Die Großstadt und die anderen

Rostock

Mecklenburg-Vorpommerns einzige Großstadt liegt am Meer – ähnlich wie New York. Nur eine einzige Großstadt? Ist doch in Ordnung, weil auch die Bundesländer Bremen, Hamburg und Berlin nur eine Großstadt haben. Und auch das klitzekleine Saarland.

Etwas weniger als Lübeck, etwas mehr als Wismar – Rostock.

Wie sich das für eine Großstadt gehört, ist auch Rostock weltoffen und ein bisschen verrucht. Seine Weltoffenheit demonstriert es jedes Jahr aufs Neue, wenn die sturzbesoffenen Skandinavier zu Besuch sind. Stillschweigend und weltoffen empfangen die Rostocker ihre Nachbarn zu den Ereignissen Hanse Sail und Hansecenter. Bei der Hanse Sail handelt es sich um ein großes maritimes Event. Hunderte von großen Schiffen und Skandinaviern liegen dann im imposanten Ostseehafen herum und lassen sich bestaunen. Zum Ereignis Hansecenter lassen die Schweden und Dänen ihre Boote zu Hause und kommen in Bussen nach Rostock oder ins rostocknahe Bentwisch, um sich im Einkaufszentrum Hansecenter die Taschen mit Alkohol vollzupacken.

Während der drei Monate, die ich in Rostock wohnte, wurde mir schnell klar gemacht, dass sich in dieser Stadt alles um den Pornobrunnen (offiziell: Brunnen der Lebensfreude) abspielt. Treffen am Pornobrunnen, Klopperei am Pornobrunnen, Kaffeetrinken am Pornobrunnen, schnell noch mal ins Geschäft beim Pornobrunnen Dieser sagenumwobene Brunnen befindet sich in der Fußgängerzone vor dem historischen Universitätsgebäude, in denen sich einst Ma(r)x Planck und Albert Einstein Ehrenurkunden abholten. Leider verschwinden in Rostock viele Touristen nur allzu schnell in eine der beiden großen Einkaufspassagen (Entzugserscheinungen), anstatt erst einmal einen Blick auf die Fassaden der Häuser zu werfen, wie sich das gehört, und mal etwas über den Baustil im Reiseführer nachzulesen. Ich würde den Baustil laienhaft als zackig und bunt bezeichnen, vielleicht hanseatisch. Tatsächlich sind es Renaissance- und Barockhäuser neben der landestypischen Backsteingotik; alles gerne in Rosa, Blau, Gelb gehalten. Während die Eltern im Reiseführer blättern, können die Kinder über die Straßennamen kichern. Eselföterstraße, Kuhstraße und Faule Grube verbinden die Fußgängerzone Kröpi (Kröpeliner Straße) mit der Langen Straße, die vormals Erste sozialistische Straße. Zwischen 1953 und 1960 entstanden, stellt sie die erste Phase des DDR-Städtebaus dar. Sie sollte eine Magistrale als Aufmarschweg für machtvolle Demonstrationen sein.

Ich habe in Rostock vor allem zwei Entdeckungen gemacht. Zum einen herrscht hier ein angenehmer Lokalpatriotismus, eine freundliche und auch offene Atmosphäre, die mir mancherorts in Mecklenburg-Vorpommern fehlt. Zweitens habe ich festgestellt, dass mir die Altstadt Rostocks viel besser gefällt als das Zentrum. Ich kann gar nicht recht sagen warum, denn eigentlich sind dort nur ein paar Häuser, zwischen ihnen Kopfsteinpflaster, auf dem man ständig umknickt, zwei Kirchen und wenige Menschen. Vielleicht nennt man das Flair, was mich dort überrascht hat, oder Café Kiwi. Das Café Kiwi wird von der ehemaligen Olympiasiegerin im Turmspringen betrieben, die sich, wie sich das für einen in einer verruchten Stadt lebenden Promi gehört, im Playboy nackt zeigte. Da ist die aus dem ›Playboy, raunte es mir von allen Seiten zu, sobald sie irgendwo auftauchte. Der Rostocker hat den Stolz der Hansezeit, als die Rostocker Koggen die Weltmeere durchsegelten, nicht verloren, dachte ich. Als ich im Nachhinein erfuhr, dass die Fotos bereits 1996 im Playboy erschienen waren, verlor ich etwas von meinem gewonnenen Glauben, dass Mecklenburg-Vorpommern eine wahre Großstadt hat.

Ein Café mit Flair in der Innenstadt finden Sie übrigens im Hof des Klosters Zum heiligen Kreuz – das Café Kloster.

Der Rostocker selbst fährt gerne wie ein Großstädter in sein etwa zwölf Kilometer entferntes Ostseebad Warnemünde, um abseits des Großstadttrubels im Teepott einzukehren. Ein Klassiker der meck-pommerschen Restaurantszene, dessen Architektur etwas futuristisch wirkt. Als Kind dachte ich, dass ein vertrockneter Tintenfisch aus China auf dem Dach liegt (irgendwer muss mir das erzählt haben!?).

Warnemünde, um 1800 schon Belustigungsort der Rostocker genannt, wurde bereits 1326 von Rostock gekauft und stets bevormundet. Bis ins vorletzte Jahrhundert sollen die Einwohner nur den Beruf des Fischers oder Lotsen ausgeübt haben dürfen. Doch Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Warnemünde zu einem der bestbesuchten Seebäder Deutschlands. Die Einwohner beobachteten den neumodischen Trend, an die See zu fahren, skeptisch, reagierten jedoch geistesgegenwärtig und boten den seltsamen Menschen Zimmer in ihren heute noch existierenden Giebelhäusern entlang des Alten Stroms (damals eine der nur zwei vorhandenen Straßen) an. Als die Badegäste kamen, wollte man den Wohnraum erweitern und baute zu diesem Zweck die typischen Warnemünder Glaskästen an, über die Theodor Fontane schrieb:

Er (der Warnemünder Baustil) besteht darin, dass man an die Fronten der Häuser einen Glaskasten anklebt, der, unter den verschiedensten Namen auftauchend, als Balkon, Veranda, Pavillon, doch immer der alte Glaskasten bleibt, wovon das Sein oder Nichtsein aller Gäste und zuletzt ganz Warnemündes hängt. Diese gläsernen An- und Vorbaue geben dem Ort seinen Charakter und dem Badegast sein Behagen. Sie sind wirklich ein Schatz. Ob sie nach der Seite der Kunst hin noch eine Zukunft haben, muss abgewartet werden.

 

Die Rostocker Sieben

Die Zahl 7 spielt im Rostocker Stadtbild eine große Rolle. Es gibt sieben Wahrzeichen der Stadt, die Rostocker Kennewohrn:

 

Söben Toern to Sint Marien Kark,
Söben Straten bi den groten Mark,
Söben Doern, so da gaen to Lande,
Söben Kopmannsbrüggen bi dem Strande,
Söben Toern, so up dat Rathus stan,
Söben Klocken, so dakliken slan,
Söben Linnenböm up den Rosengoern
:
Dat syn de Rostocker Kennewohrn.

 

Sieben Türme der St.-Marien-Kirche,
Sieben Straßen bei dem großen Markt,
Sieben Tore, die in das Land führen,
Sieben Kaufmannsbrücken bei dem Strand,
Sieben Türme, die auf dem Rathaus stehen,
Sieben Glocken, die zugleich schlagen,
Sieben Lindenbäume im Rosengarten:
Das sind die Rostocker Wahrzeichen.

 

Bonuswahrzeichen: Fußballverein Hansa Rostock (7 plus 4 Spieler).

 

Tipp für einen Familienausflug: Wer nicht in den Zoo möchte, kann den Tag im IGA-Park Rostock verbringen, der 2003 mit der Internationalen Gartenbauausstellung entstanden ist.

Greifswald

Greifswald und Stralsund haben ein Köln-Düsseldorf-Ding miteinander zu laufen. Jeder schwört auf die Vorzüge seiner Stadt. Greifswald setzt auf Studentenflair und Stralsund versucht mit handfestem Seefahrercharme zu überzeugen. Auf den ersten Blick sind sich die beiden Hansestädte sehr ähnlich. In beiden dominieren Backstein und treppenförmige Giebelhäuser, als könne man auf ihnen bis in den Himmel hinaufspazieren. Die Kirchen tragen hier wie da die Namen St. Nikolai, St. Marien und St. Jakobi, und in den Schulen beider Städte finden sich mit Sicherheit ein Fiete und eine Wiebke. Sowohl die Stralsunder als auch die Greifswalder haben einen hübschen Hafen und eine Insel vor der Tür – die einen Rügen, die anderen Usedom. In beiden Städten finden die Ostseefestspiele statt, bei denen laut Programmheft weltberühmte italienische Melodien, mitreißende Opern, klassische Komödien und Theater für die ganze Familie an eindrucksvollen Spielorten zur Aufführung kommen. Wer sich gediegen satt essen will, tut das sowohl in Greifswald als auch in Stralsund im Braugasthaus Zum alten Fritz, in dem kupferfarbene Sudkesseln und rotbrauner Backstein eine Atmosphäre versuchen, oder im Wallensteinkeller, wo man einen Dolch in die Hand gedrückt bekommt und auf Besteck verzichten muss.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass das im Alten Fritz servierte Erfolgsbier Störtebeker in Stralsund gebraut wird. Dafür hat Wieck, ein Ortsteil Greifswalds, das schönste und größte Fischerfest Gaffelrigg. Stralsund hält mit dem Brauereihoffest, dem Open-Air-Highlight Mecklenburg-Vorpommerns dagegen. Hier traten unter anderem auf: Die Toten Hosen, Die Ärzte, Wir sind Helden, Sportfreunde Stiller, Mel C, Nena… (und wir befinden uns immer noch mitten in Mecklenburg-Vorpommern!). Greifswald hat seine Klosterruine Eldena, von dem berühmten Sohn Caspar David Friedrich in Szene gesetzt, aber Stralsunds Rathaus ist eine Wucht und nicht vergleichbar mit dem Greifswalder Pendant, Greifswald aber soll den schönsten Marktplatz Norddeutschlands haben, fein, na und? Stralsunds gesamte Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe. Greifswald hat die Universität und Stralsund das Ozeaneum, in dem man auch ganz viel lernen kann. Stralsund hat die Volkswerft, Greifswald das abgeschaltete Kernkraftwerk Lubmin.

Mit dem guten Gefühl, dass meine Heimatstadt nie einen Vergleich verlieren, geschweige denn scheuen müsse, und mit dem Versprechen, Greifswald gegenüber immer schön skeptisch zu bleiben, folgte ich nach dem Abitur dem guten Ruf der Ernst Moritz Arndt Universität. Während Studenten, die es per ZVS hierher verschlägt, zweimal heulen – einmal, wenn sie ankommen, einmal, wenn sie gehen –, weinte ich in Greifswald nie. Im soziokulturellen Zentrum St. Spiritus erlebte ich meine ersten bunten Abende, machte Bekanntschaften mit damenbärtigen Damen und folkigen Folkern, mit Rastazöpfen und Fotografien in Schwarz-Weiß. Kurz: Ich entdeckte die Vorzüge des Konkurrenten und einen echten van Gogh in Farbe. Ich fand Orte, die es so in Stralsund nicht gab und die mir sehr viel bedeuteten: das Antiquariat Rose, die Uni-Buchhandlung und den Bioladen. Ich fühlte, nicht in Stralsund, sondern hier an der Kaimauer des Hafens zu Greifswald hätten Gertrude, Anais und Co. ihre Left-Bank-Zelte aufgeschlagen, hätten sie sich in Deutschland niedergelassen und nicht in den Dreißigern an der Pariser Seine. Nach meiner ersten Lesung im Literaturzentrum Koeppenhaus wollte sich jemand mit mir über die von Suhrkamp geplante vierzehnbändige Werkausgabe Wolfgang Koeppens unterhalten. Das ist mir so in Stralsund noch nicht passiert. Überhaupt kam ich nirgends in Mecklenburg-Vorpommern besser mit fremden Menschen ins Gespräch als in Greifswald. Die, die ich selbst vornehmlich ansprach, waren die weinenden, nicht aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Studenten in ihrem anfänglichen Schockzustand. Dankbar nahmen sie jede Unterhaltung an. Sie sagten, dass es so schwierig sei, mit den Greifswaldern ins Gespräch zu kommen (Tja, aber nicht mit den Stralsundern, log ich), und dass sie sich wegen der Nazis, von denen sie so oft gehört hätten, abends nicht auf die Straße wagten. Dann zögerten sie einen Augenblick und fügten hinzu: Obwohl das hier ja eigentlich alles ganz niedlich aussieht und der Hörsaal nicht so überfüllt ist wie bei meinen Freunden, die woanders studieren.

Ja, sagte ich, und im Sommer kommen dich deine ganzen Freunde besuchen und werden vor Neid erblassen, wie kurz der Weg ist, um im Meer zu schwimmen. Und Nazis gibt es leider Gottes auch woanders.

Und wenn sie mit ihrem Studium durch sind, weinen sie wieder. Denn sie müssen Mecklenburg-Vorpommern verlassen, wenn sie keine Uni-Karriere anstreben. Und Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen, wenn man es erst kennengelernt hat, ist kein Leichtes. Das geht sicherlich den Stralsunder Fachhochschulstudenten nicht anders. Dort gibt es den einzigartigen Studiengang Baltic Management Studies.

 

Was Greifswald hat und Stralsund nicht:

Einen Van Gogh im Pommerschen Landesmuseum.

 

Was Stralsund hat und Greifswald nicht:

Den weltberühmten Hiddenseer Goldschmuck im Kulturhistorischen Museum.

 

Ich glaube, ich wollte schon im Mutterleib nicht in Greifswald sein, dennoch sind Erinnerungen da, die der Empfindung der Heimat näher kommen. (Wolfgang Koeppen)

Neubrandenburg

Neubrandenburg. Neubrandenburg, überlege ich, Tim Borowski, der Fußballnationalspieler, habe ich irgendwo gelesen, stammt aus Neubrandenburg. Aha. Und die Kumbernuss, Astrid, die schwere Kugeln weiter stoßen kann als jede andere Frau der Welt, die hat auch eine Verbindung zu Neubrandenburg. Mir fallen noch eine ganze Reihe mehr Olympiasieger und Weltmeister ein, während ich über die drittgrößte Stadt meines Bundeslandes nachdenke. Auch Angela Merkel muss diese Stadt in den Sinn gekommen sein, als sie sich 2008 ein paar Gedanken im Vorfeld der anstehenden Olympiade in Peking machte. Sie reiste nämlich nach Neubrandenburg, um von hier aus allen deutschen Sportlerinnen und Sportlern viel Erfolg zu wünschen. Unter den wichtigsten Zielen der Oberbürgermeisterin findet sich auf Platz 11: Neubrandenburg als Sportstadt für alle erlebbar bewahren (Platz 6 etwas weniger umständlich formuliert: Lösung des Verkehrsproblems).

Eine Sportstadt also ist Neubrandenburg, und tatsächlich fällt mir zu dieser Stadt auch kaum etwas anderes ein. Erinnerungen an meine aktive Basketballkarriere (die sich eben genau dadurch auszeichnete, dass sie weitestgehend aktiv war) werden wach. Es gab nie einen Grund für mich, nach Neubrandenburg zu fahren, außer einigen Punktspielen. Seither verbinde ich mit Neubrandenburg hochgewachsene Damen. Die Neubrandenburgerinnen waren die Bohnenstangen, die Rostockerinnen die Brutalos, die Schwerinerinnen die Schönen, die Wustrower die vom Dorf. So wusste ich schon früh, die Meck-Pommerinnen ihrer Herkunft entsprechend einzuordnen. Eine der neubrandenburgischen Bohnenstangen verwies gerne auf die vier Stadttore, immer und immer wieder. Was gibt es denn hier Besonderes? Vier Stadttore! Was kann man denn hier machen? Vier Stadttore. Wo können wir denn eine Fanta trinken? In der Nähe vom Stadttor. Von welchem? Bei allen vieren.

Niemand erzählte mir damals, dass es außer den vier Stadttoren auch Brigitte Reimann hierher verschlagen hatte. Sie war aus Hoyerswerda in den freundlicheren Norden geflüchtet und hatte hier an ihrem Roman Franziska Linkerhand weitergearbeitet. Über ihre neue Heimat schrieb sie: Eine muntere Gegend, in der man noch was übrig hat für die handfesten Freuden des Lebens… Wirklich eine schöne Atmosphäre.

Auch von anderer Seite habe ich gehört, dass damals die Atmosphäre im Norden freier, freundlicher und offener war als im Süden der DDR. Wer weg wollte und die Flucht über die Grenze nicht wagte, musste in den Norden, erzählte mir ein ausgewanderter Brandenburger. Da hatteste Weite und Luft und wusstest, hinter dem Horizont geht’s weiter.

Fri! Fri! un denn Landluft un Landbrod un von morgens bet’s abends en deipen Drunk frische Luft – so beschrieb es bereits Fritz Reuter, einer der bedeutendsten plattdeutschen Autoren, obwohl die DDR zu seiner Zeit noch lang nicht existierte. In Neubrandenburg schaute der aus Stavenhagen stammende Reuter dem Volk aufs Mul und wurde zum meistgelesensten Volksautor Mitte des 19. Jahrhunderts. Ebenfalls gerne und viel gelesen: Fontane, der in Neubrandenburg unter anderem seinen Stechlin verfasste.

Also: Neubrandenburg, die frischlufthaltige Sportstadt mit vier Stadttoren und einem Verkehrsproblem, in der überaus große Literatur entstand.

 

Tipp: Wer sich in Neubrandenburg die vier Stadttore angesehen hat, kann sich anschließend wunderbar am nahen Tollensesee erholen und dabei Reimann oder Fontane lesen. Der Radweg um den Tollensesee zählt zu den schönsten an der Mecklenburger Seenplatte.

Schwerin

Meine Freundin behauptete, Braunschweig wäre die am meisten unterschätzte Stadt (sie ist dort aufgewachsen). Ich sagte: Gut, aber dann ist Schwerin wenigstens die am meisten unterschätzte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns. Das sagte ich damals allerdings nur, weil ich keine Lust hatte, an jenem warmen Sommertag zu diskutieren. Eigentlich hätte ich vehement widersprechen müssen, denn Schwerin ist genau genommen generell unterschätzter und noch viel schöner als Braunschweig. Ich meine, kann man in Braunschweig mit dem Boot vor einem Märchenschloss vorfahren? Ich glaube kaum. Braunschweiß, sagte der Bruder meiner Freundin, weil er den Namen als Kleinkind nicht aussprechen konnte. Hingegen mein Bruder zu Schwerin – Schwanin sagte. Und was klingt anmutender? Schwäne gibt es jedenfalls in der Stadt mehr als genug. Sie ziehen ihre Kreise auf den vielen Seen. Wer vom Schweriner Dom hinunterschaut, der sieht Blau. Ein Viertel der Stadtfläche besteht aus Wasser: aus dem Pfaffenteich und dem Schweriner See, der zu den größten Binnenseen Deutschlands zählt, aus dem Ziegelsee, Lankower See, Fauler See, Ostorfer See, Neumühler See, Medeweger See sowie Burg- und Heidensee. Der Schweriner schwimmt da, wo sich andere mit der U-Bahn durch die Stadt quälen. Der Schweriner segelt da, wo andere aufs Rad steigen. O Schwerin, Stadt der sieben Seen, wie viele Seen hast du wohl tatsächlich? Oder auch: Schwerin, kleinste Landeshauptstadt, wer soll sich mit dir messen? In welcher anderen Landeshauptstadt thront die Regierung in einem Schloss, in so einem Schloss mit Türmchen und Kuppeln und Erkern und Giebeln und sechshundert Zimmern? Ach Braunschweig, was willst du dem bloß entgegensetzen (Meine Freundin: In unserem Schloss kann man shoppen)? Deine Altstadt? Pah, bummel durch Schwerin, geh zum Marktplatz, und sieh den gotischen Dom, das barocke Rathaus, das klassizistische Säulengebäude, schau dir die barocke Schelfstadt an mit den Fachwerkhäusern aus dem 18. Jahrhundert und den bronzenen Schweinen auf dem Schweinemarkt (Meine Freundin: Wir haben einen bronzenen Löwen. Etwas kleinlauter Nachtrag: Oder einen eisernen). Gehet baden, gehet segeln oder fahret raus, wie es der Schweriner tut, an die struppigen Strände des Klützer Winkels zwischen Wismar und Lübeck. Braunschweig, wo gehst du baden (Wir gehen in den Harz zum Wandern. Und in welche Berge geht ihr??)? Braunschweig, du wirst sehen, Schwerin ist schön. Eine Stadt, in der der Offene Kanal Fisch.TV heißt und die bekanntesten Persönlichkeiten das Petermännchen (der Schlossgeist mit finsterem Gesichtsausdruck, Federhut, Halskrause, Brustpanzer und Sporen) und eine Blumenbinderin (Bertha Klingberg, genannt die Blumenfrau, erhielt als bisher Erste und Einzige den Ehrenring der Landeshauptstadt Schwerin; 2005 im Alter von hundertsieben Jahren verstorben) sind, kann nicht verkehrt sein.

Braunschweig und all ihr anderen, unterschätzet nicht diese Stadt! (Meine Freundin: Wieso? Schwerin wird doch nur von euch Einheimischen unterschätzt. Wir anderen wissen doch, dass die Stadt wunderschön sein muss.)

Wismar

Wenn ich an Wismar denke, befällt mich sogleich ein schlechtes Gewissen. Noch immer schulde ich einer Wismarer Freundin einen Schlüsselanhänger. Ich hatte ihn seinerzeit von ihrem Schlüsselbund abgemacht, weil ich diesen großen dicken Kopf-Anhänger in keine Hosentasche bekommen hätte, als ich ihren Schlüssel aufbewahren sollte. Als Wismarerin wird sie den Kopf, ungeachtet seiner Größe, mit Stolz in jeder Tasche getragen haben, aber ihren Schlüssel bekam sie damals blank zurück, und ich besitze diesen Kopf, der mich dann und wann vorwurfsvoll ansieht. Dieser und ein zweiter Kopf bilden das Wahrzeichen der Stadt Wismar. Es handelt sich um zwei Schwedenköpfe mit barock bunter Bemalung, zwei fesche Herrenköpfe mit schwarzem Schnauzer und schwarzem Haar unter einem ganz merkwürdigen braunen Hut. Schauen Sie genau hin, was die Herren auf dem Kopf tragen, wenn Sie die beiden im Hafen vor dem Alten Baumhaus besuchen. Die Herkunft und die Bedeutung der Köpfe sind nicht sicher nachzuweisen. Wahrscheinlich gehörten sie damals zum üblichen Heckschmuck eines Segelschiffes und wurden Anfang des 19. Jahrhunderts zur Erinnerung an die Schwedenzeit aufgesetzt. Bald dreihundert Jahre dauerte die Schwedenherrschaft in Wismar. 1803 wurde die Stadt von Schweden an das Herzogtum Mecklenburg verpfändet. Erst ein ganzes Jahrhundert später verzichtete die schwedische Krone auf Einlösung des Pfandes, und Wismar wurde Mecklenburg angegliedert. Daher sind wir Meck-Pommer auch nicht nur Fischköppe, sondern tragen ohnedies den Beinamen Südschwede. Wenn Sie einen Einheimischen mit Na, alter Südschwede, anstatt mit Na, oller Fischkopp ansprechen, macht das sicherlich was her.

Wismar, Hafenstadt und Hansestadt – das Übliche in Mecklenburg-Vorpommern mag man denken, doch bekommt die Schwester Stralsunds eine nicht uninteressante Note, wenn man weiß, dass Friedrich Wilhelm Murnau diese Stadt als Kulisse seines Horrorfilms Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens wählte. Etliche Szenen des Klassikers aus dem Jahr 1922 wurden hier gedreht (mittlerweile ist die Gruselkulisse in der ZDF-Serie Soko Wismar zu bewundern, wobei das Gruselige daran heute nicht mehr die Kulisse ist).

Was ist denn an Wismar so gruselig, fragen Sie? Auf den ersten Blick überhaupt nichts, im Gegenteil, eine hübsche Stadt ist das, Weltkulturerbe der UNESCO sogar, große Werft, riesengroße Werft, modernstes Holzverarbeitungszentrum, älteste Windmühle und super Kaffee vom Nicaraguaner Javier Román (Cafeshop Especial). Es gibt schöne Gebäude und nette Cafés, wie man so sagt. Jenseits der sechswöchigen Touristenhochzeit kann man ab 20 Uhr wunderbare Lochkamerafotos mit einer Spiegelreflex und Schwarz-Weiß-Film machen. Die Straßen sind dann so schön leer wie in den meisten Städten Mecklenburg-Vorpommerns, dass ihnen kein Mensch vor die Linse laufen wird. Das ist gemein, beschwert sich meine Mutter über meinen Lochkamerascherz, und dann denken wir beide stumm an die Stralsunder Fußgängerzone im Herbst, Winter und Frühjahr, und dann wissen wir: Lustig ist das eigentlich nicht.

Zurück zu Wismar. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was an Wismar gruselig sein soll, auch nicht auf den zweiten Blick. Ich mag die Stadt sehr. Ich mag den ständig von Seilen, Segelmasten und Kränen durchzogenen Blick. Aber am meisten mag ich, wenn der Weihnachtsmann nach Wismar kommt. Der kommt nämlich nicht auf dem Schlitten oder rutscht durch den Schornstein. Er kommt direkt vom Segelschiff, denn sein Weg aus dem kalten verschneiten Norden endet im Wismarer Alten Hafen. Jedes Jahr zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes wird er von den Wismarern und seinen Gästen dort empfangen. Schön auch, dass sich hier der bärtige Mann nicht nur mit Mutzen und Lebkuchen den Bauch füllen muss, sondern auch einen anständigen Rollmops bekommt.

 

Hinweis: Nichts fasst so treffend die Sehenswürdigkeiten und die Größe der Stadt Wismar zusammen wie folgende Entfernungsangaben auf der Website des Hotels Zum Alten Braugasthaus.

Entfernungen zum Hotel Altes Brauhaus:

Marktplatz ca. 5 Min. zu Fuß

Alter Hafen ca. 5 Min. zu Fuß

St.-Georgen-Kirche ca. 2 Min. zu Fuß

Heilig-Geist-Kirche ca. 1 Min. zu Fuß

Aker Werft ca. 15 Min. zu Fuß

Fußgängerzone ca. 4 Min. zu Fuß

Schabbellhaus ca. 10 Min. zu Fuß

 

Tipp: Wenn Ihnen die Aker Weft zu weit entfernt ist, nehmen Sie ein Taxi. Taxi: ca. 2,5 Minuten.

Stralsund

Ach, da bin ich schon mal durchgefahren, ist ein Satz, den jeder Stralsunder mindestens so oft gehört hat wie die Schwerter nahe Dortmund oder die Fehrbelliner bei Berlin das obligatorische: Ach, das ist doch eine Autobahnabfahrt. Genau. Durch Stralsund sind Sie womöglich schon mal durchgefahren. Es ist allerdings keine schnöde Autobahnabfahrt, sondern nicht weniger als das offizielle Tor zu Rügen, der Abfahrtshafen nach Hiddensee, Herberge eines Boris Becker Autohauses, die Stadt, die die Sanierung ihres Theaters mit Mitteln aus dem Verkauf des städtischen Krankenhauses finanziert hat, eine stolze Hansestadt mit vier Kirchen. Einmal überraschte mich ein Herr mit der Aussage: Ach, das ist doch die Stadt mit den rosa Häusern.

Nein, nein, entgegnete ich mit einer Note Überheblichkeit, also rosa Häuser sind da nicht. Da ist eher so Backstein, und der ist dunkelrot.

Ich war mir sicher gewesen, dass der Herr etwas verwechselte. Aber als ich wenig später zu Besuch in meiner Heimat war, schien mir, man hatte flugs jedes zweite Haus rosa gestrichen.

Seit wann ist denn hier alles so rosa und gelb, fragte ich meine Eltern.

Schon immer, sagten sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie mir früher weismachen wollten, unsere gezüchteten Kaninchen wären in die Freiheit gehoppelt und das Stück Fleisch, das kurz nach dem Freiheitsritt der Hasen auf meinem Teller landete, wäre ein altes glücklich gestorbenes Schwein. Nach einer längeren Unterhaltung unter Sturköppen konnten wir uns darauf einigen, dass sich die Stadt nach meinem Weggang farblich doch etwas verändert hatte. Grau wurde bunt. Aufbau Ost. Restaurierung. Sanierung. Fördermittel.

Allerdings musste ich auch gestehen, dass die Häuser schon eine ganze Weile rosa waren, ich es nur nicht bemerkt hatte. So ist das mit den Dingen, die man zu kennen meint. Man weiß ja gar nichts, wie meine Oma zu sagen pflegt. Ja, man weiß ja gar nichts. Und deshalb ist es mir auch unmöglich, Freunde aus der Fremde durch meine Stadt zu führen. Ich beanspruche zu diesem Zweck gerne meine Eltern. So auch, als meine französische Freundin Marie-Jo mit ihrem Mann zu Besuch war. Meine Eltern erklärten, dass das aus dem 13. Jahrhundert stammende St.-Katharinen-Kloster in seiner fast vollständig erhaltenen Anlage zu den größten fast vollständig erhaltenen Klosteranlagen Norddeutschlands gehört. Auch für das andere Kloster, das St. Johannis, hatten sie Zusatzinformationen parat, die ich, so gut ich konnte, übersetzte.

Marie-Jo, Marie-Jo, Tür, Tür, rief meine Mutter plötzlich und fuchtelte wild mit den Armen. Meine Freundin Marie-Jo lächelte und nickte. Sie spricht kein Deutsch und meine Eltern kein Französisch. Und erst jetzt sah ich, dass diese Tür, die ich viele Jahre jeden Morgen auf dem Weg zur Schule passiert hatte, ganz wunderwunderhübsch war. Lange Zeit waren mir weder die dunkelroten Klöster noch die rosafarbenen Kaufmannshäuser in meiner Stadt aufgefallen und erst recht keine aufwendig bemalten Türen.

Und was sich unter anderem noch verändert hat:

Die Volkswerft: Zu DDR-Zeiten waren 52000 Arbeitnehmer bei den meck-pommerschen Werften beschäftigt, heute sind es circa 4600. Ziemlich abgespeckt ist, was das betrifft, auch die Stralsunder Volkswerft, deren riesengroße blaue Schiffshalle bei mir ein stärkeres Zuhausegefühl hervorruft als die Kirchtürme oder der Hafen. Zugelegt hat die Volkswerft wie die anderen meck-pommerschen Werften, was die Größe der Schiffe anbelangt. 2008 stand ich mit einem gelben Helm direkt vor diesem riesengroßen, fast 300 Meter langen Containerschiff. Ein unglaublicher Anblick, dem man nicht traut, wenn man schon Hunderte von streichholzschachtelgroßen Containerschiffen am Horizont hat entlangschippern sehen. Die modernsten und größten Containerriesen auf den Weltmeeren stammen aus meiner Heimat, an etlichen von ihnen hat mein Vater höchstpersönlich mitgearbeitet. Früher war die Eigentümerfrage der Volkswerft leicht zu beantworten, heute bin ich verunsichert, ob sie noch den Dänen gehört oder vielleicht, wie im Fall der Wismarer Werft, die Norweger einen Großteil schon an russische Investoren verkauft haben.

Die Sundpromenade: Wir haben zwar keine Strandpromenade, dafür aber eine Sundpromenade. Wer wissen möchte, wie der Hamburger fühlt, läuft einmal um die Alster herum, wer den Stralsunder verstehen will, sollte die Sundpromenade entlangspazieren, denn Gleiches tut der Einheimische tagaus, tagein. Gründe dafür gibt es viele. Als Kind muss er dort mit Mama oder Papa Schwäne füttern, als älteres Kind gelangt er via Sundpromenade in die Badeanstalt, der Jugendliche spaziert hier Händchen haltend mit der ersten Liebe, der Erwachsene besucht im angrenzenden Krankenhaus seine Angehörigen, der alte Mensch sitzt auf der Bank und starrt voller Rührung auf die Schönheit seiner Stadt. Als Jungpionier führte mich ab und an ein Schulausflug zur Sundpromenade, denn dort steht das Denkmal des Freiheitskämpfers Ernst »Teddy« Thälmann. Blumen wurden feierlich niedergelegt. Heute sitzt man gerne neben Thälmann auf der neuen Dachterrasse des Ventspils (Sundpromenade 1a). Dort, wo früher in einem grauen Etwas Jugendweihen veranstaltet wurden, kann man nun die Stralsunder auf ihrer Promenade beim Flanieren beobachten. Fisch soll im Ventspils gut sein. In jedem Fall gut ist er im ältesten Restaurant Stralsunds Zur Kogge (Fisch überall gut).

Das Meeresmuseum: Im Juli 2008 eröffnete Frau Dr. Merkel den größten Museumsneubau Deutschlands – das 60 Millionen Euro schwere Ozeaneum. Früher war es schon eindrucksvoll, was hinter den von platt gedrückten Kindernasen ganz fettigen Aquarienwänden hin und her schwamm, aber heute hat man im Neubau am Hafen noch weitaus mehr zu bestaunen, zum Beispiel das Schwarmfischbecken, in denen die Kinder und ihre Eltern sehen können, wie lebendige Rollmöpse aussehen. Die Umsetzung der architektonischen Idee des Baus (von Wasser umspülte Steine) findet nicht bei jedem Stralsunder Gefallen. Einige mochten ihren Hafen mit den Speichern so, wie er war (Zitat: »Ohne Klorollen dazwischen«), lieber, aber man sieht ein, dass man Frau Merkel heutzutage was bieten muss, damit sie mal wieder vorbeikommt.

Die Rügenbrücke: Früher nichts weiter als eine Notwendigkeit, heute der ganze dreispurige Stolz des Stralsunder Bürgers. Wirft man einen Blick in Internetforen, haben dort, wo bei anderen Internetbenutzern ein Foto oder eine Comicfigur wie Homer Simpson in ihrem Profil auftaucht, viele Stralsunder und Rüganer ein Abbild ihres neuen Jahrhundertbauwerks. Wie das neue Näschen einer Hollywoodschauspielerin gibt die blaue Schönheit der Stadt ein neues Gesicht, ein schöneres, eleganteres, moderneres Gesicht. Früher stand man mitunter sehr lang im Stau vor der alten Klappbrücke, heute fährt man die Neue hoch und runter und lässt seine Assoziationen schweifen. Als ich mit einem Freund im Dunkeln Richtung Stralsund fuhr, sagte er oben auf der Brücke: Mensch, das ist ja hier, wie nach San Francisco reinfahren. Ja, sagte ich, ich wusste gar nicht, dass Stralsund so viele Lichter hat.

Angela Merkel: Früher, damals noch, war sie eine von uns. Ihre Karriere nahm in den Straßen meiner Stadt ihren Anfang. So wie die Kelly Family stand sie hier auf dem Kopfsteinpflaster und war eine zum Anfassen. Heute ist sie umringt von muskulösen Männern, wichtigen Männern, von vielen Männern. Sie gibt uns Stralsundern noch immer das Gefühl, ein besonderes Auge auf uns zu haben, aber an ihrem Nebentisch sitzen und vorzutäuschen sie nicht zu kennen, um sie en passant nach der Uhrzeit zu fragen, kann man heute leider kaum noch.

Straßenverlauf: Meine Orientierung war nicht die beste, aber inzwischen ist sie ziemlich zuverlässig. Ich habe in den letzten Jahren die Chance bekommen zu trainieren. Mir macht heute keiner mehr was vor. Mein Vertrauen in meine Leistung geht so weit, dass ich sogar widerspreche, wenn einer sagt, wir müssten jetzt da links lang, und ich aber weiß, nein, wir müssen definitiv nach rechts. Grund für mein heutiges beinahe weltmeisterliches Orientierungsniveau ist der neue Straßenverlauf meiner Heimatstadt beziehungsweise um sie herum. Früher war das alles nicht sonderlich aufwendig mit den Straßen. Die Autos fuhren einfach alle, bis nichts mehr ging, die Greifswalder Chaussee entlang und stellten sich brav ans Stauende nach Rügen. Heute versucht man als Autofahrer der Logik der Ortsumgehung zu folgen. Man ahnt, dass man mindestens fünf Schleifen zu viel gefahren ist, und bekommt hin und wieder eine kleine Panikattacke, weil man plötzlich aus der Lethargie hochschreckt und sich fragt, ob man inzwischen zum Geisterfahrer geworden ist oder ob das so sein muss, dass hier kaum einer ist. Anfänglich wurde zudem eine adäquate Ausschilderung verpasst, sodass ich oft genug da gelandet bin, wo ich niemals landen wollte. Und weil ich irgendwann so die Nase voll davon hatte, habe ich angefangen, einfach den richtigen Weg zu finden. (Der Küstenmensch ist näher am Unbewussten. Zitat aus der Goor-Wald-Broschüre).

Bus fahren: Früher konnte man noch ganz normal Bus fahren, auch nach 20 Uhr. Heute sitzt man um diese Zeit in einem Anrufsammeltaxi (AST).

Hafensilhouette: An dieser Stelle möchte ich einen bei stern.de verbreiteten Irrtum aufklären. Nach Aussage eines jungen Nachwuchsjournalisten war die Hafensilhouette der Hansestadt bisher von Volkswerft, grauen Plattenbauten und leblosen Fabrikgebäuden bestimmt. Seit der Eröffnung der neuen Rügenbrücke sei nun das neue Tor zur Insel Rügen der Blickfang schlechthin. Die Silhouette Stralsunds war jedoch zu keiner Zeit von grauen Plattenbauten und leblosen Fabrikgebäuden bestimmt. Da hat dem Nachwuchsjournalisten sein Vorurteil gegenüber einer ostdeutschen Stadt ein Schnippchen geschlagen. Er hätte sich besser zu seinen Kollegen im Pressezentrum auf der im Stralsunder Hafen vor Anker liegenden Gorch Fock gesellt, als die Brücke eröffnet wurde. Es hätte ihm die backsteinrote Schamesröte ins Gesicht getrieben. Der graue Plattenbau ist nämlich ein ganz bezauberndes backsteingotisches Rathaus, die leblosen Fabrikgebäude sind in Wahrheit die vier Kirchtürme. Blaue Hafenkräne und die blitzende See geben der vermeintlichen Plattenbausilhouette den letzten Pfiff. Ich meine, auch Manhattan sieht vom Schiff aus ganz okay aus, aber die Hansestadt – ein Blick lohnt sich, und zwar schon immer. Daran hat sich nichts geändert. Nur die Brücke, ja, die ist neu.