Kapitel 18

»Wie lange werdet Ihr ausbleiben?«, fragte Phoebe enttäuscht und stützte sich auf Catos nackter Brust auf.

»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.« Als er sie herunterzuziehen versuchte, leistete sie seinem Arm Widerstand.

»Aber Italien ist so weit weg. Und diese Mission … sie wird doch sicher gefährlich sein?«

»Nicht gefährlicher als alles andere«, sagte Cato. »Komm jetzt, Phoebe, wenn ich gesagt hätte, ich würde eine Belagerung befehligen, hättest du keinen Gedanken daran verschwendet.«

»Doch, das hätte ich«, erklärte sie. »Ich denke unausgesetzt daran! Bei einer Belagerung könntet Ihr getötet werden, und das kann mich nicht gleichgültig lassen. Wie auch?«

»Vielleicht ist es das nicht«, gestand Cato ihr zu. »Aber diese Reise ist nicht gefährlicher als alles andere, was ich in den letzten Jahren tat.« Er lächelte beschwichtigend zu ihr auf und griff in ihr dichtes herabfallendes Haar, das ihr Gesicht verbarg. »Und viel weniger gefährlich als die vielen Schlachten, die ich erlebte.«

»Aber Ihr werdet womöglich Monate ausbleiben!«, klagte sie. »Jenseits des Meeres. Euer Schiff könnte sinken, und Ihr könntet ertrinken.«

Cato lachte. »Nein, das wird nicht geschehen. Obwohl ich gestehen muss, dass ich auf die Überfahrt gern verzichten würde. Ich bin ein jämmerlicher Seefahrer.«

»Ach?«

»Ich werde seekrank«, sagte er mit einer Grimasse. »Kaum gehe ich an Bord, fühle ich mich hundeelend.«

»Hm, möchte wissen, wie es mir ergehen würde«, sagte sie sinnend und spielte im Geist ein paar Möglichkeiten durch.

»Du wirst es nie herausfinden«, erklärte Cato. »Und jetzt komm her und lass uns von vorn beginnen.«

Nachdenklich nagte Phoebe an ihrer Unterlippe, ehe sie mit spitzbübischem Schmunzeln sagte: »Ich möchte etwas anderes ausprobieren, Mylord.«

Sie schwang sich rittlings über ihn und strich mit den Händen über seine Brust. Ihre Finger spielten in dem dunklen Anflug von Löckchen um seine Brustwarzen.

Cato zog die Knie an, um ihren Rücken zu stützen, und beobachtete sie sodann träge durch halb geschlossene Lieder.

Phoebe strich über seinen flachen Leib und über die Brust.

Sie genoss das Gefühl seines Körpers, die erstaunlich weiche Haut, die sich über straffe Muskeln spannte. Sie umfasste seinen Bizeps, strich die hervortretenden Sehnen seiner Unterarme entlang, wo die Behaarung dicht und dunkel war. Sie liebte seine Handgelenke. Sie waren schmal, knochig, erstaunlich kräftig und seine Hände breit, aber elegant, hart, doch erstaunlich zart, die Finger lang, die Nägel kurz geschnitten und rosig.

Sie biss auf ihre Unterlippe, während sie sich auf eine Erkundung konzentrierte, die nie verfehlte, sie zu entzücken, nie verfehlte, ihr neue Bereiche zu enthüllen, neue Möglichkeiten, sooft sie sie auch unternahm. An seine Beine gestützt, griff sie hinter sich, um über die Außenseite seiner Schenkel zu streichen, dann weiter über die Seite seiner Beine, die tiefe Höhlung in den Knien, die knotigen Wadenmuskeln, die von den Knien zum Gesäß verlaufende Sehne.

Spielerisch umging sie mit ihrer Erkundung sein Geschlecht, auch als sie spürte, wie sein Glied hart wurde und gegen sie stieß.

Cato umfasste ihre Brüste und liebkoste sie träge, ehe er ihre Brustspitzen in den Mund nahm und den zarten Geruch ihrer Haut einatmete, der sich mit der schärferen Note der Erregung mischte. Ihr Körperspalt lag heiß und feucht auf seinem Leib, als sie schließlich seinen Schaft streichelte. Seine Zähne streiften die harten Spitzen ihrer Brüste, als er daran saugte und seine Zunge spielen ließ, wohl wissend, wie sehr sie diese Liebkosung genoss, die ihr unweigerlich einen Gipfel der Lust bereitete.

Phoebe stöhnte leise auf, und als seine Hände über ihren Körper glitten, unter ihr Gesäß, und sie anhob, half sie nach, nahm ihn tief in sich auf, mit einem triumphierenden Glucksen, das Cato trotz seiner Erregung auflachen ließ.

Sich an seine angezogenen Knie lehnend, bewegte sie sich auf und um ihn und kostete die Kontrolle über ihre eigenen Gefühle aus. Ihre Augen wurden groß vor entzücktem Staunen, als sie begriff, wie sie ihre eigene Lust zu steigern vermochte, indem sie entdeckte, wo tief in ihr der empfindlichste Punkt lag.

Cato fuhr fort, mit ihren Brüsten zu spielen, und gab sich damit zufrieden, sie beide nach Belieben zum Höhepunkt zu führen. Ihre Bewegungen wurden schneller, ihre Haut mit der zunehmenden Intensität der Gefühle feuchter. Sie drückte ihre heiße Körperspalte hart gegen seinen Leib und schrie vor Wonne auf, als Wogen der Lust sie durchströmten und jede Zelle und Pore erfüllten.

Im gleichen Moment streckte Cato die Beine aus und hob ihr seine Hüften entgegen. Phoebe sank vornüber, außerstande, eine an Schmerz grenzende Lust zurückzuhalten. Sie spürte seinen Höhepunkt in sich, und sein heißer Samen tränkte sie, und wieder brach die Woge über ihr zusammen, dass sie glaubte, so viel Lust nicht ertragen zu können.

Cato streichelte ihren feuchten Rücken, als sie an ihm lag und ihr Herz so schnell schlug, als wollte ihre Brust zerspringen.

»Wie war das möglich?«, murmelte sie nach einer Weile. »Ich weiß gar nicht, was passierte.«

Er strich ihr das Haar aus der Stirn und fasste es im Nacken zusammen, damit kühle Luft an ihre erhitzte Haut gelangen konnte. »Du hast ein Talent zur Liebe«, sagte er mit leisem Auflachen. »Das hat nicht jeder.«

»Ich wusste immer schon, dass mich das Glück auch ein wenig begünstigt haben muss«, murmelte Phoebe. »Diana kann ja nicht alle guten Eigenschaften mitbekommen haben.«

Cato ließ seine Hand zwischen ihre feuchten Körper gleiten und hob sie sanft von sich. Sie fiel aufs Bett neben ihm und lag tief atmend da, einen Arm um Cato geschlungen.

Er glaubte, sie wäre eingeschlafen, und fuhr fort, ihren Rücken mit kleinen kreisförmigen Liebkosungen zu streicheln. Er wollte sie nicht verlassen. Das war eine Erkenntnis, die allmählich entstanden war und der er Widerstand entgegengesetzt hatte. Doch war sie unvermeidlich. Sein Angebot, die Mission in Rotterdam zu übernehmen, wäre für den Mann, der er gewesen war, ehe Phoebe in sein Leben trat, völlig natürlich gewesen. Damals hätte er keinen Gedanken an persönliche Sicherheit verschwendet, auch nicht daran, dass er Haus und Herd, Frau und Kinder für die Dauer der Mission verlassen musste.

Obschon er sein Ziel geheim hielt und für böswillige Ohren eine falsche Spur auslegte, waren die Risiken nicht zu leugnen. Und zum ersten Mal im Laufe seiner militärischen Karriere hätte er es vorgezogen, ihnen auszuweichen.

Seine Hand hielt auf Phoebes unterem Rücken, eine seiner bevorzugten Stellen, inne. Die kleine Mulde hatte etwas so Verletzliches und doch so Sinnliches an sich, ehe sie sich zur runden Kurve ihres Gesäßes wölbte.

Deinem Herzen fern zu sein, ist Folterqual…

Einen Frau, von Lieb' gebannt…

Diese Worte, die sie geschrieben hatte, wollten ihm nicht aus dem Sinn, und er hörte im Geiste noch seine eigene Stimme, als er sie las, und hörte auch Phoebe die Antwortzeilen rezitieren.

»Ich glaube, am besten wäre es, wenn ich mitkäme«, murmelte Phoebe.

»Ganz sicher wäre es nicht am besten«, sagte er rundheraus.

Phoebe drehte sich um und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben ihn. Sie strich sich das Haar aus den Augen und sah ihn flehentlich an. »Ich kann nicht wochenlang ohne Euch bleiben. Das macht mich krank.«

Cato lachte. »Ich nehme es als großes Kompliment, meine Antwort lautet dennoch nein.«

Phoebe wickelte eine Locke um ihren Finger, während sie ihn weiterhin nachdenklich ansah. »Wo werdet Ihr Euch einschiffen?«, fragte sie dann.

»In Harwich.«

»Dorthin ist es ein Ritt von mehreren Tagen?«

»Drei Tage etwa.«

»Nun, wenn ich Euch nach Harwich begleite, bleiben uns drei zusätzliche Tage. Ich habe noch nie die See gesehen.«

»So weit kannst du unmöglich reiten.«

»Ich will versuchen, so weit und wieder zurück zu reiten. Ihr werdet eine Eskorte nach Harwich mitnehmen. Die kann mich dann nach Hause begleiten.« Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen waren rosig angehaucht. Sie beugte sich über ihn und küsste seine Nase. »Warum soll das nicht gehen?«

»Von der schlichten Tatsache abgesehen, dass du bei einem Pferd vorn und hinten nicht unterscheiden kannst?«, fragte er trocken.

»Wann werdet Ihr aufbrechen?«

»In zwei Tagen. So lange wird es dauern, bis ich hier alles geordnet habe und …«

»Dann bleiben mir zwei Tage!«, erklärte Phoebe. »Die nächsten zwei Tage werde ich auf Sorrel verbringen und beweisen, dass ich es schaffe. Darf ich mitkommen, wenn ich es beweise?«

»Nein, das kommt nicht in Frage. Dein Platz ist hier. Du wirst nicht mit meinen Reitern über Land ziehen. Und jetzt wollen wir schlafen. Ich war den ganzen Tag im Sattel und bin müde.«

Um Phoebes Mund zeigte sich ein eigensinniger Zug, doch legte sie sich neben ihn, als er die Hand ausstreckte und die Kerze erstickte.

Sie lag da und lauschte, wie sein Atem in den tiefen, ebenmäßigen Rhythmus des Schlafes überging. Er ist unmöglich!,

dachte sie. Es gab keinen logischen Grund, ihn nicht zu begleiten, wenn sie gewillt war zu reiten.

Silbernes Mondlicht fiel auf die Truhe am Fuß des Bettes und ließ seine Gürtelschnalle aufblitzen. Die Schlüssel hingen noch am Gürtel.

Es würde eine Sache von Sekunden sein, mit dem weichen Wachs aus dem Untersatz der Kerze einen Abdruck der Schlüssel herzustellen. Sie hatte Brians Dokument zwar noch nicht gesehen, da aber Cato so kurz vor der Abreise stand, war ungewiss, wann sich ihr diese Gelegenheit wieder bot.

Sie glitt auf den Boden. Reglos dastehend horchte sie auf seine Atemzüge. Der Rhythmus war unverändert. Auf Zehenspitzen schlich sie um das Bett herum zur Kerze und hob sie vom Untersatz. Das herabgeflossene Wachs, das sich noch nicht erhärtet hatte, würde genügen.

Phoebe sammelte das Wachs in einer Hand und knetete es zu einer Kugel, dann schlich sie auf Zehenspitzen ans Fußende des Bettes. Es war gar nicht nötig, dass sie die Schlüssel vom Gürtel löste. Aber welches war der Schlüssel zum Schreibtisch? Es musste einer der zwei kleineren sein.

Sie kniete mit angehaltenem Atem nieder und löste vorsichtig einen der kleinen Schlüssel vom übrigen Bund. Ein leises Klirren war zu hören, als ihr einer entglitt und gegen die anderen schlug. Phoebe hielt den Atem an. Falls Cato erwachte, hätte sie nicht zu erklären vermocht, was sie in der Dunkelheit auf dem Boden mit einer Wachskugel in der Hand machte.

Ihr Blut dröhnte ihr so laut in den Ohren, dass sie nichts anderes hörte. Rasch drückte sie den Schlüssel fest ins Wachs, dann drehte sie die Kugel um und tat dasselbe mit dem zweiten der kleineren Schlüssel.

Geschafft. Alles Übrige war einfach. Falls sie sich entschließen sollte, Brian bei seinen Plänen zu helfen, konnte er Duplikate der Schlüssel anfertigen lassen. Es würde ganz einfach sein, den Schreibtisch zu öffnen, sein Siegel auf das Dokument zu drücken und dieses ans Hauptquartier zu schicken. Sie konnte dem Boten weismachen, Cato hätte es ihr mit der Anweisung anvertraut, sie solle dafür Sorge tragen, dass es möglichst rasch zu Cromwell gelangte. Man würde Cato überschwänglich preisen, und niemand würde jemals wieder seine Bündnistreue anzweifeln. Und er würde seine Frau, die ihn vor ernster Gefahr bewahrt hatte, nicht mehr nur als lästige Person sehen, die ihren Platz kennen sollte.

Einfacher ging es gar nicht.

Phoebe stand auf, die Wachskugel flach auf der Handfläche. Cato würde anerkennen müssen, dass sie über Einfallsreichtum verfügte und imstande war, ihm zu helfen, wenn er selbst die Problematik nicht erkennen konnte. Vor allem aber würde er einsehen, dass sie eine vertrauenswürdige Partnerin war.

Abrupt setzte sie sich auf die Truhe. Vertrauenswürdig? Was, zum Teufel, bildete sie sich ein? Wie hatte sie nur so dumm und naiv sein können?

Wie konnte er je einer Frau trauen, die sich so hinterhältiger und verstohlener Mittel bediente, um etwas zu beweisen? Was sie tun wollte, war abscheulich. Ihre Haut prickelte am ganzen Körper vor Abscheu. Wie hatte sie sich von Brian Morse einreden lassen können, dass dies überhaupt möglich war?

Doch sie kannte die Antwort. In ihrem Eifer, Cato vor Augen zu führen, dass sie seines Vertrauens würdig war, hatte sie sich von Brians Plan blenden lassen. Sie hatte sich eingeredet, sie sei es, die Brian benutze, und nicht umgekehrt, während es natürlich umgekehrt war. Brian war in der bösen, schmutzigen Welt der Spionage zu Hause. Intrigen dieser Art gehörten zu seiner zweiten Natur. Er hatte sie wie ein Marionettenspieler tanzen lassen. Wie hatte sie sich über Megs Warnung so einfach hinwegsetzen können, obwohl sie wusste, dass ihre Freundin in solchen Dingen immer Recht behielt.

Phoebe warf einen Blick zum Bett hin. Catos Körper war als Wölbung unter der Decke zu erkennen. Sein Kopf lag als dunkler Schatten auf dem Kissen, ein starker brauner Arm lag frei, mit offener, nach oben gekehrter Hand und leicht gekrümmten Fingern.

Ihr Herz wurde von einer unbezwingbaren Woge der Liebe erfasst. Und gleich darauf von bitterer Enttäuschung. Wie kam es, dass sie ihn so ganz, so bedingungslos liebte, obwohl sie wusste, dass er nicht dasselbe für sie empfand, es vielleicht gar nicht konnte. Musste sie sich damit abfinden?

Sie presste die Lippen zusammen. Noch nicht.

Vielleicht gab es einen anderen Weg, einen ehrlicheren und direkteren. Vielleicht sollte sie ihn überrumpeln. Überraschungen hatten ihn schon immer geneigter und williger gemacht, auf sie zu hören. Und dann würde sie ihm etwas zu sagen haben, das beweisen würde, was für eine wertvolle Vertraute sie sein konnte.

Phoebe wusste nicht, warum sie nicht eher daran gedacht hatte, aber Brian hatte sie einfach überrumpelt und ihre Gefühle für seine eigenen Ziele ausgenutzt. Aber was waren diese Ziele eigentlich? Phoebe war nun sicher, dass es ihm nicht darum ging, Catos Vertrauen zu gewinnen.

Da Cato sicher interessiert sein würde, alles über den schäbigen kleinen Plan seines Stiefsohnes zu erfahren, hatte sie eine Rechtfertigung für ihre Überraschung zur Hand.

Phoebe zerdrückte das Wachs in ihrer Hand und knetete es zu einem formlosen Gebilde, ließ es in die Untertasse fallen und kletterte zurück ins Bett.

Als Brian am nächsten Morgen das Haus betrat, traf er hektische Aktivität an. »Lord Granville ist im Begriff abzureisen, Sir«, informierte Bisset ihn. »Für längere Zeit, soviel ich weiß.« »Wohin?«

»Das kann ich nicht sagen, Sir.« Bisset entfernte sich mit wichtigtuerischem Gehabe.

Brian stand mit gerunzelter Stirn da. Wie würde sich dies auf seine eigenen Pläne auswirken? Und warum hatte Cato es ihm nicht selbst gesagt?

»Ist Lady Granville im Haus?«

»Ich glaube, dass sie zu den Stallungen ging, Sir.«

Brian eilte zurück zum Stallgebäude. Phoebe streichelte mit grimmiger Entschlossenheit die Nüstern einer hübschen Stute.

»Ach, da seid Ihr. Ich suchte Euch«, sagte Brian leise, als er sich ihr näherte. »Bisset sagte, dass Euer Gemahl verreist.«

»Ja.« Phoebe nickte.

»Wohin?«

»Da fragt Ihr besser Cato«, erwiderte sie kühl und zwang sich, den langen Hals der Stute zu streicheln. Cato hatte zwar nicht gesagt, dass sein Ziel ein Geheimnis bleiben müsse, doch hatte sie nicht die Absicht, Mr. Morse jemals wieder etwas anzuvertrauen.

Brian furchte die Stirn. Etwas stimmte da nicht. »Ich habe das Dokument und kann es Euch zeigen«, sagte er in gedämpftem Ton. »Wann will Cato aufbrechen?«

»In zwei Tagen, sagte er.« Phoebe ließ versuchsweise ihre Hand über den Rist des Pferdes gleiten. Sorrel drehte sich um und beschnüffelte Phoebes Nacken.

Phoebe bezwang das Verlangen, zurückzuspringen, und blieb ruhig stehen. »Mir wäre lieber, sie hätte nicht so große gelbe Zähne«, murmelte sie.

Brian behielt trotz seiner Ungeduld seinen leisen Ton bei, wenn er auch drängender wurde. »Ihr müsst Euch die Schlüssel verschaffen, ehe er abreist. Ich könnte mir denken, dass man ihn loszuwerden trachtet, indem man ihn mit einer Mission betraut. Wenn man ihm misstraut, wird man ihn von den Diskussionen über die Zukunft des Königs ausschließen wollen.«

Nach einer Weile setzte er sanft hinzu: »Vielleicht besteht sogar die Absicht, ihn gar nicht zurückkehren zu lassen. In seiner Sturheit zieht Cato eine solche Möglichkeit gar nicht in Betracht.«

Dieser Gedanke war Phoebe nicht gekommen. Ihre Hand hielt auf dem Nacken der Stute inne. Ob man Cato mit Absicht mit einer gefährlichen Mission betraute?

»Umso wichtiger ist es jetzt, dass Ihr die Schlüssel rasch an Euch bringt.« Brians leise, einschmeichelnde Stimme schien sie einzuhüllen. »Wir müssen Cromwell und seine Ratgeber von Catos Loyalität überzeugen, ehe es zu spät ist.«

Wie er es sagte, hörte es sich vernünftig an, doch war Phoebe nun für Brians Überredungskunst nicht mehr anfällig. Sie würde selbst einen Weg finden, Cato zu überreden, auf die Vernunft zu hören und sich gegen diese Anschuldigungen zur Wehr zu setzen. Irgendwie würde sie ihn überzeugen, dass sie wusste, wovon sie redete.

»Nein, ich werde die Schlüssel nicht nehmen«, sagte sie von der anderen Seite der Stute, wo sie ihre Annäherungsversuche fortsetzte.

Brian verstummte plötzlich. War sie ihm entglitten? Am Tag zuvor hätte er geschworen, sie in der Hand zu haben. »Wie meint Ihr das?«

Phoebe tauchte wieder auf, indem sie unter Sorrels Hals hindurchkroch, beeindruckt von dem Selbstvertrauen, mit dem sie das Manöver zustande brachte. »Es ist zu unehrlich«, stellte sie mit niederschmetternder Offenheit fest. »Es ist schlecht und hinterhältig. Ich weiß gar nicht, warum ich jemals erwog, mich dafür herzugeben. Es ist etwas, das Ihr vielleicht ohne Skrupel tut, ich aber kann es nicht. Es ist nicht meine Art.«

Brian wollte seinen Ohren nicht trauen. Sie war ihm entglitten. Und ohne ihre Mithilfe waren seine sorgsam ausgearbeiteten Pläne nichts wert. Wie hatte das passieren können? Was hatte er versäumt? Welchen Fehler hatte er begangen?

»Dumme Pute«, explodierte er halblaut, nicht im Stande, seiner Enttäuschung Herr zu werden. »Willst du mir Moral predigen? Was weißt du denn schon, du dämliches Luder!«

Instinktiv wählte er die Worte, die sie am tiefsten treffen würden. »Sieh dich an … eine wandelnde Katastrophe, eine Schande für dein Geschlecht. Ich wollte dir helfen, aber du bist ja ein hoffnungsloser Fall. Ein Wunder müsste geschehen, um aus dir etwas zu machen, das einer Frau auch nur annähernd ähnlich sieht. Du jämmerliches Häufchen Elend wagst es, mir mit Moral zu kommen? Was bildest du dir eigentlich ein?«

Phoebe starrte ihn an, vor der hässlichen verzerrten Bosheit seiner Züge zurückweichend. Höflichkeit und Galanterie waren wie weggeblasen. Nun sah sie den wahren Brian vor sich, jenen Brian, den Meg unter der glatten Oberfläche entlarvt hatte und den auch Olivia kannte. Ein Furcht einflößender Anblick. Dies war ein Mensch, der keine Hemmungen kannte.

»Du würdest mit deiner kindischen Dummheit alles verderben«, zischte Brian sie an. »Du glaubst wirklich, du wüsstest es besser als ich? Ja?« Er kam ihr mit seinem Gesicht so nahe, dass sein Speichel sie traf.

Phoebe fehlten die Worte, sie empfand Übelkeit. Beruhigend war nur der Umstand, dass sie sich mitten auf dem Stallhof befanden, umgeben von Stallknechten und Milizreitern. Auch wenn Brian ihr etwas antun wollte, konnte er es nicht, nicht hier, nicht jetzt.

»Ich kann es nicht tun«, wiederholte sie ruhig und wich einen Schritt zurück. »Betrug ist kein Weg, das Vertrauen eines Menschen zu gewinnen. Das müsst Ihr einsehen.«

»Du dummes Ding! Du Närrin!«, sagte er wieder, doch gewann er allmählich seine Fassung zurück, sodass an die Stelle von Wut nun beißende Verachtung trat. »Ich bot dir eine goldene Möglichkeit … eigentlich hätte ich wissen müssen, dass du weder über den Mut noch über die Intelligenz verfügst, sie zu nutzen.« Damit drehte er sich um und schritt davon.

Phoebe zitterte am ganzen Leib. Vielleicht war sie ein wenig taktlos gewesen, doch nichts, was sie gesagt hatte, rechtfertigte seinen Ausbruch.

Sie ertappte sich dabei, dass sie Sorrels Nacken streichelte und Beruhigung und Trost aus dem gelassenen Knabbern des Tieres gewann. Brian Morse hatte in seinen bösen kleinen Plan mehr investiert, als er verraten hatte, so viel war klar. Was hatte er mit ihrer Mithilfe zu erreichen erhofft? Für Cato würde es gewiss von Interesse sein.

»Habe ich dich warten lassen, Phoebe?« Olivia eilte über den Hof auf sie zu. »Ich wollte mich von Meg verabschieden. Sie will heute nach Hause.«

»Ja, ich weiß.« Phoebe klang zerstreut. »Ich versuchte vergebens, sie zu überreden, sie solle länger bleiben.«

»Und warum reiten wir nach Witney?« Olivia drehte sich um und bestieg ihr Pony, das von einem Stallburschen gehalten wurde.

Phoebe ließ sich Zeit mit der Antwort, da sie sich darauf konzentrierte, wenigstens so zu tun, als bestiege sie Sorrel einigermaßen selbstsicher. Sie griff nach den Zügeln und versuchte, sich an Catos Anweisungen zu erinnern.

»Ich muss schon wieder meine Ringe versetzen«, sagte sie, als der Stallbursche sich entfernt hatte.

»Willst du dir mehr K-kleider kaufen?«

»Nein, ich brauche das Geld für eine Reise.«

Olivias Augen wurden groß. »Wohin willst du?«

Phoebe legte einen Finger an die Lippen, als ihre Eskorte über den Hof auf sie zu geritten kam.

»Seid Ihr bereit, Lady Granville?«

»Ja, das bin ich. Reitet voraus, wenn ich bitten darf.«

»Zwei voran und zwei hinterher, Mylady«, sagte der Sergeant. »So lauten unsere Befehle. Man weiß nie, was einem unterwegs begegnet.«

Eingedenk des Hinterhalts auf der Straße von Eynsham erhob Phoebe keine Einwände. Die Reiter nahmen ihre Plätze ein, und sie trieb Sorrel zum Schritt an.

Olivia brachte ihr Pony auf gleiche Höhe. »Also, wohin möchtest du?«, fragte sie leise.

»Mit Cato nach Harwich.«

»Und wieso brauchst du dazu Geld?«

»Weil er nicht weiß, dass ich mit ihm komme«, erwiderte Phoebe mit blitzenden Augen. »Und ich möchte ein Mal unabhängig sein.«

Olivia konnte dies verstehen, doch ließ ihre Miene Zweifel erkennen. »Also wieder eine Überraschung.«

»Ja«, erwiderte Phoebe mit Bestimmtheit. »Ich werde ihm die Überraschung seines Lebens bereiten.«

Als leise an die Tür seines Arbeitszimmers geklopft wurde, blickte Cato auf. »Guten Tag, Mistress Meg.« Er erhob sich halb von seinem Sitz und bedeutete ihr, einzutreten.

»Lord Granville, nur eine Minute.« Meg kam schnellen Schrittes auf ihn zu. »Ich möchte Euch für Eure Gastfreundschaft danken, auch wenn diese nicht ganz in Eurem Sinn gewesen sein mag.« In ihren Augen lag ein Zwinkern, das ihren Worten jeden möglichen Stachel nahm. »Phoebe kann die Energie eines Sturzbaches entwickeln.«

»Bitte, setzt Euch.« Cato deutete auf einen Stuhl. »Ihr seid wieder völlig hergestellt?«

»Ja, danke.«

Cato lehnte sich zurück, drehte den Federkiel in seiner Hand und sah die Frau scharf an. »Was meint Ihr, wie man Euch im Dorf empfangen wird?«

»Nun, da müssen sicher viele Zäune geflickt werden«, erwiderte Meg. »Aber wie ich schon zu Phoebe sagte, kann man Aberglauben nicht bekämpfen, indem man davonläuft. Es sind unwissende Menschen, doch kann ich sie vielleicht etwas lehren.«

»Ihr seid eine tapfere Frau.«

Meg lächelte. »Wohl kaum, da ich ja Lord Granvilles Macht als Schutz hinter mir weiß. Man wird nicht wieder Hand an mich legen.«

Cato spürte Ironie aus ihrem Lächeln und ihrem Ton heraus, wusste aber nicht, wie er ihr begegnen sollte. »Sollte ich dann eher sagen, Ihr seid eine Frau, die zum Verzeihen bereit ist?«

Meg neigte den Kopf. »Vielleicht.« Sie erhob sich. »Mylord, ich will nun gehen.«

»Nur eine Minute.« Auch Cato stand auf. Er strich sich übers Kinn, während Meg höflich wartete, bis er seine Gedanken gesammelt hatte.

Schließlich sagte er: »Ich stehe vor einer Reise, die vermutlich mehrere Monate dauern wird. Würdet Ihr während meiner Abwesenheit ein Auge auf Phoebe haben? Sie bringt Euch Achtung und Vertrauen entgegen. Ich wüsste niemand anderen, der sie vor Fallstricken bewahren könnte.«

Meg betrachtete ihn gelassen. »Phoebe ist selbstständig, Lord Granville. Wenn Ihr auf meinen Rat hört, dann solltet Ihr ihr mehr zutrauen. Es fehlt ihr nicht an Vernunft.«

»Ich mache mir Sorgen um sie«, sagte Cato mit einer Andeutung von Verzweiflung.

Meg hielt inne. »Seid versichert, dass ich mich um meine Freundin kümmern werde.«

»Ich danke Euch«, rief Cato ihrem Rücken nach. Er fühlte sich auf merkwürdige Weise getröstet, denn diese Frau erweckte den Eindruck von Kraft.

Er betätigte den Klingelzug und setzte sich wieder. Dann griff er zu dem kleinen Messer, das er benutzte, um seine Schreibfedern zu schärfen.

»Mylord?« Bisset verbeugte sich im Eingang.

»Mr. Morse soll zu mir kommen, falls er im Haus ist«, ordnete Cato an, ohne aufzublicken.

»Ich glaube, er ist oben, Mylord.« Bisset entfernte sich gravitätischen Schrittes, um die Aufforderung zu überbringen.

Brian lief in seinem Gemach auf und ab und versuchte, sich zu beruhigen. Mit seinem Wutanfall hatte er einen schweren Fehler begangen, da er damit zu viel preisgegeben hatte. Irgendwie musste er den Schaden wieder bereinigen. Seine Pläne waren zunichte gemacht, und die Zeit, um eine Alternative zu entwickeln, zu kurz, da Cato abreiste.

Bissets Aufforderung kam zu rasch. Sein Blut hämmerte noch in den Schläfen, und er wusste nicht, wie er Cato eine ruhige Fassade würde präsentieren können, doch blieb ihm nichts anderes übrig, als der Aufforderung nachzukommen. Gelassen ging er die Treppe hinunter, gleichmäßig und tief atmend. Vor der Tür zum Arbeitszimmer hielt er inne und holte noch einmal tief Luft, ehe er anklopfte und die Tür öffnete.

»Ihr wolltet mich sprechen, Lord Granville?«

»Ja, tritt ein, Brian.« Cato legte Federkiel und Messer aus der Hand. Brian sieht blass aus, dachte er bei sich.

»Neue Entwicklungen zwingen mich, für einige Monate fortzugehen.«

»Das hörte ich, Mylord. Darf ich fragen, wohin?« Brian lächelte leicht bedauernd. »Oder handelt es sich um ein Staatsgeheimnis?«

»Nein. Mein Ziel ist Italien.«

»In einer Mission für das Parlament, nehme ich an.«

»Deine Annahme trifft zu.« Cato nickte zustimmend. Brian hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben, da die Agenten des Parlaments überall auf dem Kontinent tätig waren.

»Wenn dir der Sinn danach steht«, fuhr Cato ernst fort, »habe ich auch für dich eine Mission.«

»Ich freue mich auf eine Bewährungsprobe«, sagte Brian mit jungenhafter Begeisterung.

»Wir brauchen jemanden, der nach London geht und sich dort in den Spelunken und Klubs umsieht. Wir wollen wissen, wie es um die Stimmung im Volk bestellt ist. Da nun der König nach Schottland flüchtete, müssen wir wissen, wie sich London zu einer Übereinkunft mit den Presbyterianern stellen würde. Wir brauchen jemanden, der die Stimmung einschätzen und bewerten kann. Ich glaube, das könntest du besser als jeder andere.«

Brian verbeugte sich tief. »Euer Vertrauen ehrt mich, Sir. Ich will sofort meine Sachen packen. In einer Stunde kann ich unterwegs sein.«

Als er aus dem Raum eilte, war seine Miene hart, und seine Augen waren berechnend. Nein, nach London würde er nicht gehen. Er gedachte vielmehr, sich an Catos Fersen zu heften. Da sein ursprünglicher Plan missglückt war, galt es, flexibel zu sein und jede Chance zu nützen.