ACHTUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Es gibt Zeiten, da verläuft ein Leben nur in Episoden. Man kann darüber reden, aber keinen interessiert es, denn Alltäglichkeiten erlebt man selbst genug, der heutige Tag ist so mies wie der gestrige und der morgige sein wird, ein Dasein aus der Perspektive einer Schnecke.

Auch Pjetkins Leben normalisierte sich so schnell und gründlich, daß er sich vorkam wie ein Wassertropfen, den ein riesiger Schwamm lautlos aufsaugte.

Er reiste nach Köln, stellte sich bei Prof. Weberfeld vor, bezog sein Apartment im Ärztehaus und durfte vor Antritt seines Dienstes nach Lemgo fahren.

Dort stand er am Grabe seiner Eltern und blickte auf die Namen, die auf den kleinen Steintafeln standen. Sie waren ihm fremd, aber als er in diesem Augenblick an das Doppelgrab in Kischinew dachte und an die Namen Irena Iwanowna und Anton Wassiljewitsch, begann sein Herz zu zucken und zu schmerzen.

Aus Höflichkeit legte er einen Kranz mit Frühlingsblumen an den Grabstein der Eheleute Kramer und ging dann. Er betete nicht, denn ihm war nicht danach zumute, hier mit Gott zu reden. Er wußte, daß das furchtbar war, und er wollte sich zwingen, zu Elisabeth Kramer Mutter und Peter Kramer Vater zu sagen … es kam ihm nicht von der Zunge.

Als er den Friedhof verließ, schwankte er etwas. Er trug eine Leere mit sich, die ihn erschreckte.

Dort liegen meine Eltern, dachte er. Ich bin ihr Sohn. Hans Kramer. Ich bin Deutscher, weil sie, an die ich keine Erinnerung mehr habe, mich gezeugt und geboren haben. Darum bin ich Deutscher. Muß ich Deutscher sein. Darf ich nicht bloß ein Mensch sein.

Ist dieses Leben nicht idiotisch?

Am Ausgang machte er wieder kehrt und ging zum Grab zurück.

»Verzeiht mir, Elisabeth und Peter Kramer –«, sagte er – »ich kann nicht mich und euch auch belügen. Ich bin euer Sohn … aber meine Heimat ist Rußland. Ich bin mehr ein Pjetkin, als ein Kramer. Geboren sein ist nicht wichtig … das Leben ist alles.«

Noch einmal wurde der Fall Dr. Kramer hochgespielt in Presse und Fernsehen, als Pjetkin in Köln seine Stelle antrat. Prof. Weberfeld war dieser Rummel unangenehm. »Wir wollen keinen Star züchten«, sagte er zu seiner Frau. »Im übrigen muß der junge Mann erst einmal zeigen, was er kann. Sowjetische Ausbildung … meine Liebe, ich bin da sehr kritisch.«

Es entwickelte sich alles so, wie Starobin, Oberst Baranurian, Haberlandt in Ost-Berlin und Major Plochow vom KGB vorausgesagt hatten: Pjetkin geriet in die Kritik einer selbstsicheren, sich selbst aufgeblasenen, bornierten, hochnäsigen Welt. Die Gesundheitsbehörden tolerierten sein sowjetisches Arztdiplom nur, weil es der BND so empfahl. Das umgeschriebene Examen aus Ost-Berlin beachtete man überhaupt nicht, und wenn, dann belächelte man es. Prof. Weberfeld drückte es so aus, beim abendlichen Essen in seiner Villa in Lindenthal: »Ein exotisches Diplom … als wenn man einem Zuckerrohrpflücker bescheinigt, er könne die Machete schwingen. Staatsexamen und Promotion in Kischinew … mein Gott, das klingt wie 1001 Nacht. Gib mal den Atlas von Holger her, Mathilde. Wollen doch mal sehen, wo dieses Kischinew überhaupt liegt.«

So wurde Pjetkin auch in den ersten Wochen behandelt. Man beobachtete ihn und erst, als Pjetkin bewies, daß er eine Injektion setzen konnte, ohne den Patienten zu ermorden, daß er einen Verband anlegen konnte, ohne daß der Verletzte erstickte, daß er sogar ein Skalpell zur Spaltung eines Furunkels halten konnte und den Kranken nicht gleich köpfte, teilte man ihn als Hilfe dem Stationsarzt Dr. Brommer zu, der ihn mit: »Guten Tag, Kollege Dawai-Dawai« begrüßte und selbst fünf Minuten über diesen dämlichen Witz lachte.

Pjetkin ertrug alles. Dr. Brommer beschäftigte ihn mit Handreichungen, die er ›die Grundlage der Medizin‹ nannte. So wurde Pjetkin ein besserer Heilgehilfe. Er badete die Kranken, kämmte ihnen die Haare, rasierte sie, schnitt ihnen die Finger- und Fußnägel. Ein Pißpottschwenker. Ein Pfannenträger.

Nur in einem erwarb sich Pjetkin die Liebe aller Kollegen: Er übernahm klaglos jeden Nachtdienst.

Das ging zwei Monate so, bis Prof. Weberfeld nachts zu einer durchbrochenen Galle gerufen wurde. Pjetkin hatte die Notaufnahme vorgenommen, den Durchbruch diagnostiziert und den Chef angerufen. Für die Operation ließ er den kleinen OP herrichten.

Weberfeld erschien nach zwanzig Minuten, mit großer Geste, den aus dem Schlaf Geschreckten spielend. »Sind Sie sicher, daß es ein Durchbruch ist, Kramer?« fragte er. »Erkennen Sie das?«

»Ich möchte Ihrer Diagnose nicht vorgreifen, aber ich glaube, daß die Galle geplatzt ist.«

»Wo liegt die Patientin?«

»Auf dem OP-Tisch. Bereits narkotisiert.«

»Sind Sie verrückt?« Prof. Weberfeld holte tief und saugend Atem. »Schon in Narkose? Und wer hat sie gegeben?«

»Dr. Bertram.«

»Was? Als Anästhesist macht er diesen Blödsinn mit? Wo sind Oberarzt Dr. Falcke und Dr. Hanselmaier?«

»Ich nehme an, im Bett.«

»Kramer … so etwas mag in Rußland möglich sein, in Kischinew oder Bumsibeff … aber nicht bei mir! Der Patient liegt auf dem Tisch und ich stehe allein da! Wer soll assistieren?« Weberfeld begann zu brüllen. »Unerhört ist das! Wenn das publik wird …«

»Wir müssen anfangen, Herr Professor –«, sagte Pjetkin ruhig. »Der Gallensaft fließt unaufhörlich aus …«

»Allein?!« Weberfeld rollte mit den Augen. »Sie … Sie … Idiot!«

»Wenn Sie gestatten, mache ich die Galle allein.«

»Sie? Allein? Mit Kischinew-Examen?! Sie sollten sich psychiatrisch untersuchen lassen.«

»Ich habe vor kurzem noch einen Trendelenburg gemacht …«

»Was haben Sie?« Professor Weberfeld blinzelte ungläubig gegen das Deckenlicht. »Einen Trendelenburg? Sie? Und –?«

»Der Patient lebt und ist Abteilungsleiter im sowjetischen Innenministerium.«

»Kommen Sie!«

Sie liefen zum kleinen OP und blickten durch die Scheibe, die Waschraum vom Operationssaal trennt. Die Frau lag abgedeckt und narkotisiert auf dem Tisch. Hinter ihrem Kopf saß der Anästhesist und kontrollierte Atmung und Puls. Die OP-Schwester hatte gerade die Zusammenstellung der Instrumente beendet.

Es wurde eine Operation, bei der Pjetkin operierte und die Galle entfernte und Prof. Weberfeld ihm assistierte. Eine schnelle Operation, eine Artistik der Finger. Als ein Pfleger die Patientin aus dem OP rollte, zog Prof. Weberfeld seine Handschuhe aus und warf sie auf den Steinboden. Er war beeindruckt und versuchte, das nicht zu zeigen. Ein Ordinarius für Chirurgie ist nie beeindruckt.

»Wo haben Sie diese Schnitt-Technik gelernt?« fragte er.

Pjetkin wusch sich die Hände. »In Bumsibeff –«, sagte er.

»Danke.« Prof. Weberfeld wurde rot. »Ich verstehe –«

Zu Hause holte er sich noch in dieser Nacht den Schulatlas seines Sohnes Holger ins Arbeitszimmer, nahm einen Rotstift und malte einen Kreis um die Stadt Kischinew.

»Was soll das, Manne?« fragte seine Frau, die ihm über den Schultern zusah.

»Ein Orden für Kischinew. Man sollte unsere jungen Ärzte dort zwei klinische Semester studieren lassen …«

*

Pjetkin wurde Stationsarzt, half Prof. Weberfeld bei den großen Operationen und zog sich damit automatisch die Mißgunst aller Oberärzte und Assistenten zu. Vor allem Dr. Brommer fühlte sich auf die Füße getreten.

»Das habe ich gern«, sagte er laut im Ärztekasino. »Kommt da einer aus Sibirien, wo man sich die Scheiße als Eiszapfen vom Schließmuskel brechen muß, und drängelt sich bei dem Alten untern Kittel. Meine Herren, sollen wir uns von einem Russen düpieren lassen?«

Man gab Dr. Brommer recht – aber man wurde sich über eine Aktion gegen Pjetkin nicht einig. Alles, was man gegen ihn unternehmen würde, fiel letztlich auf die Kranken zurück.

»Schneiden wir ihn einfach«, schlug Dr. Brommer vor. »Er ist Luft für uns. Sehen wir durch ihn hindurch. Er soll merken, wie wir über die Russen denken.«

So wurde Pjetkin isoliert. Er merkte es gar nicht. Er lebte bereits in einer eigenen Isolation, aus der er nur herauskroch, um den Kranken zu helfen. Drei Monate hatten ihm genügt, seine neue Welt zu erkennen.

Den goldenen Westen. Das gelobte Land. Es kotzte ihn an. Zu Beginn des vierten Monats – es war der Juli – traf Markos erster Brief ein. Aus Helsinki. Die Brücke war hergestellt. Marko schrieb:

»Mein Igorenka, mein geliebtes Söhnchen, Gott segne Dich! Ich hatte Dich aus den Augen verloren, aber nun weiß ich, wo Du lebst. In Köln. Aus den Zeitungen weiß ich das, und das kommt so: Ich betreue Leichen, mußt Du wissen. Ich putze sie heraus, schmücke sie, präsentiere die lieben Toten den Hinterbliebenen, und sie sind ergriffen und begeistert, wie schön Väterchen oder Onkelchen aussieht und diskutieren, wie das Lächeln auf die Lippen von Tante Marfa kommt. Sie heißen hier in Finnland natürlich nicht Marfa, sondern anders, aber es sind Namen, die eine vernünftige Zunge nicht aussprechen kann. Vor einem Monat begruben wir einen Zeitungshändler, und als die Witwe ihn im Blumenschmuck liegen sah, erkannte sie ihn kaum wieder. Dann beruhigte sie sich, betrachtete sich ihren Mann und sagte zu mir: ›So gut rasiert habe ich ihn zeit seines Lebens nicht gesehen. Wie kann ich Ihnen danken?‹ Und ich habe geantwortet: ›Mütterchen, wenn Sie mich täglich die deutschen Zeitungen durchblättern lassen, die Sie in Ihrem Kiosk feilbieten, dann ist alles damit beglichen.‹ Das war ein echter Lohn. Und so erfuhr ich nun aus einer Zeitung, daß Du in Köln bist. Was sagst Du jetzt?

Mit Dunja stehe ich in dauernder Verbindung. Ich schreibe ihr unter dem Namen Heiko Nappanainen, so heißt der 1. Sargträger unserer Firma. Dunjuscha ist II. Oberärztin im Klinikum Leningrad. Es geht ihr gut, und wenn es möglich ist, will sie über mich an Dich schreiben.

Mein Söhnchen, paß auf Dich auf. Verliere nicht die Geduld. Ich drücke Dich an mein Herz. Du bist nicht mehr allein in der Fremde … Dunja und ich sind wieder bei Dir … aber, eine Frage, Söhnchen: Wie soll es jetzt weitergehen?«

Pjetkin fragte sich das selbst. Er las den Brief ungezählte Male, saß vor dem Foto Dunjas und bekam ein Heimweh, das ihn fast erwürgte. Per Telefon gab er ein Telegramm an Marko nach Helsinki durch: »Ich danke Dir. Sag Dunja, daß ich einen Weg finde. Ich küsse sie.«

Dunja ist zu erreichen, dachte Pjetkin und lief in seinem Zimmer von Wand zu Wand. Jetzt muß ich handeln, jetzt muß etwas geschehen. Leningrad ist greifbar. Wo ist der lange Arm, der bis dorthin reicht?

Er wurde ihm angeboten, aber in einer Form, die Pjetkin nicht mehr annehmen konnte. Er bekam Besuch eines unscheinbaren Mannes, der sich Leonid Arkadjewitsch Wolkin nannte und sich als Mitglied der sowjetischen Handelsmission in Köln vorstellte. Er blickte sich im Zimmer Pjetkins suchend um und drückte ein Taschentuch vor seinen Mund. So wurde seine Stimme undeutlich und nur für nahe Ohren verständlich. »Kann man hier sprechen?« fragte er.

»Natürlich. Hier kleben keine Mikrophone hinter der Tapete.«

»Trotzdem. Gehen wir in eine Wirtschaft.«

Wolkin fuhr Pjetkin in die Stadt, und dort, in einer altkölschen Bierstube am Rhein, setzten sie sich in eine Ecke, bestellten zwei Kölsch und betrachteten sich gegenseitig mit großem Interesse.

»Plochow schickt Sie, nicht wahr?« fragte Pjetkin.

»Nein. Plochow hat andere Aufgaben. Wir korrespondieren direkt mit Moskau, und Moskau ist unzufrieden mit Ihnen, Igor Antonowitsch.«

»Warum? Man hat mir gesagt: Laß dir Zeit, Genosse.«

»Nicht so viel Zeit! Sie sind nicht aktiv genug. Sie enttäuschen. Welche Möglichkeiten haben Sie ausgelassen, Möglichkeiten, die traumhaft waren. Ihr Kontakt zu dem alten Idioten von Bargent – was haben Sie daraus gemacht?«

»Nichts.«

»Und warum nicht? Hat man Ihnen kein Angebot unterbreitet?«

»Zwei –«, sagte Pjetkin mit Behagen.

»Und?«

»Ich habe abgelehnt.«

»Sie Idiot!« Wolkin umklammerte sein schmales Bierglas. »Waren Sie betrunken? Er sitzt auf der Quelle und scheißt sie zu – kann man das begreifen?«

»Sie werden vieles nicht mehr begreifen, Leonid Arkadjewitsch. Ich war nie so nüchtern wie damals und bin noch nüchterner geworden.«

»Was heißt das?« fragte Wolkin verwirrt.

»Ich bin Arzt und weder ein geborener noch ein erzogener Spion. Man muß Geduld haben in Moskau – man kann mich nicht einfach umfunktionieren, wie man eine Schraube an einer Maschine verstellt –«

»Denken Sie an Dunja!«

»Tag und Nacht.«

»Das genügt nicht. Tun Sie etwas für sie …«

»Bestimmt, Genosse Wolkin.« Pjetkin stand auf. Man sollte den festen schönen Stuhl auf seinem Schädel zertrümmern und den Schädel mit, dachte er. »Melden Sie dem KGB, daß es von mir hören wird …«

»Wann?«

»Ich weiß es nicht. Starobin hat mir zwei Jahre Zeit gegeben.«

»Starobin ist tot.«

»Was?« Pjetkin umklammerte die Stuhllehne. »Das ist nicht möglich.«

»Vor drei Tagen. Er starb an einer Fischgräte, die ihm im Halse steckenblieb. Er aß so gern Stör. Bis der Arzt kam, war er schon erstickt. Ein unschöner Tod, aber wissen wir, wie wir einmal zugrunde gehen?« Wolkin räusperte sich. »Was Starobin sagte, ist also überholt. Der neue Mann heißt Wasnolow und hat mit Ihnen kein Waisenhaus geteilt … Bedenken Sie das, Igor Antonowitsch.«

»Ich werde es mir merken, Leonid Arkadjewitsch. Ich sehe ein – ich muß mich beeilen …«

Zufrieden fuhr Wolkin in der Nacht Pjetkin zurück zum Ärztehaus der ›Lindenburg‹. Sie hatten beide getrunken, umarmten sich beim Abschied und küßten sich.

Starobin tot … an einer lächerlichen Gräte erstickt … Der arme, kleine, häßliche, von Komplexen zerfressene Njelep. Stirbt an einer Gräte, von einem Stör, den er so gerne aß … Igor lehnte sich an die Treppenwand und schloß die Augen. Die Welt wird immer einsamer, aber Moskau wartet nicht länger. Igor Antonowitsch Pjetkin, du mußt etwas tun. – Er tat etwas. Er bewarb sich in West-Berlin um eine Stelle im Robert-Koch-Krankenhaus, die im Ärzteblatt ausgeschrieben war, eine Assistentenstelle in der Abteilung Unfall-Chirurgie. Poliklinik eingeschlossen.

Er wurde angenommen und überbrachte Prof. Weberfeld seine Kündigung. Da er immer noch im Probevertrag war, mußte man ihn gehen lassen.

»Ungern –«, sagte Weberfeld. »Ich wollte Sie bei mir aufbauen, Dr. Kramer. Nicht überhastet … kontinuierlich, verstehen Sie? Vielleicht ein Denkfehler, aber wer immer nur mit deutschen Assistenten zu tun hat, wickelt sich in Mißtrauen ein. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Meine Ahnung sagt mir, daß wir noch manches von Ihnen hören werden. Ich werde Sie Prof. Limbach in Berlin wärmstens empfehlen.«

Und plötzlich war Pjetkin verschwunden. Wolkin, der ihn noch dreimal suchte, erhielt immer die gleiche Auskunft: Unbekannt verzogen. Er hat eine neue Stelle, der Dr. Kramer. Wo? Darüber könne man keine Auskunft geben. Wolkin versuchte alles. Beim Einwohnermeldeamt, mit einem Zahlungsbefehl, denn die Gerichte wissen schon, wohin sie ihre Schreiben schicken müssen, er ließ keinen Trick aus … Die Mauer, gegen die er prallte, war unzerstörbar. Nicht ein Steinchen fiel heraus.

»Jetzt ist er vom Fenster«, sagte in Pullach Oberst von Bargent zufrieden. »Das KGB knirscht mit den Zähnen, daß ich es bis hierher höre. Wir müssen nur aufpassen, daß er keine neue Dummheit macht. Es gibt zwei Sorten von Verrückten, die ungemein gefährlich sind: Verliebte und Weltverbesserer. Pjetkin ist beides. Wir müssen ihn wie eine Känguruhmutter im Sack halten, bis er selbständig laufen kann …«

Wahrhaftig: Das KGB verlor Pjetkin aus den Augen. Vorläufig wenigstens.

»Ich habe so etwas geahnt«, sagte in Moskau Jakow Starobin. Er war durchaus nicht an einer Fischgräte erstickt, sondern erfreute sich bester Gesundheit und hatte vier Pfund zugenommen. Außerdem erwartete seine Frau ein neues Kind, das Starobin, wenn es ein Junge wurde, Igor nennen wollte. Er überlegte blitzschnell, wie er jetzt Pjetkin und Dunja vor der Vernichtung retten konnte, und er fand einen simplen, logischen Satz, der Pjetkin aus allen Racheplänen hinauskatapultierte: »Da haben wir's – als er die Mädchen im Westen gesehen hat, war Dunja vergessen. Es ist erstaunlich, wie schnell das Dekadente einen Menschen aufsaugt, sogar einen Pjetkin …«