6. Kapitel

Ziellos lief Nando im Lager umher, ohne das Wispern jener zu hören, an denen er nun schon zum zweiten Mal vorbeikam. Er war zu sehr in Gedanken vertieft, sein Gesichtsausdruck zu hart und abweisend, als dass irgendwer gewagt hätte, ihn anzusprechen. Er wusste selbst nicht, weshalb er so schlecht gelaunt war. Eigentlich hätte das Gegenteil der Fall sein sollen, schließlich war alles, wie es sein sollte: Er hatte Sumelis zu Boiorix gebracht, und sie würde diesem helfen, den Fluch abzuwehren. Zudem hatte Boiorix Nando beiseite genommen und ihm eröffnet, dass er, sollte Nando sich in den Kämpfen gegen die Römer bewähren wie in den letzten, ihn zu seiner rechten Hand machen würde – dem ersten Mann an der Spitze des gesamten Heers nach ihm selbst. Das mochte vielen anderen Anführern nicht gefallen, aber sowie sie sich erst an das süße Leben der Römer gewöhnt hätten, würden sie froh sein, wenn sich ein anderer um die Führung des Heers und die Besatzung der eroberten Städte und Ländereien kümmerte, meinte Boiorix. Außerdem wüsste er, dass er sich auf Nando stets verlassen könne. Nando würde niemals Bestechungen, Drohungen oder der Verführung der Macht erliegen.

Es war eine gewaltige Ehre.

Sumelis – Nando hatte nicht widerstehen können, es ihr zu erzählen – hatte ihn nach dem Preis gefragt, den er für all das bezahlen musste. »Aber wenn das dein Ziel ist, Nando, dann freue ich mich für dich«, hatte sie hinzugefügt, aber da hatte sie die Freude und Genugtuung über Boiorix’ Auszeichnung bereits getötet.

Sumelis braucht nicht einmal ihre Zauberkraft einzusetzen, um einen zu entmannen!, dachte Nando grimmig. Ihre Zunge und ein seltsamer Ausdruck in den Augen, der ihm wie Trauer erschien, reichten vollkommen aus.

Es wurde Zeit, die Huren aufzusuchen.

Nando blieb stehen, um sich in der fortschreitenden Dämmerung zu orientieren. Das Lager war anders angeordnet als jene, die sie während der Wandersaison im Frühling und Sommer stets errichtet hatten. Dieses hier war für eine längere Zeit als nur für ein paar Tage gedacht. Allerdings ähnelte es auch nicht den Winterlagern, die sie im Herbst aufgeschlagen hatten, um bis zum Frühling in ihnen zu leben. Dazu hätte man die Ordnung des Zugs aufbrechen, Sippen und Vieh auf ein gewaltiges Gebiet verteilen müssen, auf dem sie ein halbes Jahr lang leben konnten. Hier jedoch standen Wagen und Zelte dicht beieinander, es gab kaum Platz für Mensch und Tier, dabei hatte man das meiste Vieh fortgeschafft, um es auf Weiden abseits des Trosses grasen zu lassen. Vieles war nur provisorisch errichtet, ohne Wert auf eine bessere Planung gelegt zu haben, das Land um das Lager herum verwüstet, jegliche Ernte geplündert.

Trotz der regelmäßigen Berichte über die heranrückenden Römer und der Bequemlichkeit, die sich überall sonst zeigte, blieb der Kern des Heeres in sich geschlossen. Der Tag der entscheidenden Schlacht um die Vorherrschaft in Italien rückte näher – ein befriedigender Gedanke für Nando. Noch in diesem Sommer würden sie die römischen Legionen besiegen, den Padus überqueren und von dort gen Rom vorrücken. Wer sollte sie auch dann noch aufhalten?

Als Hauptquartier hatte der König ein größeres Gehöft gewählt, dessen einstige Besitzer ihm nun als Sklaven dienten. Hier verbrachte Boiorix mit seinen engsten Vertrauten und Eimern voller Wein die Abende und Nächte. Boiorix würde erwarten, dass Nando ebenfalls dort schlief, wogegen Nando grundsätzlich nichts einzuwenden hatte. Diese Nacht jedoch plante er anderweitig zu verbringen. Zwar war Boiorix’ Hof überreichlich ausgestattet mit den schönsten und besten Huren und willigen Töchtern reicher Kimbern, die gerne ihre Lager – oder besser noch: ihre Herdstellen – mit Nando teilen würden, aber ihm stand der Sinn nach Abgeschiedenheit, nach einer Möglichkeit, wieder zu dem zu werden, der er vor der Reise gewesen war, ohne die intriganten Spiele der Herrschenden, ihrer Mätressen und Günstlinge ständig im Nacken zu wissen.

»Manchmal bist du fast zu sehr Krieger, Nando«, hatte Boiorix kopfschüttelnd bemerkt, ehe er ihn mit einem Wink hatte ziehen lassen. »Ich erwarte, dass du dich übermorgen bei mir meldest und mir ausgiebig Bericht erstattest.«

»Was ist mit Sumelis?«, hatte Nando gefragt. »Wer wird sich um sie kümmern?«

»Für sie steht alles bereit, dafür wird Rascil schon sorgen. Und der Krüppel auch, dessen bin ich mir sicher. Er hängt ja jetzt schon wie ein Hund an ihrem Rockzipfel! Du, jedenfalls, bist diese Last los.«

»Ich bin es nicht gewohnt, keine Aufgabe zu haben, Herr.«

»Oh, wir werden schon was für dich finden, keine Angst. Etwas, was deinen Fähigkeiten angemessener ist.«

Nando stellte fest, dass er wie ein Schwachkopf zwischen zwei Kochfeuern stand und den Mond anstarrte. Ein räudiger Hund strich um seine Beine, von Zeit zu Zeit schlug die Rute gegen sein Schienbein. Eine Frau, die an einem der Feuer einen Eintopf aus Getreide, Erbsen und magerem Fleisch kochte, bot ihm eine Schüssel an, doch er winkte ab.

»Wie komme ich von hier zu den Waffenschmieden?«, erkundigte er sich. Über das Gesicht der Frau huschte ein enttäuschtes Zucken. Der gesamte Zug wusste, dass die Huren ihr Lager stets hinter den Wägen der Waffenschmiede aufschlugen. Die Gründe hierfür waren Anlass für stets dieselben derben Scherze.

»Ihr seid auf dem richtigen Weg. Seht Ihr das Feldzeichen dort drüben, wo das große Feuer brennt? Geht daran vorbei, dann folgt einer Reihe von Büschen, die auf einen Bach zuführen. Die Notdurftgräben befinden sich dort, also passt auf, wohin Ihr tretet! Linker Hand folgt eine Wiese. Die Priesterinnen halten dort jeden Abend ihre Gebete und Gesänge ab, aber sie sollten schon lange fertig sein. Auf der anderen Seite des Bachs beginnen die Schmieden. Dahinter werdet Ihr finden, was Ihr sucht.«

»Danke.«

Nando folgte der Beschreibung der Frau. Noch ehe er die Büsche erreichte, schlug ihm schon der Gestank von menschlichen Fäkalien entgegen, und er musste einen Ärmel vor die Nase pressen, um nicht zu würgen. Er war die Ausdünstungen des Trosses nicht mehr gewohnt, zu klar war die Luft gewesen, die er seit dem Winter geatmet hatte. Wenig später überquerte er eine Wiese, deren Gras in der Mitte kreisförmig niedergetrampelt war, mit einer Grube im Zentrum, wo sich Asche und vereinzelte verbrannte Knochen türmten. Hier roch es nicht mehr nach Kot und Urin, dafür trieb trotz der sich herabsenkenden Finsternis lautes Hämmern zu ihm hinüber. Nando bemerkte eine Planke, die den Bach überbrückte, und steuerte darauf zu. Bevor er die schwankenden Bretter jedoch betreten konnte, hielt ihn eine Stimme auf.

»Hat es da einer eilig?«

Betont langsam, damit sein Zögern an eine Beleidigung grenzte, drehte Nando sich zu Rascil um. »Ich wüsste nicht, was Euch das angeht, Priesterin.«

»Es interessiert mich auch nicht.«

»Dann habt Ihr ja wohl nichts dagegen, wenn ich meinen Weg fortsetze. Gute Nacht!«

»Deine kleine Freundin schläft bereits. Sie war offenbar sehr müde. Sie konnte nicht einmal das warme Bad genießen, das man ihr bereitet hat.«

»Zu schade.«

»Sie hat nach dir gefragt.«

»Tatsächlich?«

»O ja, sie klang richtig sehnsüchtig. Weißt du, ich habe es mir nicht nehmen lassen, ihr selbst beim Baden zu helfen. Ich dachte mir, der armen Frau wird so viel Ablehnung in diesem Lager entgegenschlagen, da wird ihr ein bisschen Aufmerksamkeit und Freundschaft bestimmt guttun.«

Nando unterdrückte ein Zucken in den Fingerspitzen, den Drang, eine Hand um Rascils Kehle zu legen und zuzudrücken. Trotz der Dunkelheit war er sich sicher, dass Rascil die Bewegung bemerkt hätte.

»Das war sehr großzügig von Euch. Wo ist Sumelis jetzt?«

»Wir haben ihr ein Zelt aufgestellt, nahe den unseren, wo niemand sie belästigen wird.«

»Wo sie von allen anderen abgeschirmt ist.«

»Auch das. Der König wünscht, dass sie isoliert bleibt. Aber das weißt du genauso gut wie ich. Wobei mir persönlich das Getue um dieses Mädchen nach wie vor übertrieben scheint. Sumelis hat auf mich nicht gerade den Eindruck einer Zauberin gemacht. Im Gegenteil. Aber du hast mehr Zeit mit ihr verbracht, Nando. Du wirst sie sicherlich besser kennen.«

»Worauf wollt Ihr hinaus, Rascil?«

»Auf Lügner, Nando. Ich mag keine Lügner und Schwindler, selbst wenn sie es nicht einmal besser wissen mögen. Du benutzt dieses Mädchen doch nicht, um Boiorix für dich einzunehmen?«

»Nein, das tue ich nicht!« Doch noch während er antwortete, fragte er sich, ob seine Taten nicht eine andere Sprache sprachen.

»Gut, sehr gut. Nun, ich werde einfach mehr Zeit mit Sumelis verbringen müssen. Vielleicht hat sie ja wirklich gewisse Fähigkeiten, kennt die magischen Beschwörungen der Druiden oder deren geheime Mysterien. Du stimmst mir sicherlich zu, dass wir mehr über Sumelis erfahren müssen, jetzt, da sie so viel Einfluss auf Boiorix nehmen könnte, nicht wahr?«

»Ich bin sicher, Sumelis vermag Boiorix’ Seele nicht mehr zu beeinflussen als Ihr, Priesterin.«

Das ließ Rascil einen Moment lang verstummen. Nando erahnte, wie sie ihre Lippen wütend zusammenpresste. In ihrer Stimme schwang indes nichts von ihren Gefühlen mit, als sie den Kopf zur Seite neigte und sagte: »Gute Nacht, Nando. Ich habe dich schon zu lange aufgehalten. Geh deinem verdienten Vergnügen nach!«

Sie verschwand in der Dunkelheit. Nando lauschte ihren federnden Schritten, die rasch verklangen. Er legte den Kopf in den Nacken, sah zum Mond empor, dann hinüber zu den glimmenden Feuern der Schmieden. Es polterte leise, als er den Bach auf der Planke überquerte. Auf der anderen Seite fand er schnell den breit ausgetretenen Pfad, der um die mit Holzkohle und Scheiten beladenen Karren, die den Arbeitsbereich der Schmiede begrenzten, herum nach Norden führte. Nach dreihundert Schritten hörte er erstes schrilles Gelächter aus einem Zelt dringen. Der Eingang war verschlossen; zwei Männer saßen geduldig davor. Die Zeit, bis die Reihe an sie kam, verkürzten sie mit Würfelspielen. Nando ging weiter und hielt kurze Zeit später vor einem mit allerlei Bändern und Blumen verzierten Wagen an. Das Fell, das den Eingang unter den ledernen Planen verschloss, klaffte einladend, und er roch einen Duft, so schwer und süß, dass er seine Atemwege beschwerte.

Einen Moment lang stand Nando unschlüssig vor dem umfunktionierten Gefährt. Er wusste, er sollte einfach eintreten und alles andere zusammen mit seinen Kleidern von sich werfen, aber die Begegnung mit Rascil hatte einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Es gefiel ihm nicht, dass Rascil sich um Sumelis kümmerte. Die Priesterin war gefährlich, und sie war am gefährlichsten, wenn sie freundlich schien. Sumelis war ihr nicht gewachsen. Sie würde die Fallen, die Rascil ihr stellte, nicht bemerken. Nando hatte vom ersten Moment an gespürt, dass die Priesterin die jüngere Frau als Konkurrentin betrachtete. Seitdem nagte eine Stimme in seinem Kopf, dass es seine Schuld wäre, wenn Sumelis durch Rascil Leid widerfuhr. Ob Boiorix auf ihn hören würde, wenn er ihm vorschlüge, Rascil von Sumelis fernzuhalten? Der Krüppel könnte sich um sie kümmern – der Krüppel war gar nicht so schlimm – oder gar Nando selbst. Sumelis würde Boiorix besser helfen können, wenn sie ausgeglichen und glücklich war, umgeben von Menschen, denen sie vertrauen konnte. Boiorix hingegen würde es keinen Vorteil bringen, wenn Rascil Sumelis einschüchterte oder hinter ihrem Rücken gegen sie intrigierte. Es würde sie verunsichern, und wer wusste denn, welche Auswirkungen das auf ihre Zauberkraft haben würde? Es würde sicherlich eher gelingen, diesen unsäglichen Fluch von Boiorix zu nehmen, wenn Nando selbst sich um Sumelis kümmerte.

Nando lauschte dem Klang seiner eigenen Gedanken nach und befand, dass sie vernünftig klangen. Auf jeden Fall, entschied er, sollte er Sumelis so schnell wie möglich vor Rascil warnen. Das war zunächst das Wichtigste – für Sumelis und für seinen König.

Nando hatte seine Überlegungen kaum zu Ende geführt, da erklang schon wieder das leise Poltern der rudimentären Brücke unter seinen Füßen. Mit großen Schritten eilte er über die Wiese, sowie er jedoch die ersten Feuer passierte, verlangsamte er sein Tempo, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er nahm auch nicht den direkten Weg zu Sumelis’ Zelt, sondern machte einen Umweg, der ihn aus einer anderen Richtung kommen ließ, ohne ihn an den Unterkünften der Priesterinnen vorbeizuführen.

Es ist richtig, sie vor Rascil zu warnen, dachte er wiederholt. Boiorix hat einfach zu viel Vertrauen in Rascil, andernfalls hätte er Sumelis niemals in ihre Krallen gegeben.

Es widerstrebte Nando, Kritik an seinem König zu üben. Boiorix, so sagte er sich, hatte Wichtigeres zu tun, als sich um die Fehden zweier Weiber zu kümmern.

Die Ochsenhaut, die den Eingang zu Sumelis’ Zelt aus sandfarbenem Leinen – eine Ausnahme unter den ansonsten zumeist ledernen oder aus Ziegenhäuten errichteten Unterkünften – bildete, war vorgeschlagen. Eine Wache lümmelte ein Stück abseits, ohne sich jedoch um Nandos Silhouette, die sich vor den nächstliegenden Herdfeuern abzeichnete, zu kümmern. Wahrscheinlich stand er nur dort, um zu verhindern, dass Sumelis heimlich floh, vielleicht war es aber auch ein Spion Rascils. Nando zögerte kurz, dann klopfte er mit der flachen Hand gegen die Ochsenhaut. Das leise Geräusch trug nicht weit, und er erhielt keine Antwort. Vielleicht schlief sie bereits? Sofort stand vor seinem Auge das Bild ihres schlanken Körpers, wie er sich in den Decken ausgestreckt hatte, auf der Seite liegend, die hellen Gesichtszüge ein Mosaik unter den dunklen Strähnen ihrer Haare, die ihr im Schlaf über Wange und Stirn fielen. Ihr Brust würde sich gleichmäßig heben und senken, die Lippen ganz leicht offen stehen, ein sanfter Bogen, unter dem das Weiß ihrer Zähne schimmerte. Ihre Finger würden zu lockeren Fäusten geballt sein, mit einer Öffnung in der Mitte gerade groß genug, um seinen Zeigefinger zwischen sie schieben zu können. Manchmal, kurz bevor ihre Lider anfingen zu zucken, würde sie an der Grenze zwischen Schlaf und Aufwachen kaum wahrnehmbar lächeln.

Nando ließ die Vorstellung noch einen Moment länger vor seinem geistigen Auge wabern. Er überlegte, was er ihr sagen sollte, sagen konnte, ohne eine verräterische Grenze zu überschreiten. Dann schlug er die Haut zurück, bückte sich und trat ein. Im Inneren war die Luft noch wärmer als draußen, dafür stieg ein schwacher Duft nach Kräutern von der Lagerstatt auf.

»Sumelis?«, flüsterte er. »Bist du wach? Ich muss dir etwas sagen.« Er ging in die Knie und legte eine Hand auf die sich in der Dunkelheit abzeichnende Erhebung. Doch seine Finger sanken, ohne auf Widerstand zu treffen, durch die Decke hindurch bis zum Boden. Das Zelt war leer.

 

Sumelis stand im Eingang zu Boiorix’ Schlafkammer und rang nach Atem. Weder eine Fenster- noch eine Dachluke versorgten den Raum mit Frischluft, nur durch die Tür, die direkt in die große Halle führte, zog der Geruch nach Essen und Schweiß, gemischt mit einem Hauch warmer Nachtluft und Rauch, herein. Die meist schlafenden, teils feiernden, schmausenden oder kopulierenden Körper in ihrem Rücken gehörten Kriegsherren, Fürsten, Huren, Leibwächtern, Ehefrauen, Händlern, Abgesandten, Geiseln von Bergstämmen und keltischen Stämmen diesseits wie jenseits des Gebirges. Über Rang und Bedeutung mancher Günstlinge schien niemand genau Bescheid zu wissen, aber es stellte auch keiner Fragen. Wer hier schlief, entschied der König zusammen mit den übrigen kimbrischen Fürsten, die ihm Gefolgstreue geschworen hatten, niemand sonst. Der Krüppel hatte Sumelis erzählt, Boiorix habe früher ebenfalls inmitten dieser Menschen zu schlafen gepflegt, allenfalls separiert durch Vorhänge aus dünnem Stoff. Seit ihn jedoch die Alpträume verfolgten, sonderte er sich von jenen, die ihn nicht schwach sehen durften, ab und erlaubte nur einer Handvoll Menschen, sein Schlafgemach ohne Aufforderung zu betreten. Ein einziges Mal nur hatte einer seiner Günstlinge gegen dieses Verbot verstoßen: Der Jüngling war seither nie mehr gesehen worden.

Der Raum mit seiner kniehohen Lagerstatt war reich mit kostbaren Pelzen von Bär, Luchs, Wolf und Biber ausgestattet. Der fast unerträglich warmen Sommernacht zum Trotz standen in einer Ecke Eimer mit glühenden Kohlen und heißen Steinen, auf denen Kräuterbüschel lagen. Sumelis erkannte die verdorrten Blüten von Baldrian und Thymian. Ein Silberkrug enthielt Wasser, in einem buntgebänderten Glasbecher schimmerte dagegen ein Rest dunkelroter Flüssigkeit. Eine abgenagte Schweineschulter lag auf dem Holzboden, halb vergraben unter Boiorix’ achtlos hingeworfener Hose. Ein Wandbrett trug eine Ansammlung verzierter Lampen aus feinem rötlichem Ton, daneben saß eine dunkelhaarige Frau, nackt bis auf ein Stück länglichen Tuchs, das sie sich um den Oberkörper geschlungen hatte. Ölreste glänzten auf ihren Fingern, und sie hielt ein kleines gekrümmtes Metallobjekt – ein römisches Schabeisen, Strigilis genannt – in den Fingern, mit dem sie vor kurzem noch Boiorix’ Haut sauber geschabt hatte. Die Frau huschte, sowie sich die Tür öffnete und Rascil, Sumelis und der Krüppel im Eingang erschienen, mit gesenktem Blick hinaus.

Der Kimbernkönig lag auf dem Bauch, die Arme nach oben angewinkelt, die Fäuste in ein von Biberfell überzogenes Kissen gekrallt. Bekleidet war er lediglich mit einem langen nassgeschwitzten Hemd, das wie eine zweite Haut an seinem Rücken klebte. Er hatte die Decken von sich gestrampelt; seine nackten behaarten Beine zuckten im Traum, als würde er rennen. Sumelis konnte seine Furcht in dem beißenden Schweißgeruch schmecken, der die abgestandene Luft im Zimmer schwängerte.

»Und so ist es jede Nacht?«

»Nicht jede, aber viele«, antwortete der Krüppel. »Manchmal ist es so unerträglich, dass Boiorix im Schlaf schreit. Dann wissen wir, es sind wahre Träume, und die Andere Welt hat seine Seele aus seinem schlafenden Körper gerissen, um sie in ihrem nebligen Reich zu quälen. Manchmal, nachdem es besonders schlimm war, hat er die nächsten Nächte Ruhe, bevor es wiederkommt – schleichend oder mit Donnerhall.«

»Träumt er auch, wenn er betrunken ist?« Sumelis gestikulierte vielsagend in Richtung des fast leeren Glasbechers.

»Ja, das tut er. Ob betrunken oder betäubt macht kaum einen Unterschied. Ein römischer Arzt hat es gar mit dem Saft des Mohns versucht, mit verheerenden Folgen: Kaum war die unmittelbare Wirkung abgeklungen, wurde Boiorix von Visionen heimgesucht, verschwommenen Bildern ähnlich bronzenen Spiegeln, in denen die Schrecken der Traumwelt tanzen. Im einen Moment war er schwermütig, im nächsten verwirrt oder rasend, dazu quälten ihn schreckliche Kopfschmerzen. Dasselbe am nächsten Tag. Er konnte sich auf nichts konzentrieren, erbrach sich und schlug letztlich den Arzt halbtot.« Der Krüppel verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sarkasmus stahl sich in seine Erzählung und zerstörte die Illusion, dass es lediglich eine spannende Geschichte war, die er wiedergab. »Das war natürlich das letzte Mal, dass ein römischer Arzt zu uns kam. Boiorix vermutete sogar, er wäre geschickt worden, um ihn auf diese Art zu töten. Die folgenden drei Nächte waren die schlimmsten von allen.«

»Die Träume werden also am heftigsten, wenn Boiorix versucht, ihnen zu entgehen?«

»Manchmal scheint es so. Trotzdem folgen diese Träume keinen Regeln, wenn überhaupt richten sie sich nach den Phasen des Mondes. Sobald die Mondgöttin ihr Antlitz verbirgt, wird es immer schlimmer.«

Sumelis und der Krüppel hatten leise auf Helvetisch miteinander gesprochen, was bei Rascil misstrauisches Stirnrunzeln hervorrief. »Sprecht lauter!«, forderte sie. »In dem Zustand weckt ihn so schnell nichts!«

Sumelis knetete nachdenklich ein Ohrläppchen, ohne dass das folgende Glühen ihre tiefe Erschöpfung vertrieben hätte. Wie gerne hätte sie sich einfach nur hingelegt, die Decke über den Kopf gezogen und vergessen, wo sie war.

»Der Fluch hält Boiorix im Schlaf gefangen?«, vergewisserte sie sich. »In der Anderen Welt, in die seine Seele wandert, wenn sein Körper ruht?«

»Sieht das hier etwa nach Ruhe aus? Außerdem, was wäre schon ein Fluch ohne die Klauen, die dich festhalten, um dir seine Schrecken aufzuzwingen?«

»Ich verstehe.«

Erst jetzt betrat Sumelis vorsichtig die Kammer. Die anderen beiden folgten ihr, ebenso der Wächter, der vor Boiorix’ Kammer gestanden hatte. Hinter sich schlossen sie die Tür und damit das Schnarchen, gedämpfte Stöhnen und Lachen jener, die noch wach waren, aus. Boiorix grunzte einmal, sein rechter Arm schoss zur Seite, den Silberkrug, der auf einem Hocker neben der Lagerstatt stand, schwungvoll zu Boden fegend. Es schepperte, Wasser spritzte über die Holzplanken und verschwand durch die Ritzen hindurch nach unten. Boiorix wachte nicht auf.

»Er kämpft gegen die Dämonen, die ihn in der Anderen Welt jagen!«, flüsterte der Krüppel ehrfürchtig. »Sein Mut ist ungebrochen!«

Sumelis schüttelte den Kopf. »Möglich, dass er kämpft. Im Moment allerdings spüre ich nur Angst, Verzweiflung, Zorn und Ohnmacht. Seine Seele verkriecht sich. Ich kann sehen, wie geschrumpft sie ist. Wie ein alter Apfel am Ende des Winters.« Während sie noch sprach, trat Sumelis an das Lager, um Boiorix’ Zuckungen aus der Nähe zu betrachten. Ihr war nicht bewusst, dass sowohl der Krüppel wie auch Rascil sie mit offenen Mündern anstarrten. Es kostete sie Überwindung, dennoch legte sie eine Hand auf Boiorix’ schweißnassen Rücken. Sein Körper glühte wie von Fieber.

»Seine Seele ist blass, allerdings mag das auch ihre normale Farbe sein. Ich weiß nicht, wie sie aussah, bevor der Fluch sie einfing, daher hat das vielleicht gar nichts zu bedeuten. Aber sie flackert. Sie flackert wie eine Lampe, der der Talg ausgeht.«

»Könnt Ihr ihm helfen?«

»Ich kann es versuchen.« Zögernd ließ sie sich auf dem Lager neben Boiorix nieder. Ihr Gesäß sank tief in die weichen Decken und Felle, viel zu warm für die Jahreszeit und trotzdem einladend genug, um Sumelis die Schwere ihrer eigenen Lider bewusst zu machen. Der Krüppel hatte sie aus dem Schlaf gerissen, kaum dass es ihr endlich gelungen war einzuschlafen. Er hatte ihr einen wadenlangen Rock aus weißem Leinen sowie ein dunkelblaues tunikaähnliches Hemd, das in der Mitte gegürtet wurde, in die Arme gelegt und sie gedrängt, sich zu beeilen. Es war eine seltsame Kombination, in Form und Farbe, weder das Gewand einer kimbrischen Priesterin noch das heilige Blau keltischer Geweihter, doch eine Ahnung von beiden. Diese Kleider, dachte Sumelis, hatte gewiss nicht Rascil ausgewählt.

»Was habt Ihr vor?«

»Ich weiß es noch nicht. Ich muss erst … sehen.«

»Ich will wissen, was du tust!«, forderte Rascil. »Ich habe meinem König versprochen, dich zu unterstützen, aber ich will eine genaue Erklärung für alles, was du tust. Hast du verstanden?«

Sumelis nickte müde. Sie legte eine Hand auf Boiorix’ Hinterkopf und bemühte sich, sich zu entspannen. »Ich lege jetzt meine flache Hand auf seinen Kopf und schließe die Augen. Ich atme tief ein und aus. Ein – aus. Ein – aus. Gut so?«

Rascils wütendes Fauchen ließ Sumelis’ Mundwinkel zucken. Sie wusste, sie benahm sich kindisch, aber wie ihre Mutter zu sagen pflegte: In harten Zeiten musste man selbst seine magersten Triumphe auskosten wie Totenfeiern zu Winterende.

Zunächst fiel es Sumelis alles andere als leicht, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren und das beklemmende Gefühl, eine Feindin im Nacken zu haben, beiseitezuschieben. Sie war froh, dass der Krüppel ebenfalls da war und ihr seine Freundschaft so offen anbot. Überdies war er kein Nordmann, sondern Helvetier und damit vertraut mit den Grundsätzen der Seelenwanderung sowie den Lehren der Druiden. Er zumindest wusste, dass das, was sie tat, wahr war. Sein Vertrauen in sie und ihre Fähigkeiten war eine stärkere Motivation als alle Drohungen, die Rascil von sich geben mochte.

Sumelis’ Atem verlangsamte sich, wurde tiefer und gleichmäßiger. Mit jedem Heben und Senken ihres Brustkorbs schloss sie ihre Umgebung weiter von sich aus, konzentrierte sich stattdessen auf die Welt der Farben, die sie erwartete, sobald sie in Boiorix’ Seele eintauchte. Sie sandte Ruhe in grünblauen Wogen von sich aus, hüllte den verschrumpelten Ball der königlichen Seele in einen Kokon aus warmem Licht. Erst als sie sicher war, dass seine Seele nicht vor Schock zurückfahren würde, da sie ihre Gegenwart in sich spürte, wagte sie sich weiter vor.

Boiorix’ Kern war ein blasses Blau, so hell, dass es fast weiß war, mit einem Hauch von Grau darin. Ein Netz aus schwarzen Fäden durchzog die Seele in feinen Adern, ganz ähnlich dem Netz einer Spinne. Die Schwärze schnitt tief in das Blau hinein, zu eng gezogene Bande, deren Zweck mehr im Quälen denn im Fesseln zu liegen schien. An manchen Stellen pulsierten die Verknüpfungspunkte des Netzes im Takt eines fremden Herzschlags, und dann lief ein Zucken durch die Seele, ein Spiegel der Krämpfe, die Boiorix’ Körper quälten. Probeweise zerrte Sumelis an diesen schwarzen Adern, doch sie ließen sich nicht bewegen, also ließ sie es sein. Noch nie zuvor hatte sie Vergleichbares gesehen.

Sumelis zog sich etwas zurück und begann leise zu beschreiben, was sie sah. Sie öffnete nicht die Augen, trotzdem wusste sie, dass Rascil und der Krüppel an ihren Lippen hingen. »Ich weiß nicht, wie ich diesen Fluch von ihm nehmen soll. Ich könnte versuchen, mit Gewalt das Netz zu zerreißen, aber selbst wenn es mir gelingen würde, würde ich damit auch seine Seele zerstören. Das Netz hat sie vollkommen eingenommen.«

»Das kling alles sehr interessant, nützt aber gar nichts!« Rascils schneidende Stimme brachte das Netz dazu, einen Moment lang stärker zu pulsieren, und wie als Antwort stöhnte Boiorix auf. Sumelis hätte beinahe gelacht, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Immerhin hing auch ihr Leben in den giftigen Maschen, die sich um Boiorix’ Seele spannen.

»Gibt es eine andere Möglichkeit?« Dies war der Krüppel. Sumelis wusste nicht, ob die Besorgnis in seiner Stimme ihr galt oder dem Kimbernkönig.

»Ich könnte etwas anderes versuchen. Es würde das Netz nicht zerstören, aber vielleicht kann ich ihn abschirmen.«

»Womit auch immer Ihr ihm helfen könnt, der König wird Euch dankbar sein.«

Sumelis begann, eine imaginäre Hand über den bebenden Ball hinter Boiorix’ Stirn zu bewegen. Dünne Fingerfäden flossen aus ihr heraus, blaugrünes Licht, das sich Tautropfen gleich um die Stellen schmiegte, wo die schwarzen Adern am heftigsten pulsierten, unter sie sickerte, zwischen die Schwärze und das blasse Blau. Es bildete eine zarte Haut, durchscheinend und dennoch Barriere genug, um das quälende Pochen dämpfen zu können. Nach einer Weile, während sie sich von Knoten zu Knoten vorarbeitete, spürte Sumelis, wie Boiorix ruhiger wurde, sein Schlaf leichter. Er begann, aus der Welt seiner Träume herauszudriften, zurück in seinen Körper und erholsame Ruhe. Sumelis wusste, sie würde das, was sie jetzt tat, bereuen, sobald sie die Augen aufschlug, aber ihr war klar, dass auch die schlimmsten Kopfschmerzen nichts im Vergleich zu dem sein würden, was sie erwarten mochte, wenn sie versagte. Also machte sie weiter, bis sie zwischen sämtliche pulsierende Knoten des Netzes und die schimmernde Kugel, in die sie schnitten, eine dünne Schicht gezwängt hatte, eine Wand aus den Farben ihrer eigenen Seele, beruhigend, lindernd, schützend.

Als sie die Augen aufschlug, schlief Boiorix. Sumelis legte einen Finger auf die Lippen und glitt von der Lagerstatt hinunter. Ihre Knie gaben unter ihrem Gewicht nach. Sie wäre gefallen, hätte der Krüppel nicht mit einer Kraft, die sie niemals in diesem verstümmelten Zwergenkörper erwartet hätte, nach ihrer Hand gegriffen. Sumelis’ Blick verschwamm, dennoch nahm sie Rascils verkniffene Miene wahr, mit der diese ihr die Tür aufhielt. Der Krüppel strahlte dagegen über das ganze Gesicht, selbst wenn ein Teil seines Lächelns Spott in sich barg, der Rascil galt.

»Wird sich der König morgen daran erinnern, was Ihr getan habt?«, fragte er.

Sumelis nickte schwach. »Er wird nicht genau wissen, was ich getan habe, nur dass etwas geschehen ist. Alles andere müsst Ihr ihm berichten.«

»Oh, das werden wir, keine Angst!« Der Helvetier klang beinahe fröhlich. »Nicht wahr, Rascil?«

»Was immer Ihr sagt, Krüppel.«

»Mir geht es nicht gut.« Sumelis schluckte aufsteigende Übelkeit hinunter. »Ich würde mich jetzt gerne hinlegen.«

»Ich kümmere mich um Euch, sorgt Euch nicht!« Der Krüppel drückte ihre Hand. »Ihr habt für heute genug getan. Ich bringe Euch zu Eurem Zelt.«

Die frische Luft außerhalb des Gebäudes verdrängte Sumelis’ Übelkeit und klärte ihre Gedanken weit genug, damit sie eigenständig laufen konnte. Trotzdem war sie froh über die Führung des Krüppels, denn sie bezweifelte, dass sie alleine ihren Weg zurück durch das Labyrinth des nordischen Trosslagers gefunden hätte.

»Wie lange wird das, was Ihr getan habt, Boiorix helfen?«

»Ich weiß es nicht. Ein paar Nächte bestimmt, womöglich sogar länger. Vielleicht ist der Fluch aber auch zu stark, und die Träume kehren schneller zurück. Ich konnte das Netz nicht zerstören, nur seine Wirkung mildern.«

»Der König wird Euch sehr dankbar sein.«

»Das erwarte ich auch von ihm!«

Der Krüppel schwieg nach ihrem Ausbruch einen Moment lang. Als er schließlich weitersprach, klang eine seltsame Mischung aus Vorsicht und Mahnung in seinen Worten mit, die Sumelis nicht nachvollziehen konnte. Was für ein Verhältnis hatte dieser Helvetier zu dem nordischen König, für den er Geisel, Ratgeber und lächerlicher Narr zugleich war?

»Unser König, der Kimbernkönig, ist kein einfacher Mann, Herrin. Er ist voller Mut und Tatendrang, der größte Krieger, den ich kenne. Er ist Stier, Keiler und Bär in einem. Unerschrocken. Jähzornig. Er ist kein ungerechter Mann, Sumelis, er kann auch sehr großzügig sein.«

»Was wollt Ihr mir sagen?«

»Reizt ihn nicht! Nehmt ihn für Euch ein! Erzählt ihm morgen oder übermorgen, wenn er Euch zu sich ruft, in aller Deutlichkeit, was Ihr für ihn getan habt. Rascil wird Eure Tat herunterspielen, also seid nicht zu bescheiden! Ihr braucht Boiorix’ Schutz hier in diesem Lager, andernfalls weiß ich nicht, was Rascil Euch antun würde. Sie hasst Euch schon jetzt, und ich kann Euch nicht beschützen, so gerne ich das tun würde.«

Sumelis blickte in seine eindringlichen Rehaugen und bemühte sich um ein zittriges Lächeln. »Ich weiß Eure Sorge sehr zu schätzen, aber bitte macht Euch keine Gedanken! Es gibt noch einen anderen außer dem König, auf dessen Schutz ich zählen kann.«

»Wen? Ich dachte, Ihr kennt hier niemanden?«

Jetzt war es an Sumelis, überrascht die Stirn zu runzeln. »Nando natürlich. Er hat mich hierhergebracht.«

Stolpernd blieb der Krüppel stehen. Seine Hand schoss vor und schloss sich um ihr Handgelenk. Sein heftiges Kopfschütteln hätte durch den unverhältnismäßig großen Schädel lächerlich gewirkt, wäre seine Stimme nicht so eindringlich gewesen. »Zählt nicht auf Nando, Herrin! Bitte! Nando ist Boiorix’ Hund, er würde sich niemals gegen ihn stellen. Er würde Euch auf einen Wink seines Königs hin töten!«

»Das würde er nicht tun!« Müdigkeit und Kopfschmerzen ließen den Widerspruch zu einem Aufschrei werden. Sumelis löste ihre Hand aus dem Griff des Krüppels und verschränkte trotzig die Arme vor dem Körper. Ein Ausdruck von Bitterkeit huschte über das Gesicht des Helvetiers. Plötzlich sah er so alt aus, wie er wahrscheinlich in Wirklichkeit war.

»Ich wünschte, ich könnte Euch etwas anderes sagen, Sumelis, aber Nando ist kein guter Mensch, wie Ihr es seid. Ich habe keinen Streit mit ihm, im Gegenteil, in Anbetracht der Umstände behandelt er mich nicht so schlecht wie viele andere.« Der Krüppel verzog das Gesicht, und es war klar, dass er das eigentlich gar nicht hatte sagen wollen. »Wie dem auch sei: Nando hat Dinge getan, die –«

»Das weiß ich selber! Ich bin kein Narr! Aber ich kenne ihn, ich habe seine Seele gesehen.« Ihre Stimme erlahmte. So ganz stimmte das nicht. Sie hatte niemals Nandos Seele gesehen, immer nur ein Aufblitzen, eine Ahnung von Wärme. Oder eine Hoffnung. Wir sehen, was wir sehen wollen.

Nein, sie ließ diese Zweifel nicht zu. Sie kannte Nando. Vielleicht kannte sie ihn sogar besser als er sich selbst.

»Nando würde mich nicht im Stich lassen. Er hat mir sein Wort gegeben, dass mir kein Leid geschehen wird.«

»Hat er das?« Der Krüppel schien ehrlich erstaunt. »Nun, sein Wort bricht er gewöhnlich nicht. Er ist ehrenhaft. Doch Euch sollte klar sein, dass sein Eid auf seinen König immer Vorrang haben wird.«

»Nicht, wenn Boiorix mir unrecht tut. Das würde Nando niemals zulassen. Aber lasst uns nicht streiten! Ich bin müde und dankbar für Eure Hilfe und Euren Rat. Ich werde einfach alles tun, was ich kann, um den Fluch von Boiorix zu nehmen. Dann wird auch Nando sein Versprechen mir gegenüber einhalten, Ihr werdet sehen.«

Sie waren vor Sumelis’ Zelt zum Stehen gekommen. Der Krüppel hielt ihr den Eingang auf, wollte ihr jedoch nicht in die Augen sehen, zumal er sich mit den Worten von ihr verabschiedete: »Mögen die Götter Euch erhören, Herrin. Wenn Nando in der Lage war, sich Eures Vertrauens zu versichern, ist er vielleicht doch ein besserer Mann, als ich dachte.«

 

Keuchend blieb Talia stehen und blickte zurück. Sie konnte den Pfad zum Pass hinauf unter sich erkennen: die engen Windungen zwischen Sträuchern und zwergenhaften Bäumen, dann der Talboden, der sich zu ihrer Rechten inmitten der aufragenden Berghänge hin erstreckte. Diesen Weg waren sie gekommen, und obwohl sie seit ihrem Kampf keine Verfolger mehr bemerkt hatten, hatten sie die Pferde und sich selbst bis zum Äußersten getrieben.

Nun, mit diesem Passanstieg, lag das Gebiet der Suaneten endgültig hinter ihnen. Noch weitere sechshundert Höhenfuß, danach würde es nur noch bergab gehen, durch das Gebiet der Lepontier bis zur Ebene des Padus’. Zu Sumelis. Und zu den Kimbern.

Talias Pferd stieß sie mit dem Kopf an, und gehorsam setzte sie sich in Bewegung. Über ihr war Atharic bereits eine Kurve weiter, noch weiter oberhalb flossen träge Wolkenfetzen über die Höhe des Passes hinweg, verbargen alles hinter einem gräulichen Schleier. Obwohl kaum Wind ging, war es kalt, und der Himmel zog immer mehr zu. Der abkühlende Schweiß auf Talias Haut zwang sie, ihren Schritt zu beschleunigen, um sich warm zu halten. Ihr Pony trottete mit gesenktem Kopf hinter ihr her.

»Was machst du?«, rief sie zu Atharic empor, der stehen geblieben war und vornübergebeugt an seiner Kleidung nestelte.

»Den Gürtel enger!«, bekam sie zur Antwort, die sie trotz schmerzender Füße und tiefer Erschöpfung lachen ließ. Atharic hatte während der Reise an Gewicht verloren; sein Körper war nun wieder der des Söldners von vor zehn Jahren. Sogar seine Haltung schien aufrechter, kraftvoller geworden zu sein. Atharic sprach nicht darüber, aber manchmal hatte sie den Eindruck, er war noch lebendiger als sonst.

Der Wolf wird wieder zum Wolf und legt die Leinen der Bauernschaft ab. Man könnte meinen, ihm gefällt das Ganze.

Ein vindelikischer Kindervers kam ihr in den Sinn, den sie oft mit Sumelis gesungen hatte:

Wölfe, Wölfe, Wölfe im Wald,

Gehetzt wird jetzt, versteckt euch bald!

Wölfe, Wölfe, Wölfe im Wald,

Gejagt verzagt, es gibt kein Halt!

»Was ist das denn?«

Unbewusst hatte Talia den Vers leise vor sich hinskandiert. »Ein alter Kinderreim. Sumelis und ich haben dazu früher oft Fangen gespielt.«

»Lass mich raten: Du warst immer der Wolf?«

»Das dachte ich zumindest. Bis Sumelis fragte, ob das Lied von Wölfen auf der Hatz gesungen wird oder von Jägern, die die Wölfe jagen.«

»Eine gute Frage.« Atharics Stimme schwankte zwischen Belustigung und Nachdenklichkeit. Kurz darauf wiederholte er murmelnd: »Eine wirklich gute Frage!«

Wenig später begann es zu nieseln.

»Das gefällt mir nicht!«, brummte Atharic, einen Tropfen von den Wimpern blinzelnd. »Wir werden am Pass bei dem Wetter keine Pause einlegen können. Wir müssen sehen, dass wir nach unten kommen.«

»Sollen wir umkehren?«

»Nein, wir gehen weiter. Wer weiß, wann das Wetter besser wird. Außerdem dachte ich eben, ich hätte unten im Tal etwas aufblitzen sehen.«

»Was?«

»Sonnenstrahlen auf Eisen.«

Die Aussicht, noch einen weiteren Kampf mit den Suaneten bestreiten zu müssen, trieb sie an, und so erreichten sie erstaunlich schnell die Passhöhe. Hier oben war der Regen in Schnee übergegangen, nasse Flocken, die sofort in ihren Haaren und auf ihrer Kleidung schmolzen und die Sicht bis auf dreißig Schritt begrenzten. Von den Gipfeln, die links und rechts aufragten, sahen sie nichts, nur die von Felsen überzogene unebene Passhöhe und das leicht gekräuselte Wasser eines kleinen Sees.

»Wo ist unser Weg?«

Atharic deutete wortlos auf eine Markierung aus gestapelten Steinen zu ihren Füßen. Die Pferde am Zügel führend, setzten sie vorsichtig ihren Weg fort, vorbei an Felsen, über kleinere Erhebungen hinweg, immer tiefer, wie es schien, in das Schneetreiben hinein. Schon nach kurzer Zeit wurde die Sicht so schlecht, dass es unmöglich war, weiterhin die kleinen Steinmarkierungen zu erkennen. Der Schnee hörte auf, auf ihren Wimpern zu zerfließen, und begann, eine dünne Schicht auf dem Boden zu bilden. Atharic beschloss, dass sie nun doch rasten würden, bis die Sicht wieder besser wurde, andernfalls drohten sie in dem unwegsamen und immer glatter werdenden Gelände ziellos umherzuirren. Sie fanden eine Stelle, wo einfallendes Gestein ein paar Handbreit Schutz bot. Die Pferde zogen sie so dicht an sich heran, wie das Gelände es zuließ, dann kauerten sie sich am Fels aneinander und warfen ihre Decken über sich. Trotzdem begann Talia schon bald zu frieren. Atharic nahm ihre klammen Hände und steckte sie unter seine Achseln.

»Geht es dir gut?«

»Nein. Kalt.«

»Ich weiß.«

»Könnten wir hier erfrieren?«

»Ja.«

»Dies wäre ein guter Moment gewesen, um zu lügen, Atharic!«

»Du hast selber in den Bergen gelebt. Du weißt, wie sie sind. Aber wir werden nicht erfrieren. So kalt ist es noch nicht. Wenn du nicht so erschöpft wärst, wäre die Kälte gar nicht so schlimm.«

Talia versuchte, in ihren mitgenommenen Schuhen mit den Zehen zu wackeln, doch die Kälte hatte sie und das Leder bereits steif werden lassen. Atharic bemerkte es, legte seine Beine über ihre und stopfte ihre mittlerweile fast leeren Proviantbeutel um Talias Füße.

»Was ist, wenn es nicht aufhört zu schneien?«

»Es reicht, wenn Wind aufkommt.«

»Wenn Wind aufkommt, wird es erst recht kalt.«

»Links und rechts ragen Berge empor, der Wind hat also einen klaren Pfad über diesen Pass. Heute Mittag noch wehte der Wind von Süden her. Wenn er uns ins Gesicht schlägt, kann es schneien, wie es will, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wind ist besser als diese Suppe!«

Sie schwiegen eine Zeitlang. Um sie herum war alles grau: die Wolken, der Schnee, der Fels, sogar die Farbe ihrer Haut. Talia vergrub ihr Gesicht an Atharics Hals und wärmte die kalte Nasenspitze an der Stelle, wo sein Nacken in die Schulter überging.

»Glaubst du, dass Sumelis die Reise gut überstanden hat?«, murmelte sie.

»Natürlich. Weshalb die Kimbern sie auch immer entführt haben, sie wollten sie offenbar unbedingt lebendig. Außerdem haben sie, wenn wir recht haben, den einfachsten Weg über die Berge genommen. Das lässt sich mit unserer Situation überhaupt nicht vergleichen.«

»Ich hasse die Kimbern!«

»Versuchst du, dir heiße Gedanken zu machen?«

»Ja. Verdammt sollen sie sein! Sie mit ihrer Gier, ihrer Gleichgültigkeit, dem Anspruch, dass die ganze Welt ihnen gehören müsste. Ihrem selbstgefälligen Kriegswahn!«

»Das ist nicht ganz gerecht.« Atharic verlagerte sein Gewicht und zwinkerte in das Schneetreiben. Irrte er sich, oder wurde die Sicht tatsächlich besser? »Nicht alle Kimbern sind so. Immerhin waren wir – mein Rabenvolk und ich – auch einst Teil ihres Zugs. Dabei wollten wir nichts anderes als ein besseres Leben. Wir haben gesehen, wie unsere Kinder im Norden starben. Jahrelange Missernten, Überflutungen, das Wild, das aus den Wäldern verschwand, Krankheiten. Wir mussten unser Land verlassen, und so ging es auch vielen Kimbern. Glaubst du, es sind damals alle gegangen, weil ein jeder auf Raubzüge aus war? Ein paar ja, Menschen wie Boiorix, aber die Gründe von Anführern und jungen Kriegern sind meist andere als die von Familien, von Vätern oder einfachen Bauern.«

»Es hätten auch andere umkehren und in den Norden zurückkehren können. So wie ihr es damals getan habt.«

»Vielleicht, aber im Norden hätte sie wieder Hunger erwartet. Du weißt selbst, dass es auch für uns nicht einfach war, zurückzukehren, und wir waren nur noch wenige. Irgendwann gab es für die Kimbern einfach kein Zurück mehr. Nein, ich verstehe die einfachen Krieger und ihre Familien. Ich verstehe sogar die jungen Männer, die herangewachsen sind, ohne eine Erinnerung an den Norden zu haben, die während des Zugs erst geboren wurden. Sie haben niemals etwas anderes kennengelernt als Herumziehen oder sich als Söldner Verdingen. Möglicherweise wissen sie gar nicht, wie man Felder länger als einen Sommer bestellt! Seit einer ganzen Generation sind die Kimbern unterwegs, manche nur auf der Suche nach Land, das ihre Familien ernähren kann, andere getrieben von Gold, Reichtum, Macht und Eroberung. Das macht sie aber nicht zwangsläufig schlechter als die übrigen Stämme des Nordens oder dein Volk, Talia.«

Talia kaute auf ihrer Unterlippe. Sie hörte ihm schon längst nicht mehr zu. »Was wirst du tun, wenn du ihm gegenüberstehst?«, fragte sie unvermittelt.

Atharic zuckte mit den Achseln, womit er sich gleichzeitig den Schnee von den Ärmeln schüttelte. Er brauchte nicht zu fragen, von wem Talia sprach. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in das Schneetreiben und zog die Füße an, als klatschend einige dampfende Pferdeäpfel zu Boden fielen. »Hoffen, dass er mich am Leben lässt. Und Sumelis. Und dich.«

»Was ist, wenn er schon wusste, dass Sumelis deine Tochter ist, als er sie entführen ließ?«

»Wir wissen nicht sicher, ob die Entführung überhaupt Boiorix’ Werk war.«

»Was, wenn doch? Was, wenn das der eigentliche Grund ist, weshalb er sie entführen ließ?«

»Daran kann ich nicht glauben. Was wir erfahren haben, klingt so, als ginge es um eine Zauberin, um deine und Sumelis’ Gabe. Um keltische Magie, die die Kimbern sich zunutze machen wollen. Darauf sollten wir hoffen. Dann wird Sumelis auch gut behandelt werden.«

Talia seufzte. Sie wusste nicht, wie oft sie dieses Gespräch während ihrer Reise bereits geführt hatten, dabei erfüllte es diesmal sogar einen Zweck: Es lenkte sie von der Kälte ab und hielt die nagende Erschöpfung auf Abstand.

»Ich glaube, ich spüre meine Zehen nicht mehr«, bemerkte sie.

Sofort wechselte Atharics Gesichtsausdruck von Nachdenklichkeit zu Sorge. »Wir gehen weiter!«, entschied er und stand auf. »Die Sicht wird besser, es schneit schon weniger.«

Atharic hatte recht: Die Sicht wurde tatsächlich besser, kurz darauf hörte es sogar ganz auf zu schneien. Allerdings hatten sie den von Steinmarkierungen gekennzeichneten Weg verloren, daher mussten sie sich ihren eigenen Pfad durch die Felsen suchen. Entlang sumpfiger, von rotspitzigem Gras bewachsener Senken am Rande winziger Seen und vorbei an niedrigen Krummholzkiefern, deren grüne Nadeln sich an graues Gestein schmiegten. Der Untergrund war glatt, daher kamen sie nur äußerst langsam voran und rutschten häufig aus. Talias Knie begann zu stechen, woraufhin ihr Atharic seinen unbespannten Bogen gab, damit sie diesen als zusätzliche Stütze verwenden konnte. Um den Bogen mit ihren vor Kälte steifen Fingern überhaupt halten zu können, musste Talia erst einen Fäustling aus ihrer Ersatztunika und einem Lederband basteln, und selbst dann wollte die Wärme nicht in ihre Fingerspitzen zurückfließen.

Schließlich erreichten sie die andere Seite des Passes. Unter ihnen zerfaserten die Wolken und gaben den Blick frei in Richtung eines Rückens aus kleineren bewaldeten Kuppen, der die Aussicht in das Tal vor ihnen begrenzte. Vorsichtig begannen sie den Abstieg.

Es geschah kurz nachdem sie das letzte Stück verschneiten Fels hinter sich gebracht hatten: Talia trat auf einen losen Stein, der unter ihrem Gewicht nachgab und zur Seite kippte. Sie knickte um, spürte den Schmerz in ihrem Knöchel, streckte sogar noch den Arm aus, um sich abzufangen, aber es war bereits zu spät. Ihr Kopf schlug gegen einen Felsen, dann – Schwärze.

 

Die Ankunft der Händler aus Aquileia war den Kimbern zwei Tage vorher angekündigt worden, daher hielten Kinder bereits ab dem Morgengrauen ungeduldig Ausschau nach der Reisegesellschaft. Eine Gruppe reicher Händler war etwas ganz anderes als die Abgesandten heimischer Städte und Dörfer, die oftmals geschickt wurden, um mit den Kimbern zu verhandeln, vor allem, wenn sie Waren aus einer römischen Stadt wie Aquileia brachten. Es war ein Ereignis, das Gesprächsstoff für den ganzen Stamm versprach. Was würden die Fürsten und reichen Krieger kaufen? Welchen Schmuck würden Boiorix’ Töchter danach tragen, welche Stoffe? Erlesener Wein würde trockene Kehlen benetzen, nicht das halbsaure Zeug, das ihnen von Mediolanums Stadtherren und den Fürsten der Insubrer als Tribut geschickt worden war. Welche ungewohnten Speisen würden über die Zungen des Nordvolks gehen?

Die Händler näherten sich von Süden her dem Lager, wo sie bereits von einer bunten Traube aus Fußvolk – Alte, Krieger, Frauen, Kinder – empfangen wurden. Für diese Leute war es die einzige Möglichkeit, einen Blick auf die Fremden zu erhaschen und deren Waren, wie sie hofften, aber selbst darin wurden sie enttäuscht. Was auch immer die Aquileienser in ihren über die festgetrampelte Erde holpernden Wagen mit sich führten, blieb gut verpackt unter dicken Planen und verborgen vor den gierigen Augen jener, die sich sowieso nichts davon leisten konnten. Der Trupp wurde obendrein von fünfzig Kämpfern begleitet, eine lächerliche Anzahl im Vergleich zu den tausendfach stärkeren Kimbern, doch die Männer schien das nicht zu schrecken. Sie schienen keinen Zweifel daran zu haben, dass sie als Händler freundlich von den barbarischen Nordmännern empfangen werden würden.

»Ein buntes Gemisch«, hörte Nando einen Mann in seinem Rücken sagen. »Veneter, Römer, sogar ein Grieche ist unter ihnen.«

Nando, dessen Sicht auf die Ankömmlinge durch Boiorix’ breite Gestalt vor ihm verdeckt war, fragte sich, woran der Mann das festmachte, aber da die Aussage von ihrem Übersetzer stammte, musste es wohl stimmen. Es verwunderte auch nicht, denn die Veneter waren Verbündete der Römer, Aquileia eine Kolonie mit besten Verbindungen über das Meer sowie nach Norden zu den Norikern.

Der Übersetzer hatte sich unterdessen an Nando vorbeigeschoben, bis er schräg hinter dem König stand. Boiorix begrüßte die Händler förmlich und dankte ihnen für ihr Kommen. Speis und Trank wurden von Hand zu Hand gereicht, um das Gastrecht für die Ankömmlinge zu besiegeln. Der Platz vor dem großen Gebäude war frei gehalten, sogar gekehrt worden, damit die Händler hier ihre Waren aufbauen konnten. Einzig die Fürsten und Anführer, Günstlinge und deren Ehefrauen hielten sich am Rande des Platzes auf, um den Händlern bei ihren Vorbereitungen zuzusehen und schon aus der Ferne abzuwägen, welcher Händler die interessantesten Schätze anbot. Das gemeine Volk wurde von Boiorix’ Leibwache ferngehalten.

Einige Händler trugen Togen, die sie als römische Bürger auswiesen, dazu schwere Siegelringe an den Ringfingern der linken Hand. Ihre Kurzhaarfrisuren schienen den andere Haar- und Barttrachten gewohnten Kimbern simpel. Nando hatte gehört, dass Römer ständig badeten, und obwohl er im Gegensatz zu Boiorix niemals eine ihrer Badestätten aufgesucht hatte, wusste er doch, dass sich die Vornehmen dabei nicht des kühlen Wassers von Brunnen und Gewässern bedienten, sondern gewärmtes, ja, sogar heißes Wasser bevorzugten. Weich und keine Härten gewohnt, urteilte er verächtlich, bevor seine Aufmerksamkeit von den sich im Hintergrund haltenden Dienern der Besucher gefesselt wurde: Diese hielten nämlich mit kunstvollen Phaleren geschmückte Pferde an den Zügeln. Es handelte sich um wahrlich prachtvolle Tiere, die ebenfalls zum Verkauf standen und augenblicklich hinter einer Traube begeisterter kimbrischer Männer verschwanden.

Was die Händler darüber hinaus vor den Augen der Kimbern ausbreiteten, ließ so manchen Nordmann denken, dass sie vielleicht lieber Aquileia erobern sollten, anstatt sich so auf Rom zu konzentrieren. Bernstein in allen Facetten entlockte den Frauen Entzückungsrufe, eine Erinnerung an die Strände des Nordens, die sie hinter sich gelassen hatten, dazu Ketten, Ringe, Ohrringe aus Gold, Glas, Perlen, Spiegel, Edelsteine. Holzfässer und Amphoren voll mit Wein, feinwandige Keramik, Bronzegeschirr. Äpfel, Käse, Essig und teures Olivenöl. Betörende Düfte in kleinen Schälchen, in Honig eingelegte Früchte, Gewürze, darunter eine Wurzel, deren Geruch einem, sobald man sie anschnitt, die Tränen in die Augen trieb.

»Was wohl die Römer dazu gesagt haben, als diese Händler an ihnen vorbeizogen, um zu uns zu gelangen?«, überlegte der Krüppel laut. »Empfinden sie das nicht als Verrat durch ihre eigenen Leute?«

Nando verstand es ebenfalls nicht. »Vielleicht denken die Aquileienser einfach praktisch, weil es sowieso keinen Unterschied macht. Sollten wir Italien erobern, ist es für sie nur von Vorteil, wenn sie schon jetzt gute Beziehungen zu uns unterhalten.«

»Ich glaube, sie denken anders.«

»Und das wäre wie?«

»Wenn die römischen Legionen uns vernichten, wird unser aufgehäuftes Beutegut, alles, was wir haben, nach Rom fließen oder in die Taschen der Feldherren und Soldaten. Diese Händler wollen noch an uns verdienen, bevor es nichts mehr zu holen gibt.«

Abgelenkt von den unzähligen Waren, blitzenden Silbermünzen, dem aufgeregten Schnattern der feilschenden Frauen und der Überlegung, auf welches der in der Sonne funkelnden Schmuckstücke wohl Sumelis’ Wahl fallen würde, brummte Nando ohne besonderen Nachdruck: »Das, Krüppel, ist Verrat.«

Der Krüppel zuckte mit den Achseln. »Die Teutonen und Ambronen sind doch auch besiegt worden.«

»Sie hatten auch nicht Boiorix als Anführer. Sie waren schon immer schwächer als wir.« Nando sah sich um, ob ihnen auch niemand zuhörte. »Sprich nicht darüber, Krüppel! Boiorix hält die Nachricht von der Vernichtung der Teutonen noch immer geheim. Er will nicht, dass es die Runde macht.«

»Ein schlechter Plan. Wahrscheinlich wissen es sogar schon diese Händler. Sie werden darüber sprechen, und dann werden Gerüchte aufblühen.«

»Diese Händler werden mit niemandem reden, dafür wird Boiorix sorgen. Er wird nicht zulassen, dass sie uns ausspionieren.«

Sie schwiegen eine Zeitlang und betrachteten das Treiben vor dem Hauptgebäude. Boiorix hatte sich mit dem Anführer der Reisegesellschaft in den Schatten zurückgezogen und kostete den Inhalt verschiedener Amphoren. Anders als etliche der kimbrischen Edlen hatte er nicht seine kostbarsten Gewänder für den Anlass herausgeholt, sondern trug die Kleidung eines Kriegers, das große Schwert in seiner mit Drachenpaaren verzierten Scheide demonstrativ an der Seite. Der Aquileienser in seiner über eine Schulter geschlagenen Toga erschien neben ihm schmächtig und geckenhaft.

»Er macht sich selbst zum Symbol«, bemerkte der Krüppel, der jede Geste des Kimbernkönigs in sich aufsog.

»Boiorix ist so. Er muss sich zu nichts machen.«

»Ich wünschte …«

»Was?«

Der Krüppel zögerte. »Ich würde Sumelis gerne ein Seidentuch schenken«, sagte er dann, auf einen der Händler weisend, der einer Fürstengattin ein weich schimmerndes Stück Stoff in die Hand drückte. »Sie würde sich bestimmt freuen, aber ich fürchte, Rascil würde es ihr wegnehmen.«

Nando vermutete, dies war nicht das, was der Krüppel eigentlich hatte sagen wollen. Es ärgerte ihn, denn er hegte ähnliche Gedanken. Es war schön gewesen, Sumelis’ Entzücken zu beobachten, als er ihr den Kamm mit dem Pferdegriff geschenkt hatte. Schön, weil sie ihre Freude nicht verborgen hatte.

»Überhaupt, Rascil: Was macht sie da?«

Das überraschte Schnauben des Krüppels lenkte Nando ab. Er folgte dem Blick des kleinen Helvetiers. Auf der anderen Seite des Platzes stand die Priesterin bei einem Händler. Sie hielt sich ein Schälchen unter die Nase und schnupperte an der dunklen Masse darin. Rascil runzelte die Stirn, wenig später wechselte sie mit Hilfe von Boiorix’ Übersetzer ein paar Worte mit dem Händler. Dieser nickte nachdrücklich. Wild gestikulierend wies er von der Paste auf eine Weinamphore, dann zu seinem Kopf.

»Was ist das, was sie da kauft, Krüppel?«

»Bei Rascil würde ich auf Gift tippen.«

Das war auch Nandos erster Gedanke gewesen. Der Krüppel fügte hinzu: »Hässliche braune Kugeln? Ehrlich, ich habe keine Ahnung.«

»Bestimmt irgendeine heilige Angelegenheit.«

»Ja, natürlich. Eine dieser heiligen Angelegenheiten, die eine Handvoll Gold kosten«, kommentierte der Krüppel trocken, derweil glänzendes Metall den Besitzer wechselte. Eine Novizin eilte herbei, um Rascil mit dem Erstandenen zu helfen. »Schau dir an, wie zufrieden sie aussieht! Für mich riecht das nach Ärger.«

»Ich glaube, ich weiß, was es ist«, sagte Nando gedehnt. »Es ist tatsächlich nur eine Angelegenheit der Weisen Frauen. Nichts, was uns betrifft. Kein Gift.« Er war erleichtert.

»Was ist es dann?«

»Getrockneter Saft. Aus Mohnsamen gewonnen.«

»Aber was will sie damit? Das hatte doch schon dieser römische Arzt bei Boiorix versucht.«

Nando wandte sich zum Gehen. Hier gab es nichts weiter für ihn zu sehen oder zu kaufen. Nichts zu verschenken.

»Ich weiß es nicht, Krüppel.«

 

»Herr, ich halte das für keine gute Idee.«

Boiorix drehte sich zu Nando um. Es war nicht das erste Mal, dass Nando seinen Entschluss in Zweifel stellte, wenn sie unter sich waren. Zwar schätzte Boiorix Nandos Rat, doch sein Widerspruch in dieser Sache erstaunte ihn trotzdem.

»Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?«

»Ihr, sie … Sie wird es nicht mögen, Herr!« Innerlich krümmte sich Nando bei seiner Antwort zusammen. Auf Boiorix’ Stirn zuckte prompt ein Muskel, so als wolle er die Augenbrauen in die Höhe ziehen.

»Sie wird es nicht mögen«, wiederholte er ungläubig.

»Ja, Herr. Es wird sie … mitnehmen.«

»Es wird sie mitnehmen, neben mir – neben einem König! – zu liegen?«

Fieberhaft suchte Nando nach einer Erwiderung, die weder seinen König beleidigen noch Sumelis in Schwierigkeiten bringen würde. Aber sein Gehirn funktionierte heute nicht, wie er es gewohnt war. Die Vorstellung, wie Sumelis neben Boiorix im Bett lag, versunken in weichen Fellen und Decken, wie ihre Haut sich berührte, wie Sumelis vor der Berührung zurückschreckte und doch nicht wagen durfte, ihr zu entfliehen, schob sich als ein die Zunge beschwerendes Hindernis vor eine geschmeidigere Argumentation.

»Sie würde es bestimmt als Ehre empfinden, dessen bin ich mir sicher. Aber Herr, wir beide wissen, dass Ihr nicht alleine in diesem Bett liegen werdet. Es wird eine andere Frau dabei sein.«

»Oder zwei.«

»Oder zwei andere Frauen. Was soll Sumelis da?«

»Das, weshalb du sie zu mir gebracht hast: meine Seele an der Grenze zwischen Traum und Wachen abschirmen, den Fluch bekämpfen, wie sie es in der ersten Nacht getan hat und der vorgestrigen. Wer weiß, vielleicht wird sie es selbst vorschlagen? Schließlich sollte ihr magischer Schutz umso besser wirken, je enger die Verbindung zu mir ist, nicht wahr?«

Nando schwieg. Er erlaubte seinem Gesicht keine Reaktion, die grauen Augen blickten so gleichgültig wie eh und je. Boiorix schien zufrieden mit dem, was er in ihnen las, denn kurz darauf schüttelte er über sich selbst den Kopf. »Nein, das wird sie wohl kaum vorschlagen. Abgesehen davon gibt es schönere Frauen in dieser Halle. Einladendere, willigere.« Boiorix griff sich in den Schritt und rückte seine Hose zurecht. Sein Blick verlor hingegen nichts an Schärfe.

»Was meinst du, Nando?«, fragte er. »Könnte ich mir Sumelis’ Macht zu eigen machen? Sie meinem Willen beugen? Für eine Frau hat sie einen starken Willen, obwohl sie das gut zu verbergen weiß, ganz anders als Rascil. Wenn ich sie dazu bringe, mir zu gehorchen« – die hellen Augen verengten sich – »wenn ich sie bezwinge, wird ihre Gabe mir gehören, oder nicht?«

Es war genau so, wie Nando befürchtet hatte: Sumelis’ Gabe hatte Boiorix’ Appetit geweckt. Es ging ihm nicht allein um seine Seele oder um seine Abneigung, dass etwas – sei es ein Fluch oder eine keltische Zauberin – Einfluss auf ihn ausübte. Es war vor allem das lüsterne Verlangen nach Größe, nach Herrschaft, der absolute Machtanspruch, der aus einem gewöhnlichen Kriegsführer einen König gemacht hatte und eine Rücksichtslosigkeit forderte, die Nando oft bewundert hatte.

Er wird sie zur Sklavin machen.

»Wenn Ihr Sumelis Gewalt antut, wird das ihre Seele verletzen«, hörte Nando sich unverblümt sagen. »Sie wird Euch dann womöglich nicht mehr helfen können. Man braucht einen gesunden Heiler, um Menschen zu heilen, keinen verstörten.«

»Ein guter Hinweis, Nando. Ich werde darüber nachdenken.« Boiorix strich sich mit den Fingerspitzen über den Bart. »Verdammte Weibsbilder und ihre Empfindlichkeiten!«

»Die vorletzte Nacht hat Sumelis stärker ausgelaugt als die erste«, fuhr Nando vorsichtig fort. »Sie hat noch immer Kopfschmerzen und träumt von dem Netz, das sich in Eure Seele schneidet. Sie sagt, sie öffnet sich Euch ein Stück weit, wenn sie Euch hilft, und damit öffnet sie sich auch dem Fluch. Es zehrt an ihr.«

»Damit zurechtzukommen ist ihr Problem. Vielleicht ist das ein Ansporn, sich ein bisschen mehr mit dem Ursprung des Ganzen auseinanderzusetzen. Immerhin soll sie den Fluch gänzlich von mir nehmen und das besser früher als später!«

»Wenn sie das könnte, würde sie es tun. Das wisst Ihr.«

Boiorix brummte etwas, was widerwillige Zustimmung sein mochte. »Dann muss sie sich eben zusammenreißen und mich zumindest vor meinen Träumen bewahren! Seit wann diskutieren wir eigentlich die Kopfschmerzen eines Weibs?«

Sie standen in der Eingangstür zur Halle am Rande des Lichts, das vom Herdfeuer nach draußen fiel. Noch hatten Boiorix’ Günstlinge ihren König nicht bemerkt, sonst hätte Nando niemals einen ruhigen Moment gefunden, um mit ihm zu sprechen. Jetzt näherte sich jedoch eine Gruppe kichernder Mädchen von den Abtritten her der Halle. Boiorix drehte ihnen den Rücken zu. Die Bewegung ließ das Ende seiner an Ketten hängenden Schwertscheide schwingen. Nando spürte die Berührung wie eine Drohung an seinem Unterschenkel.

»Bring mir Sumelis, Nando! Sie soll in meiner Kammer schlafen – auf dem Fußboden, vor der Lagerstatt, wo auch immer! Falls sie etwas sieht, was ihr nicht gefällt, kann sie die Augen schließen. Hauptsache, sie ist zur Stelle, wenn der Fluch mich fortzuzerren droht!«

Unter geräuschvollem Gekichere huschten die Mädchen an ihnen vorbei ins Gebäudeinnere, einen schweren erdigen Geruch nach sich ziehend. Nando konnte nicht umhin, sich zu fragen, was sie wohl zwischen ihre Schenkel geschmiert hatten und ob sie einen Elchbullen anlocken wollten. Eines der Mädchen drehte sich um und lächelte ihn keck mit ockergefärbten Lippen und Ruß auf den Lidern an. Jetzt erkannte er sie: Es war eine von Boiorix’ Töchtern. Mit zusammengekniffenen Augen sah ihr Vater ihr und ihren Freundinnen nach. Diesmal jedoch wollte Nando gar nicht wissen, was für ein Plan Boiorix nun wieder durch den Kopf ging. Erleichtert, da er das Schlimmste für Sumelis abgewehrt wähnte, verbeugte er sich vor seinem König, dann verschwand er in der Nacht. Er kam nicht einmal auf die Idee, einen Dienstboten nach Sumelis zu schicken, anstatt selbst zu gehen.

Er fand Sumelis vor ihrem Zelt sitzend, in eine leise Unterhaltung mit dem Krüppel vertieft. Einen Moment lang blieb er stehen, um sie aus dem Verborgenen heraus zu beobachten: die junge Frau im Schneidersitz, eine karge Platte mit Fladen, Möhren, Butter und Käse auf den Beinen und mit aufmerksam zur Seite geneigtem Kopf, daneben der zwergenhafte Mann mit seinem verkrüppelten Arm und dem grotesk großen Schädel. Nando hörte ihn über einen Scherz Sumelis’ lachen – sie sprachen über ihre Kindheit in einem helvetischen Tal –, und er verweilte noch einen Moment länger im Verborgenen, um der Geschichte, wie sie das erste Mal eine befestigte Stadt betreten hatte, zu lauschen. Als er schließlich hinter dem Zelt hervor- und in ihr Blickfeld trat, blitzte augenblicklich Sumelis’ strahlendstes Lächeln auf.

»Nando! Ich dachte schon, ich hätte dich bemerkt!«

Nando nickte dem Krüppel zu, der den Gruß genauso kühl erwiderte. Umständlich erhob sich der kleine Mann, Sumelis’ Protest mit einer Handbewegung beiseitewischend. »Ich hätte schon längst gehen sollen, Herrin. Ich danke Euch, dass Ihr die Erinnerungen an meine Heimat mit mir geteilt habt.«

»Es war mir eine Freude.«

»Nein, mein war die Freude, mein Volk einmal mit Augen zu betrachten, die nicht von Bitterkeit verzerrt sind.«

»Es sind Eure Augen. Ihr entscheidet darüber, wie sie sehen.«

»Unglücklicherweise sind meine Augen mit meinen Beinen und Armen verbunden.« Der Krüppel hob eine Hand, bevor sie ihm abermals widersprechen konnte. »Ich werde Euch übermorgen wieder besuchen, wenn ich darf.« Er legte kurz die Spitze seiner Finger an die Stirn – irgendein helvetischer Ehrengruß, wie Nando sich vage erinnerte –, dann verschwand er.

Sumelis wandte sich wieder Nando zu. Ihr warmes Lächeln lud ihn ein, sich neben sie zu setzen und ihr Mahl zu teilen.

»Boiorix schickt mich«, lehnte Nando kopfschüttelnd ab. »Er möchte, dass du zu ihm kommst.«

»Schon wieder? Es ist noch keine drei Nächte her seit dem letzten Mal. Ich hatte gedacht, es würde länger halten.«

»Es ist ihm wichtig.«

Sumelis’ Schultern sanken ein Stück herab. Sie seufzte, dann machte sie Anstalten, die Platte mit ihrem Abendessen zur Seite zu legen.

»Iss ruhig fertig! Ich denke nicht, dass wir uns beeilen müssen.«

»Bist du sicher?«

»Ja.«

Sumelis riss ein Stück Brot ab. Nando bemerkte, dass sie langsam kaute und sich zwingen musste, es hinunterzuschlucken. Ein Anzeichen, dass es ihr noch immer nicht gutging.

»Der König wird doch unmöglich schon schlafen?«

»Nein, er will … Er will vorbeugen.« Nando gab seiner Stimme einen bestimmten Klang. Er hatte sich nicht gesetzt, sondern sah von oben auf sie herab, auf ihr dunkles Haar, in dem zwei Blüten steckten. »Er will, dass du bei ihm bist, wenn er einschläft. Ab jetzt jede Nacht. Neben ihm. Auf seinem Lager.«

Sumelis starrte ihn an, im Kauen erstarrt. Sie schluckte krampfhaft, dann stellte sie mit einer sorgfältigen Bewegung die Platte beiseite und stand auf. »Wenn das so ist, sollten wir ihn nicht warten lassen«, brachte sie heraus.

»Ich habe versucht, es ihm auszureden.«

»Ich glaube dir.«

Nandos Hand schnellte vor und fasste ihren Unterarm. Es war die erste bewusste Berührung, seit sie den Kimbernzug erreicht hatten, und einen Herzschlag lang starrten sie beide, ohne sich zu rühren, auf seine Finger auf ihrer Haut.

»Hör zu, Sumelis!«, drängte Nando. »Ich weiß, was du mit dem Helvetier gemacht hast, als wir vom Pass herunterkamen. Wie du ihm seine Männlichkeit genommen hast. Mach so etwas nicht mit Boiorix, sonst wirst du sterben! Ich, ich glaube nicht, dass er sich dir aufzwingen wird. Ich habe ihm gesagt … Egal! Tu einfach nichts, was ihn provozieren könnte!«

Mit Entsetzen stellte Nando fest, dass er nahe daran war, zum Verräter zu werden. Er konnte Sumelis nicht von Boiorix’ Überlegungen, sie zu brechen, sie sich untertan und sich ihre Gabe zu Willen zu machen, erzählen, ohne seinen König zu hintergehen. Im selben Augenblick spürte er eine Berührung auf seinen Fingern, die ihren Arm hielten. Federleicht nur, dann zog sie ihre Hand schon wieder zurück.

»Mach dir keine Sorgen, Nando! Ich bin nicht dumm. Ich denke, ich weiß, was für ein Mensch der Mann ist, den du Herr nennst.«

Nando wusste, was Kritik war. Sie war nur noch nie so sanft ausgesprochen worden.

»Lass uns gehen!«, befahl er brüsk. »Der König wartet.«

Nando führte Sumelis den gleichen Weg zurück, den er gekommen war. Sobald sie den Kern des Lagers erreichten und in den Schein mehrerer Kochfeuer traten, zeigte ihm ein Seitenblick, wie erschöpft und mitgenommen sie tatsächlich war. Schatten umgaben ihre Augen. Unter der zarten Bräune, die die Sonne auf ihre Haut gebrannt hatte, war ihr Gesicht bleich, die Züge angespannt. Ab und zu massierte sie mit Daumen und Zeigefinger die Stelle am inneren Ende ihrer Brauen mit kleinen kreisförmigen Bewegungen. Bei den Unterkünften der Priesterinnen blieb Sumelis stehen und bat eine der weißgewandeten Frauen um Johanniskraut. Die Priesterin musterte sie abschätzend von oben bis unten. Sie schien zu überlegen, ob sie nicht einfach so tun sollte, als hätte sie Sumelis’ auf Helvetisch vorgetragene Bitte nicht verstanden, dann zuckte sie mit den Achseln. »Ich weiß nicht, ob wir Johanniskraut dahaben, aber ich werde unserer Hohepriesterin von deinem Anliegen berichten.«

Sumelis’ Brauen zogen sich noch ein wenig mehr zusammen, aber es waren vor allem ihre plötzlich schärfer unter der Haut gezeichneten Wangenknochen, die ihren Ärger verrieten.

»Ich wäre Euch sehr verbunden, Weise Frau«, sagte sie laut und deutlich in der Sprache, die Atharic sie gelehrt hatte und die dem Kimbrischen ähnlich genug war, damit die Frau, wenn schon nicht jedes Wort, so doch den Sinn verstand. »Es wäre mir unangenehm, den König mit solchen Kleinigkeiten behelligen zu müssen.«

Sumelis achtete nicht auf das abrupte Rucken von Nandos Kopf, sein Stirnrunzeln und wie er einen Moment später das, was er zu hören gemeint hatte, mit einem Achselzucken verwarf. Ihre Aufmerksamkeit war auf die Priesterin gerichtet, die ihr nach wie vor den Rücken zugewandt hatte. Sumelis wartete noch ein paar Atemzüge länger auf eine Reaktion, doch vergebens. Kurz darauf setzten sie und Nando ihren Weg fort.

Auf dem Weg zu Boiorix’ Halle fiel Sumelis auf, dass Nando sich diesmal ihrem Schritt angepasst hatte. Obwohl ihre Beine gleich lang waren, hatte sie sonst fast immer rennen müssen, um mit ihm Schritt zu halten und gleichzeitig den unzähligen kleinen Hindernissen des Lagers – Herdstellen, Zelten, Wägen, Kindern, Hunden, Handkarren, Kot und Abfallgruben – auszuweichen. Diesmal jedoch war etwas Zögerliches in seinem Gang. Sobald ihnen ein Trupp Berittener entgegenkam und sie sich, um nicht unter die Hufe zu geraten, eng an einen grob gezimmerten Schweinepferch pressen mussten, nutzte Sumelis daher die Gelegenheit, Nando kurz zu berühren.

Sie war einer spontanen Eingebung gefolgt, deshalb wusste sie nicht, was sie erwartet hatte. Die Schatten, die Nandos Seele mit Düsternis sprenkelten, kreisten wie Sturmwolken über dem erstarrten Ozean darunter, dessen Oberfläche gleichwohl glatt und kalt war wie zuvor. Enttäuscht zog Sumelis ihre Hand zurück. Vielleicht hatte der Krüppel ja doch recht, und sie war die größte Närrin, über die die Götter je gelacht hatten.

Eine Kleinigkeit war anders als die ersten beiden Male, da man sie in Boiorix’ Schlafkammer geführt hatte, um dessen Alpträume zu bannen. Diesmal betraten sie das Gebäude nicht durch den Haupteingang zur Halle hin, sondern durch eine lediglich von schwerem Leder verschlossene schmale Öffnung am hintersten Ende, wo die Bediensteten und Sklaven schliefen. Sumelis war froh darüber, denn sie hasste es, sich von Boiorix’ Günstlingen angaffen zu lassen, die offene Frage in den Gesichtern, wieso sie nicht wie alle anderen Huren in der großen Halle des Haupthauses schlief und was Boiorix überhaupt an ihr fand, schließlich war sie bei weitem nicht die schönste Frau im Zug. Rascil, der Krüppel und Boiorix waren einhellig der Meinung gewesen, dass einzig die Priesterinnen von Sumelis’ wahrer Aufgabe wissen durften. Niemand sonst sollte ahnen, wie verheerend die Alpträume waren, die ihren König heimsuchten und seine Kraft schwächten.

»Diese Halle ist ein widerwärtiger Ort!«, flüsterte Sumelis Nando zu, das Gesicht angeekelt verzogen. Das Stroh von Bettlagern verfing sich in ihren Sandalen, pikte in die Haut ihrer Füße. Wie immer roch es nach menschlichen Ausdünstungen, Wein und mannigfaltigen Speisen. Ein Sklave trug in Metsauce eingelegten Schweinebauch vorbei, in der anderen Hand balancierte er eine Platte mit Rinderlebern, von der roter Saft unbeachtet auf den Boden tropfte. Am Hallenende sang eine klare Männerstimme ein Lied über Schlachtenglück und reiche Beute, ging jedoch im lauten Gerede und Grölen der anderen fast unter. Krachend fiel eine Liege um.

Zu Nandos Überraschung erwartete Rascil sie vor der Tür zu Boiorix’ Kammer. »Ihr habt lange gebraucht!«, schnappte die Priesterin anstelle einer Begrüßung. »Ich habe die beiden Mädchen schon vor einer Ewigkeit zu ihm geschickt.«

»Welche Mädchen?«

Rascil antwortete nicht. Sie gab der Wache einen Wink, die Besucher passieren zu lassen, doch bevor sie eintreten konnten, legte die Priesterin eine Hand auf Sumelis’ Schulter.

»Sieh hin, kleine Zauberin!«, flüsterte sie ihr ins Ohr. »Schau dir an, wie Boiorix’ Seele in voller Kraft und Blüte strahlt, wenn er Gewalt über alles hat, was ihn umgibt!«

Verwirrt schüttelte Sumelis den Kopf. Sie wollte fragen, was das bedeuten sollte, da schlugen auch schon die Geräusche und Düfte der Kammer über sie herein: Boiorix’ triumphierendes Stöhnen, die kleinen Laute der beiden Frauen, die sich um seinen gewaltigen Körper wanden, der Geruch nach Schweiß und Beischlaf. Sumelis’ erschrockener Blick zuckte fort, zu Boden, aber Rascils Ellbogenstoß jagte ihren Kopf wieder in die Höhe. Taumelnd prallte sie gegen Nando, der hastig zurückwich und mit den Schatten der Kammer verschmolz.

»Das, was du jetzt in Boiorix’ Seele siehst, wirst du ihm später zurückgeben!« Rascils Zischen war zu leise, um zu den drei verschlungenen Körpern auf der Lagerstatt zu dringen. »Diese Gefühle, diese Gewissheit, das Feuer seines wahren Selbst! Nimm dieses Bild seiner Seele und merke es dir gut! Daran wirst du ihn später erinnern! Das wird ihn stark machen, ihm das nötige Rüstzeug verleihen, um seinen Gegnern in der Anderen Welt entgegenzutreten. Du sagtest, du wüsstest nicht, wie seine Seele früher aussah, vor dem Fluch? Also schau sie dir jetzt an, Mädchen!«

Sumelis gelang es nicht, Rascils Worten zu folgen. Keine drei Schritte vor ihr drehte Boiorix eines der beiden Mädchen auf den Bauch. Er riss ihr Gesäß zu sich empor, dann drang er mit einem zufriedenen Grunzen von hinten in sie ein. Sumelis hatte Pferde dabei beobachtet, sie hatte auch gewusst, was ihre Eltern unter ihren Decken taten, wenn sie eigentlich schlafen sollten, aber noch niemals hatte sie aus solcher Nähe beobachtet, wie ein Mann eine Frau nahm.

»Sieh dir seine Seele an!«

Und dann verstand Sumelis, worum es Rascil und Boiorix hier ging: Dies erfüllte nicht den Zweck – sie zögerte –, Liebe zu machen. Es war ein Kampf, selbst wenn es Huren sein mochten, die sich freiwillig hingaben. Genauso gut hätten sie ihr Boiorix im Gefecht vorführen können, im Siegesrausch, trunken vor Triumph, ein Fest der eigenen Stärke und Gewalt über sich selbst und alle anderen.

Nando musste das Halblicht in der Kammer nicht mit den Augen durchdringen, um zu erahnen, wie Sumelis die Röte ins Gesicht schoss. Rascils Krallen legten sich in ihren Nacken, um sicherzustellen, dass sie dem Schauspiel auch tatsächlich folgte. Nando konnte nicht wissen, was Sumelis wahrnahm, ob der Plan des Königs aufging, dennoch zweifelte er keinen Augenblick daran. Er kannte seinen König. Boiorix war ein Stier: Einmal entfesselt, gab es keine Furcht, keine Zweifel, lediglich einen unbändigen Willen, der alle Hindernisse beiseitefegte – und alle Netze, die ihn zu binden trachteten, zerriss.

Nando beobachtete, wie Boiorix nach dem zweiten Mädchen griff, es an sich zog, wie er es bestieg. Er sah Boiorix’ von Lust verhangenen Blick dem von Sumelis begegnen, und Nando wünschte sich nur noch, Sumelis wäre weit fort und er hätte sie niemals zu seinem König gebracht. Dann war es vorbei, die beiden Mädchen glitten von der Lagerstatt, um unter glucksenden Verbeugungen nach draußen zu eilen. Boiorix stützte sich auf die Ellbogen, die abschlaffende Erektion ein nasses Stück Fleisch auf seinen Schenkeln.

»Ich werde jetzt schlafen«, verkündete er. Ein träges Strecken spannte seine Muskeln, die Lider senkten sich halb über die glänzenden Augen mit ihren geweiteten Pupillen. »Und sowie ich schlafe, werde ich träumen, Sumelis. O ja, ich kann spüren, wie der Fluch auf mich lauert. Aber wenn er diesmal kommt, um mich zu quälen, will ich, dass du mir das zurückgibst, was er mir nimmt und was du gerade erlebt hast: meine Stärke, meinen Glauben an mich, meine Manneskraft. Meine Herrlichkeit. Dann werden wir sehen, ob ich dieses verfluchte Netz nicht zu zerreißen vermag!«

Es wäre ein Moment gewesen, in dem Nando den Mut seines Königs hätte bewundern können, die furchtlose Entschlossenheit, sich dem Fluch zu stellen und ihn zu bekämpfen. Jetzt hoffte er nur, dass Sumelis ein Grund einfiel, um diese Kammer zu verlassen, eine Ausrede, weshalb Boiorix’ Plan zum Scheitern verurteilt war und es keinen Sinn ergab, diesen Wahnwitz fortzusetzen.

Sumelis allerdings widersprach nicht. Sie senkte lediglich den Kopf, kurz darauf nickte sie zögernd.

»Es sei, wie Ihr es wünscht.« Die Worte waren kaum zu verstehen. Sumelis räusperte sich und versuchte es erneut: »Ich werde tun, was ich kann, um Euch die Rüstung für Euren Kampf zu geben, König der Kimbern.«

»Du hast gesehen, welche Kraft in mir liegt? Wie meine Seele in Wahrheit beschaffen ist? Wie sie zu brennen vermag?«

»Ja, Herr. Ich habe Eure Seele brennen sehen.«

Rascil trat vor, einen dampfenden Becher in der Hand. »Trinkt das, mein König! Dieser Trank wird es Euch leichter machen einzuschlafen.« Einen Moment lang schien es, als wolle sie noch etwas zu Sumelis sagen, aber eine Handbewegung, die Nando nicht ganz erkennen konnte, war die einzige Drohung, die sie benötigte. Sumelis’ Finger ballten sich zu Fäusten. Doch sie knickte nicht ein, und auf einmal spürte Nando etwas, was er noch nie für eine Frau empfunden hatte: Stolz.

Sumelis würde es schaffen. Sie und Boiorix. Beide – zusammen.

Was auch immer in dem Becher gewesen war, den Rascil Boiorix zu trinken gegeben hatte, schien zu wirken. Der König glitt rasch in tiefen Schlaf, trotz der Geräusche, die durch die dünnen Wände in die Kammer drangen, der drei Menschen, die jede Bewegung aus scharfen Augen verfolgten, und ungeachtet des Kampfes, den zu suchen er trachtete in einer Welt, deren Regeln er nicht bestimmen konnte. Bald schon erfüllte sein tiefes Atmen den Raum.

Sumelis löste sich aus ihrer Erstarrung, trat an die Lagerstatt und kniete sich vor sie. Während ihre Stirn auf das Bärenfell sank, griff ihre Rechte nach Boiorix’ Handgelenk, die Fingerspitzen locker auf der von blauen Adern durchzogenen Unterseite. Es war eine Pose voller Demut und stiller Akzeptanz, die Rascil ein untypisches Kichern entlockte, Nando dagegen nur noch mehr Schweiß auf die Handflächen trieb. All seine Instinkte schrien ihm zu, dass Gefahr drohte und dass Sumelis es wusste. Dass sie damit rechnete zu fallen, bewusstlos zu werden und …

Und was?

Nein, Nando hatte keine Ahnung, was passieren konnte. Er war völlig hilflos. Wie sehr wünschte er sich sein Schwert und einen Gegner, den er wahrnehmen konnte. Den er selbst bekämpfen konnte! Er sollte es sein, der sein Leben für seinen König aufs Spiel setzte – nicht Sumelis! Das Schlimmste dabei war, dass er nicht einmal wissen würde, was überhaupt geschah.

»Ich warte draußen. Ich bin in Hörweite, falls etwas passiert.«

Rascil zuckte nur mit den Achseln.

Draußen vor der Kammer begann Nando, wie ein gefangener Wolf auf und ab zu rennen. Ein paar Schritte in die eine Richtung, so nahe an der Wand, dass seine Schultern an ihr entlangschabten, zurück, umdrehen, wieder ein paar Schritte. Er achtete weder auf die Feiernden noch auf die Sklaven, die an ihm vorbeieilten, stirnrunzelnd sein seltsames Verhalten zur Kenntnis nahmen. Er schickte die Wache vor Boiorix’ Kammer weg, dann einen Diener nach einem Becher Wein, den er unangerührt stehenließ. Von Zeit zu Zeit drang leises Stöhnen aus der Kammer, ein Zeichen, dass die Alpträume Boiorix wieder gefangen hielten, doch es klang nicht anders als sonst. Nando stellte sich vor, wie Sumelis der Seele seines Königs zuflüsterte, stark zu sein, wie sie ein Bild für ihn erschuf von der Kraft eines Mannes, eines Kriegers – das war nicht Sumelis’ Welt, protestierte eine Stimme in seinem Inneren, was wusste sie denn schon davon? – und als Schatten mit ihm in den Kampf gegen fluchgeborene Dämonen zog.

Nando fuhr sich heftig durch die Haare, als könne das die Bilder vertreiben, ehe er sein ruheloses Auf- und Abwandern wieder aufnahm. Das Stöhnen war verstummt. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Vor der Halle begann ein Hund zu heulen.

Dann hörte er Sumelis’ Schrei.

»Was ist geschehen?« Nando stand neben Boiorix im selben Moment, wie Rascil Sumelis beiseitestieß. Die Verbindung zwischen Sumelis’ Fingern und Boiorix’ Handgelenk löste sich, zurück blieben ein paar bleiche Abdrücke auf der gebräunten Haut. Rascil schüttelte den König, drängend seinen Namen rufend. Sumelis war in die Zimmerecke geschleudert worden, wo sie sich zusammengekrümmt an den Wänden festhielt. Ihre Glieder zitterten so stark, dass die Nägel über den hellen Verputz schabten.

»Er verliert«, hauchte sie. »Der Fluch ist zu stark, er kann ihn nicht besiegen. Ich habe versucht, ihn … Ich habe seine Seele gestärkt!«

»Du hast versucht, ihn zu töten!« Unter Rascils Händen zuckte Boiorix’ Oberkörper in die Höhe, als hätte ihm jemand einen Tritt in den Rücken versetzt. Seine Lider zitterten, die Augäpfel darunter schimmerten blutunterlaufen.

»Nein! Es war sein Wille! Er wollte kämpfen, aber –«

»Aber du wusstest, dass er verlieren würde? Du hast ihn in seinen Tod geführt! Verdammte keltische Hexe! Es war eine von deinem Schlag, die den Fluch beschworen hat, und jetzt meinst du, ihr Werk vollenden zu können. Aber ich habe gemerkt, was du tust! Ich habe gesehen, wie du ihn immer weiter gedrängt hast. Wie er aufwachen wollte und du es nicht zuließest!«

Nando drängte sich zwischen Rascil und seinen König. Boiorix’ Körper war erneut in sich zusammengesackt. Er bewegte sich nicht. Als Nando eine Hand auf die glatte, vom Schweiß glitschige Haut legte, spürte er keinen Herzschlag.

»Du Miststück! Dafür wirst du büßen!«

Nandos Faust fuhr hoch, den Schlag, den Rascil Sumelis versetzen wollte, zur Seite wischend, bevor sie noch in derselben Bewegung nach unten schoss, um kurz und hart auf Boiorix’ linken Brustkorb zu hämmern. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Taumelnd kam Sumelis auf die Füße. »Noch einmal!«, krächzte sie. »Er ist noch bei uns!«

Nando schlug abermals zu. Gleichzeitig legte Rascil eine Hand auf Boiorix’ Stirn und stieß einen Schwall magischer Beschwörungen hervor. Draußen verstummte der Hund.

Kurz darauf schnappte der König nach Luft.