Das Leben kann auch richtig gemütlich sein
Einschlafen neben einem Mann. Die Decke teilen. Nur die halbe Fläche der Matratze nutzen können. Und aufwachen neben ihm. Eine merkwürdige Sache, die ich schon lange nicht mehr erlebt hatte.
Kleist hatte sich noch einmal umgedreht und die Decke über den Kopf gezogen. Leises Schnarchen. Mit gemischten Gefühlen stieg ich in die Wanne. Wollte ich diese Situation jeden Tag haben? Ob er sich solche Fragen auch stellte, wenn er mit einer Frau zusammen war?
Nicht dran rühren, supercool bleiben, Grappa.
Eine Etage höher hörte ich die Dusche. Auch Kleist hatte den Weg aus dem Bett gefunden. Ich trocknete mich ab und rieb mich mit einer Körpermilch ein. Sie duftete leicht nach Vanille. Mit Schlabberhose und T-Shirt bekleidet, ging ich in die Küche. Er saß schon dort und hatte den Tisch gedeckt. Der Kaffee duftete.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte er.
»Ich hatte wirre Träume«, gestand ich. »Irgendein großes Tier lag neben mir und verhinderte meine Entfaltung.«
»Was du nicht sagst«, amüsierte er sich. »Lass uns noch schnell eine Tasse zusammen trinken. Ich muss gleich los.«
»Am Sonntag?«, wunderte ich mich. »Ist etwas geschehen?«
»Vielleicht. Bist du auf Recherche oder hast du heute frei?«, fragte er.
»Ich bin immer im Dienst, wenn es nötig ist. Genau wie du.«
»Es wird Zeit für mich.« Kleist erhob sich. »Vielen Dank für die schönen Stunden, Maria. Sie haben mir gezeigt, dass es noch anderes gibt, als Straftaten aufzuklären.«
»Nämlich?«
»Einer Frau die Bettdecke wegzuziehen.«
Zehn Minuten später war ich allein und stürzte mich in die Hausarbeit. Sie lenkte mich vom Nachdenken über mein Singledasein ab. Zwischen Waschmaschineeinfüllen und Trocknerausräumen klingelte das Telefon.
Es war mein Chef. »Hast du die BILD am Sonntag gelesen?«, fragte er.
Hatte ich nicht.
»Erzähl schon!«, forderte ich.
»Milva Grandi. Sie ist voll auf der Seite von Madig«, berichtete er. »Behauptet, dass Nagel hinter allem steckt.«
»Das sind doch die Schutzbehauptungen von Madig. Ich frage mich nur, woher sie davon weiß.«
In meinem Hirn blitzte es kurz auf und in dem Licht sah ich die Szene nach dem Beisammensein in der Stechuhr. Milva Grandi war in Kleists Dienstwagen eingestiegen und davongefahren. Und wenn nicht Kleist selbst am Steuer gesessen hatte, dann gab es eine andere undichte Stelle im Polizeipräsidium.
Ein Quentchen Misstrauen blieb. Ich verfrachtete es in eine meiner hintersten Gehirnwindungen.
»Der Artikel steht online«, sagte Jansen. »Könnte irgendwas dran sein?«
»Die Polizei glaubt nicht daran, dass Nagel irgendwie verwickelt ist in die Dinge«, antwortete ich. »Das weiß ich aus sicherer Quelle.«
»Ach, diese Quelle meinst du!«
Ich überhörte die Anspielung. »Hat die Grandi Nagel mit den Vorwürfen konfrontiert?«
»Nein. Es gibt keine Stellungnahme von ihm in dem Artikel.«
Ich überlegte. »Wir haben noch immer nicht über unsere These mit dem Mord ohne Motiv berichtet. Und den Hinweis auf den Fall Marta Russo haben wir auch noch nicht verbraten. Brinkhoff beobachtet diesen Studenten, der im Parteibüro jobbt. Vielleicht kommt dabei etwas raus.«
»Wir reden morgen drüber«, kündigte Jansen an. »Ich bin froh, dass in unserer Montagsausgabe kein Wort über Mord und Totschlag zu lesen sein wird. Nur von Schimmel im Museum, Giftmüll im künftigen Phönix-See und Kurzarbeit bei Opel. Du siehst, Grappa-Baby, das Leben kann auch richtig gemütlich sein.«
Auch schwierig kann schön sein
Privatermittler Brinkhoff hatte mir noch am Sonntagabend eine SMS auf mein Handy geschickt. Er wollte sich mit mir gegen zehn Uhr im Bistro der Bäckerei Schmitz treffen. Folglich verzichtete ich aufs Frühstück und begab mich dorthin.
»Tach auch, Frau Schmitz«, leitete ich das Ritual ein. »Wie isses?«
»Die Frau Grappa«, freute sich die Bäckerin. »Muss ja. Und selbst?«
»Viel zu tun«, entgegnete ich.
»Ja, die Morde. Jetzt soll es ja der Nagel gewesen sein, der alles eingestielt hat.«
»Sie lesen die falsche Zeitung, Frau Schmitz«, griente ich.
»In Ihrer steht ja heute nix drinne. Frühstück mit alles?«
»Ja, mit allem. Aber erst mal nur einen Kaffee. Herr Brinkhoff kommt gleich auch.«
»Der?« Ihr Blick sagte: Das ist doch der Falsche. Sie konnte es nicht lassen. »Dann setzen Se sich ma rein.«
Ich verzog mich ins Bistro. Die BILD am Sonntag lag zerfleddert auf einem Tisch. Ich griff danach. Mobby Madig: Ich wurde reingelegt!
Frau Schmitz kam mit dem Kaffee. Die Milch bildete eine schöne Schaumhaube und die Bäckerin hatte sie mit Kakao bestäubt.
»Der Nagel ist clever«, meinte sie mit einem Blick auf den Artikel. »Aber eigentlich hat ja der Madig ’ne richtige Verbrechervisage. Und der hat dieser Frau B. den Hals zugedrückt. Da beißt die Maus kein’ Faden ab.«
In der Bäckerei schepperte die Schelle. Frau Schmitz eilte zurück. Wenig später nahm Brinkhoff an meinem Tisch Platz.
»Hallo, Chefin«, grinste er.
»Nun machen Sie mal halblang«, gab ich zurück.
»Ich will ja nur, dass Sie mein Frühstück bezahlen. Als armer Pensionär muss ich auf meinen Geldbeutel achten.«
»Okay, geht klar. Und nun erzählen Sie. Was treibt der Herr von und zu denn so?«
Anneliese Schmitz rückte mit dem Frühstück an. Heute hatte sie sich selbst übertroffen. Frische Waffeln mit heißen Kirschen, Melone und Schinken, Rührei mit Speck.
»Der Hammer!«, entfuhr es Brinkhoff bei dem Anblick der Köstlichkeiten. »Dann mal los!«
Die nächsten zehn Minuten widmeten wir uns dem fürstlichen Frühstück. Ab und zu sah Frau Schmitz nach uns – immer mit gespitzten Ohren.
»Sie bekommen den ersten Preis im Wettbewerb um das beste Frühstück nördlich des Äquators«, rief Brinkhoff ihr zu.
»Eigentlich finde ich diesen Elberberg ganz niedlich«, begann ich. »Vielleicht ist alles ja ein Missverständnis und er will nur spielen.«
»Will er nicht«, widersprach Brinkhoff. »Ich habe am Freitag meine Observation aufgenommen und alles detailliert aufgeführt und dokumentiert.«
Er legte mir eine Kladde hin. In ihr handschriftliche Notizen über die Beobachtungen mit Datum, Zeit und Fotos.
»Das ist ja eine echte Fleißarbeit«, lobte ich. »Bevor ich mir das jetzt alles durchlese … was waren die Besonderheiten?«
»Ein guter Polizist fährt immer zwei- oder dreigleisig. Die Observation ist die eine Sache, der Hintergrund die andere. Also hab ich den Studenten über das Zentralregister abgeklärt. Und siehe da!«
Brinkhoff schob sich eine Scheibe Schinken in den Mund.
Er lässt sich Zeit, dachte ich, aber er ist ja auch Rentner. Ich vermied den Blick auf die Uhr. Zur Konferenz würde ich es nicht mehr schaffen. Schnell tippte ich eine SMS und schickte sie Jansen.
»Aldwin von Elberberg ist schon einige Male aufgefallen«, fuhr der Exkommissar fort. »Aber seine Sippe hat ihn immer wieder rausgehauen. Der Vater lebt im Osten und betätigt sich politisch konservativ. In der Verwandtschaft tummeln sich Rudel von Rechtsanwälten, Notaren und Managern. Also – eigentlich eine ganz feine Familie.«
»Der Bubi aber nicht?«, half ich nach.
»Hier und da ein bisschen Körperverletzung, mal eine Anzeige wegen versuchter Erpressung und sexueller Nötigung einer Kommilitonin – um nur einige Fälle zu nennen.«
»Wieso kann der Jura studieren?«, wunderte ich mich. »Muss man da nicht eine blütenreine Weste haben?«
»Weil es nie zu einer Verurteilung gekommen ist«, erklärte Brinkhoff. »Die Anzeigen wurden immer zurückgezogen. Oder die Zeugen verhedderten sich in Widersprüchen. Offiziell hat Elberberg also eine blütenreine Weste. Den kleinen Grauschleier sieht man nur bei günstiger Beleuchtung.«
»Und wieso hängt Sohnemann jetzt im Bierstädter Parteibüro der SPD ab?«
Frau Schmitz brachte frischen Kaffee. Sie schielte neugierig in die Kladde, doch diese lag kopfüber.
»Schmeckt es noch?«, fragte die Bäckerin.
»Abba imma«, strahlte ich und legte die Papierserviette auf das aufgeschlagene Buch.
Anneliese Schmitz blinzelte empört und verzog sich mit einem trotzigen Lächeln. Brinkhoff hatte verstanden und war sichtlich vergnügt.
»Also – warum ist Bubi bitte in Bierstadt?«, nahm ich den Faden wieder auf.
»Er musste aus Brandenburg weg. Wegen dieser kleinen Nettigkeiten, die er sich erlaubt hatte.«
»Brandenburg? Da hat doch der Madig seine Hütte!«
»Genau. Die Datscha gehörte einem Stasioffizier. Madig hat sie für ’n Appel und ’n Ei bekommen. Und raten Sie mal, wer das Ganze vermittelt und notariell beglaubigt hat!«
»Elberbergs Sippe?«
»Bingo! Der Vater hat dem Stasimann mit ein bisschen Schweigen den Preis versaut und Onkel Elberberg hat alles beurkundet. Dafür bringt Madig das Bübchen mit dem bekloppten Benehmen bei uns in Bierstadt unter.«
»Nicht zu fassen!«, rief ich. »Und mir hat Elberberg erzählt, dass er Madig kaum kennt und an einer Examensarbeit über die Parteien arbeitet.«
»Wo steht geschrieben, dass Lügen verboten ist?«, fragte Brinkhoff.
»In den Zehn Geboten.«
»Ja. Da steht auch drin: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Dings und Bums. Halten sich ja auch alle dran.«
»Ich muss dringend rauskriegen, welches Thema seine Examensarbeit wirklich hat. Falls er überhaupt eine schreibt«, murmelte ich.
»Schon erledigt!« Brinkhoff gabelte die Reste vom Rührei auf. »Aldwin von Elberberg schreibt keine juristische Examensarbeit, denn sein Examen ist noch in weiter Ferne. Er geht ab und zu mal zur Uni, doch nur, um Studenten für seine Burschenschaft zu werben.«
»Das Corps Potentia«, nickte ich. »Virtus fidesque bonorum corona.«
»Jetzt muss ich passen«, meinte Brinkhoff. »Was heißt das auf Bierstädtisch?«
»Tugend und Treue, die Krone der Guten«, antwortete ich. »Halten wir also fest: Adels-Aldwin ist ein dubioses Bürschchen, das vielleicht Mails vom Lesesaal der Uni an mich schickt, in denen es sich als Doppelmörder bezeichnet. Aber bewiesen ist das noch lange nicht. Haben Sie irgendwelche Hinweise auf den Fall Marta Russo oder das Thema ›Mord ohne Motiv‹ gefunden?«
Brinkhoff verneinte.
Frau Schmitz kehrte zurück, um den Tisch abzuräumen. Sie stand hinter mir und zog die Serviette von Brinkhoffs Ermittlungsbuch. Mit scharfem Blick spähte sie auf die oben liegende Seite. Darauf klebte ein Foto von Elberberg – es zeigte ihn in Badehose im Freibad.
»Isser das?«, fragte sie.
»Wer?«, gab ich zurück.
»Der Mörder.«
»Was für ein Mörder?« Ich tat harmlos.
»Abba Frau Grappa!« Jetzt war sie richtig sauer. »Sie wissen doch, dass ich schweigen kann. Außerdem kenne ich den da.« Sie deutete auf das Foto.
»Wie bitte?«, fragten Brinkhoff und ich unisono.
»Ja, der war ma hier. Vor einer Woche oder so. Hat nach Ihnen gefragt, Frau Grappa.«
»Und was wollte er wissen?«
»Dass Sie bei der Zeitung sind, war ihm bekannt«, teilte Frau Schmitz mit. »Ich dachte, der ist ein Fan von Ihnen. Gibbet ja ab und zu, dass Jungspunde auf ältere Frauen stehen.«
»Frau Schmitz! Welche Fragen hat er gestellt?«
»Die gingen so in die private Richtung. Nach Ehemann oder Freund und so. Wann Sie aus dem Haus gehen und wiederkommen.« Sie lachte. »Er hat gedacht, Sie wohnen noch um die Ecke.«
»Haben Sie ihm etwa erzählt, dass ich umgezogen bin?«
»Abba nee!« Sie schüttelte sich. »Der Kerl wurde ein bisschen klebrig mit seinen Fragen. Außerdem bin ich ja durch den Kontakt mit Ihnen kriminalistisch geschult.«
In der Redaktion erwartete mich die nächste Überraschung. Auf meinem Schreibtisch lag die Nachricht, dass mich Jansen dringend zu sprechen wünsche.
Ich ging sofort zu ihm.
»Sie haben Madig auf freien Fuß gesetzt.«
»Was?«
»Hier!« Er reichte mir eine Pressemitteilung. Das Blatt trug das Logo der Staatsanwaltschaft.
»Die Ermittlungen gegen ihn wegen der Tötung der Brühl werden fallen gelassen.«
»Er hat die Tat aber doch gestanden!«, rief ich aus.
»Ja, hat er. Aber nur aufgrund der menschenunwürdigen Verhörmethoden von Herrn Hauptkommissar Dr. Friedemann Kleist. Polizeiwillkür! Nötigung! Vielleicht sogar Folter! Das behauptet Madig jedenfalls. Dein Freund kann richtig Ärger kriegen. Die SPD hat zu einer Pressekonferenz eingeladen. In einer Stunde. Gehst du hin oder soll ich?«
»Natürlich gehe ich da hin«, meinte ich trotzig.
»Dann schreib vorher ein paar Zeilen über Madigs Freilassung. Aber knapp und sachlich. Keine Häme.«
»Häme? Ich? Ich bin Journalistin!«
Ich zog es vor, den schrägen Blick nicht zu bemerken, den Jansen mir zuwarf.
In meinem Zimmer studierte ich die Pressemitteilung, fuhr den Rechner hoch und schrieb:
SPD-MADIG WIEDER FREI
Mobby Madig (56) hat sein Geständnis überraschend widerrufen. Er hatte angegeben, Jessica B., die ehemalige Sachbearbeiterin im Oberbürgermeisteramt, im Streit erwürgt zu haben, weil sie ihn mit Fotos erpresst habe. Warum er eine Tat gestand, die er nun nicht mehr begangen haben will, ist mysteriös. Madig ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft besteht kein dringender Tatverdacht mehr (siehe weiteren Bericht in dieser Zeitung).
Auch im Lokalradio wurde die Meldung prompt gesendet – angereichert mit den Vorwürfen, die aus dem Einladungstext der SPD zur Pressekonferenz stammten. Eine Stellungnahme des Chefermittlers Kleist fehlte.
Ich wählte seine private Handynummer und hatte Glück.
»Was ist denn da passiert?«, fragte ich.
»Nichts Besonderes.« Er schien total entspannt. »Madig hat sich einen neuen Anwalt zugelegt, der ein paar falsche Zeugen eingekauft hat.«
»Wenn die Zeugen gekauft sind, warum wird er dann aus der Haft entlassen?«
»Der Richter, der den Haftprüfungstermin leitete, ist Vorsitzender eines SPD-Ortsvereins«, antwortete Kleist. »Aber, glaub mir, der Spuk ist schnell vorbei.«
»Was sind das für Zeugen?«, fragte ich.
»Das darf ich dir nicht sagen. Bitte versteh das.«
Ich schluckte. »Und die Vorwürfe gegen dich? Die wollen dich abschießen!«
»Ja, scheint so.«
»Machst du dir Sorgen?«, fragte ich sanft.
»Nicht wirklich. Alle meine Vernehmungen sind dokumentiert. Und der Polizeipräsident steht hinter mir.«
»Das ist gut.« Ich atmete auf. »Ich muss zur Pressekonferenz der SPD. Madig wird in die Vollen gehen. Brauchst du ein wenig Trost? Heute Abend vielleicht?«
»Ich weiß nicht, was heute noch auf mich zukommt. Können wir telefonieren?«
Medientheater: Der Saal in der SPD-Parteizentrale war gerammelt voll. Pöppelbaum begleitete mich, um den historischen Moment im Bild festzuhalten. Mobby Madig, das Unschuldslamm, bis aufs Blut gequält von Dr. Friedemann Kleist, dem grausamen Bullen.
Nur nahm ihm das keiner ab. Den Gesprächsfetzen, die ich auffing, entnahm ich, dass die meisten Kollegen Mobby Madig für eine absolute Lachnummer hielten.
Jetzt steuerte auch noch die BILD-Tussi auf mich zu. »Huhu, Grappa, hallo, Wayne.«
Milva Grandis Lachen war noch genauso schrecklich, wie ich es in Erinnerung hatte, und ihre Klamotten spiegelten ihren Schreibstil wider: grell und glitzernd, im Ganzen unecht.
»Sag mal, Grappa«, plapperte sie, »der Madig ist ja wohl völlig durch den Wind. Gesteht mal eben einen Mord und dann will er’s nicht mehr gewesen sein. Und jammert nun rum wegen Polizeiwillkür. Was sind das bloß alle für Weicheier?«
Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln und nickte. »Ach, Milva. Wie recht du hast. Genau: Weicheier! Tutto completto! Und jetzt entschuldigst du mich? Ich muss noch mal für kleine Mädchen, bevor die Lügenschau hier losgeht.«
Pöppelbaum grinste.
Auf dem Damenklo kühlte ich meine Stirn mit kaltem Wasser. Eine Hitzewelle hatte von mir Besitz ergriffen. Wechseljahre oder Psyche? Egal, das Ergebnis war dasselbe: Durch meine Adern rann eine heiße Flüssigkeit. Ich betrachtete mich im Spiegel. Nichts war zu sehen – lediglich ein paar rote Flecken auf dem Dekolleté.
Ich begab mich zurück in den Saal. Inzwischen hatten die Kollegen Platz genommen. Die Kameraleute hatten ihre Stative aufgebaut und die Tontechniker die Mikrofone auf den Tischen befestigt.
Milva Grandi saß zwischen ihrem eigenen Fotokünstler und Wayne, der mir den Stuhl neben sich frei gehalten hatte.
»Dann kann’s ja losgehen«, sagte ich.
Prompt öffnete sich die Tür. Mobby Madig, Fraktionschef Erwin Debill und ein paar nachgeordnete Genossen und Genossinnen. Und noch einer tauchte in der Runde auf: Rudi Gies, Hobbyfilmer im Pornosektor und neuerdings Medienberater des SPD-Politikers. Blitzlichter und Kamerasurren.
»Der Kerl da ist sein Anwalt«, raunte mir Wayne zu und deutete auf ein kleines, mageres Männlein in grauem Zwirn. »Dem ist kein Mandat zu schmutzig.«
Milva Grandi nickte. »Den kenne ich auch – sehr beliebt bei Kinderschändern und Vergewaltigern. Und er vertritt Gies in der Fotofälschersache gegen meinen Verlag.«
»Habt ihr ihn schon drangekriegt?«, fragte ich.
»Werden wir«, antwortete sie. »Betrug und Schadensersatz.«
»Geh mal mit der Kamera richtig nah an den Burschen ran, Wayne. Lügner erkennt man am Blick.«
»Guten Tag, meine Damen und Herren!« Mobby Madig hatte das Wort ergriffen. »Vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Die letzten Tage waren die bisher schlimmsten in meinem Leben. Unschuldig eingesperrt, einer unfassbaren Polizeiwillkür ausgesetzt und dem Schoß meiner Familie entrissen.« Er tupfte sich mit einem Taschentuch die nicht vorhandenen Tränen vom Gesicht.
»Und damit nicht genug!« Kunstpause. »Einige Mitglieder Ihrer Zunft haben fast täglich versucht, meinen Namen und guten Ruf in übelster Weise durch den Dreck zu ziehen. Sie haben mich ausspioniert, mich mit Häme und Spott überzogen.«
»Hört, hört!«, schallte es aus der Journalistenschar.
»Meint der etwa euch beide?«, raunte Wayne grinsend.
»Mich bestimmt nicht«, flüsterte ich. »Mein Herz ist rein.«
»Halten wir uns an die Fakten«, machte Madig weiter. »Ich übergebe das Wort an meinen Anwalt Dr. Rüttelstein-Siegert.«
Der Angesprochene hielt ein Schreiben hoch. »In meiner Hand halte ich eine eidesstattliche Versicherung. Sie enthält ein Geständnis. Und sie wurde von dem Mann unterschrieben, der Jessica Brühl getötet hat.«
Stille im Saal.
»Und wer soll das sein?«, fragte Milva Grandi laut.
»Es ist der Mann, der schon einmal im Fokus der Ermittlungsbehörden war. Doch man ließ ihn unbehelligt.«
»Wer ist es denn nun?«, legte ich nach.
»Der Dealer von Jessica Brühl. Er hat sie im Streit um Geld erwürgt. Punkt.«
»Weiß die Polizei, dass Sie den Fall gelöst haben, Herr Anwalt?«, wollte ich wissen.
»Wir haben einen Kurier ins Polizeipräsidium geschickt. Er dürfte die eidesstattliche Versicherung in dieser Minute überreichen.«
»Und warum haben Sie die Tat zunächst gestanden, Herr Madig?«, rief ich. »Das passt doch alles nicht zusammen, was Sie hier zum Besten geben!«
Madig wollte etwas sagen, doch sein Rechtsverdreher hielt ihn zurück.
»Kommen wir also zum nächsten Thema dieser Pressekonferenz. Im Bierstädter Polizeipräsidium hat es kürzlich einen Personalwechsel gegeben. Dr. Friedemann Kleist ist nun Leitender Hauptkommissar der Mordkommission. Mein Mandant ist mehrfach von diesem Herrn vernommen worden. Herr Kleist ist dabei nicht fachgerecht vorgegangen – um es einmal freundlich auszudrücken. Mein Mandant ist durch stundenlange Vernehmungen, Nikotinentzug, Drohungen, Schlafentzug und die widerwärtigsten Unterstellungen psychisch schwer unter Druck gesetzt worden. Dr. Kleist kannte kein Erbarmen. Mein Mandant hat schließlich eine Tat gestanden, die er nicht begangen hat – nur um endlich Ruhe vor Herrn Kleist zu haben.«
»Das ist ja zum Quieken«, flüsterte ich Wayne zu. Auch einige andere Kollegen machten amüsierte bis erstaunte Gesichter.
»Und ich fand den Madig mal ganz okay«, seufzte Milva Grandi vor sich hin.
»Wir machen alle mal Fehler«, tröstete ich sie. »Jetzt bekommst du die Chance, in deinem Blatt alles wieder geradezubiegen.«
»Darauf kannst du wetten.« Ihr Lachen kratzte.
»Kommen wir also zu einer interessanten Frage«, erhob Rüttelstein-Siegert erneut die Stimme. »Oder – zu zwei interessanten Fragen. Die erste: Wer steckt hinter dieser Intrige gegen meinen Mandanten? Wer hat ihn in diese Situation gebracht? Wem kam es gelegen, dass der ehrenwerte Herr Madig an freizügigen Feierlichkeiten im Büro des Oberbürgermeisters teilnahm?«
»Feierlichkeiten?« Milva Grandi lief sich warm. »Was wurde denn da gefeiert?«
»Fünfzig Jahre Godesberger Programm?«, setzte ich nach.
Allgemeines Amüsement.
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn ich meine Ausführungen fortsetzen könnte.« Rüttelstein-Siegert warf Grandi und mir einen eiskalten Blick zu.
»Natürlich hat Herr Madig niemals Drogen genommen. Er hat allerdings den eindeutigen Angeboten einiger Teilnehmerinnen der Feierlichkeiten nicht widerstanden. Aber dies ist reine Privatsache und nicht justiziabel.«
»Warum lehnt Herr Madig eine Haaranalyse ab, wenn er drogenfrei ist?«, fragte ein Kollege.
»Vielleicht werden wir unsere Meinung zu diesem Sachverhalt noch ändern«, sagte der Anwalt.
»Wer steckt denn nun hinter all dem?«, wollte der Reporter des Lokalradios wissen. »Oder war’s mal wieder der große Unbekannte?«
»Jakob Nagel. Der ehemalige Oberbürgermeister von Bierstadt. Er hat diese Intrige gegen meinen Mandanten langfristig geplant.«
Jetzt hagelte es Zwischenrufe: »Schnee von gestern!«, »Schutzbehauptung!«, »Dümmer geht es kaum!« …
»Ich bitte um Ruhe!« Rüttelstein-Siegert verlor ein wenig die Contenance.
»Der Fotofälscher sitzt doch bei Ihnen am Tisch!« Milva Grandi war aufgesprungen und zeigte mit dem Finger auf Rudi Gies. »Dieser Gauner da hat mir ein gefälschtes Foto verkauft. Und deshalb ist Nagel zurückgetreten. Wer ist denn da der König im Intrigantenstadl?«
Rudi Gies krallte sich an der Tischkante fest. Seine Säufernase leuchtete. Gleich dreht er durch, dachte ich, aber wenn, dann bitte das volle Programm!
Tatsächlich öffnete Gies den Mund. Madig schaut ihn einmal kurz an und prompt schlossen sich die Lippen wieder.
Madigs Anwalt hatte sich inzwischen gefangen. »Und jetzt kommen wir zu einer sehr spannenden Frage«, lächelte er. »Und zu einer Forderung, die wir an den Polizeipräsidenten der Stadt und den Innenminister des Landes stellen.«
Rüttelstein-Siegerts Lächeln gefiel mir nicht.
»Wir verlangen die sofortige Abberufung des leitenden Ermittlungsbeamten Dr. Friedemann Kleist. Unsere Vorwürfe: Polizeiwillkür und unerlaubte Kontakte zur Presse.«
Rums.
Das galt mir.
Im Saal herrschte plötzlich gespannte Ruhe.
»Damit Sie auch wissen, was ich meine«, sagte Rüttelstein-Siegert, »werde ich Ihnen einige Fotos zeigen. Bitte!«
Das letzte Wort richtete sich an eine Genossin, die einen Laptop einschaltete, der mit einem Projektionsgerät verbunden war. Und schon erschien das erste Foto auf der Wand: Es zeigte Friedemann Kleist mit einer Brötchentüte vor der Bäckerei Schmitz.
Mir wurde schlecht.
»Kleist holt Brötchen – wie spannend!«, tönte es aus der Journalistenrunde.
»Warten Sie ab, wie es weitergeht!«
Das zweite Foto zeigte Kleist vor meinem Haus.
»Das nächste, bitte!«
Das dritte Foto zeigte mich, wie ich ihm die Tür öffnete. Das vierte Foto zeigte uns in einer geschwisterlichen Umarmung.
»Das bist ja du!«, staunte Milva Grandi.
»Und jetzt die andere Serie«, forderte Rüttelstein-Siegert.
Ein neues Foto wurde an die Wand geworfen. Milva Grandi am Steuer eines Wagens, daneben Kleist. Danach: Milva und Kleist, Kopf an Kopf. Kuss auf die Wange. Kleist steigt aus.
»Das bist ja du!«, staunte ich. Nur deine Gefühle nicht zeigen, Grappa, dachte ich und lächelte tapfer.
Zwischenrufe: »Der Mann macht es richtig!«, »Schmierentheater!«, »Was beweist das schon?«.
Der Anwalt gab ein Zeichen zur Beendigung der Fotoschau. »Was das beweist?«, schnarrte er. »Das beweist, dass Herr Dr. Friedemann Kleist seine – sagen wir mal – außerordentlich engen Kontakte zu zwei Damen der Presse dazu missbraucht hat, meinen Mandanten unter Druck zu setzen. Wir haben dies in ausführlicher Weise dokumentiert und dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister zukommen lassen.«
Ich konnte nichts dagegen machen, mir war speiübel. Mein positives Gefühl Kleist gegenüber wollte Vertrauen schenken, aber die Eifersucht lechzte danach, ihn zu verteufeln. Hatte ich nicht Grund dazu? Er hatte gelogen, als er sagte, Milva Grandi nicht näher zu kennen. Dabei hatte er in ihrem Auto gesessen und die beiden hatten sich geküsst.
»Grappa! Was ist los?« Pöppelbaum versetzte mir einen Stoß auf den Arm. »Es können Fragen gestellt werden. Willst du nicht was sagen?«
»Darauf kannst du Gift nehmen!«
In mir stieg eine ungeheure Wut auf. Sie fegte alle kleinmütigen Gedanken aus meinem Kopf. Und sie wollte raus!
»Was sich hier gerade abgespielt hat, ist die größte Freak-Schau, die ich jemals besucht habe!« Ich haute auf den Tisch, dass die Wassergläser klirrten. »Ein drogensüchtiger und sexbesessener Politiker, der von einem Bilderfälscher und Pornofilmer medial beraten wird, versucht, den Ruf eines Kriminalbeamten, der seine Arbeit ernst nimmt, zu demontieren! Glauben Sie wirklich, Herr Madig, dass wir auf diese dumme Komödie reinfallen?«
»Hast du denn nun was mit dem Kleist, Grappa?«, fragte der Kollege vom Radio, fett grinsend.
»Das geht dich einen Dreck an!«
Raunen und Gelächter.
Nun stieg Milva Grandi in die Bütt. »Ich habe mit Herrn Kleist genauso wenig etwas wie meine Kollegin hier.«
Ich legte die Hand vor die Stirn und verbarg meinen Blick.
Sie zeigte auf Rudi Gies: »Der Herr Gies ist ein bekannter Bilderfälscher. Rudi, du hast doch schon die Fotos gefälscht, die zum Rücktritt des Oberbürgermeisters geführt haben. Komisch, dass ich das Kleid nicht kenne, das ich auf dem Foto anhabe. So ein Teil gibt es in meinem Kleiderschrank nicht.«
Nun war ich dran.
»Genau! Herr Gies, bei mir haben Sie auch danebengefälscht. Wenn ich einen attraktiven Mann umarme, sieht das erheblich unzüchtiger aus als das, was Sie da für die Projektion abgeliefert haben.«
Wieder Lachen.
Madig warf seinem Anwalt einen unsicheren Blick zu. Der gab den Blick an Rudi Gies weiter. Der wiederum betrachtete die Maserung des Tisches mit großem Interesse.
»Der Vorwurf der unmenschlichen Verhörmethoden bleibt aber bestehen!« Rüttelstein-Siegert wollte sich noch nicht geschlagen geben. »So etwas ist in einem demokratischen Staat nicht erlaubt. Und dagegen werden wir uns zu wehren wissen.«
Niemand hörte mehr zu. Die ersten Kollegen packten ihre Arbeitsutensilien ein.
»Das war knapp«, urteilte Pöppelbaum. »Kurz dachte ich, dass du schlappmachst, Grappa.«
»Ich doch nicht!«, log ich.
»Bist ja doch ein alter Haudegen«, lachte er. »Milva, du warst auch Klasse. Das eben war ganz großes Tennis!«
»Danke, Wayne«, sagte ich. »Gehst du schon mal vor? Ich muss mit Milva noch was besprechen.«
»Sicher. Aber haut euch nicht wegen dem Kleist!« Er trollte sich – verschmitzt lächelnd.
Auch Milva und ich verließen den Saal. Auf dem Weg nach draußen begegnete uns Aldwin von Elberberg. Er grüßte artig. Mit dir bin ich auch noch nicht fertig, dachte ich.
»Waren wir gut?«, fragte Milva draußen.
»Das waren wir!«, bestätigte ich. »Ich hab da aber noch eine Frage an dich.«
»Und die wäre?« Ihre Augen blitzten.
»Wie gut kennst du Kleist?«
»Ich kenne ihn schon einige Jahre.«
»Also ist das Foto nicht gefälscht?«, fragte ich.
»Nein. Die Fotos, die euch beide zeigen, ja auch nicht.«
Wir grinsten uns an.
»Ich sag dir, was du eigentlich wissen willst. Ich kenne Kleist aus der Therapie. Alkoholentzug. Ist schon einige Jahre her. Wir waren in derselben Gruppe. Und haben es beide geschafft. Das ist alles. Wir haben und hatten keinerlei Affäre.«
»Aber ich habe dich schon Bier trinken sehen«, entgegnete ich erstaunt.
»Ja, in der Stechuhr. Alkoholfreies. Der Wirt weiß Bescheid und schenkt für mich immer Entkerntes aus, egal, wer was für mich bestellt. Saufen ist in unserem Job doch fast schon Pflicht. Also spiele ich mit, so gut ich kann.«
»Und du und Kleist – ihr habt euch hier zufällig wiedergetroffen?«, wollte ich noch wissen.
»Ja. Rein zufällig. Und jetzt frage ich mal was: Seid ihr zwei ein Paar?«
Ich schüttelte den Kopf. »Dazu ist es zu früh, aber vielleicht auch zu spät. Jedenfalls ist es schwierig.«
»Aber schwierig kann ja auch schön sein, oder?«
SPD-JAMMERLAPPEN: MOBBY MADIG DREHT DURCH
titelte ich.
Die Pressekonferenz der SPD zur Entlassung ihres Vorsitzenden aus der U-Haft war ein Stück aus dem Tollhaus. Madig beschuldigte den ehemaligen Oberbürgermeister der Intrige und die Bierstädter Polizei ungesetzlicher Verhörmethoden. Er selbst gab sich unschuldig. Warum er den Mord an Jessica B. gestanden hat, weiß er nicht mehr so genau. Jetzt soll plötzlich der Drogendealer von Jessica B. der Täter sein.
An den Partys im Rathaus habe Mobby Madig nur teilgenommen, weil Ex-OB Nagel gewisse Damen auf ihn angesetzt habe, denen der 56-jährige SPD-Politiker nicht habe widerstehen können. Doch er behauptet, niemals Drogen genommen zu haben – eine Haaranalyse beweist allerdings das Gegenteil.
Mobby Madig als Opfer? Diese Rolle glaubt ihm niemand. Jahrelang bestimmte Madig darüber, wer in Bierstadt einen lukrativen Job in einem städtischen Betrieb oder einem der vielen Tochterunternehmen bekam. Er hielt den Daumen nach oben oder nach unten, wenn es um Karrieren in der Wirtschaft ging. Er schanzte Unternehmen Aufträge zu, die sie ohne seine Protektion nicht bekommen hätten.
Die SPD wäre gut beraten, sich von ihrem Vorsitzenden zu trennen. Mobby Madig ist ein verwirrtes Auslaufmodell. Und Auslaufmodelle gehören auf den Müll – vielleicht sogar auf den Sondermüll.
»So habe ich mir Journalismus immer vorgestellt«, meinte Jansen, nachdem er den Artikel gelesen hatte. »Unabhängig, souverän und ohne Wertung.«
Die Ironie war nicht zu überhören.
»Diese Pressekonferenz war die totale Lachnummer«, entgegnete ich. »Ich kann nicht sachlich darüber schreiben.«
»Dann ändern wir deine Autorenzeile in: Ein Kommentar von Maria Grappa. Und den Sondermüll lassen wir weg, okay?«
»Wenn es sein muss«, lenkte ich ein. »Obwohl solche Giftspritzen nun wirklich nicht in die graue Tonne gehören.«
Die Pizza hatte einen dünnen Teig und war mit Ananas und Schafskäse belegt. Ich zerteilte sie in gleichschenklige Dreiecke und drapierte sie auf einem Teller.
»Hat dich wieder jemand fotografiert, als du an meiner Tür geklingelt hast?«, fragte ich und schenkte mir ein Glas Chianti ein.
Kleist schmunzelte. »Und wenn schon. Madig wird mit seinen Anschuldigungen nicht weit kommen. Alle meine Vernehmungen sind auf Band festgehalten. Und was die schlimme Folter Nikotinentzug betrifft: Im gesamten Polizeipräsidium herrscht absolutes Rauchverbot. Gebrüll eines Papiertigers.«
»Und die unerlaubten Kontakte zur Presse?«
»Es gibt so ein Gesetz für Beamte nicht. Nur die Absprache, alle Informationen über die Pressestelle laufen zu lassen«, meinte er. »Und wer will mir vorschreiben, welche Kontakte ich in meinem Privatleben pflege?«
»Warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass du Milva von der Therapie kennst?«
»Sie hatte mich darum gebeten. Als Alkoholkranker wird man allzu schnell stigmatisiert. Auch, wenn man wieder gesund ist.«
»Sie ist eigentlich ganz okay. Du hättest uns mal sehen sollen, wie wir die Veranstaltung gesprengt haben«, schwärmte ich. »Eiskalt und mit Pokerface.«
»Ich habe euch gesehen«, entgegnete er.
»Gesehen? Wie das?«
»Ich habe einen jungen Kollegen mit einer Digikamera hingeschickt. Der hat alles aufgezeichnet.«
»Du bist ziemlich gerissen«, stellte ich fest. »Wie geht es jetzt weiter? Habt ihr den Drogendealer festgenommen?«
»Der Richter hatte den Haftbefehl vor einer Woche aufgehoben, weil er keine Fluchtgefahr sah und der Mann Familie und Kinder hat. Es ging ja damals ›nur‹ um Drogenhandel. Als wir den Mann nun zu seiner eidesstattlichen Versicherung vernehmen wollten, war er verschwunden. Seine Frau weiß angeblich nicht, wo er sich aufhält. Jetzt läuft ein internationaler Haftbefehl gegen ihn.«
»Seltsam, dass er so plötzlich und freiwillig gesteht«, grübelte ich. »Madig hat ihm bestimmt Geld gegeben, damit er sich aus dem Staub macht. Trotzdem bleibt mir schleierhaft, wieso der Haftbefehl gegen Madig sofort aufgehoben wurde.«
»Madig hat eben gute Kontakte. Doch das wird ihm nichts nützen. Ich hab ihn im Auge.«
»Wer weiß, ob Madig nicht ganz was anderes auf dem Kerbholz hat. Ein falsches Geständnis ist eine wunderbare Handvoll Sand für Bullenaugen. Entschuldige den Ausdruck. Jemand anders macht sich verdächtig.«
Ich berichtete kurz, was Brinkhoff über den Adelsspross herausbekommen hatte.
»Ihr pfuscht mir ganz schön ins Handwerk«, seufzte Kleist. »Ich bitte euch nur um eins: Seid vorsichtig.«
»Brinkhoff ist ein alter Profi«, wandte ich ein. »Und ich habe keine Angst.«
»Schon klar, Maria«, seufzte er ein zweites Mal.
Wenn einer eine Reise tut …
Früh am nächsten Morgen weckte mich das Telefon.
»Brinkhoff hier. Ich bin die nächste Zeit nicht in Bierstadt«, kam es aus dem Hörer. »Ich mache eine kurze Reise. Aber heute Abend rufe ich Sie an.«
»Wo geht es hin?«, fragte ich schlaftrunken.
»Nach Osten. Ich muss dringend etwas überprüfen.«
»Nun sagen Sie schon.«
»Lassen Sie mich mal machen«, meinte er. »Ich melde mich. Bis dann.«
Ich kroch ins Bett zurück. Das große Tier neben mir hatte sich der kompletten Decke bemächtigt. Es wachte auf, knurrte, weil ich an der Decke zupfte. Dann fragte es nach der Uhrzeit.
»Kurz vor acht«, antwortete ich.
»Ich muss los.«
Kleist sprang aus dem Bett und verschwand im Bad. Das Duschwasser lief.
Ich hatte noch viel Zeit bis zum Arbeitsbeginn, legte mich wieder hin und döste weiter.
»Ich fahre jetzt«, hörte ich irgendwann eine Männerstimme sagen. »Ich frühstücke in der Kantine.«
Die Tür fiel ins Schloss.
Eine Stunde später erreichte ich die Redaktion.
Madig hatte aufgrund meines Kommentars ein Gegendarstellungsbegehren an den Verlag geschickt – verfasst und unterschrieben von Anwalt Rüttelstein-Siegert.
»Kommentare sind nicht gegendarstellungsfähig, da es sich um Meinungen handelt«, dozierte ich. »Und die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Ich habe keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt, sondern meinen persönlichen Eindruck geschildert.«
»Stimmt. Aber das ist nicht der dümmste Fehler. Gegendarstellungen müssen immer vom Betroffenen persönlich unterschrieben werden. Der Herr Anwalt hat wohl bei Medienrecht ein paarmal gefehlt. Also lassen wir das Schreiben einfach verschimmeln.«
»Guter Plan«, nickte ich. »Was liegt sonst noch an?«
»Der Polizeipräsident scheint der SPD nicht besonders nahezustehen. Deinen Freund zu suspendieren, hat er abgelehnt. Er hat ihm sogar den Rücken gestärkt. Es sieht so aus, als interessierten ihn Fakten mehr als das Gejammer eines politischen Intriganten«, berichtete Jansen weiter. »Hier ist die Stellungnahme. Schreibst du eine Meldung für die Ausgabe morgen?«
In meinem Zimmer tippte ich los, wurde aber bald gestört. Zu meiner Überraschung war Anna Wachowiak am Handy. Sie bat mich um ein Treffen.
»Ich habe wenig Zeit«, fragte ich. »Um was geht es denn?«
»Um Aldwin von Elberberg.«
»Ich dachte, Sie kennen ihn kaum«, erinnerte ich sie.
»Können wir uns sehen? Bitte!«
»Gut. Ich komme vorbei.«
»Ich bin nicht in meiner Wohnung«, sagte sie. »Ich bin zurzeit bei einer Freundin.« Lady Cora nannte mir die Adresse. »Und passen Sie bitte auf, dass Ihnen niemand folgt.«
Sie trug eine Sonnenbrille mit riesigen Gläsern. Die hatte ich im Fernsehen schon oft gesehen. Sie verbarg meist die Veilchen misshandelter Frauen.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Wollen Sie einen Kaffee?«
»Ja, gerne.«
Sie ging in die Küche und ich setzte mich auf ein bunt geblümtes Sofa. Alles hier war auf niedlich gemacht. Gardinen aus Spitzen gehäkelt, Trockenblumensträuße mit Röschen und Frauenzeitschriften auf dem Couchtisch. Die Inhaberin dieser Wohnung war wohl nicht geschmacksverwandt mit Lady Cora.
Anna kehrte zurück. Sie hatte die Brille abgenommen. Da war es ja, das Veilchen. Es stand in voller Blüte.
»Wer war das?«
»Aldwin. Ich habe Sie damals belogen. Aber er hatte mir verboten, die Wahrheit zu sagen.«
»Und was ist die Wahrheit?«, fragte ich.
»Dass ich ihn schon lange kenne. Aus Templin. Wir waren befreundet.«
»Warum hat er Sie verprügelt?«
»Ich will weg von ihm. Er macht mir Angst.« Ihre Stimme zitterte.
»So plötzlich?«
»Ich hatte immer schon das Gefühl, dass mit ihm was nicht stimmt.«
»Das hat Sie aber nicht davon abgehalten, sich mit ihm einzulassen.«
Lady Cora stand auf, ging ans Fenster und schaute nach draußen.
Ich wurde ungeduldig. »Was stimmt nicht mit ihm? Reden Sie bitte!«
»Er ist morbid.«
»Was soll das heißen?«
»Er sammelt Bücher über Morde.«
»Ich lese auch gern Krimis«, winkte ich ab. »Was ist schlimm daran?«
»Er hat ein Tagebuch. Da schreibt er seine Fantasien hinein.«
»Das ist nicht illegal. Solange es Fantasien bleiben.«
Sie nickte. »Ja, aber da bin ich mir nicht mehr sicher. Ich war nicht oft in seiner Wohnung, aber neulich fühlte er sich verfolgt. Von einem älteren Mann. Da hat er mich mit zu sich genommen.«
Das muss Brinkhoff gewesen sein, dachte ich. Also hat er sich doch erwischen lassen! Ein ungutes Gefühl beschlich mich.
»Und weiter?«
»Ich blieb eine Weile dort. Aldwin rannte ständig zum Fenster, um zu sehen, ob der Mann noch da war. Mein Blick fiel auf seinen Schreibtisch. Darauf lag eine schwarze Mappe mit einem aufgemalten Totenkopf.«
»Hm. Das klingt ja wirklich etwas ungewöhnlich.« Besonders interessant fand ich es allerdings nicht.
»Ich habe hineingesehen. Lauter Fotos, Zeitungsartikel, Internetseiten. Alle handelten von Mord. Widerliches Zeug. Sexualverbrechen, Amokläufe, Serientaten. Ich hab ihn natürlich gefragt, warum er so was sammelt.«
»Ich kann mir schon denken, was er geantwortet hat. Er braucht das für sein Jurastudium.«
Lady Cora nickte. »Ja, das sagte er.«
»Können Sie sich noch an einzelne Artikel erinnern? Haben Sie etwas über den Fall Marta Russo gelesen, eine junge Studentin, die von zwei Männern erschossen wurde, weil die Typen den perfekten Mord begehen wollten?«
Sie überlegte. »Nein, ich erinnere mich an gar keine Namen. Ich habe die Papiere ja auch nur überflogen. Aber ein Blatt habe ich eingesteckt. Moment!«
Sie holte es aus einer Schublade und reichte es mir.
Ich las:
Ich töte gerne Menschen, weil es so viel Spaß macht. Es macht mehr Spaß, als Wild im Wald zu töten, denn der Mensch ist das gefährlichste Wild. Töten ist das Aufregendste, besser noch, als ein Mädchen zu ficken. Das Beste ist, wenn ich gestorben bin und im Paradies wiedergeboren werde, sind alle, die ich getötet habe, meine Sklaven. Ich werde euch meinen Namen nicht nennen, ihr werdet versuchen, mein Sammeln von Sklaven für das Jenseits zu verlangsamen oder zu verhindern. Deshalb werde ich morden, ohne dass ihr ein Motiv oder eine Erklärung dafür findet.
Mir lief ein Schauer über den Rücken. »Weiß Aldwin, dass Sie das Blatt mitgenommen haben?«, fragte ich.
»Ich glaube nicht«, entgegnete sie.
»Wie kam es zu der Prügelei?«
»Er wollte weg aus Bierstadt. Für immer. Und er wollte mich mitnehmen. Ich sagte Nein. Da schlug er zu und ich bin aus seiner Wohnung geflohen. Er traute sich wohl nicht, mir zu folgen, weil er den Mann unten vermutete.«
»Wissen Sie, ob Aldwin noch in Bierstadt ist?«
»Keine Ahnung. Und ich will es auch gar nicht wissen.«
Vom Büro aus informierte ich Kleist über Aldwin von Elberbergs mögliche Flucht und faxte ihm den Zettel, den Lady Cora hatte mitgehen lassen.
»Ich mache mir Sorgen um Brinkhoff«, gestand ich. »Elberberg hat ihn bemerkt. Das ist nicht gut.«
Kleist beruhigte mich. »Ihm wird schon nichts passieren, Maria. Er ist ein erfahrener Polizist und lässt sich nicht so leicht austricksen.«
»Gegen Wahnsinn ist kein Kraut gewachsen.«
»Ich werde versuchen, einen Durchsuchungsbeschluss für Elberbergs Wohnung in Bierstadt zu bekommen«, kündigte er an. »Mal sehen, was der Kaschmir-Bubi noch so alles sammelt.«
»Glückwunsch übrigens, dass der Polizeipräsident deine Suspendierung abgelehnt hat«, sagte ich. »Ich werde diese Tatsache in der nächsten Ausgabe des Tageblattes lobend erwähnen.«
»Ich bin entzückt!«, lachte er.
POLIZEIPRÄSIDENT: DR. KLEIST ÜBER JEDEN ZWEIFEL ERHABEN
Hauptkommissar bleibt im Amt – Mobby Madig scheitert mit Rücktrittsforderung
Seine politischen Kontakte haben dem SPD-Parteichef nicht geholfen. Die Forderung, den Leitenden Hauptkommissar der Mordkommission, Dr. Friedemann Kleist, von seinem Amt zu suspendieren, verhallte ungehört. Der Polizeipräsident lehnte es ab, einen – so wörtlich – über jeden Zweifel erhabenen Kriminalisten »in die Wüste zu schicken«. Auch der Innenminister des Landes erteilte Mobby Madig eine Abfuhr. Er reagierte erst gar nicht auf das Schreiben des 56-jährigen SPD-Politikers, der bis vor Kurzem wegen Mordverdachtes in Untersuchungshaft saß. Er hatte gestanden, eine frühere Mitarbeiterin des Oberbürgermeisteramtes im Streit erwürgt zu haben. Diese Frau, Jessica B., hat die Stadtkasse um 1,5 Millionen Euro erleichtert, unter anderem um Sex- und Drogenpartys im Rathaus zu organisieren, an denen die Bierstädter Politprominenz teilnahm.
Später hat Mobby Madig dieses Geständnis wieder zurückgezogen und behauptet, von der Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein. Dr. Friedemann Kleist versicherte gegenüber unserer Zeitung, die Ermittlungen – unabhängig von Personen und politischem Filz – im Sinne des Gesetzes fortzuführen.
Abends wartete ich vergeblich auf den Anruf von Brinkhoff. Ich versuchte mehrmals selbst, ihn auf seinem Handy zu erreichen, doch er meldete sich nicht.
Mit einem unguten Gefühl ging ich zu Bett und hatte wirre, angstvolle Träume.
Weitere Reisepläne
Am Morgen noch immer keine Nachricht. Brinkhoff blieb unerreichbar. Dass Elberberg auch verschwunden war – vermutlich in die gleiche östliche Richtung –, trug nicht zu meiner Beruhigung bei.
Ich rief Kleist an: »Brinkhoff meldet sich immer noch nicht. Ist es möglich, sein Handy zu orten?«
»Natürlich ist das möglich«, antwortete er. »Ich kümmere mich darum.«
Ich nannte ihm die Nummer.
»Übrigens hat der Richter die Durchsuchung von Elberbergs Wohnung genehmigt.«
»Wann passiert das?«
»Die Aktion läuft gerade«, antwortete Kleist. »In einer Stunde weiß ich mehr.«
Zu spät, um Pöppelbaum hinzuschicken, dachte ich. Aber das war auch nicht das Wichtigste im Moment.
»Wie lange brauchst du, um das Handy zu orten?«
»Ich bin schon dabei. Ich habe das Programm auf dem Rechner. Wartest du?«
Minuten verrannen. Durchs Telefon hörte ich, wie er auf seiner Tastatur tippte.
»Postleitzahl ist 17268. Brinkhoffs Handy ist in Ostdeutschland. Uckermark. In der Nähe der Stadt Templin.«
»Dort steht Madigs Landhaus!«, rief ich aus. »Und die Elberberg-Sippe ist dort auch versammelt. Ich muss da hin, Brinkhoff suchen.«
»Ich nehme mit den Kollegen dort Kontakt auf«, versprach Kleist.
»Das reicht nicht!« Ich war in heller Aufregung. »Ich mache mich selbst auf den Weg. Wie ist die Adresse von Madigs Lusttempel?«
Jansen war von meinen Reiseplänen nicht sonderlich begeistert.
»Was versprichst du dir davon?«, fragte er. »Außer Brinkhoff zu finden?«
»Er hat gesagt, dass er etwas überprüfen muss. Was, weiß ich nicht, denn er hat ein Geheimnis daraus gemacht.«
»Dann stiefelst du also durch die Landschaft und rufst: ›Brinkhoff, wo bist du?‹ Oder nagelst ein paar Flugblätter an die Bäume der Uckermark?«
»Sehr witzig«, grummelte ich. »Ich will Pöppelbaum mitnehmen.«
Er seufzte. »Einverstanden. Dann hast du wenigstens jemanden, der auf dich aufpasst.«
In meinem Büro startete ich den Rechner und checkte die Flugverbindungen nach Berlin. Templin war etwa achtzig Kilometer von der Bundeshauptstadt entfernt. Am Schönefelder Flughafen würde ich mir einen Mietwagen nehmen.
Pöppelbaum stürzte herein. »Klasse, Grappa! Endlich mal wieder eine Recherche nach meinem Geschmack. Brauchen wir außer den Kameras noch andere Waffen?«
»Nein, lass mal«, lächelte ich. »Wir kommen auch so klar. Der Flug geht morgen früh. Brinkhoffs Handy ist in Templin geortet worden. Das ist ein Kaff in Dunkeldeutschland. Ich muss mal Google Earth anwerfen. Kannst du morgen früh um neun am Flughafen sein?«
Templin in der Uckermark. Nie hätte ich gedacht, dass es mich einmal dahin verschlagen würde. Die Stadt erstreckte sich über eine riesige Fläche, die viel Grün und Wasser aufwies: Kanäle und Seen durchzogen die Landschaft. Der Aktenlage nach eine Traumlandschaft.
Ich recherchierte weiter. Der Vater unserer Bundeskanzlerin, ein Theologe, hatte dort vor der Wende eine evangelische Weiterbildungseinrichtung geleitet. Es gab eine Naturtherme und eine mittelalterliche Stadtmauer.
Abends rief ich Kleist an, um zu erfahren, was bei der Durchsuchung von Elberbergs Wohnung herausgekommen war.
»Er besitzt eine makabre Bibliothek. Besonders scheint ihn zu interessieren, was ein Mörder fühlt, wenn er seinem Opfer beim Sterben zusieht.«
»Ziemlich krank.«
»Das sieht unser Polizeipsychologe genau so. Er wertet gerade die handschriftlichen Ergüsse aus. Und das sind viele. Elberberg hat jedes Fitzelchen Papier bekritzelt, das ihm in die Finger fiel. Manchmal stehen nur ein paar Worte da. Der Mann ist ein geniales Studienobjekt für einen Profiler.«
»Das sind noch alles keine Beweise!«, wandte ich ein.
»Die Auswertung der Fingerabdrücke und DNA-Spuren dauert noch«, entgegnete er. »Wann fliegst du eigentlich?«
»Morgen. Die Maschine geht kurz vor zehn.«
Große Vögel
Mit kleinem Handgepäck traf ich am Flughafen ein. Pöppelbaum wartete bereits und hatte sich mit einem Haufen Süßigkeiten eingedeckt. Ich hatte diese Passion früher nicht an ihm bemerkt. Er registrierte meinen Blick auf sein Carepaket und meinte entschuldigend: »Das Einzige, was gegen meine Flugangst hilft, ist das hier. Jetzt kennst du mein größtes Geheimnis, Grappa!«
»Na, du wirst auch noch andere haben«, warf ich zweifelnd ein. »Aber die bleiben mir auf Dauer auch nicht verborgen.«
Er kam mit dem Zeug sogar durch die Sicherheitskontrolle, obwohl manche der Sweeties durchaus hätten Flüssigsprengstoff enthalten können.
Kaum hatten wir abgehoben, starteten die Luftkellnerinnen ihre Versorgungsrunde. Man könnte ja während einer guten Stunde Flug verhungern und verdursten. Ich ignorierte die Papiersandwiches mit wahlweise Schweizer Käse oder spanischem Schinken und orderte stattdessen viel Kaffee. Ich wollte nämlich nachdenken und bei solcher Aktivität sind Koffeindosen meist hilfreich.
Wo sollten wir anfangen, Brinkhoff zu suchen? Sein Handy befand sich in Templin, aber die brandenburgische Touristenperle hatte die sechsgrößte Fläche einer deutschen Stadt, sie war nur vergleichsweise dünn besiedelt. Andererseits lag die Vermutung nahe, dass Brinkhoff zu Madigs Hütte wollte.
Neben mir pfiff sich Pöppelbaum die Haribos rein. Er schien nicht ansprechbar zu sein. Ich versuchte es dennoch.
»Was hältst du davon, wenn wir uns zuerst Madigs Lustschloss vornehmen?«
»Nö«, kaute er. »Wir gehen zur Polizei. In dem Kaff wird es ja irgendeine Wache geben. Wenn Brinkhoff was rauskriegen wollte, dann ist er bestimmt dort zuerst aufgelaufen. Macht der Gewohnheit – sozusagen.«
Gar nicht schlecht, dachte ich. »Gib mir bitte auch so ein überzuckertes Teil«, forderte ich. »Es scheint den Denkvorgang in zehntausend Metern Höhe zu stimulieren.«
Er hielt mir die Tüte hin, ich griff einen viereckigen rosaschwarzen Würfel und bugsierte ihn in meinen Mund.
»Und danach besuchen wir die örtliche Zeitung«, schlug ich vor. »Journalisten wissen immer mehr, als sie schreiben. Gespräch von Kollege zu Kollege.«
»Prima Plan, Grappa. Und wenn wir Brinkhoff gefunden haben, können die eine Story über uns schreiben.«
»Genau. Rasende Ruhr-Reporter retten rüstigen Rentner – oder so«, entgegnete ich. »Kommt bestimmt gut.«
Die Anschnallzeichen leuchteten auf und Kapitän Meyer ließ über die Stewardess versichern, dass es ihm ein großes Vergnügen gewesen sei, uns geflogen haben zu dürfen, und dass er hoffe, bald wieder für uns tätig werden zu können.
Wird wohl nichts, dachte ich, einen Rückflug hatte ich nicht gebucht. Wir mussten ja erst mal Brinkhoff finden.
Die Landung in Schönefeld verlief glatt. Pöppelbaum drückte sich dabei in den Sitz, schloss die Augen und war mucksmäuschenstill. Ich grinste. Männer!
Bevor wir den Mietwagen abholten, fragte ich in einem Zeitungsladen nach Blättern, die in der Gegend um Templin erschienen. Die Verkäuferin reichte mir: Uckermarker Kurier – Templiner Zeitung. Ich schnappte mir noch einen Reiseführer über die Uckermark und bezahlte beides.
Wayne wartete bereits vor dem Autovermietungsschalter.
»Das Lokalblatt hab ich schon.« Ich wedelte mit der Zeitung und zog den Templiner Teil aus dem Mantel.
Auf der ersten Seite prangte ein Foto von einem Mann in mittleren Jahren, dem ein Siegerlächeln ins Gesicht gemeißelt war.
Hausdurchsuchung beim Kreistagsvorsitzenden André Ort – so die Überschrift.
»Guck mal«, sagte ich zu Pöppelbaum. »Ich komme mir vor wie zu Hause in Bierstadt. Hör zu: 25 Mitarbeiter des Landeskriminalamtes haben gestern die Wohn- und Geschäftsräume des Kreistagsvorsitzenden von Ostprignitz-Ruppin und Rheinsberger Ortsvorstehers André Ort (SPD) durchsucht.
Gegen André Ort wird wegen des Verdachts des Fördermittelbetruges ermittelt. Er soll sich bei der Investitionsbank des Landes mit falschen Angaben Fördermittel für den Bau eines Appartementhauses in Rheinsberg erschlichen und nicht erbrachte Bauleistungen abgerechnet haben. Der zu viel kassierte Betrag soll in den Ausbau seines Eigenheimes geflossen sein, so der Vorwurf. Bei dem Appartementhaus handelt es sich um ein Projekt der Rheinsberger Tourismus-Service Gesellschaft (RTS), deren Gesellschafter zu 30 Prozent André Ort ist und zu 70 Prozent dessen Frau Heike. André Ort wies gestern alle Vorwürfe zurück. ›Es ist kein Euro Fördermittel zweckentfremdet verwendet worden.‹ Er sei ›hundertprozentig sicher, dass sich alles aufklärt‹.«
»Die Ossis machen’s wie die Wessis. Ob sie es wohl erst von uns lernen mussten?«, meinte Wayne.
»Glaub ich nicht. Die Menschen waren immer schon so. Die Mächtigen schustern sich immer alles gegenseitig zu. Nur hieß die Partei hier früher nicht SPD, sondern SED.«
Templin hatte rund 17.000 Einwohner und galt als Hochburg der rechtsradikalen Szene.
Die Landschaft gefiel mir. Pöppelbaum fuhr und ich blätterte im Reiseführer.
»Manno, Wayne, wir fahren durch eine absolute Traumlandschaft.«
»Wegen der Rechtsradikalen oder wegen Angela?«
Ich hatte ihm eben beigebracht, was der Reiseführer zu sagen hatte: dass die Bundeskanzlerin in der Uckermark ein Ferienhaus besaß.
»Die sind doch auch nur Gast in Gottes schöner Natur«, meinte ich. »Ich les dir mal vor, was du gerade siehst: Die fruchtbare, eiszeitlich geprägte hügelige Grund- und Endmoränenlandschaft ist von einer Seenkette durchzogen und im Südteil überwiegend mit Buchenwäldern bestanden. Die meisten der Seen sind das Resultat der Eisschmelze am Ende der letzten Eiszeit vor 15.000 Jahren. Der außergewöhnliche Reichtum an Seen ist ein besonderes Charakteristikum der Jungmoränenlandschaft.«
»Seen?« Wayne strahlte. »Hätte ich das gewusst, hätte ich meine Badehose eingepackt, bei diesem genialen Wetter. Aber ich kann mir ja eine kaufen.«
»Ich glaub nicht, dass wir zum Baden kommen«, zerstörte ich seine Hoffnungen. »Es sei denn, Brinkhoff sitzt quietschvergnügt vor Madigs Haus und wartet auf uns. Dann könnten wir auf Sommerfrische machen. Aber damit rechne ich nicht.«
Ich schaltete mein Handy ein und wählte die Nummer des Mobiltelefons des Vermissten. Die Automatenstimme sagte das übliche Sprüchlein über den zurzeit nicht erreichbaren Teilnehmer. »Wieder nichts«, murmelte ich.
»Nun mach dich nicht fertig«, meinte Wayne.
»Ich versuche es ja«, sagte ich. »Deshalb lenke ich mich jetzt ab und lese dir weiter vor. Hörst du zu?«
»Klar.«
»Also: Die Uckermark zählt zu den landschaftlich schönsten Gebieten Deutschlands. Man sieht eine in großen Teilen noch unberührte Natur mit Pflanzen und Tieren, die anderswo in Deutschland schon lange nicht mehr existieren. Seeadler, Schwarzstorch, Reiher und Kraniche haben hier noch Lebensraum. Wer einmal in der Abenddämmerung in der Uckermark unterwegs ist, wird erstaunt sein, wie häufig ihm auch andere Tiere wie Rehe, Füchse, Hasen, auch mal ein Hirsch oder allerlei Vogelarten begegnen. Sogar Fischotter, Biber und die außerordentlich seltene Großtrappe sind anzutreffen.«
»Wow! So eine Großtrappe würde ich ja gern mal in der Dämmerung treffen«, frotzelte Wayne. »Wie sieht so ein Teil aus?«
»Etwa so groß wie der Vogel, den du hast«, lächelte ich. »Mir wär lieber, wir würden nicht die Großtrappe finden in der Dämmerung, sondern Brinkhoff. Kannst du nicht ein bisschen schneller fahren? Sonst hat die Polizeiwache am Ende schon zu, weil die Dorfbullen die Rehe, Füchse, Hasen, Hirsche oder die Trappe ins Bettchen bringen müssen.«
Nach etwa achtzig Kilometern passierten wir die Ortseinfahrt Templin und richteten uns nach dem Schild City. Die Polizeiwache befand sich in der Innenstadt in der Nähe eines multifunktionalen Geschäftshauses. Es beherbergte Makler, Ärzte, Restaurants, einen Lebensmitteldiscounter und einen PC-Laden.
»Hast du einen Plan?«, fragte Pöppelbaum.
»Klar, Plan I.«
»Verstehe. Spontane Improvisation«, nickte der Fotograf. »Klappt ja fast immer. Aber manchmal auch nicht. Die Ossis sind nicht so zugänglich wie wir Ruhris.«
»Meinem Charme kann keiner widerstehen«, meinte ich. »Und jetzt park da vorne und komm!«
»Da steht aber: Nur für Einsatzfahrzeuge«, wandte er ein.
»Na und? Sind wir etwa nicht im Einsatz?«
Pöppelbaum kontrollierte die Verriegelung des Wagens, als rechne er jede Minute mit einem Überfall der ostdeutschen Dorfbevölkerung auf unseren Polo.
»Komisch«, meinte er.
»Was?«
»Das Auto da drüben!«
Ich blickte auf das Gefährt. Es sah bekannt aus, aber völlig unspektakulär. Wie ein Auto eben. »Was ist damit?«, wollte ich wissen.
»Ach, nichts«, antwortete er.
Ich drückte die Klingel neben der Tür. Sekunden später sprang sie auf und wir gelangten in einen unwirtlichen Flur. An den Wänden mehr oder weniger aktuelle Terrorfahndungen und Plakate polizeilicher Vorbeugungskampagnen: Urlaubszeit – Langfingerzeit.
An einer Tür war ein Schild mit der Aufschrift Anmeldung angebracht. »Hier fangen wir an«, stellte ich klar, klopfte energisch und öffnete die Tür.
Ein junger Beamter in aufregendem Grün sah zu uns auf. »Ja, bitte?«
Ich legte meinen Presseausweis auf den Tresen. »Grappa, vom Bierstädter Tageblatt, einer Zeitung in Westdeutschland. Das ist mein Fotograf Pöppelbaum. Wir sind auf der Suche nach einem Kollegen, der in dieser Gegend eine Story recherchiert. Das letzte Lebenszeichen von ihm stammt aus Templin.«
»Haben Sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben?«, fragte der Grüne – halbwegs interessiert.
»Nein. Dazu blieb keine Zeit. Ich habe das Gefühl, dass unser Mann in Gefahr ist. Hat sich vielleicht jemand an Sie gewandt, um Auskünfte über Personen zu erhalten?«
»Über welche Personen?«
»Über die Familie von Elberberg zum Beispiel.«
»Elberberg?« Der Gesichtsausdruck des Uniformierten legte den Verdacht nahe, dass ihm etwas auf- oder eingefallen war. »Moment.«
Er erhob sich und ging in einen Nebenraum. Ich hörte Stimmen durch die geschlossene Tür.
Sie öffnete sich und der junge Polizist stand wieder im Raum – hinter sich zwei Männer.
»Das ist doch …!«, entfuhr es mir.
Friedemann Kleist lächelte mich an. »Ich bin schon mal vorgefahren.«
»Das war es doch, Grappa«, mischte sich Pöppelbaum ein. »Der Wagen da draußen. Dienstfahrzeug der Bierstädter Polizei.«
»Ich muss mich jetzt mit Frau Grappa und ihrem Begleiter abstimmen«, sagte Kleist zu dem älteren Polizisten. »Gibt es hier einen Besprechungsraum, Herr Kollege?«
»Ich habe mich um fünf Uhr morgens in den Wagen gesetzt«, berichtete Kleist. »Die Autobahn war frei. Ruck, zuck war ich hier.«
»Warum bist du hier?«, fragte ich.
»Brinkhoff.«
»Also glaubst du auch, dass er in Gefahr ist?«
Es klopfte. Der junge Polizist bot uns Kaffee an. Wir nahmen dankbar an.
»Es ist etwas geschehen, was du noch nicht wissen kannst, Maria«, berichtete Kleist. »Wir haben den Komplizen.«
»Was?«, entfuhr es mir.
Kleist fuhr fort. »Wir haben gestern in Bierstadt die Wohnung von Elberberg durchsucht. Auf den ersten Blick gab es nichts, was ihn mit dem Hochzeitsmord in Verbindung bringen könnte. Doch während wir die Aktion durchführten, tauchte sein Nachbar auf. Als er uns bemerkte, wollte er sich verdrücken. Aber wir hielten ihn auf. Ein Kommilitone. Gero von Rudelbach. Wir haben den Namen mit dem Zentralregister abgeglichen und sind auf einige kleinere Dinge gestoßen, die im Zusammenhang stehen mit rechtsradikalen Straftaten. Details lass ich jetzt mal weg.«
Der Polizist erschien mit einer Thermoskanne und drei Bechern. Während er die Sachen vor uns hinstellte, schwiegen wir.
»Rudelbach gehört ebenfalls dem Corps Potentia an«, fuhr Kleist fort, als die Tür wieder geschlossen war. »Ich habe mich dann ausführlich mit Rudelbach unterhalten. In seiner Bude. Zunächst leugnete er eine nähere Bekanntschaft mit Elberberg. Aber er wirkte unruhig. Dann fiel mir sein Camcorder auf. Eine ziemlich aufwendige Maschine von Sony. Tja, und da hab ich ihn darüber ausgefragt. Wann er die zuletzt benutzt hat und so, und ob er schon mal von einem Flachdach aus gefilmt hat. Das hat er natürlich abgestritten. Und wurde gleichzeitig sehr, sehr unruhig.«
Pöppelbaums Mund stand offen, so gespannt verfolgte er den Bericht.
»Ich habe ihm dann einfach ins Gesicht gesagt, dass er den Hochzeitsmord gefilmt hat. Immer noch leugnete er. Aber dann nahm ich einen Speicheltest von ihm. Und als er wissen wollte, warum, sagte ich ihm, wenn er da oben auf dem Dach gepinkelt habe, dann könnten wir ihm klar beweisen, dass er oben war. Tja. Das hat er dann begriffen. Doof ist er nicht. Er hat gestanden.«
»Was hat er genau gestanden?«, fragte ich aufgeregt.
»Er hat ausgesagt, dass Elberberg Sandra Becker und Thomas Schulz erschossen hat. Rudelbach selbst habe lediglich die Kamera bedient. Natürlich behauptet er, dass Elberberg ihn mit dem Tod bedroht hat, wenn er etwas verrät. Wie sich die Schuld der beiden genau verteilt, wird das Gericht klären müssen. Und er hat dir die DVD in die Tasche gesteckt.«
»Und was ist das Motiv?«, rief ich aus.
Kleist zuckte mit den Achseln. »Morbide Mordlust anscheinend. Elberbergs düstere Fantasien sind wohl der eigentliche Antrieb. Und intellektueller Größenwahn. Dass die beiden dann auf das Thema ›motivloser Mord‹ gestoßen sind, hat wohl eher damit zu tun, dass es dadurch schwierig wurde, auf Elberberg zu kommen. Er wollte einen Mord begehen. Und er brauchte einen Mitwisser. Ohne Rudelbach hätte er nur vor sich selbst geglänzt, und das reichte ihm wohl nicht. Auf das psychologische Gutachten über den Aldwin bin ich gespannt.«
»Brinkhoff ist wirklich in großer Gefahr«, meinte ich.
»Hatte Rudelbach die Möglichkeit, Elberberg zu warnen?«, fragte Pöppelbaum.
»Das wissen wir nicht. Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass Elberberg weiß, dass wir ihm auf den Fersen sind, und sich absetzen will. Vor allem die Tatsache, dass er verschwunden ist.«
»Kann die Templiner Polizei uns helfen?«, fragte ich. »War Brinkhoff hier?«
Kleist verneinte.
»Aber irgendwo muss er doch angefangen haben, Informationen zu sammeln!« Mir war ganz schlecht vor Sorge.
»Er hat doch einen Presseausweis«, warf Pöppelbaum ein. »Vielleicht hat er ja zuerst Kollegen um Hilfe gebeten. Also nicht seine alten, sondern die neuen.«
Ich stutzte. Ja, das war es!
Ich zog die Zeitung aus der Tasche. »Wo sitzen die?«
Haribo und eine überraschende Begegnung
Wir ließen die Autos stehen, denn die Zeitungsredaktion war nur einen Steinwurf von der Polizeiwache entfernt untergebracht.
»Ich komme niemals darüber weg, wenn Brinkhoff etwas passiert ist«, stöhnte ich. »Wir sind da.«
Die Geschäftsstelle des Uckermark Kuriers hatte schon geschlossen. In den Fenstern hingen die einzelnen Zeitungsseiten. Ein Kessel Buntes – genau wie beim Bierstädter Tageblatt: Von der Jubilarehrung über die Ausschusssitzung bis hin zur örtlichen Skandalgeschichte waren alle Themen vertreten.
Die Lokalredaktion war durch eine Nebentür zu erreichen. Pöppelbaum klingelte und schon sprang die Tür auf. Wir gelangten in einen Flur, der zu einem Lichthof führte, von dem weitere Türen abgingen.
Ein junger Mann in Jeans und Sweatshirt mit der Aufschrift Kollege kommt gleich trat auf uns zu.
»Hallo, was kann ich für Sie tun?«
Ich sagte mein Begrüßungssprüchlein, zeigte meinen Presseausweis und fragte nach Brinkhoff. »Ist der Kollege vielleicht bei Ihnen gewesen?« Ich beschrieb ihn, so gut ich konnte.
»Ich habe diese Woche Spätschicht«, entgegnete der junge Mann, der Sven hieß. »Aber ich ruf mal die Kollegin eben an, die morgens hier Stallwache hatte. Wollt ihr Kaffee?«
Wir wollten. »Da hinten – in der Küche!«
Die Küche hatte Ähnlichkeit mit der im Verlagshaus des Tageblattes: ungespülte Becher, abgegessene Teller und gebrauchte Kaffeefilter, die nun vor sich hin trockneten. Der Kaffee brutzelte wohl schon länger vor sich hin und war ungenießbar.
Kleist und Pöppelbaum waren bei Sven geblieben. Der telefonierte. Sein Tonfall sagte mir, dass er auf etwas gestoßen sein musste.
»Der Mann war hier«, erklärte der Lokalredakteur. »Vor zwei Tagen. Ein Typ um die sechzig. Tiefe Stimme, freundliches Auftreten. Ein Kollege aus dem Westen. Maggy – das ist meine Kollegin – weiß sogar noch seinen Namen. Brinkmann.«
»Brinkhoff«, stellte ich klar. »Aber egal. Was wollte er wissen?«
»Er hat nach Morden gefragt. Ungeklärten Mordfällen. In der Gegend hier. Uckermark, Brandenburg. Maggy hatte das natürlich nicht auf dem Schirm. Sie hat ihn ins Archiv geschickt. Dort hat er sich dann ein paar Stunden aufgehalten und sich Notizen gemacht.«
»Archiv?«, fragte Kleist. »Wo befindet sich das?«
»Im Keller. Wollen Sie es sehen?«
Wir folgten Sven über eine enge Treppe. Unten angekommen, stieß er einen Kellerraum auf und machte Licht an. In Regalen, die bis unter die Decke reichten, standen gebundene Zeitungsbände – geordnet nach Jahren und Monaten.
Ich kannte diese Art der Archivierung noch aus meinen frühen Zeiten beim Tageblatt, doch inzwischen waren alle Seiten abfotografiert worden, was die Suche erleichterte.
»War nach Brinkhoff noch jemand in diesem Raum?«, fragte Kleist.
»Keine Ahnung«, antwortete Sven. »Ich bin ja nicht immer hier.«
Kleist betrachtete die Bände, die auf dem Tisch lagen, genauer. »Er hat sich alles vom letzten Jahr angeschaut«, sagte er. »Aber die Arbeit dürfte ihm dann wohl zu zeitraubend geworden sein.«
»Über unaufgeklärte Morde weiß die Polizei eigentlich viel mehr als wir«, warf Sven ein.
»An die Templiner Polizei hat er sich nicht gewandt«, entgegnete ich.
»Vielleicht an die Hauptwache in Prenzlau«, sagte Sven. »Die führen die Kriminalstatistik.«
»Natürlich!« Kleist schlug sich vor den Kopf. »Brinkhoff kennt die Strukturen des Polizeiapparates. Ich werde dort sofort anrufen.«
»Hat Herr Brinkhoff noch mehr wissen wollen?«, fragte ich. »Vielleicht etwas über die Menschen, die hier wohnen? Kann ich mit deiner Kollegin sprechen?«
»Mit Maggy?« Sven überlegte. »Klar«, meinte er dann. »Sie war grade dabei, ihr Baby zu wickeln. Vielleicht können wir noch fünf Minuten warten?«
Ich hatte Mühe, meine Ungeduld zu zügeln. Kleist drückte beruhigend meine Hand.
Sven schloss die Tür zum Archiv und wir stiegen wieder nach oben. Kleist lief in den Lichthof und telefonierte.
»Wisst ihr eigentlich schon, wo ihr unterkommt?«, fragte Sven. »Oder wollt ihr heute noch zurück?«
»Nein. Nicht, solange wir unseren Kollegen nicht gefunden haben.« Ich schaute nach draußen. Es dämmerte.
»Ich kann euch ein Hotel empfehlen. Den Fährkrug. Direkt am See.«
»Würdest du dort anrufen und fragen, ob die was frei haben?«
»Sicher. Drei Einzelzimmer?«
Ich nickte. Sven hatte die Telefonnummer des Hotels im Kopf.
Inzwischen war Kleist ins Zimmer zurückgekehrt. »Brinkhoff war tatsächlich bei den Kollegen in Prenzlau. Er fragte nach den unaufgeklärten Morden der letzten Jahre.«
»Bingo!« Endlich ein Lichtblick.
Sven nahm den Hörer vom Ohr. »Die haben nur noch ein Doppel und ein Einzel frei.«
»Ist schon in Ordnung«, versicherte ich schnell.
Pöppelbaum grinste. Ich übersah das natürlich.
»Danke, Sven. Können wir jetzt Maggy anrufen?«
Maggy hatte inzwischen ihr Baby ins Bett gebracht und war ansprechbar. Sie bestätigte, dass Brinkhoff auch nach der Familie von Elberberg gefragt hatte.
»Aber ich konnte ihm nicht sagen, ob die hier irgendeine Rolle spielen. Ich kenne die nicht. Er hat dann noch ins Telefonbuch geguckt und auf den Stadtplan. Dann ist er wieder losgefahren.«
»Hatte er ein Auto?«
»Ja. Einen Mietwagen. Einen kleinen roten Opel.«
»Hast du danach noch etwas von ihm gehört?«
»Nein, er hat sich nicht mehr gemeldet«, antwortete Maggy. »Ist denn etwas passiert mit deinem Kollegen?«
»Er war an einer heißen Sache dran. Und wir haben den Kontakt zu ihm verloren.«
»Dann viel Erfolg bei der Suche. Kannst du mir den Sven noch mal geben?«
Ich reichte den Hörer weiter.
Kleist hatte die Suche nach Brinkhoff in Gang gesetzt. »Heute wird nicht mehr viel passieren – es ist gleich dunkel.«
Sven hatte sich zu uns gesellt und die Ohren gespitzt. »Wenn ich euch noch irgendwie helfen kann …«, meinte er.
»Du hast uns schon geholfen«, lächelte ich. »Und wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann kriegst du zum Dank eine tolle Geschichte für deinen Kurier. Und zwar exklusiv.«
Er warf Kleist einen Blick zu. »Sie sind auch ein Kollege?«
»Ich habe etwas erweiterte Kompetenzen, ermittle aber zurzeit noch verdeckt.«
»Verstehe.«
Ich gab Sven meine Karte. »Hier ist meine Handynummer. Wir bleiben in Verbindung.«
Draußen hatte sich der Himmel dunkelblau verfärbt. Die Luft war kühler geworden und es ging ein leichter Wind. Ob es vor der Wende auch schon so hübsche Straßencafés gegeben hatte? Pärchen flanierten an uns vorbei – heiter und verliebt. Kleine Jungs lieferten sich auf Skateboards waghalsige Rennen. Ein Betrunkener torkelte an den Schaufenstern entlang. Aus Kneipen drang amerikanische Oldie-Musik zu uns herüber.
»Sollen wir jetzt noch zu Madigs Datscha fahren?«, fragte ich.
Kleist verneinte. »Das machen wir morgen früh. Ich möchte erst das Kennzeichen von Brinkhoffs Mietwagen wissen. Die Vermietungen telefoniert mein Büro in Bierstadt ab. Außerdem steht die Hütte mitten im Wald. Nachts laufe ich in so einer Umgebung ungern ohne die Schupos auf.«
»Ist auch für die Fotos schlecht. Zu wenig Licht«, stimmte Pöppelbaum zu. »Ich hab außerdem Hunger.«
»Der eine hat Angst, der andere denkt ans Essen«, grummelte ich. »Ihr seid mir ja Helden!«
»Du siehst das falsch, Maria.« Kleists Ton war leicht verärgert. »Elberberg ist gefährlich und hat keinerlei Hemmungen abzudrücken. Ich würde mich strafbar machen, wenn ich euer beider Leben leichtfertig aufs Spiel setzte.«
»Sorry, Herr Hauptkommissar. Ich bin zutiefst gerührt.«
Er wandte sich ab. Irgendwie kam mein flapsiger Ton nicht gut an.
»Sven hat uns ein Hotel besorgt«, wechselte ich das Thema. »Den Fährkrug. Liegt direkt am See. Am Fährsee. Wir müssen durch ein paar Wälder durch, vorbei an Seeadlern, Schwarzstörchen, Reihern und Kranichen. Die erste menschliche Behausung, auf die wir treffen, soll dann dieser Fährkrug sein.«
»Hattest du mir nicht ein Date mit der Großtrappe versprochen?«, fragte Wayne.
Kleist schaute uns an, als hätten wir sie nicht alle. Wir grinsten ihn an.
»Wenn du mir die Adresse sagst, fahre ich vor«, sagte der Hauptkommissar. »Ich habe ein Global Positioning System im Wagen – auch GPS genannt.«
»Aye, aye, Sir!« Ich salutierte.
Kleist tippe sich an die Stirn und ging zu seinem Wagen.
»Ist der immer so humorlos?«, fragte Wayne, als Kleist in sicherer Entfernung war.
»Humor hat er«, stellte ich klar. »Nur mit sinnfreiem Blödeln hat er manchmal Schwierigkeiten. Aber das kommt noch.«
Die Fahrt ging wirklich durch Wälder, doch die Straßen waren gut ausgebaut und die Hinweisschilder zum Fährkrug gut beleuchtet. Ab und zu führten kleine Wege rechts und links ab – zu privaten Ferienhäusern, die sich gut Betuchte hier errichtet hatten.
Das Hotel war ein moderner Klotz. Von dem See sah man leider nicht viel – etwas Wasser glitzerte im Schein der Laternen, die einen Spazierweg am Ufer erleuchteten.
Wir packten das wenige aus, was wir mitgenommen hatten, und gingen zur Rezeption.
»Sie sind für ein Doppelzimmer und ein Einzelzimmer avisiert«, sagte die Blondine hinter dem Tresen. »Das Einzel liegt im zweiten Stock zum See hinaus und das Doppel im ersten zum Park. Wie wollen Sie die Aufteilung vornehmen?«
Wir sahen uns an.
»Wenn ihr beide das Doppel wollt, nehm ich das Einzel«, schlug ich vor, brav wie immer.
»Ich schlaf nicht mit einem Mann im selben Zimmer«, sagte Pöppelbaum. »Und mit Grappa auch nicht. Die schnarcht, und das muss ich mir nicht antun. Also will ich das Einzel.«
»Dass Frau Grappa schnarcht, passt gut«, sagte Kleist mit todernster Stimme. »Ich schnarche nämlich auch. Nehmen wir also das Doppel.«
»Ich hab mich nachts noch nie schnarchen gehört!«, protestierte ich.
»Ich dich schon!«
Pöppelbaum grinste fett.
»Dann wäre das ja geklärt.« Die Hotelblondine verteilte die Schlüssel. »Unsere Restaurants haben noch bis 23 Uhr geöffnet. Zum Wintergarten geht es nach rechts. Wenn Sie lieber rustikale Küche mögen, besuchen Sie den Fährmann. Die Wege sind ausgeschildert.«
»Ich will mich erst noch frisch machen«, kündigte ich an. »In einer Viertelstunde im Fährmann?«
Kleist und ich nahmen unser Doppelzimmer in Besitz. Seine Reisetasche kannte ich ja schon, er hatte sie beim ersten Besuch in meinem Haus dabeigehabt: ein abgewetztes Teil, das wohl noch aus der Zeit seiner Ausbildung auf der Polizeihochschule stammte.
Das Zimmer war geräumig und mit den Dingen ausgestattet, die ein Gast angeblich erwartet: Fernseher mit Bezahlporno, Briefpapier mit Hotellogo, eine Minibar mit überteuerten Alkoholika sowie Haarfön und Bademantel im Bad.
Ich räumte den Kulturbeutel aus und erneuerte mein Make-up. Noch schnell ein frisches T-Shirt und fertig. Kleist verschwand nach mir im Bad und ich hörte Wasserrauschen.
»Das Bett ist ja nicht besonders breit«, meinte ich, als er wieder neben mir stand.
»Schlimm?«
»Nicht wirklich.«
Im Fährmann gab es viel Holz in der Deko. Ein offener Kamin malte Gemütlichkeit in die Seelen der Gäste. Der Widerschein des Feuers tanzte auf dem Fußboden und der Decke. Die Karte war so, dass man von ihr nicht wählen sollte, wenn man ein Magenleiden sein Eigen nannte.
»Du wolltest es doch rustikal«, sagte Pöppelbaum, als er mich die Nase kräuseln sah. »Ich nehm die gemischte Bratenplatte und dazu Kartoffelgratin. Und erst mal ein Pils. Hoffentlich haben die hier was Vernünftiges.«
Kleist entschied sich für Buletten aus der Pfanne mit Senf und pikantem Gemüse und ich für Putengeschnetzeltes in Rahmsauce.
Die Portionen waren noch größer als im Westen. Dazu Wasser und Ossi-Wein. Der kam von der Saale und schmeckte gar nicht übel.
Wir redeten nicht viel. Unter dem Tisch griff Kleist mehrmals nach meiner Hand. Da er aber sämtliche Buletten vertilgte und sich sogar die Petersilie einverleibte, die eigentlich als Dekoration gedacht war, gab ich die leise Hoffnung auf einen erotischen Ausklang des Abends auf. Dafür trank ich ein wenig mehr von dem Wein.
Kurz nach dreiundzwanzig Uhr zogen wir uns zurück, nachdem wir einen Weckruf am Morgen um acht Uhr vereinbart hatten.
Mitten in der Nacht glaubte ich zunächst an eine Begegnung mit der seltenen Templiner Großtrappe. In einem wirren Traum spürte ich plötzlich Berührungen, die alles anderes als unangenehm waren.
»Hab ich etwa wieder geschnarcht?«, fragte ich und rückte näher zu Kleist.
»Genau. Ich wollte dich eigentlich nur dazu bringen, dich auf die andere Seite zu legen«, flüsterte er. »Dreh mir doch bitte mal den Rücken zu.«
Gut, dass es dunkel war – so konnte er mein amüsiertes Gesicht nicht sehen.
Ich brauchte noch eine Weile, bis ich so lag, wie er es gern hatte. Im Morgengrauen schließlich hatten wir die ideale Lage gefunden, aber nur noch drei Stunden Schlaf, bis der automatische Weckruf uns in den nächsten Tag spülte.
Eine Datscha wird erobert
»Wie siehst du denn aus?«, fragte Pöppelbaum, als er mich im Frühstücksraum entdeckte. »Ich dachte immer, Sex im Alter sei eine eher ruhige Angelegenheit.«
»Sex? Was ist das? Ich hab den Wein nicht so gut vertragen«, gab ich zu. »Leichte Kopfschmerzen sind das Ergebnis. Aber nach zwei Tassen Kaffee gibt sich das wieder.«
Als ich vom Büfett an den Tisch zurückkam, setzte sich Kleist gerade.
»Na, hat Grappa geschnarcht?«, grinste Wayne.
»Ich konnte nicht darauf achten. Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, wie man am besten mit Menschen umgeht, die mit sinnlosen Fragen nerven.«
Ups, dachte ich, das sitzt. Kleist hatte Wayne an die Stelle zurückgeschubst, die ihm zustand.
»’tschuldigung«, stammelte Pöppelbaum. Er wirkte bedröppelt. Während Kleist sich am Frühstücksbüfett bediente, meinte er: »Ich hab das Gefühl, dein Freund mag mich nicht besonders.«
»Das kann sein«, gab ich zu. »Aber mach dir nichts draus. Du bist ja mit mir hier.«
Um neun Uhr waren wir mit dem Frühstück fertig und angriffsbereit. Kleist hatte mit drei Kollegen von der Prenzlauer Kripo ein Treffen hundert Meter von Madigs Datscha entfernt ausgemacht.
Das Haus, das Mobby Madig dem Stasioffizier für kleines Geld abgeluchst hatte, stand am Lübbesee. Das war ein Gewässer südlich vom Fährsee. Wir fanden den vereinbarten Treffpunkt, der vom Haus aus nicht einzusehen war, ohne Probleme.
»Haltet euch bei der Aktion im Hintergrund«, bat Kleist. »Und bevor du es sagst, Maria: Die Anordnung ist keine Beschränkung der Aufgabe der freien Presse in einem demokratischen Staat, sondern eine reine Vorsichtsmaßnahme. Elberberg weiß, dass wir ihn suchen. Vielleicht weiß er auch schon, dass sein Komplize ein Geständnis abgelegt hat. Also hat er nichts mehr zu verlieren.«
»Wie nah können wir denn ans Haus heran?«, fragte Pöppelbaum.
»Gar nicht. Ihr bleibt hier. Es ist möglich, dass wir das Haus stürmen. Aber vielleicht kommt alles auch ganz anders. Die Prenzlauer Kollegen beobachten das Anwesen schon eine ganze Weile. Das Gebäude scheint verlassen zu sein, allerdings ist das Polizeisiegel beschädigt.«
»Hoffentlich liegt Brinkhoffs Leiche nicht da drin.« Mich gruselte es.
»Alles, was es zu sehen gibt, können Sie im Anschluss an die Polizeiaktion fotografieren, Herr Pöppelbaum«, sagte Kleist. »Ich will Sie nicht in der Nähe des Hauses sehen. Ist das klar?«
Wir versprachen, brav zu sein. Kurz darauf waren die vier Polizisten im Wald verschwunden.
Nun stand ich mit Pöppelbaum unter den Bäumen des Waldes und konnte Natur pur genießen. Girlitze spielten in den Buchen, ein Käuzchen sandte uns seinen krächzenden Ruf. Auf der Lichtung zeigte sich ein scheues Reh und floh dann ins Unterholz. So ein Morgen im Wald hatte was! Die Luft war feucht und rein, duftete nach Latschenkieferbad und Holzfeuer.
»Schau mal, die rote Waldameise!«, rief ich erfreut und deutete auf einen aufgehäuften Hügel, auf dem Hunderte von Insekten krabbelten. »Wusstest du eigentlich, dass es in einem Ameisenstaat eine ausgeprägte Arbeitsteilung gibt? Wie bei uns in der Redaktion.«
»Wie spannend, Grappa«, maulte Pöppelbaum – die Ohren Richtung Madig-Datscha weit geöffnet.
»Am zahlreichsten sind die Arbeiterinnen. Das sind unfruchtbare Ameisen ohne Flügel. Und schließlich gibt es die Königinnen. Einige Hundert. Nur die können Eier legen.«
»Ich halte es hier nicht aus«, meinte Wayne und trat von einem Bein auf andere. »Ich muss zum Haus!«
»Du bleibst hier!«, befahl ich unmissverständlich. »Ich bin noch nicht fertig mit meinen Ausführungen. Denn jetzt wird es erst richtig interessant – besonders für dich.«
»Wieso das denn?«, schnaubte er. »Ich dachte, du willst mich mit der Großtrappe verkuppeln.«
»Im Juni paaren sich die Königinnen mit den geflügelten Männchen auf einem Hochzeitsflug«, machte ich unbeirrt weiter. »Bei der Begattung erhält jede Königin einen Spermienvorrat, der etwa zwanzig Jahre reicht. So lange leben die Königinnen nämlich.«
»Du spinnst, Grappa! Wo bewahren die Sperma für zwanzig Jahre auf?«
»Im Ameisenkühlschrank. Und da die Männchen natürlich völlig nutzlos für den Ameisenstaat geworden sind, werden sie gnadenlos gemobbt und aus dem Hügel vertrieben.«
»Ach, deshalb heißt Madig Mobby mit Vornamen!«, rief Wayne aus. »Weil er das Mobben der Männerameisen erfunden hat.«
Na, endlich blödelt er mit, dachte ich, lange genug hat es ja gedauert.
»Die Männchen sterben an gebrochenem Herzen und exzessiver Spermaabgabe, die Königinnen streifen ihre Flügel an vorhandenen Sollbruchstellen ab und kehren in ihr Nest zurück. Und alles geht im nächsten Jahr von vorne los. Hält die Natur nicht wunderbare Erlebnisse für uns bereit?«
»Ja, Grappa«, muffelte er. »Und während das Ameisenmännchen den Löffel abgibt, geht uns diese Geschichte hier durch die Lappen. Was glaubst du, was mir Jansen erzählt, wenn ich ohne Fotos nach Hause komme?«
Bevor ich mir eine passende Antwort überlegen konnte, rührte sich was im Wald. Kleist und seine drei Begleiter bogen um die Kurve des Waldweges. Sie hatten keinen fünften Mann bei sich.
»Und?«, fragte ich. »Was ist passiert?«
»Brinkhoff war in dem Haus«, antwortete Kleist. »Wir haben sein Handy dort gefunden. Ich nehme an, dass er es versteckt hat, denn es lag hinter einer Tür. Von ihm selbst leider keine Spur.«
Das Funkgerät, das sich in der Hand eines Prenzlauer Polizisten befand, meldete sich. Ich konnte nicht verstehen, um was es ging.
Kleist informierte sich und unterrichtete uns: »Der rote Opel ist aufgetaucht. Er steht am Ufer des Sees. Verlassen.«
Wie besoffen kann man sein?
Die Prenzlauer Polizisten hatten den roten Opel auf einen Abschlepper laden lassen und waren damit abgezogen. Kriminaltechniker würden ihn auf Spuren untersuchen.
Kleist, Pöppelbaum und ich waren an den See bei der Datscha zurückgefahren und saßen in einem einfachen Café am Ufer. Der See war wunderbar blau und sein Wasser kräuselte sich leicht. Idylle. Entspannung. Freier Gedankenfluss.
Wir redeten kaum. Die Sorge um Brinkhoff beschäftigte uns. Wo konnte er sein? Uns fiel keine Möglichkeit mehr ein, sinnvoll nach ihm zu suchen. Der Frust drückte auf die Stimmung. Ab und zu startete ein Boot vom Ufer und fuhr auf den See hinaus.
Ein Segelboot fiel auf. Es wechselte ständig die Richtung. Anscheinend übte der Skipper das Kreuzen. Das Boot war weiß und hatte gelbe Segel. Ich entzifferte den Namen des Bootes. Cora.
Natürlich ein Zufall. Lady Cora war nur einmal an diesem Ort gewesen – damals zusammen mit drei weiteren Callgirls, um Mobby Madig und Erwin Debill die Sommerfrische zu versüßen. Mühsame Handarbeit – so hatte sie sich ausgedrückt. Weil die Herren nicht mehr ganz auf dem potenten Posten waren.
Ein Boot. Cora. Drum herum war nichts, keine Stadt, wo man wenigstens mal hätte shoppen gehen können. Alles, was Anna Wachowiak mir über die Woche am See erzählt hatte, ging mir durch den Kopf. Ich schloss die Augen.
»Ist dir nicht gut, Maria?«, hörte ich Kleist aus weiter Ferne fragen.
Manchmal tut man Dinge, ohne dass man vorher weiß, was man damit erreichen möchte. Ich kramte mein Handy heraus und rief das Telefonbuch auf. Cora. Ich stellte die Verbindung her.
»Hier Grappa. Können Sie sprechen, Anna?«
»Ja, ich bin allein.«
»Erinnern Sie sich doch bitte mal an die Woche in der Datscha in Ostdeutschland«, sagte ich. »Sind Sie die ganze Zeit mit Madig und Debill im Haus geblieben?«
»Ja, fast. Oder im Garten natürlich.«
»Sie haben keine Ausflüge gemacht?«
»Nein. Die wollten nicht mit uns gesehen werden. Ist doch klar.«
»Aber der See ist doch wunderschön«, sagte ich. »Ich sitze gerade an seinem Ufer. Da gibt es ein Café, einen Bootsverleih und einen kleinen Hafen.«
»Oh. Doch. Die Stelle kenne ich. Wir waren auf einem Boot.«
»Gehörte es Madig?«
»Weiß ich nicht. Kann aber sein.« Sie überlegte. »Er kannte das Schiff und wusste, wie man damit umgeht. Aber wir waren nur einmal draußen. Zwei von den Mädchen wurden seekrank.«
»War es ein Segelboot? Oder ein Schiff mit Motor?«
»Es hatte einen Motor und eine Kajüte.«
»Können Sie sich an den Namen erinnern? Die Farbe? An irgendwas?«
»Weiß. Mit Rot. Es hatte einen komischen Namen. Besoffen – oder so.«
»Besoffen?« Ich verstand nur Bahnhof.
»Es hieß nicht Besoffen, aber der Name des Schiffes bedeutete genau das«, erzählte Anna. »Ich kannte das Wort nicht und Mobby meinte, dass es ein anderer Ausdruck für Besoffen sei. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Welche Synonyme für besoffen gibt es?«, fragte ich die beiden Männer, als ich das Telefonat beendet hatte. Beide machten keine besonders intelligenten Gesichter. Ich erklärte ihnen den Zusammenhang.
Berauscht. Betrunken. Angeheitert. Blau. Volltrunken – mehr fiel uns nicht ein.
»Das Boot liegt hier am See«, sagte ich. »Es muss größer sein als diese kleinen Jollen dort. Weil es nämlich eine Kajüte hat. Und in einer Kajüte kann man einen Menschen gefangen halten. Zumindest so lange, bis man ihn entsorgt. Möglicherweise irgendwann nachts auf dem See. Einfach ins Wasser mit ihm. Und fertig. Ein Mord ohne Motiv.«
»Du meinst, Brinkhoff taucht als Wasserleiche wieder auf?« Pöppelbaum war bleich geworden.
»Vielleicht kommen wir ja noch rechtzeitig.« Ich stand auf. »Kommt, Jungs! Wir trennen uns und gucken uns die Namen der Boote an, die hier am Ufer liegen. Wenn es bei einem von uns klingelt, verständigen wir uns per Handy.«
»Anscheinend hast du jetzt das Kommando, Maria«, meinte Kleist. »Aber deine Idee ist nicht schlecht. Jedenfalls besser, als gar nichts zu tun. Wir machen es so: Pöppelbaum geht nach rechts, Maria nach links. Ich nehme das Auto, fahre noch einen Kilometer weiter nach links und gehe dann nach rechts. Wenn einer von uns etwas findet: Keine Alleingänge! Verstanden?«
Die Suche geht weiter
Sea Queen. Katharina. Clara Zetkin. Seepferdchen. Muttis Liebling. Die Fantasie bei der Vergabe von Schiffsnamen kannte keine Grenzen. Pantoffelheld, Madonna, Poseidons Paradise, Keen Tied, Neunundsechzig.
Kleist und Pöppelbaum hatten sich am weitesten von einander entfernt, ich war etwa in der Mitte des Hafens geblieben und arbeitete mich langsam Richtung Kleist vor. Mein Handy lag locker in meiner Jackentasche.
Rosemarie. Elisabeth. Maria. Vanessa. Jaqueline. Besoffen hörte sich das nicht an.
Mein Handy meldete sich. »Hackenstramm!«, schrie Pöppelbaum mir ins Ohr. »Hackenstramm!«
»Wo bist du?«
»Zweihundert Meter rechts von dir. Sag Kleist Bescheid.«
»Hackenstramm!«, schrie ich Kleist ins Ohr. »Wayne hat das Boot entdeckt. Kannst du zu mir kommen? Ich warte auf dich.«
Es dauerte nur fünf Minuten, bis Kleist bei mir war. Arm in Arm – wie ein Paar auf Verdauungsmarsch – spazierten wir am Ufer entlang. Plötzlich sahen wir Wayne. Er stand zwischen den Kiefern und winkte uns zu.
»Eins der letzten Boote. Da hinten.«
»Na los. Entern«, schlug ich vor.
»Sollten wir nicht erst prüfen, wem es gehört?«, wandte Kleist ein. »Ich gebe den Kollegen in Prenzlau den Namen durch und die können dann bei der Wasserschutzpolizei nachfragen …«
»Ja, ja«, unterbrach ich ihn. »Und übermorgen haben wir die Antwort. Und dann ist Brinkhoff tot.«
»Vielleicht hat dieses Boot überhaupt nichts mit unserem Fall zu tun!«, versuchte es Kleist noch einmal.
»Ich geh da jetzt drauf«, kündigte ich an. »Und du kommst mit, Pöppelbaum. Und was du machst, Kleist, ist mir gerade ziemlich egal.«
Wild entschlossen ging ich auf das Boot zu. Es war über einen hölzernen Steg erreichbar. Nichts ließ darauf schließen, dass hier kürzlich ein Mensch seinen Fuß draufgesetzt hatte.
Ich sprang auf die Planken. Kleist und Pöppelbaum waren mir gefolgt und standen noch oben.
Ich drückte die Klinke zur Kajüte – die Tür war abgeschlossen. Ich musste sie aufkriegen – aber wie? Notfalls mit Gewalt.
Ich suchte nach einem schweren Gegenstand, mit dem ich das Schloss einschlagen konnte.
»Warte, Maria!« Kleist sprang neben mich, zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und machte sich mit einem länglichen Metallstück an dem Schloss zu schaffen. »So wird der Schaden, den wir später ersetzen müssen, nicht ganz so groß.«
Er fummelte, zog und zupfte und schaffte es tatsächlich, die Tür zu öffnen. Verbrauchte Luft schlug uns entgegen. Zum Glück kein Leichengeruch.
»Bitte schön, die Dame!« Kleist hielt mir die Tür auf. »Treten Sie ein!«
»Ich?«
»Ja. Wolltest du nicht das Boot kapern?«
Vorsichtig nahm ich die beiden Stufen nach unten. Das Licht war schummrig. Ich sah einen Tisch, eine Kochplatte und Schränke. Auf dem Boden standen ein Bierkasten und einige leere Weinkisten.
»Nichts«, rief ich. Neben dem eingebauten Schrank befand sich eine Tür. Ich öffnete sie vorsichtig. Die Luft war noch bedeutend schlechter als die in der Kombüse und es war noch dunkler.
Ich tastete nach einem Schalter und fand ihn. Vier schmale Betten, jeweils zwei übereinander. In einem der unteren bildete das Bettzeug einen Haufen. Lag es an der Bewegung des Bootes, dass sich eines der Kissen bewegte? Ich ging näher. Der Gestank wurde unerträglich, aber es war nicht der Geruch von verwesendem Fleisch.
»Lass mich.« Kleist drückte mich zur Seite und zog das Bettzeug fort. Ein Mensch war darunter verborgen. Gefesselt und mit verklebtem Mund.
»Brinkhoff«, murmelte Kleist. »Wir haben ihn.«
Er drückte seinen Finger an die Halsschlagader des Gefangenen. »Er lebt. Aber es geht ihm nicht gut.«
Ein Rettungshubschrauber flog Brinkhoff ins Krankenhaus. Wir folgten mit dem Auto, setzten uns ins Wartezimmer und warteten. Ein Gespräch wollte sich nicht entwickeln. Lesen war unmöglich. Also Warten pur sozusagen. Nur Kleist ging ab und zu raus und telefonierte. Vermutlich wegen Elberberg. Meine Gedanken waren bei Brinkhoff.
Schließlich kam der Arzt und sagte etwas von Umständen, denen etwas entsprach. Dann durften wir alle drei zu Brinkhoff, aber nichts fragen. Der Arzt blieb dabei und passte auf. Brinkhoff hatte die Augen offen, erkannte uns und hob grüßend zwei Finger. Fast sah es aus wie das Victory-Zeichen.
Er flüsterte nur, aber wir konnten seine Worte verstehen. »Elberberg hat mich erwischt … und … nicht mehr der Jüngste …« – Der Arzt scheuchte uns hinaus.
Kleist berichtete von dem Ergebnis seiner Telefonate. »Ein internationaler Haftbefehl gegen Elberberg ist ausgestellt. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass wir ihn kriegen.«
»Wem gehört eigentlich das Boot?«
»Elberberg. Ein Geschenk seines Vaters zum Abitur. Und wenn das Schiff nicht so einen geschmacklosen Namen hätte, wäre es uns nie aufgefallen«, sagte Kleist. »Das mit dem Boot hast du wunderbar gemacht, Maria! Du hast eine gute Spürnase und riskierst was. Von dir kann sogar ich noch etwas lernen.«
Ich freute mich über das Kompliment.
Pöppelbaum grinste. »Jedenfalls hab ich genug Fotos, um eine absolut spannende Geschichte zu bebildern. Falls du sie schreibst, Grappa.«
»Klar schreib ich die«, versprach ich. »Einiges werde ich weglassen, aber die Rettung von Anton Brinkhoff und die Aufklärung des Hochzeitsmordes wird die Bierstädter Leser bestimmt nicht langweilen. Und Mobby Madig bekommt auch noch eine Packung. Er hat die beiden zwar nicht umgebracht, aber ihrem Mörder geholfen.«
Kleist führte den Gedanken fort. »Ja. Falsche Geständnisse verwirren, weil sie nicht erwartet werden. Wozu macht der das? Jedenfalls nahm es die Luft aus den Ermittlungen.«
Pöppelbaum hatte eine Eingebung. »Es kann nur so sein, dass Madig seltsamerweise doch fest auf die Justiz vertraut. Er war sich wohl sicher, dass er für den Mord an dem Paar nicht verurteilt werden konnte, weil er es einfach nicht getan hat. Sein Geständnis ist eine Ablenkungsblase mit Rückversicherung. Wahrscheinlich hat er für den Hochzeitsmord ein knallhartes Alibi.«
Das leuchtete mir ein. »Das wäre typisch für seinen tollen Anwalt, diesen Rüttelstein-Siegert.«
Weil uns der Arzt versichert hatte, dass Brinkhoff bald folgen konnte, machten Wayne und ich uns noch am Abend auf den Heimweg nach Bierstadt. Kleist hatte noch in Templin zu tun. Ein Flug war nicht mehr zu bekommen. Wir gaben den Mietwagen am Bahnhof zurück und nahmen den Intercity. Der brauchte etwas mehr als vier Stunden von Berlin nach Bierstadt. Pöppelbaum und ich waren kurz nach Mitternacht zu Hause.
Zurück zu Hause
Ich schlief lange und traumlos. Zum Glück war Samstag und ich konnte meinen Artikel in Ruhe vorbereiten. Natürlich waren die Meldungen über Brinkhoffs Befreiung und die Flucht des Hochzeitsmörders noch in der Nacht über die Agenturen gegangen, sodass die Radio- und Fernsehnachrichten bereits Samstag früh darüber berichteten. Doch außer den nackten Fakten hatten sie keinerlei tiefere Einsichten.
Ich ordnete meine Erlebnisse und telefonierte mit Kleist, um zu erfahren, ob Brinkhoffs Genesung Fortschritte machte.
»Er hat es erstaunlich gut überstanden«, berichtete Kleist. »Natürlich war er sehr ausgetrocknet durch die mangelnde Flüssigkeitszufuhr. Ich soll dich ganz lieb grüßen. Er wird nie vergessen, dass er sein Leben deiner Hartnäckigkeit verdankt.«
»Nicht der Rede wert. Dafür hab ich ihn auch oft geärgert in den letzten Jahren.«
»Ja, davon hat er auch gesprochen«, lachte Kleist.
»Wann kommst du zurück?«
»Sobald hier alles geregelt ist. Es gibt übrigens Neuigkeiten.«
»Ach ja? Soll ich deine Pressestelle anrufen?«
»Nein. Diesmal erfährst du es aus erster Hand«, antwortete er. »Der flüchtige Dealer der Jessica Brühl ist festgenommen worden. In Istanbul. Versuchter Drogenschmuggel.«
»Und? Bleibt er dabei, dass er Brühls Mörder ist?«
»Genau das ist der Punkt«, sagte Kleist. »Er hat sein Geständnis widerrufen.«
»Sag jetzt nichts, denn ich weiß es schon«, unterbrach ich ihn. »Madig hat ihm Geld gegeben, damit er den Mord auf sich nimmt.«
»Bingo. Die Ermittlungen gegen Madig werden also wieder aufgenommen. Er wird erneut einkassiert.«
Am Abend öffnete ich eine Flasche Wein von der Saale. Ich hatte sie am Berliner Bahnhof gekauft. Sie war so durchgeschüttelt, dass sie fast moussierte. Dann stellte ich den Fernseher an. Gleich fühlte ich mich ganz zu Hause, denn ein Film über eine Ordensverleihung wurde anmoderiert. Der Geehrte war niemand anders als Mobby Madig. Und er bekam ihn für seine progressive SPD-Personalpolitik besonders im Hinblick auf die elegante Entsorgung des Bierstädter Oberbürgermeisters Jakob Nagel.
Verliehen wurde der Preis von einem Laien-Kabarettisten-Club, der mit seinen zweifelhaften humoristischen Auftritten auf kleinen Bühnen tingelte. Der Orden hatte den Namen Pannekopp, der Ruhri-Bezeichnung für Doofmann.
Es war nicht das erste Mal, dass dieser Orden verliehen wurde. Aber die Preisträger hatten bisher sämtlich darauf verzichtet, ihn tatsächlich entgegenzunehmen. Nicht so Mobby Madig. Entsprechend deutlich war das Aufkommen an Presse. Das lokale Fernsehen übertrug das Ganze live. Madig trat nach der Laudatio und der Übergabe des Preises in die Bütt, um seine Dankesrede zu halten.
Dazu kam es jedoch nicht. Zwei uniformierte Polizisten erschienen auf der Bühne, legten Madig Handschellen an und führten ihn hinaus. Den kleinen Pannekopp trug einer der Beamten für ihn. Der Kommentator verstand die Situation nicht. Er hielt die Vorgänge für eine der Kabarettnummern und erging sich in Spekulationen darüber, welche Art von Gag so ein Auftritt wohl darstellen sollte. Ich hörte mich sagen: »Tschüss, Doofmann«, und prostete ihm hinterher.
Worte mit Echo
Am Sonntag fuhr ich früh zur Redaktion. Peter Jansen hatte sich für den Mittag angekündigt. Ich schlenderte durch die leeren Räume. Unter den Faxen fand sich nichts Besonderes. In meinem dienstlichen Mailaccount stapelten sich die Nachrichten. Ich löschte alles, was unwesentlich war. Ich war fast fertig, als eine weitere Mail einging. Ich erstarrte. Der Absender war weddingplanner. Aldwin von Elberberg meldete sich – von wo aus auch immer.
Die Mail war kurz:
Das Verbrechen wird verherrlicht, weil es eine der schönen Künste ist, weil es nur das Werk von Ausnahmenaturen sein kann, weil es die Monstrosität der Starken und Mächtigen enthüllt, weil auch noch die Ruchlosigkeit ein Privileg ist.
Wieder eine Verharmlosung einer der schlimmsten Handlungen, die ein Mensch begehen kann, dachte ich. Der Kerl war unbelehrbar.
Ich gab den Anfang der Mail in eine Suchmaschine ein und erfuhr, dass der Satz von Michel Foucault stammte.
Ich schob den Gedanken an den flüchtigen Mörder beiseite, um mich auf meinen Artikel konzentrieren zu können. Eine Stunde lang schrieb ich, ohne mir eine Ablenkung zu gönnen.
Als Jansen gegen Mittag in die Redaktion kam, brachte er zwei Pizzen und zwei Schachteln mit frischem Salat mit.
Wenig später erschien auch Pöppelbaum. Er hatte die Fotos von unserem Ausflug zu den Templiner Seen zu Hause bereits gesichtet und die besten Bilder herausgesucht.
Madigs Haus, das Boot, die Kajüte. Brinkhoff, wie er auf der Bahre lag. Und ein Foto vom abfliegenden Rettungshubschrauber. Kleist im Gespräch mit den Prenzlauer Kollegen. Kleist und ich auf dem Boot. Der Schriftzug Hackenstramm. Und natürlich Aufnahmen von der wunderbaren Landschaft der Uckermark.
»Ich habe alle Fotos auch an Sven vom Kurier geschickt«, teilte Wayne mit. »Ich soll dich herzlich grüßen. Sie wollen deinen Artikel genau so abdrucken, wie du ihn schreibst. Er meldet sich noch per Mail oder ruft an.«
»Klappt ja alles prima«, freute ich mich. »Meinen Artikel könnt ihr im Redaktionsordner lesen. Ich koche derweil ein paar Liter Kaffee.«
Ich hatte die Geschichte in mehrere Teile aufgeteilt: Eine Auflistung der Verbrechen, die bisherigen Ermittlungsergebnisse inklusive der Festnahme des Dealers in Istanbul und die aufregende Befreiung des Anton Brinkhoff.
Der Kaffee wirkte nicht. Ich war auf eine seltsame Art erschöpft, doch meine Sinne waren trotzdem geschärft. Das Licht erschien mir heller als sonst, die Geräusche lauter. Die Sätze, die Jansen und Pöppelbaum von sich gaben, während sie lasen, prallten an meiner Hirnschale ab.
»Grappa, was ist los?«, fragte Jansen plötzlich. »Du bist ja weiß wie die Wand und deine Lippen sind blau.« Seine Worte hatten ein Echo.
»Ich fühle mich auch merkwürdig«, stotterte ich. »Wie in Trance. Ich glaube, ich kriege eine Grippe oder so was.«
Jetzt rumorte es in meinem Magen. Mir wurde speiübel. Ich schaffte es noch gerade zum Klo. Dort kotzte ich mir die Seele aus dem Leib. Als der Anfall vorbei war, zitterte ich am ganzen Körper.
»Ich bringe dich nach Hause«, kündigte Jansen an. »Pöppelbaum, du fährst mit Grappas Schlitten hinter mir her.«
»Wir müssen doch das Layout für die Seite noch besprechen«, wandte ich ein.
»Das kann ich auch allein machen. Soll ich einen Arzt rufen?«
»Bloß nicht. Ich will nur schlafen, schlafen und nochmals schlafen.«
Eine halbe Stunde später lag ich im Bett. Die Sonne strahlte. Ich zog die Gardinen vor und kuschelte mich ein. Alle Verbrecher dieser Welt konnten mich mal.
Bitte keine Blumen
Achtzehn Stunden hatte ich noch nie an einem Stück geschlafen. Ich erwachte, weil mein Handy nicht aufhören wollte zu klingeln. Es war zehn Uhr.
»Ja?«
»Hier Milva«, dröhnte es aus dem Telefon. »Deine Story ist der Hammer. Ja, wirklich!« Sie kicherte ihr kratziges Lachen. Aber dieses Mal störte es mich nicht, sondern ich war amüsiert.
»Hackenstramm!« Sie grölte. »Auf so einen Namen muss man erst mal kommen. Und weißt du was? Mein Verlag hat den Gies in seine schäbigen Einzelteile zerhauen. Wir wollen hunderttausend Euro von dem Sack. Der backt jetzt ganz kleine Brötchen. Er beschuldigt Madig, ihn zu der Bilderfälschung angestiftet zu haben. Und Madig behauptet, von Gies angestachelt worden zu sein. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – und schlägt sich dann doch wieder. Und der Dealer von der Brühl hat sein Geständnis zurückgezogen. Jetzt hängt Madig wieder in der Uhr. Sag mal, hörst du mir eigentlich zu? Hallo!«
Hörte ich ihr zu? Ich wusste es nicht. »Milva, entschuldige. Ich bin krank. Können wir später reden?«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte ich den Hörer auf. In der Küche warf ich die Kaffeemaschine an und drückte auf Latte macchiato. Das Geräusch der aufschäumenden Milch und das Mahlen der Bohnen vermittelte mir ein Gefühl der Geborgenheit.
Wieder klingelte mein Mobiltelefon. Lustlos nahm ich den Anruf an. Es war Kleist. »Wir sind auf dem Weg nach Hause.«
Seine Stimme löste ein gutes Gefühl in mir aus.
»Brinkhoff sitzt neben mir. Er wollte nicht länger in Templin bleiben. Wie geht es dir?«
»Ich weiß nicht. Aber ich glaube, ich habe heute frei.« Ich war noch nicht wieder ganz bei Besinnung. »Geht es Brinkhoff wirklich gut?«
Kleist beruhigte mich. »Keine bleibenden Schäden.«
Das genügte mir nicht. »Ich möchte mich selbst davon überzeugen.«
»Soll ich ihn dir vorzeigen?« Ich konnte hören, dass er sich amüsierte.
Das war mir aber egal. »Ja. Gut. Das wäre genau richtig.«
»Warte mal, ich frage ihn.« Im Hintergrund hörte ich Gemurmel. Dann wieder Kleists Stimme. »Wir kommen gern, aber du musst uns füttern.«
»Das ist in Ordnung. Keine Probleme.«
»Sollen wir etwas mitbringen?«
»Nein. Kommt einfach her. Und bitte: keine Blumen. Blumen sind schön. Aber nur, wenn sie in der Erde stecken.«
Frühheimkehrer
Brinkhoff sah noch etwas bleich aus, doch er konnte allein gehen. Er setzte sich in meinen bequemsten Stuhl.
»Erzählen Sie«, bat ich. »Ein Glas Wein dazu?«
»Haben Sie auch Bier?«
Ich hatte. Er goss das Blonde ins Glas und trank. Dann erzählte er: »Ich habe sehr lange über Elberberg nachgedacht. Ich wusste ja von den kleinen Sünden, die er im Osten begangen hatte. Es war klar, dass ein so geltungssüchtiger Typ nicht erst in unserem Bierstadt wirklich aktiv wird. Solche Charaktere haben immer ein Dilemma. Er will den Ruhm des Ausnahmemenschen, der tötet. Aber er will auch nicht erwischt werden.«
»Woher wussten Sie, dass er aus Bierstadt abgehauen ist?«, fragte ich.
»Ganz alte Polizeischule: Observation. Als Elberberg den Flug nach Berlin buchte, war mir klar, dass er sich absetzen wollte. Ich bin hinterher. War sogar im selben Flugzeug.«
»Hat er denn keinen Verdacht geschöpft?«
Brinkhoff stöhnte und änderte seine Haltung im Sessel. »Muss er wohl. Beinahe hätte ich ihn verloren, weil ich einen Wagen mieten musste, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. Spätestens da bin ich ihm wohl aufgefallen. Und die rote Farbe des Opels half auch nicht gerade, mich unauffällig zu machen. Ich verfolgte ihn nach Templin. Dort begab er sich in ein Haus. In der Ritterstraße.«
»Da hat er eine Wohnung«, warf Kleist ein. »Wir haben sie durchsucht, aber nichts Auffälliges gefunden. Nicht mal morbides Geschreibsel.«
»Apropos Geschreibsel. Ich hab wieder eine Mail von ihm bekommen«, sagte ich. »Ein Zitat von Foucault. Moment.« Ich hatte den Zettel an die Pinnwand geheftet. »Das Verbrechen wird verherrlicht, weil es eine der schönen Künste ist, weil es nur das Werk von Ausnahmenaturen sein kann, weil es die Monstrosität der Starken und Mächtigen enthüllt, weil auch noch die Ruchlosigkeit ein Privileg ist.«
»Mord als Kunstform, die nur von Ausnahmenaturen wie Aldwin von Elberberg ausgeführt werden kann.« Kleist schüttelte den Kopf.
»Jedenfalls befindet er sich noch in zivilisierten Gefilden«, stellte ich fest. »Sonst hätte er die Mail nicht schicken können.«
»Zum See ist er nicht mehr zurückgekommen«, erzählte Kleist. »Die Kollegen haben vergeblich gewartet.«
Ich warf Pasta in kochendes Wasser. Die Sauce war in der Hauptsache ein Fertigprodukt aus dem Glas. Ich hatte sie mit Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern aus dem Garten etwas aufgemotzt.
»Wie ging es denn weiter mit Ihnen, Herr Brinkhoff?«
»Ich hatte die ganze Nacht vor dem Haus verbracht – im Mietwagen. Ganz früh am Morgen fuhr Elberberg plötzlich weg. Ich folgte ihm. Die Strecke führte durch Wälder und an kleinen Seen vorbei. Dann hielt er vor einem Gebäude, das von einem Park umgeben war. Piekfein, das Ganze. Er ging durchs Tor und ich wartete erst mal. Hätte ja sein können, dass er mit jemandem verabredet war.«
»War das Madigs Hütte?«, fragte ich.
Kleist nickte. »Elberberg hatte wohl einen Schlüssel zu dessen Landhaus.«
Brinkhoff hustete heftig. Ganz wiederhergestellt war er wohl doch nicht. Oder lag es am kalten Pils?
»Nach einer halben Stunde schlich ich mich ans Haus heran und riskierte einen Blick durch die Fenster«, berichtete Brinkhoff. »Plötzlich spürte ich den Lauf eines Gewehres in meinem Rücken. Ich hatte mich tatsächlich von dem Bürschchen austricksen lassen. Bin wohl doch etwas aus der Übung.«
»Was hat Elberberg gesagt?«
»Nicht viel. Er meinte, dass meine Anwesenheit seine Pläne durcheinanderbringen würde. Ich fragte natürlich, was er für Pläne habe. Aber er lächelte nur merkwürdig. Dann zwang er mich, zum See zu gehen und in das Boot zu steigen. Es war dunkel und wir waren allein. Er bot mir keine Gelegenheit, ihm das Gewehr abzunehmen oder zu flüchten.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, meinte ich. »Mit einer Waffe im Kreuz sind die Fluchtmöglichkeiten ziemlich eingeschränkt.«
»Auf dem Boot versuchte ich, ihm das Gewehr aus der Hand zu schlagen. Klappte aber nicht. Er zog mir mit dem Kolben eins über.« Brinkhoff tastete nach dem Pflaster auf seinem Hinterkopf. »Und als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich verschnürt wie ein Päckchen auf dem Bett in der Kajüte. Und Elberberg war weg.«
»Und er überließ Sie einfach Ihrem Schicksal.« Ich goss das Nudelwasser ab und schüttete die Teigwaren in eine große Schüssel.
»Tja, und dann wurde die Zeit ziemlich lang. Ich dämmerte schließlich nur noch vor mich hin. Und dann hörte ich plötzlich Ihre Stimme, Frau Grappa«, fuhr Brinkhoff fort. »Ich dachte schon, dass ich völlig durchgedreht sei. Halluzinationen kurz vor dem Exitus oder so. Aber dann merkte ich, dass wirklich jemand auf dem Boot war.«
Ein enges Netz und mal wieder ein Geständnis
Das Netz um Aldwin von Elberberg war engmaschig geknüpft. Es gab einen internationalen Haftbefehl. Die Sippe derer von Elberberg versuchte zwar mithilfe ihrer Anwälte die Vorwürfe kleinzureden, doch das würde nicht gelingen.
Der Uckermark Kurier hatte in einer Serie damit begonnen, die ungeklärten Mordfälle der letzten Jahre zu beleuchten – in enger Zusammenarbeit mit der Polizei in Prenzlau und Berlin. Ob Elberberg für diese Taten verantwortlich war, würden die Ermittlungen zeigen.
In Bierstadt war der Mord an Jessica Brühl noch immer nicht zweifelsfrei aufgeklärt. Kleist flog eine Woche nach unserem Templiner Abenteuer nach Istanbul, um den Drogendealer zu vernehmen. Der wiederholte seine Aussage, dass er von Mobby Madig Geld erhalten habe, um den Mord zu gestehen und anschließend zu flüchten. Fast hätte es auch geklappt, doch wurde er am Flughafen mit Drogen erwischt.
Nach seiner Rückkehr lud Friedemann Kleist zur Pressekonferenz.
Pöppelbaum saß wieder zwischen Milva Grandi und mir. Sie war aufgebrezelt wie ein Gute-Laune-Hühnchen aus der Viva-Legebatterie: lila Stiefel, kurze weiße Shorts und ein zitronengelbes Top. Eine unmögliche Kombination, aber zu ihr passte sie.
Kleist und der Oberstaatsanwalt erschienen. Nach der üblichen Begrüßungs- und Vorstellungsarie dann die Fakten: »Der Beschuldigte P., der Jessica Brühl seit Jahren mit Drogen versorgte, hat in Istanbul eine Aussage zu Protokoll gegeben. Wie Sie wissen, hat uns das veranlasst, den Haftbefehl gegen Herrn Madig wieder in Kraft zu setzen«, erklärte der Oberstaatsanwalt. »Bitte, Herr Dr. Kleist.«
»Ja. Ich komme gerade aus Istanbul zurück und verlese nun die wichtigsten Passagen der Aussage des Herrn P.« Kleist setzte eine Brille auf. Ich hatte sie noch nie bei ihm gesehen.
»Ich besuchte Jessica Brühl in deren Wohnung. Sie hatte mir für den Tag die Zahlung von zehntausend Euro angekündigt. Dieses Geld schuldete sie mir für eine Kokainlieferung. In der Wohnung traf ich Herrn Madig an. Er war mir aus der Presse bekannt und ich wusste, dass er Kunde bei Frau Brühl war. Ich forderte das Geld, doch Frau Brühl konnte nicht zahlen. Sie entschuldigte sich damit, dass ihre Unterschlagungen entdeckt worden seien und man sie vom Dienst suspendiert hätte. Ich wurde wütend und drohte ihr, ein paar Freunde vorbeizuschicken. Daraufhin forderte Frau Brühl Herrn Madig auf, das Geld zu besorgen. Der lehnte das ab. Frau Brühl kündigte an, die Presse über ihn zu informieren. Sie habe nichts mehr zu verlieren und die Medien warteten nur auf eine solche Geschichte. Madig schlug Frau Brühl ins Gesicht und sie ging auf ihn los. Es gab ein Handgemenge. Ich verließ die Wohnung. Der Streit der beiden ging mich nichts an und mir war klar, dass ich mein Geld nicht bekommen würde. Später suchte Herr Madig mich auf. Er erzählte mir, dass er Frau Brühl erwürgt habe, und machte mir das Angebot, die zehntausend Euro zu bezahlen, wenn ich diese Tat auf meine Kappe nehmen und verschwinden würde. Das Geld habe ich in bar erhalten.«
Ein Raunen ging durch den Raum.
Kleist fuhr fort: »Wir gehen also davon aus, dass Herr Madig Frau Brühl im Streit getötet hat. Ich bin sicher, dass Herr Madig demnächst wieder mal ein Geständnis ablegen wird.«
»Dann kommt der Hundesohn ja mit Totschlag davon«, flüsterte Milva Grandi.
»Besser als gar nichts«, gab ich zurück.
Am Abend desselben Tages gestand Mobby Madig die Tat.
Aldwin von Elberberg ist bis heute flüchtig.
Epilog
Bierstadt hat gewählt.
Die mündigen Bürgerinnen und Bürger haben die Nase voll von Sozi-Filz und CDU-Gesülze. Sie haben die sogenannten Volksparteien erdrutschartig abgestraft und sich massenhaft den anderen Parteien zugewandt. Linke und Grüne zusammen haben die Mehrheit im Rat errungen. Die erste knallrot-grüne Koalition in der Bundesrepublik. Und ein Totgesagter ist zurückgekommen, wie das Sprichwort prophezeit: Jakob Nagel ist aus der SPD ausgetreten, hat als Parteiloser für das Oberbürgermeisteramt kandidiert und gegen seine Konkurrenten gewonnen. Nun kann er also doch noch den Hahn aufdrehen, um das erste Wasser in seinen Phönix-See hineinfließen zu lassen. Er kommt mit den neuen Machtverhältnissen im Rat gut klar. Kein Wunder, hat er doch immer seine eigene Politik gemacht und die anderen in die Tasche gesteckt. Sein Stellvertreter ist Moritz Ritter-Mensch.
Mobby Madig hat über viele Wochen versucht, sich einen Psychoschaden attestieren zu lassen, um nicht vor Gericht zu müssen. Vergeblich. Madig ist jetzt zuständig für die Gefängnisbibliothek. Mit allen Mitteln wollte er verhindern, dass dieses Buch angeschafft wird. Als der Verlag davon erfuhr, schickte er eine Spende von zwanzig Exemplaren an die Gefängnisverwaltung. Man hört, dass die allgemeine Stimmung im Knast seither fröhlicher geworden ist.
Rudi Gies ist mit einer Geldstrafe davongekommen. Milva Grandi hat ihn aber privatrechtlich am Wickel. Und das wünsche ich nicht dem schlimmsten meiner Feinde.