wand ge­preßt, hoff­ten wir, den Flug­strei­fen der Hyp­nos auch wei­ter­hin ent­ge­hen zu kön­nen.

Von den Ge­sich­tern der Män­ner wa­ren nur die Au­gen zu er­ken­nen, die noch­mals durch an­lie­gen­de Klar­sicht­bril­len ge­gen die Käl­te ab­ge­schirmt wur­den. Die Mi­ni­funk­sprech­ge­rä­te in un­se­ren Werk­zeug­gür­teln hat­ten wir nicht be­nutzt. Wir wä­ren wahr­schein­lich so­fort ein­ge­peilt wor­den.

Ich kroch nach vorn und späh­te un­ter der Stein­plat­te her­vor nach oben. Von Luft­glei­tern war nichts zu se­hen.

»Im Kreu­zer ist al­les ru­hig«, rief mir Han­ni­bal zu. »Die Start­vor­be­rei­tun­gen dau­ern an. Ge­rät­schaf­ten und aus­ge­schleus­te Bei­boo­te wer­den ins Schiff ge­bracht.«

Ich um­klam­mer­te den Kol­ben­hals des Ka­ra­bi­ners. Wie­viel Zeit hat­ten wir noch?

Das Dröh­nen ei­nes ther­mi­schen Atom­trieb­werks weck­te mich aus mei­nen Über­le­gun­gen. Der nä­her kom­men­de Glei­ter glich ei­nem flie­gen­den Drei­eck mit auf­ge­ris­se­nem Hai­fisch­ra­chen.

Ich zog mich in die De­ckung zu­rück und preß­te den Kör­per ge­gen die Wand. Im­pul­stas­ter zum An­mes­sen aus­ge­schick­ter Or­tungs­wel­len be­sa­ßen wir nicht. Wir konn­ten uns nur auf un­ser Ge­hör ver­las­sen.

Barts ent­si­cher­te sei­ne Waf­fe. Die Glei­ter wa­ren nicht durch Kraft­fel­der ge­si­chert. Not­falls wä­re es leicht mög­lich ge­we­sen, einen da­von ab­zu­schie­ßen. Un­se­re Mi­ni­rak­ge­schos­se be­sa­ßen ei­ne ho­he Durch­schlags­kraft, die Spreng­wir­kung war eben­falls be­acht­lich.

»Er kreist«, brüll­te mir La­bel zu. »Jetzt ha­ben sie uns auf den Bild­schir­men.«

Ich war nicht da­von über­zeugt. Die Ma­schi­nen hat­ten bis jetzt im­mer ein be­stimm­tes Ge­biet ab­ge­flo­gen. Wir war­te­ten, bis das Pfei­fen lei­ser wur­de. Als ich wie­der aus der De­ckung her­vor­lug­te, flog die Ma­schi­ne mit ho­her Fahrt in nörd­li­cher Rich­tung da­von.

Der Kreu­zer und die Druck­bla­sen la­gen süd­öst­lich von un­se­rem Stand­ort. Man­zos Grab da­ge­gen be­fand sich ge­nau süd­lich.

Wir war­te­ten noch fünf Mi­nu­ten. Mitt­ler­wei­le ging die Son­ne auf und über­flu­te­te die trost­lo­se Land­schaft mit ih­rem Licht. Die rost­brau­nen Ber­ge hin­ter uns flamm­ten in ei­nem leuch­ten­den Vio­lett auf. Die Tem­pe­ra­tur ging wei­ter zu­rück.

Ein in­fer­na­li­sches To­sen ließ mich zu­sam­men­schre­cken. Barts zwäng­te sich an mir vor­bei, rich­te­te sich auf und stürm­te den sicht­be­hin­dern­den Steil­hang hin­auf.

»Sie flie­gen ab«, gab Han­ni­bal durch. Ich ach­te­te nicht dar­auf. Die Ver­zweif­lung droh­te mich zu über­man­nen.

Keu­chend kam ich ne­ben Barts an. Er lag auf dem Kamm des Fels­hü­gels und späh­te nach vorn.

Un­ser Weg hat­te uns zum Stütz­punkt des Mars­kom­man­dos zu­rück­ge­führt. Die Druck­bla­sen wa­ren nur noch knapp vier Ki­lo­me­ter ent­fernt. Man­zos Grab lag rechts da­von.

Das Pan­zer­plast der Kon­struk­tio­nen re­flek­tier­te das schräg ein­fal­len­de Son­nen­licht. Ge­blen­det schlos­sen wir die Au­gen. Als wir sie wie­der öff­ne­ten, sa­hen wir, daß der Kreu­zer vom Bo­den ab­ge­ho­ben hat­te. Der Dü­sen­lärm war nicht mehr so stark. Ei­ne son­nen­hel­le Lo­he schoß aus der un­te­ren Pol­kup­pel des Rump­fes.

Trotz sei­ner enor­men Grö­ße konn­ten wir das Raum­schiff von hier aus mit ei­nem Blick über­se­hen. Es flog nach Sü­den da­von und setz­te et­wa fünf Ki­lo­me­ter von den Druck­bla­sen ent­fernt er­neut auf. Da wuß­te ich, wie vor­sich­tig der Kom­man­dant der Mons­tren war.

Barts sah mich an. In sei­nen Au­gen glomm ein Fun­ke der Er­leich­te­rung. Wahr­schein­lich hat­te er an­ge­nom­men, die Hyp­nos flo­gen end­gül­tig ab. La­bel und Han­ni­bal ka­men an und leg­ten sich ne­ben uns auf den Bo­den. Von hier aus ge­nos­sen wir einen wun­der­ba­ren Blick auf die Kup­peln. Wir be­fan­den uns et­wa zwei­hun­dert Me­ter hoch.

»Tak­ti­sche Lan­de­platz­ver­schie­bung«, sag­te ich laut und deut­lich. Die Mars­luft war ein schlech­ter Schal­lei­ter.

»Das ver­ste­he ich nicht«, rief La­bel ner­vös. »Was heißt ›tak­ti­sche Lan­de­platz­ver­schie­bung‹?«

»Dar­an sind wir schuld, Doc. Die Hyp­nos rech­nen mit al­lem, so­gar mit ei­nem blind­wü­ti­gen An­griff auf ihr Schiff. Sie wis­sen, daß wir min­des­tens wir­kungs­vol­le Hand­feu­er­waf­fen be­sit­zen. Sie ge­hen nicht das Ri­si­ko ein, un­ter Um­stän­den von den Druck­bla­sen aus be­schos­sen zu wer­den. Da – se­hen Sie! Jetzt be­mer­ken Sie den zwei­ten Grund für den Stand­ort­wech­sel.«

Der ku­gel­för­mi­ge Rumpf be­gann plötz­lich in blau­em Feu­er zu leuch­ten. Es ver­dich­te­te sich für einen Au­gen­blick, so daß man die Kon­tu­ren des Schif­fes nicht mehr aus­ma­chen konn­te. Als sie wie­der er­kenn­bar wur­den, ver­schwam­men sie in ei­nem iri­sie­ren­den Flim­mern von zar­tem Blau.

»Ein Ener­gie­schirm«, sag­te Han­ni­bal mut­los. »Jetzt ist es end­gül­tig vor­bei. Da kommt nie­mand hin­durch. Großer, ich ka­pi­tu­lie­re. Selbst wenn Man­zo ei­ne Me­ga­ton­nen-Bom­be bei sich hät­te – nun wä­re sie wir­kungs­los. Wir könn­ten sie ru­hig vor dem Schutz­schirm zün­den. Da­mit ja­gen wir nur die Druck­bla­sen in die Luft.«

Ich hat­te wäh­rend des lan­gen Mar­sches einen Plan er­wo­gen. Er war ver­we­gen und wahr­schein­lich auch das Pro­dukt mei­ner Pa­nik, aber es war im­mer­hin ein Plan. Die Chan­cen stan­den für uns eins zu hun­dert. Ich war ge­willt, die ge­rin­ge Mög­lich­keit aus­zu­schöp­fen.

Mei­ne letz­te Psi-Ein­stel­lung auf den Kom­man­dan­ten hat­te be­wie­sen, daß er doch viel un­ru­hi­ger war, als wir an­ge­nom­men hat­ten. Er kal­ku­lier­te al­le Mög­lich­kei­ten durch, die ein Te­le­path ha­ben konn­te. Da­bei hat­te er mich so­gar di­rekt an­ge­spro­chen und mir mit­ge­teilt, er wüß­te, daß ich ihn be­lau­sche.

Na­tür­lich hat­te der Kom­man­dant nur sei­nen Ver­dacht ge­äu­ßert, aber er war zu­tref­fend. Die Mons­tren wa­ren nicht nur über­ra­gend in­tel­li­gent, son­dern auch er­fah­ren im Um­gang mit Frem­din­tel­li­gen­zen. Sie wuß­ten, wie sie sich zu ver­hal­ten hat­ten und daß mir die In­for­ma­tio­nen nichts nütz­ten.

Ich schirm­te mich ge­gen Han­ni­bal ab und zog mich in die Sicht­de­ckung des Hö­hen­zu­ges zu­rück.

An­schlie­ßend er­teil­te ich die letz­ten Be­feh­le.

»Dr. La­bel – Sie und Ma­jor MA-23 blei­ben hier. Barts und ich be­sit­zen die größ­ten Kraft­re­ser­ven. Es ge­nügt, wenn wir al­lein bis zu Man­zo vor­sto­ßen. Han­ni­bal, du paßt auf La­bel auf. Sie müs­sen sich vor­sichts­hal­ber fes­seln las­sen, Dok­tor. Hal­ten Sie hier die Stel­lung und ver­su­chen Sie, Barts und mir im schlimms­ten Fal­le Feu­er­schutz ge­gen an­grei­fen­de Luft­glei­ter zu ge­ben. Das Grab ist nur noch drei Ki­lo­me­ter ent­fernt. Mit den Mi­ni­rak­ge­schos­sen kön­nen Sie oh­ne wei­te­res die Di­stanz über­win­den. Ich blei­be mit Han­ni­bal in te­le­pa­thi­scher Nach­rich­ten­ver­bin­dung. Lu­di­now ist tot. Ich kann ihn nicht mehr or­ten. Ka­nopz­ki ist in das Schiff ge­bracht wor­den und wird zur Zeit ver­hört. Bald wer­den die Hyp­nos wis­sen, daß es hier noch einen zwei­ten Te­le­pa­then gibt. Ich ge­ste­he Ih­nen of­fen, daß dies die ver­zwei­felts­te Si­tua­ti­on ist, in der ich mich je­mals be­fun­den ha­be.«

Ich zö­ger­te nicht mehr län­ger. We­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter mar­schier­ten wir nach Sü­den. Die Hü­gel­ket­te bot im­mer noch aus­ge­zeich­ne­te De­ckungs­mög­lich­kei­ten. Sie en­de­te erst dort, wo Man­zo be­stat­tet wor­den war.

Die Re­ser­ve­ka­nis­ter hat­ten wir zu­rück­ge­las­sen, nach­dem wir die Tor­nis­ter auf­ge­füllt hat­ten. Die kom­men­den zwei Stun­den wür­den über Sein oder Nicht­sein ent­schei­den.

Hei­no Barts sprach kein Wort. Nur such­te er un­un­ter­bro­chen den Him­mel ab. Ich lausch­te auf die ty­pi­schen Hirn­im­pul­se der Hyp­nos. Es wa­ren aber weit und breit kei­ne zu be­mer­ken.

Nur vom Schiff her kam ein Schwall ver­schie­den­ar­ti­ger Ge­dan­ken­wel­len. Je­der der Frem­den be­schäf­tig­te sich mit dem be­vor­ste­hen­den Start. Die Ver­la­dung des aus­ge­schiff­ten Ma­te­ri­als war fast be­en­det.

Nach­dem wir die Hälf­te des Weges zu­rück­ge­legt hat­ten, nahm ich Kon­takt mit dem Kom­man­dan­ten auf. Er hat­te be­reits den Be­fehl er­teilt, die nu­klea­re Bom­be in die Un­ter­grund­stadt zu brin­gen und sie auf der tiefs­ten Soh­le zu la­gern.

Ich sah auf die Uhr. Barts blieb ste­hen und lehn­te sich schwerat­mend ge­gen einen Fels­block.

Mei­ner Schät­zung nach be­nö­tig­ten die Hyp­nos un­ge­fähr zwei Stun­den zum In­stal­lie­ren der Bom­be. Das war für uns die letz­te Frist. Ich wuß­te be­reits, daß der ato­ma­re Spreng­kör­per über Funk ge­zün­det wer­den soll­te. Es war aus­sichts­los, zu ver­su­chen, ihn in der kur­z­en Zeit­span­ne zwi­schen Start und De­to­na­ti­on un­schäd­lich zu ma­chen. Au­ßer­dem hät­ten wir ihn erst ein­mal fin­den müs­sen.

»Wei­ter, Barts. Die Hyp­nos sind jetzt mit an­de­ren Din­gen be­schäf­tigt. Den­ken Sie lie­ber dar­über nach, an wel­cher Stel­le der Wa­gen an­hielt. Man­zo muß in der Nä­he lie­gen.«

»Ich ha­be Angst«, ent­geg­ne­te er. »Kön­nen Sie das ver­ste­hen?«

Ich ver­such­te ein La­chen.

»Barts, wenn Sie wüß­ten, wie es in mir aus­sieht, hät­ten Sie das nicht ge­sagt.«

Er dreh­te sich um und ver­fiel in einen schwer­fäl­li­gen Trab. Die Wür­fel wa­ren ge­fal­len.

Ich lief au­to­ma­tisch hin­ter dem Tech­ni­ker her. Warum war ich nicht auf die Idee ge­kom­men, das La­ger­ma­te­ri­al auf zwei Wa­gen zu la­den und die Stadt durch einen großen Aus­gang zu ver­las­sen? Was konn­ten wir der Mensch­heit nüt­zen, wenn wir sinn­los den Tod her­aus­for­der­ten?

Tief in mei­nem In­nern glaub­te ich die Ant­wort zu fin­den. Wir wa­ren Men­schen, und auf der Er­de gab es an­de­re Men­schen. Sie wa­ren in Not. Viel­leicht konn­ten wir doch noch hel­fen.

Ich gab es auf, dar­über nach­zu­den­ken. Vor uns la­gen die In­dia­ner­hü­gel. Ich er­kann­te die Kup­pe, die wie der fe­der­ge­schmück­te Kopf ei­nes Häupt­lings aus­sah. Wir wa­ren am Ziel.