Kapitel 8

»Arbeitest du an deinem Stück, Phoebe?« Olivia blickte von ihren Büchern am Tisch im quadratischen Salon auf. Phoebe hatte schon geraume Zeit kein Wort gesagt, was für sie sehr ungewöhnlich war.

Das Haus wirkte nach dem Abschied der Rothburys wie ausgestorben. Normalerweise hätte Phoebe, die nicht zum Trübsalblasen neigte, sich bemüht, alle aufzuheitern, doch war sie dermaßen in ihre Arbeit vertieft, dass sie seit Stunden kaum den Blick von der Seite gehoben hatte.

»Wie weit bist du?«, fragte Olivia weiter.

»Es ist kein gewöhnliches Stück mehr, sondern ein historisches Schauspiel«, sagte Phoebe, an ihrem Federkiel kauend. »Ich habe mich für einen Mittsommeraufzug entschieden.«

»Um was geht es darin?« Olivia klappte den Catull zu und ließ ihren Finger im Buch stecken.

»Um Gloriana. Szenen aus ihrem Leben.«

»Du meinst Königin Elizabeth?«

»Hm.« Phoebes Ton wurde lebhafter. »Natürlich in Versen. Ich möchte es gern am Mittsommerabend aufführen, wenn es bis dahin fertig ist«, fügte sie hinzu, den Blick auf die Zeilen vor ihr richtend. »Es kommen darin so viele Rollen vor. Aber die drei wichtigsten sind Elizabeth, Mary, die schottische Königin, und Elizabeths Liebhaber Robert Dudley, Earl of Leicester.«

»Wer wird sie darstellen?« Olivia stand auf und ging zum Fenstersitz, auf dem Phoebe mit gekreuzten Beinen saß, ohne auf die Knitterfalten in der roten Seide zu achten.

»Ach, wir alle natürlich, und für die kleinen Rollen nehmen wir das Personal und Leute aus dem Dorf. Ich möchte so viel Menschen als möglich beschäftigen. Auch die Dorfkinder und natürlich deine kleinen Schwestern. Das wird die Leute hoffentlich aufmuntern und sie von Kummer, Trauer und Krieg ablenken. Ach, du musst natürlich Mary, die schottische Königin, spielen und …«

»Werde ich meinen Kopf verlieren?« Olivia hielt sich in gespieltem Entsetzen die Hände an den Kopf. »Werde ich mit dem K-kopf unter dem Arm herumlaufen?«

»Ich nehme an, das ginge«, sagte Phoebe nachdenklich.

»Aber ich hatte nicht die Absicht, die Hinrichtung auf die Bühne zu bringen. Es wäre zu schwierig, sie überzeugend darzustellen.«

»Und wer soll Elizabeth spielen? Am besten du selbst, meinst du nicht?« Olivia setzte sich auf den Fenstersitz und griff nach einem Pergamentblatt, das bereits mit Phoebes schwarzer Handschrift bedeckt war. »Obwohl Portia die r-richtig Haarfarbe hat … Ach, mir gefällt diese Ansprache Marys! Du bist so begabt, Phoebe!«

Sie wollte schon zu deklamieren anfangen, als Phoebe ihr das Papier aus der Hand riss.

»Es ist noch nicht fertig«, sagte Phoebe. »Ich bin damit noch nicht zufrieden. Du darfst es nicht vorher lesen.«

Olivia gab sofort nach. Sie wusste, dass Phoebe eine Perfektionistin war, wenn es um ihre Arbeit ging. »Nun … wirst du selbst Gloriana spielen?«, wiederholte sie.

Phoebe schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Klein und rund, wie ich bin, würde ich mich nur lächerlich machen. Außerdem bin ich keine schillernde Persönlichkeit. Die jungfräuliche Königin aber war hoheitsvoll, elegant und unbestritten von schillerndem Wesen.«

»Wenn du ordentlicher wärest, könntest du elegant sein«, brachte Olivia ernst vor.

»Vielen Dank für die freundlichen Worte«, sagte Phoebe, die diese Bemerkung als Kompliment mit umgekehrten Vorzeichen auffasste.

»Es stimmt aber«, sagte Olivia. »Die Menschen sind verschieden. Du kennst sicher das Sprichwort: Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall.«

»Das mag sein«, sagte Phoebe, der plötzlich ihr Gespräch mit Meg einfiel. »Hast du jemals gehört, dass es Frauen gibt, die Männern andere Frauen vorziehen?«

»Ach, du meinst wie Sappho auf Lesbos«, sagte Olivia sachlich. »Die Griechen waren aber vor allem dafür bekannt, dass Männer Männer oder Knaben liebten. Es gehörte zu ihrer K-kultur.«

Sie griff zu einem Buch auf dem Tisch. »Und erst die alten Römer. Bei Sueton gibt es eine Stelle über Elritzen … kleine Jungen, die abgerichtet waren, im Schwimmbecken des Kaisers Tiberius wie kleine Karpfenfische zu agieren. Sieh, hier ist sie.« Sie machte sich daran, den skandalösen Absatz zu übersetzen.

»In Sapphos Dichtung gibt es viele sehr leidenschaftliche Verse.« Olivia sprang auf und ging ans Bücherbord. Sie nahm ein Buch und blätterte darin. Dann kam sie wieder zum Fenstersitz. »Sieh, hier.«

Phoebe warf einen Blick auf die ihr unbekannten griechischen Lettern auf der Buchseite. Sie war ratlos. »Das kann ich nicht lesen.«

»Aber ich. Sie sagt hier, dass ihr der Schweiß ausbricht und sie ein Feuer unter ihrer Haut zu spüren glaubt, wenn sie bei dieser Frau ist…«

»Na, wenn das nicht Lust ist…« Phoebe drehte sich zur Seite und warf einen Blick auf den hinteren Hof. Cato ging im Reitanzug zu den Stallungen. Ihr Blick sog ihn förmlich auf.

Feuer unter der Haut. Ja, das war eine sehr treffende Beschreibung von Leidenschaft.

Was, wenn sie Robert Dudleys Rolle für Cato schriebe? Sie würde die Liebesszenen schreiben und Cato leidenschaftliche Worte in den Mund legen. Und sie selbst würde Gloriana spielen.

Phoebe nagte an ihrem Schreibkiel, als die unmögliche Idee Gestalt annahm.

»Verdammt, was ist das?« Später am Tag hob Cato den Kopf und sog den Wind ein. Es war bitter kalt; der Sonnenschein war schneeträchtigen Wolken gewichen. Catos geschärfter Instinkt witterte Gefahr, und Giles Crampton erstarrte, von einer Vorahnung erfasst.

Es war noch nichts zu hören, doch war Cato sicher, dass in unmittelbarer Nähe Gefahr lauerte.

»Sollen wir versuchen zu entkommen?«, raunte Giles. Eine Flucht ging ihm als altem Kämpfer zwar gegen den Strich, doch waren sie nur zu zweit, und die ersten Schneeflocken fielen schon auf die schimmernde Decke seines Pferdes.

»Ja«, sagte Cato knapp, doch als er seinem Pferd die Sporen gab, war es zu spät. Eine Abteilung Königstreuer brach aus dem Gehölz. In grimmigem Schweigen schwärmten sie auf dem schmalen Pfad aus und versperrten den zwei Reitern den Weg.

Catos Pferd bäumte sich auf, als er ihm zum Galopp die Sporen gab. Er brachte das Tier mit einer Hand wieder unter seine Kontrolle, während er mit der anderen den Degen zog und Giles zugleich seine Muskete anlegte. Einen langen Augenblick herrschte Unentschiedenheit – in der Reihe der mit Schwertern und Piken bewaffneten Männer, die den Weg blockierten, aber auch bei den zwei Reitern, die sie mit angespannten Nerven im Auge behielten.

Dann hob einer der Königstreuen seine Pike, und im gleichen Moment trieb Cato sein Pferd an und direkt auf die Reihe der Männer zu, während Giles mit einem gellenden Schrei purer Kampflust von der Seite her angriff. Seine Muskete krachte, ein Mann ging unter den Hufen von Giles' Pferd zu Boden.

Cato schwang seinen Kavalleriesäbel nach allen Seiten. Blut spritzte auf seine Stiefel und Breeches. Ein Mann holte mit seiner Pike gegen den Pferdehals aus. Cato riss das Tier seitwärts weg, und das Pferd wieherte schmerzlich, als die Spitze der Pike es oberflächlich ritzte. Es bäumte sich auf und schlug mit den Hufen aus, und nun waren es die Männer, die schrien.

Giles nahm seine Pike ab und stieß sie in die Kehle eines seiner Angreifer, als dieser seine Muskete hob. Die Kugel verfehlte ihn und explodierte in der Luft.

Dann war der Durchbruch geschafft, und der Weg lag im nunmehr dichter fallenden Schnee frei vor ihnen.

»Gut gemacht«, sagte Cato, dessen Zähne in einem Lächeln aufblitzten. »Nur ein Kratzer.«

»Ja, Mylord. Das war es.« Giles nickte befriedigt. »Ihren Abzeichen nach zu schließen, war es die königliche Garde. In den letzten Wochen war sie hier eine echte Bedrohung, da sie die Straße zwischen unserem Hauptquartier und der Stadt kontrollierte.«

»Na, denen haben wir einen Denkzettel verpasst«, sagte Cato aufgeräumt und beugte sich vor, um den Kratzer am Hals seines Pferdes zu begutachten. »Sieht nicht so schlimm aus.«

»Ted wird ihn zu Hause zusammenflicken«, sagte Giles. »Der kann bei Verletzungen wahre Wunder wirken.« Er zog den Hut gegen den Schnee in die Stirn, und sie galoppierten den Rest der Wegstrecke schweigend dahin, darauf bedacht, dem stärker werdenden Schneesturm zu entgehen.

Es war kurz vor sechs, und Phoebe stand am Fenster in der Halle und sah hinaus auf die weißen Flocken, die immer dichter vom Himmel wirbelten. Auch an klaren Abenden war es zu gefährlich, ohne bewaffnete Eskorte unterwegs zu sein, und Cato war nur mit Giles als Begleitung losgeritten.

»Hat Lord Granville gesagt, wie lange er ausbleiben würde, Bisset?«

»Nein, Lady Phoebe. Aber ich bezweifle, ob Seine Lordschaft zum Abendessen zurück sein wird. Werdet Ihr im Esszimmer oder im kleinen Salon oben speisen?«

Wieder warf Phoebe einen Blick auf die hohe Standuhr in der Halle. Das Pendel schwang unerbittlich, während die Zeiger sich sechs Uhr näherten. War Cato bis sechs nicht eingetroffen, würde er heute nicht mehr kommen. Und kam er heute nicht, würde sie vielleicht den Mut nicht mehr aufbringen.

Noch als sie zögerte, hörte sie Hufschlag auf dem Kies vor der Haustür. Giles Cramptons raue Stimme war durch die massive Tür zu hören. Wo Giles war, war auch Cato. Ihr Herz schlug schneller, und sie musste sich ihre plötzlich feucht gewordenen Hände an ihrem Rock abwischen.

»Im Speisezimmer, Bisset«, sagte sie in würdigem Ton.

Cato trat mit vor Kälte gerötetem Gesicht und schneebestäubten Umhang ein. »Verdammtes Märzwetter!«, schimpfte er und nahm seinen Hut ab, um den Schnee abzuschütteln. »Am Morgen strahlender Sonnenschein, und jetzt sieht es nach Schneesturm aus. Bisset, das Essen kann noch eine halbe Stunde warten. Vorher möchte ich einen Humpen Glühwein in der Bibliothek. Ich bin total durchgefroren.«

Sein Blick fiel auf Phoebe, die noch immer in ihrem roten Seidenkleid dastand. »Wäre es möglich, dass du und Olivia noch mit dem Essen wartet? Ich muss erst auftauen.«

»An Euren Stiefeln und Breeches ist Blut«, bemerkte Phoebe, die seine Frage kaum gehört hatte. »Seid Ihr verletzt, Sir?« Sie berührte seinen Arm und blickte ihn mit ängstlichen Augen fragend an.

»Mein Blut ist es nicht«, eröffnete er ihr.

»Wessen Blut dann? Wo ist er … sie?« Sie trat einen Schritt auf die Tür zu, als erwarte sie, eine ganze Abteilung Verwundeter versorgen zu müssen.

»Es gab keine Vorstellungszeremonie«, erwiderte Cato trocken. Er konnte sich denken, was sie dachte. »Sie liegen vermutlich im Straßengraben.«

»Aber …«

»Nein, ich brachte sie nicht in Decken gehüllt mit, um sie hier zu beherbergen und zu pflegen, wie du es mit deiner Zigeunersippe machst. Zufällig waren es acht gegen uns zwei, und sie haben angefangen. Ob du es glaubst oder nicht, im Krieg ist kein Raum für Menschenfreundlichkeit.« Er rieb seine Hände in einer endgültigen Geste.

»Es war keine Zigeunersippe«, protestierte Phoebe. »Es waren nur zwei ganz kleine Kinder, und sie hatten mit dem Krieg nichts zu tun.«

»Mag sein«, musste Cato zugeben. »Aber kleine Kinder wachsen heran.«

Phoebe überlegte und sagte dann mit sonnigem Lächeln: »Und wenn sie ein wenig größer sind, können sie für ihren Unterhalt arbeiten und würden Euch nicht mehr zur Last fallen.«

Ehe Cato eine passende Antwort auf diese unbekümmerte Keckheit einfiel, sagte Phoebe: »Wenn es recht ist, hole ich Euch den Glühwein, Mylord, und bringe ihn in die Bibliothek.«

Es war das erste Mal, dass sie die häuslichen Pflichten einer Ehefrau in seinem Haus erfüllte, und er war so erstaunt, dass er nur ein schwaches »Danke« herausbrachte.

»Bisset, würdet Ihr Lady Olivia sagen, dass wir später essen?«, bat Phoebe den Butler, als sie an ihm vorüberging und dem Küchentrakt zustrebte. »Sie befindet sich oben im Salon.«

Bisset reagierte auf ihren bestimmten Ton ebenso erstaunt wie sein Herr, schritt aber gemessenen Schrittes zur Treppe.

Cato warf seinen feuchten Umhang auf die Bank neben der Tür und ging in die Bibliothek. Er bückte sich, um seine Hände am Feuer zu wärmen, dann drehte er den Flammen seinen Rücken zu.

Phoebe trat eilig mit einem silbernen Humpen ein. »Hoffentlich ist es nach Eurem Geschmack, Sir.« Sie reichte ihm das Gefäß mit einem kleinen Knicks.

»Hast du ihn selbst zubereitet?« Er nahm den Humpen und trank wohlgefällig.

»Eigentlich nicht«, gestand Phoebe. »Ich kann mit dem Feuerhaken nicht so richtig umgehen. Aber ich habe Mistress Bisset dabei zugesehen.«

»Ich verstehe.« Wieder trank Cato einen Schluck. »Ich erwarte, dass du nächstes Mal geschickter bist.«

»Da wäre ich nicht so sicher«, sagte Phoebe offen. »Man muss Acht geben, dass der Feuerhaken nicht die Seite des Humpens berührt, und man muss die Flüssigkeit so umrühren, dass sich der Glühwein gleichmäßig erwärmt. Ich werde wohl noch üben müssen.«

Cato pflichtete ihr ernst bei, wobei sein Blick über sie flog. Ihre Offenheit war geradezu rührend. In diesem Moment wirkte sie anziehend. Fast glaubte er, unterdrückte Erregung an ihr zu spüren. Ihre Augen waren strahlender als sonst, ihre Wangen zeigten ein sanftes Glühen.

Phoebe ging im Raum hin und her und rückte überflüssigerweise Dinge zurecht. Sie schob exakt ausgerichtete Papiere gerade, arrangierte eine Vase mit getrocknetem Laub neu und beschnitt den Docht einer ebenmäßig brennenden Kerze.

»War es ein Hinterhalt, Mylord?«

»Ja. Auf dem Rückweg vom Hauptquartier wurden wir von einer Abteilung Königstreuer überfallen.«

»Warum seid Ihr ohne Eskorte geritten?«

»Eine Eskorte war nicht nötig«, erwiderte er entschieden.

»Sie war doch nötig! Hättet Ihr eine mitgenommen, wäret Ihr nicht in Gefahr geraten … in nicht so große zumindest.«

»In Kriegszeiten lauert draußen ständig Gefahr.«

»Und wann glaubt Ihr, dass alles vorüber sein wird?«, fragte Phoebe sehnsüchtig. Ihr kam es so vor, als ob sie ihr ganzes erwachsenes Leben in den Unruhen und Wirren des Bürgerkrieges verbracht hätte. Wie Olivia hatte sie nie die normalen unbeschwerten Freuden eines Mädchenlebens vor dem Krieg kennen gelernt.

Cato schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte es mit Sicherheit sagen. Aber auch wenn der Krieg vorüber ist, könnte es noch Monate dauern, bis dieses Land wirklich zur Ruhe kommt.«

»Der König wird doch nicht gewinnen?« Sie sah ihn eindringlich an.

Wieder schüttelte Cato den Kopf. »Nein«, sagte er. »Aber ob das Parlament siegen wird, ist die Frage.«

Phoebe furchte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«

»Es wird bestenfalls einen Pyrrhussieg geben«, erwiderte er seufzend.

Phoebe zögerte. Das Gespräch schien ihn in düstere Stimmung zu versetzen, und das war es nicht, was sie für diesen Abend geplant hatte.

»Nun, ich freue mich, dass Ihr es nach Hause geschafft habt«, sagte sie, um das Thema zu wechseln. »Als ich den Schnee sah, war ich unsicher, ob es Euch glücken würde.« Sie machte sich plötzlich übers Feuer her, griff nach dem Schürhaken und stocherte eifrig zwischen den Scheiten herum.

»Sei vorsichtig. Sicher möchtest du nicht, dass Funken das teure Kleid versengen«, mahnte Cato.

»Gefällt es Euch … das Kleid, meine ich?« Phoebe ließ den Feuerhaken klirrend auf den Rost fallen und richtete sich – ihm zugewandt – auf.

Cato betrachtete sie kritisch. »Warum ist es so zerknittert? Ganz anders als heute Morgen.«

»Ach so.« Phoebe blickte auf die dunkelroten Röcke hinunter und sah mit Bedauern, dass die Seide zerdrückt war. »Das kommt sicher daher, dass ich den ganzen Nachmittag mit untergeschlagenen Beinen dasaß.« Die Erklärung klang so hilflos und resigniert, dass Cato lächelte. Was für ein zerzaustes Vögelchen sie doch war. Und wie blau ihre Augen waren … Mit ihren dichten hellen Wimpern wirkten sie wundervoll.

»Sollte ich fragen, warum?«

»Ich schrieb an meinem Schauspiel. Wie andere Menschen an einem Tisch kann ich nicht schreiben, weil mich dann meine Inspiration im Stich lässt.«

Cato betrachtete sie über den Rand seines Humpens hinweg. »Und um was geht es in diesem Schauspiel?«

Phoebes Wangen färbten sich noch rosiger. Wollte er sie verspotten? Er hatte noch nie zuvor Interesse bekundet.

»Es geht um Gloriana«, sagte sie wachsam. »Um Königin Elizabeth.«

»Ein großes Thema!«

»Ja, das ist es.« Phoebe konnte ihren Enthusiasmus nicht mehr zügeln. Ihre Augen blitzten.

»Du musst sehr ehrgeizig sein«, bemerkte Cato.

»Ja, ich glaube schon«, vertraute Phoebe ihm an. Sie blickte unter gesenkten Lidern zu ihm auf. »Ich hatte gehofft, Ihr würdet eine Rolle übernehmen, Mylord.«

Cato lachte. »Als ob ich für Schauspielerei Zeit hätte, meine Liebe.«

»Nein, das habt Ihr nicht«, sagte Phoebe. »Ich will Olivia sagen, sie soll zu Tisch kommen.«

Die Uhr auf dem Kaminsims schlug neun. Phoebe, die ruhelos im Schlafgemach auf und ab gelaufen wer, hielt inne. Wann würde er kommen? Ihr schien, als sei eine Ewigkeit vergangen, seitdem er vom Tisch aufgestanden war.. Das Mädchen hatte die Wärmepfanne entfernt und die Überdecke zurückgeschlagen. Das Feuer brannte gedrosselt, nur die Kerzen auf dem Kaminsims flackerten noch. Das Gemach war für die Nacht bereit. Es fehlte nur der Herr des Hauses.

Phoebe schob den Kaminstuhl zum fünften Mal zurecht und stellte ihn so, dass seine Lehne mehr dem Fenster zugewandt war. Sie wollte sich hinter den schweren Samtvorhängen verbergen. Cato würde sich ihnen nicht nähern, wenn er zu Bett ging. Die Nacht war stockfinster, es schneite noch immer stark, und es gab nichts, was er aus dem Fenster hätte sehen können.

Wieder ging sie zu Bett und achtete darauf, dass die Bettdraperien völlig zugezogen waren und sich nicht der winzigste Spalt zeigte. Er rührte sie nicht an, bis er zu Bett ging und die Kerzen löschte. Aber angenommen, ausgerechnet heute tat er es und blickte aus irgendeinem Grund gleich nach dem Eintreten hinter die Bettvorhänge. Die Tatsache, dass er es zuvor nie getan hatte, bedeutete nicht, dass er seine Gewohnheit nicht ändern würde.

In Panik flüchtete Phoebe sich hinter die Bettvorhänge. Sie schob den Keilpolster zusammen und zog die Decke darüber. Wie ein Mensch sah es nicht aus, doch in der Dunkelheit würde eine Wölbung genügen. Er würde eine runde Form erwarten, und die würde er sehen.

Aber wann würde er kommen ? Meist kam er bald nach neun Uhr. Phoebe verzog das Gesicht. Sie vermutete, dass er ihretwegen immer so früh kam. Ihre Vereinigung war eine flüchtige Sache, für die er sie nicht wecken wollte. Deshalb brachte er sie hinter sich, ehe sie einschlief. Sehr oft pflegte er anschließend aufzustehen und sich in sein Arbeitszimmer zu begeben und zu arbeiten. Am Morgen war er meist schon auf den Beinen und aus dem Haus, ehe sie sich rührte. Man konnte kaum sagen, dass sie überhaupt ein Bett teilten.

Das sollte sich jedoch ändern.

Sie ging an die Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Der Korridor war von den Kerzen in den Wandleuchten an beiden Enden trüb erhellt. Hören konnte man nichts. Das Haus erwachte bei Tageseinbruch und begab sich zur Ruhe, sobald die Tafel nach dem Dinner abgeräumt worden war.

Phoebe schlich auf Zehenspitzen hinaus auf den Gang und weiter zur Treppe. Die Halle wurde nur durch das Feuer erhellt. Plötzlich hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde. Die Tür zum Arbeitszimmer. Sie sah kurz das Flackern einer Kerze.

Phoebe drehte sich um und rannte zurück ins Schlafgemach. Rasch zog sie ihr Nachthemd aus und sprang nackt hinter die Fenstervorhänge. Es war eiskalt, da Zugluft durch jede einzelne winzige Ritze im Fensterrahmen eindrang. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Wie kann ich hoffen, verführerisch zu wirken, wenn ich am ganzen Körper Gänsehaut habe wie eine gerupfte Gans?, dachte sie verzweifelt. Warum lief es nie so wie geplant?

Aber nun war keine Zeit, die Situation zu ändern, auch wenn sie gewusst hätte, wie. Die Tür wurde geöffnet, und Cato trat ein.

Phoebe blickte auf ihre Füße hinunter. Sie konnte ihre Zehen nicht sehen. O Gott! Sie ragten unter dem Samtvorhang hervor. Sie rollte sie ein und zog die Füße langsam zurück. Ihr Herz pochte so stark, dass sie das Gefühl hatte, Cato müsste es hören.

Cato stellte den Kerzenleuchter auf den kleinen Tisch und blickte sich im Gemach um. Die Bettdraperien waren wie immer fest zugezogen. Ein kleiner Seufzer entschlüpfte ihr.

Er entledigte sich seiner Stiefel unter Zuhilfenahme des Stiefelknechts und ging daran, sich auszukleiden, um sodann seine Sachen in den Schrank zu hängen. Ohne Hemd, aber noch in Breeches, setzte er sich auf den Stuhl und zog seine Strümpfe aus.

Da glitt plötzlich etwas über seine Augen und raubte ihm die Sicht. Er griff zu, als die dünne Seide festgezogen wurde. »Was, zum Teufel …«

Er wollte aufspringen, als etwas auf seinem Schoß landete und ihn zurück auf den Stuhl zwang. Seine Hand berührte weiche, aber kalte Haut. Die unverkennbaren Umrisse eines nackten weiblichen Körpers.

Einen verblüfften Augenblick lang glaubte Cato zu fantasieren – entweder dies, oder er war eingeschlafen, ohne es zu merken, und erlebte nun einen aus Frustration geborenen Traum.

Dann verschob sich der Körper auf seinem Schoß leicht, und er spürte deutlich, wie weiche Brüste sich an seinen nackten Oberkörper drückten. Das war kein Traum. Er griff nach dem Stück Seide, das über seinen Augen lag.

»Nein, bitte nicht. Noch eine Minute nicht.« Phoebe sagte es leise und drängend an seinem Ohr. Ihre Hände umfassten seine Gelenke und versuchten, ihn daran zu hindern, seine Augen zu befreien. Lächerliche Scheu stand hinter ihrer Bitte. Obschon sie nackt auf seinem Schoß saß, wollte sie nicht, dass er sie sah … noch nicht!

Cato ließ die Hände sinken. Er hatte keine Ahnung, was da vor sich ging, doch sein Körper reagierte auf die warme Last auf seinem Schoß, und das Verlangen, zu entdecken, was sie als Nächstes tun würde, drängte die Vernunft in den Hintergrund.

Er schloss die Augen hinter der Seide, während seine Hände wie von selbst auf Erkundung gingen.

»Warum bist du so kalt?«, fragte er und umfasste die Rundung einer Brust mit seiner Handfläche.

»Ich stand hinter dem Fenstervorhang in der Zugluft«, erwiderte Phoebe erstickt, da sie den Mund an seine Kehle drückte. Wochenlang hatte sie sich danach gesehnt, ihre Lippen an den schnell schlagenden Puls zu drücken, und nun tat sie es, wenn auch zögernd.

»Natürlich. Eine einfache Erklärung«, murmelte Cato. »Warum ist sie mir nicht selbst eingefallen?« Er ließ seine Finger um ihre Brustspitze kreisen, die sich sofort verhärtete.

Phoebe verspürte das erste Ziehen in ihren Lenden, ein tiefes, wundervolles Gefühl der Erfüllung. Als sie sich auf seinem Schoß bewegte, war es eine unbewusste kleine Regung der Lust.

Cato umfasste ihre zweite Brust mit der freien Hand und reizte ihre Brustspitze mit dem Daumen. Seine Blindheit schien sein Tastgefühl zu steigern. Nie hatte er ihren Körper erforscht, weder mit Augen noch mit Händen, sodass sie ihm nun völlig neu war. Unberührtes und unbekanntes Territorium, das der Entdeckung harrte. Und tatsächlich hatte dieses sanft sinnliche und sehr reaktionsfreudige Wesen auf seinem Schoß keine Ähnlichkeit mit der steifen verklemmten Frau, die Nacht für Nacht seine sexuellen Annäherungen voller Abscheu über sich hatte ergehen lassen.

Er ließ seine Hände über ihren Leib gleiten, der weich und rund war und ihn an eine süße, saftige Pflaume erinnerte. Er tauchte einen Finger in ihren Nabel, eine erstaunlich tiefe Mulde, seidenweich wie seine Augenbinde.

Wieder rührte Phoebe sich auf seinem Schoß und öffnete die Schenkel in einer unbewussten Aufforderung. Nun durchzuckten kleine Krämpfe ihre Lenden, und sie spürte ein sonderbares Gefühl des Verlangens. Wo dessen Zentrum lag und wie es sich bemerkbar machte, hätte sie nicht zu definieren vermocht, doch schien es sich zu steigern, als Catos Hände über ihren Bauch glitten.

»Löse die Binde«, befahl Cato leise. »Ich weiß nicht, was da vor sich geht, aber Blindekuhspiel ist es nicht.«

Phoebe gehorchte und machte sich an dem Knoten an seinem Hinterkopf zu schaffen. Das Tuch glitt herunter, ihre Finger aber blieben, wo sie waren, strichen durch sein Haar, ertasteten seine Kopfform, zeichneten die Form seines Ohres nach. Sie wollte jeden Teil von ihm kennen lernen. Nicht ein einziges Härchen, kein Zoll Haut durfte ignoriert werden. Sie wollte seine Augenbrauen kennen, die kleinen Runzeln auf seiner Stirn, die Furchen neben der langen Nase, die Kerbe an seinem Kinn.

Cato hielt in seiner eigenen Erkundung kurz inne. Er lehnte den Kopf an die Stuhllehne und betrachtete sie erstaunt und mit der Andeutung eines Lächelns. Sie beugte sich über ihn und küsste seine Lider.

»Was geht hier vor?«, fragte er. »Und keine …« Erhob warnend einen Finger. »Sag bloß nicht, du wolltest mich überraschen.«

»Ich wollte dir etwas zeigen«, sagte sie. »Und mir fiel keine andere Möglichkeit ein. Ist es denn wichtig? Und ist es nicht gut?«

»Ja, es ist sehr gut«, sagte Cato. »Und ein Mann wäre undankbar, wenn er diesem geschenkten Gaul ins Maul schauen würde, auch wenn er nicht den Schimmer einer Ahnung hat, warum oder wie er ihn bekam.« Mit trägem Lächeln legte er seine Hände um ihre Taille und setzte sie zurecht, sodass sie sich an ihn lehnte. Sie ließ zu, dass seine Hände zwischen ihre Schenkel glitten und ihre Beine teilten.

»Es wird Zeit, dass ich dich überrasche.«

Phoebes Augen wurden groß. Plötzlich fühlte sie sich entblößt, als lägen ihre geheimen Stellen offen. Mit einer ruckartigen kleinen Bewegung versuchte sie dem Druck seiner Hände Widerstand zu leisten.

Wieder ließ Cato eine Hand auf ihren Leib gleiten und streichelte und knetete ihre seidenweiche Haut. Seine andere Hand fand ihre Brust, zupfte sanft an ihrer Spitze und rollte sie zwischen Zeigefinger und Daumen.

Die Lust erwachte von neuem, und ein Ziehen in Phoebes Lenden regte sich. Ihre Schenkel teilten sich wie von selbst, und diesmal leisteten sie keinen Widerstand, als seine Hand dazwischenglitt.

Er berührte sie und öffnete sanft die Blüte ihres Geschlechtes. Phoebe bewegte sich gegen seine Finger, vom heißen feuchten Mittelpunkts ihres Seins erfüllt. Er fand die aufgerichtete kleine Knospe und reizte sie mit einer Fingerspitze, bis Phoebe unter einem Ansturm von Gefühlen aufstöhnte. Leib und Schenkel strafften sich, ihre Lenden bebten. Seine Finger glitten in sie hinein, während sein Daumen weiterhin auf der kleinen Erhebung spielte.

Phoebe stieß einen leisen Schrei aus, der sich fast erstaunt anhörte, als die erste süße Woge der Ekstase von seinen Fingern ausging, in ihren Leib aufstieg und in ihre Schenkel strömte. Sie drehte und wand sich auf seinem Schoß und drückte sich unter dem steigenden Drang der Wonne gegen seine Hand. Dann barst etwas Erstaunliches tief in ihr und ließ sie aufschreien. Ihr Atem ging rasch und flach, als die Lust ihren Körper gleich Pfeilen durchschoss.

Cato hielt sie fest, als sie in seinen Armen erbebte. Am ganzen Körper vibrierend, fühlte sie sich an seiner Brust feucht an.

Phoebe war von köstlicher Trägheit erfüllt, und doch meldete sich in ihr die erste schwache Regung des Begehrens von neuem. Sie streifte seinen Mund mit ihrem. Ihre Lippen berührten die Spitze seines Kinns und wanderten seinen Hals entlang. Ihre Zunge umspielte die Stelle, wo der Puls schlug, und glitt abwärts. Sie fand seine Brustwarzen, und ihre Lippen schlössen sich über ihnen.

Sein Geruch erfüllte sie mit Schwindel erregendem Verlangen. Moschus. Leder und Lavendel… sie begehrte ihn … alles von ihm. Sie spürte, wie seine Härte sich gegen ihr Gesäß drückte, und sie bewegte sich aufreizend, während sie mit seinen Brustwarzen spielte.

Cato seufzte leicht, als er der Macht des Verlangens nachgab. Es war ein kleiner Laut, der Phoebe mit fast triumphierender Befriedigung erfüllte. Einem blinden Instinkt folgend, zwängte sie ihre Hand zwischen ihre Körper und zog am Verschluss seiner Breeches. Ihre Hand glitt in das lose Gurtband und umschloss seine Erektion.

Sein Penis schnellte gegen ihre Handfläche, heiß und hart. Ihr Finger strich die Feuchtigkeit von der Spitze. Cato griff unter ihr Gesäß und hob sie ein wenig hoch. Sein Glied sprang vor, und Phoebe öffnete mit einem lustvollen Seufzen ihre Schenkel, um es aufzunehmen.

Mit einem leisen Laut der Befriedigung sank Catos Kopf zurück gegen den Stuhl. Er umfasste ihre Brüste, spielte mit ihnen, während sie ihn zwischen ihren Schenkeln drückte, ihr Geschlecht an ihn presste und die Wogen der Wonne in ihrem Leib wieder zu tanzendem Leben erweckte.

Phoebe drehte sich auf seinem Schoß, sodass sie ihn ansah. Wieder schien sie instinktiv zu wissen, was sie tat, als sie rittlings auf ihm sitzend ihren Körper auf seinen harten und zustoßenden Schaft hob, ihn tief aufnahm und ihn in ihrem Innersten spürte.

Cato umfasste ihre Hüften und streckte seine Beine unter ihr aus. Die Bewegung veränderte das Gefühl in ihr, und sie stöhnte auf. Lächelnd zog er seine Beine wieder an. Er bewegte seine harten, muskulösen Schenkel und ließ Phoebe auf seinem Schoß reiten.

Sie sah ihn an, und ihre Augen trafen in Staunen und Verwunderung aufeinander. Sie beugte sich vor, schlang ihre Arme um seine Schultern, sodass jeder Teil ihres stimulierten Körpers ihn berührte. Seine Zunge glitt über ihre Brüste und durch die tiefe Mulde dazwischen. Phoebe warf den Kopf zurück, als ein heftiges Gefühl sie durchzuckte und sie zu zerreißen drohte.

Cato schrie unter der Gewalt seines eigenen Höhepunktes auf. Sein Glied pulsierte tief in ihr, eng und weich umschlossen von ihren inneren Muskeln, die wie von eigenem Leben erfüllt schienen.

Phoebe sank nach vorn. Ihr Kopf kam auf seine Schulter zu liegen, ihr schweißnasser Körper war an ihn gepresst. Er legte eine Hand auf ihren gewölbten Rücken, als wollte er sie beruhigen, und einen Moment schlössen sich ihre Augen, und sie schien zu schlafen. Doch es war nur ein Augenblick. Dann spürte sie, wie er sie leicht anhob, als er herausglitt.

Sie hob den Kopf von seiner Schulter und blickte in seine dunklen Augen, in denen noch ein Lächeln hing, hinter dem eine Frage stand.

»Ich glaube … ja, ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig«, sagte er. »Was soll das, Phoebe?«

Phoebe glitt von seinem Schoß. Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn an. Der Schweiß auf ihrer Haut wurde kalt. Ihre Miene zeigte Unsicherheit. »Ich dachte … Portia dachte …«

»Portia!«, rief Cato aus. »Das hätte ich mir denken können. Sie hat doch ihre Hand überall im Spiel.«

»Nun, irgendjemand musste ich fragen«, sagte Phoebe gekränkt. »Ich wusste, dass es nicht richtig war, so wie wir jede Nacht diese …« Sie hob die Hände. »Ich wusste nicht, was wir taten, aber mit Liebe hatte das nichts zu tun. Und ich wollte Liebe. Da ich nicht wusste, wie ich es dir sagen sollte, musste ich es dir zeigen.«

Cato betrachtete sie schweigend und mit gerunzelter Stirn. Er hatte das Gefühl, die ganze Welt stünde Kopf. Das frigide Mädchen, das er zur Frau genommen hatte, war gar nicht frigid. Es war so sinnlich wie eine der Schönen der Nacht, die er genossen hatte, so ungehemmt und – unglaublich – auch so erfahren. Und doch war sie in der Hochzeitsnacht Jungfrau gewesen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, ja, er war nicht sicher, ob es ihm zusagte – aus purem Eigensinn und aus Undankbarkeit, wie er klar erkannte, doch war es ein zu großer Schock, plötzlich zu entdecken, dass eine vornehme junge Frau so viel irdische Sinnlichkeit besaß.

Er sah, dass sie schauderte, und sagte rasch: »Du frierst. Steig jetzt ins Bett.« Er zog die Vorhänge zurück und sah nun erst die Wölbung des Polsters unter der Decke. »Phoebe, was um alles …«

»Nun, ich befürchtete, du würdest einen Blick ins Bett werfen, ehe du dich ausziehst, und wenn ich nicht da gewesen wäre …« Sie zuckte die Schultern.

Um Worte verlegen, schüttelte Cato den Kopf. Er zog das Polster hervor und schlug die Decke zurück. »Hinein mit dir.«

Phoebe kletterte ins Bett und schmiegte sich in die Kissen. Die tiefe Federmatratze umschloss ihren trägen Körper, die gestärkten Laken fühlten sich an ihrer noch immer heißen Haut herrlich kühl und frisch an.

Sie sah, dass Cato sich umdrehte und seine offenen Breeches mit einem Tritt von sich beförderte. Der Augenblick der Verlegenheit schwand, als ihr Blick jeden Zoll seines Rückens registrierte. Die lang gezogene Rückenwölbung von den breiten Schultern abwärts, die sehnigen Schulterblätter unter den Muskeln. Seine Kehrseite war prachtvoll. So anders als ein weibliches Hinterteil, dachte Phoebe entzückt. Es war glatt und straff, anstatt gerundet, und auffallend weiß gegen einen dunkleren Bereich um seine Mitte. Offenbar hatte er sich ohne Hemd in der Sonne aufgehalten. Seine Schenkel waren lang und sehnig. Sogar seine Kniekehlen und die muskulöse Rundung seiner Waden entzückten sie.

Und dann drehte er sich um und wollte ins Bett kommen. Sie sah die Breite seiner Brust, seine Brustwarzen in der dunklen Behaarung, die schmale Taille und die schlanken Hüften. Ihr Blick folgte der Spur schwarzer Haare, die an seinem Nabel begann. Sein Geschlecht sieht jetzt klein und fast verletzlich aus, dachte sie, wie eine schlafende Maus in einem Nest schwarzer Haare. Ein Beben durchlief sie, als sie daran dachte, wie sich die zustoßende Härte tief in ihr angefühlt hatte.

»Warum wolltest du mich nicht richtig lieben?« Ihre Frage sprach für sich.

Cato hielt inne, eine Hand auf dem Bettpfosten. »Ich dachte nicht, dass du es genießen würdest«, sagte er nach einer Weile.

»Aber … aber warum nicht?«

Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. »Meiner Erfahrung nach sind Frauen nicht besonders« – er hielt inne und suchte nach Worten – »wollüstig«, ergänzte er schließlich. »Ehrlich gesagt, hatte ich nicht erwartet, dass du anders bist.«

»Ist es ungehörig, wenn eine Ehefrau Lust empfindet?«

Cato überlegte. »Phoebe, du bist eine Ausnahme zu jeder nur denkbaren Regel.«

Phoebe war nicht ganz sicher, wie sie das verstehen sollte. »Und wie steht es mit Liebe?«, fragte sie nun zögernd.

Cato drehte sich um und blies die Kerzen auf dem Kaminsims aus. »Liebe hat mit ehelichen Verbindungen nichts zu tun.«

Die Matratze verschob sich unter seinem Gewicht, als er neben ihr ins Bett stieg. Nach einer Weile streckte er einen Arm aus und zog Phoebe an sich. Er griff in ihr Haar, als er ihr Gesicht an seine Schulter drehte.

Cato Granville wird lernen, mich zu lieben, dachte Phoebe, als der Schlaf sie übermannte.