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Als Jessica den Reiter entdeckte, lächelte sie selbstzufrieden in sich hinein. Ihr Plan war also aufgegangen! Warum hätte er auch nicht aufgehen sollen? Um das Kind zu retten, war dem Cowboy ja nichts weiter übrig geblieben!
Die Kleine gab sich zwar noch immer verstockt, was ihre Herkunft anging, aber Jessica war sich sicher, dass dieses Kind zum Gouverneur gehörte. Das Mädchen hatte Jenkins' dunkle Augen und die Nase, alles andere musste wohl dem Erbteil der Mutter entspringen. Und wenn die Kleine wirklich nicht seine Tochter war, würde man sie eben dazu machen. Vielleicht konnte ihr der Mann, der so heldenhaft sein Leben für das Mädchen aufs Spiel setzte, dabei helfen.
Jessica beobachtete, wie er sich langsam an das Haus heranschlich, es umrundete und dann zum Hintereingang ging. Wie gut sie diesen Kerl doch eingeschätzt hatte. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, bis ihre Leute ihn ihr vorführten.
Die Frau wandte sich vom Fenster ab und schaute zu ihrem Mann, der in seinem Sessel saß und schlief. Bald schon würde er der neue Gouverneur von Kansas sein, daran hatte sie keine Zweifel. Jedenfalls auf dem Papier würde es so sein. Bisher hatte Jonathan alles so gemacht, wie sie wollte, und das würde auch weiterhin der Fall sein. In Wirklichkeit würde sie der Gouverneur sein, ein Traum, den sie schon lange gehegt hatte, dessen Erfüllung ihr durch ihr Geschlecht verwehrt war. Aber wozu gab es denn Männer wie Jonathan, der seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ablas?
Schnell hatte Jessica gemerkt, dass sie durch ihre Schönheit eine weitaus größere Macht besaß, als jeder Mann – sie konnte sich mächtige Männer gefügig machen. Es war ein Kinderspiel gewesen, Jonathan um den Finger zu wickeln, ihn davon zu überzeugen, dass der Anschlag auf den Zug das einzige Mittel war, um ihm diese Macht zu sichern. Bestimmt würde er auch all ihre anderen Vorschläge bejahen.
Im nächsten Augenblick klopfte es, und Jessica wusste, dass es ihre Leute waren, die ihr den Cowboy brachten.
»Herein!«, rief sie, und im nächsten Augenblick betraten die beiden den Raum. Den Niedergeschlagenen trugen sie mit sich wie ein störrisches Bullenkalb und legten ihn schließlich auf dem Boden ab.
»Schau mal einer an, der sieht ja gar nicht so gefährlich aus«, stellte Jessica Talbott fest, als sie den Mann vor sich liegen sah. »Ich habe schon gedacht, dass er ein Riese sei, so schwer, wie er es Nat gemacht hat.«
»Der Kerl scheint ganz einfach Glück gehabt zu haben«, bemerkte ihr Mann, der inzwischen aufgewacht war. »Was willst du nun mit ihm machen?«
»Erst einmal wird er in den Stall gebracht und gefesselt«, entgegnete Jessica und schaute zu den beiden Revolverschwingern. »Wenn er wach ist, stellen wir ihn vor die Wahl: Entweder er arbeitet für uns oder wir schicken ihn zur Hölle, ganz einfach.« Damit bedeutete sie den Männern, dass sie gehen konnten.
Tex und Avery packten den Cowboy bei den Armen und schleiften ihn aus dem Raum. Draußen kam es ihnen fast schon in den Sinn, sich einen Spaß daraus zu machen, ihn die Treppe hinunterzuwerfen, aber da sie wussten, dass sie Ärger mit Jessica Talbott bekommen würden, falls sich der Kerl dabei das Genick brach, ließen sie es bleiben und luden ihn sich brav auf die Schultern, bevor sie ihn die Treppe hinunterbrachten.