KAPITEL 5
Langfristiger Leistungsaufbau
5.1 Etappen des langfristigen Leistungsaufbaus mit Angaben zu den Belastungsanforderungen
Im hochleistungsorientierten Triathlon zeichnen sich zwei Wege des langfristigen Leistungsaufbaus ab. Der erste Weg beinhaltet das Training im Triathlon von der Kindheit an bis zum Erwachsenenalter. Der zweite Weg ist durch einen Quereinstieg aus einer anderen Ausdauersportart gekennzeichnet. Der Trainingsaufbau der Quereinsteiger richtet sich zum einen nach dem Alter des Sportlers und zum anderen nach der vorher ausgeübten Sportart. Bei der Mehrzahl der Quereinsteiger handelt es sich um ältere Sportler, bei denen in bestimmten Disziplinen Nachholbedarf besteht und dadurch Etappen des langfristigen Leistungsaufbaus im Triathlon nachgeholt werden müssen. Erfahrungsgemäß betrifft dies die schwimmerische Ausbildung. Wie im Abschnitt 7.4 beschrieben, ist deshalb ein altersspezifisches Grundlagentraining in dieser Disziplin erforderlich. In den letzten Jahren hat der direkte Weg des langfristigen Leistungsaufbaus im Triathlon zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Der direkte Weg ist in der Regel der erfolgreichere, denn er sichert durch einen systematischen vieljährigen Gesamtprozess der sportlichen Ausbildung eine sportartspezifische Erziehung, eine begründete Auswahl geeigneter Sportler, die Herausbildung grundlegender Leistungsvoraussetzungen und spezielle Hauptleistungskomponenten ab.
Die Deutsche Triathlon Union (DTU) untergliedert den langfristigen Leistungsaufbau in folgende Etappen:
Etappen | Altersbereich |
Hochleistungstraining 2 (HLT 2) | 24 Jahre und älter |
Hochleistungstraining 1 (HLT 1) | 21-23 Jahre |
Anschlusstraining 2 (AST 2) | 19-20 Jahre |
Anschlusstraining 1 (AST 1) | 17-18 Jahre |
Aufbautraining (ABT) | 15-16 Jahre |
Grundlagentraining 2 (GLT 2) | 13-14 Jahre |
Grundlagentraining 1 (GLT 1) | 11-12 Jahre |
Grundausbildung (GAB) | 9-10 Jahre |
5.2 Ziel und Aufgabenstellung der schwimmerischen Ausbildung in den Abschnitten des langfristigen Leistungsaufbaus
Grundausbildung (GAB)
Dauer: 1-2 Jahre in Abhängigkeit vom altersmäßigen Beginn.
Zielstellung
- Erreichen der Wassersicherheit und Schwimmfähigkeit im tiefen Wasser mit beginnender Feinkoordination der schwimmtechnischen Fertigkeiten.
Inhaltliche Charakterisierung
- Vielseitige sportartgerichtete Anfängerausbildung im Schwimmen.
Hauptaufgaben
- Erarbeitung und Stabilisierung der Grundfertigkeiten (Tauchen, Springen, Gleiten, Fortbewegen, Atmen).
- Herausbildung von mindestens zwei Sportschwimmarten mit den dazugehörigen Wenden und vorbereitende Übungen zum Erlernen weiterer Sportschwimmarten.
Grundlagentraining (GLT 1 + 2)
Dauer: 2-4 Jahre in Abhängigkeit vom altersmäßigen Beginn.
Zielstellung
- Entwicklung allgemeiner Leistungsvoraussetzungen unter Einbeziehung der Sportart Schwimmen unter besonderer Beachtung der koordinativen Fähigkeiten und Schnelligkeitsfähigkeiten.
Inhaltliche Charakterisierung
- Vielseitiges Training, ausgerichtet auf möglichst alle Sportschwimmarten, auf weitere Bewegungserfahrungen im Wasser sowie auf ausgewählte allgemein-sportliche Grundlagen.
Hauptaufgaben
- Herausbildung der Kraultechnik allgemein und in Verbindung mit triathlonspezifischen Abwandlungen sowie mindestens noch zwei weiterer Schwimmarten mit Starts und Wenden bis zu wesentlichen Aspekten der Feinkoordination als Voraussetzung für ein abwechslungsreiches Schwimmtraining.
- Schulung entsprechender koordinativer Fähigkeiten wie Gleichgewichts-Kopplungs-Orientierungsfähigkeiten sowie beginnende Herausbildung der Differenzierungs- und Rhythmisierungsfähigkeiten.
- Aneignung eines ausgewählten Grundbestands technischer Fertigkeiten aus anderen Sportarten wie Leichtathletik, Gymnastik und Spiele als Basis für eine vielseitige sportartgerichtete Ausbildung.
- Schaffung eines hohen Niveaus konditioneller Fähigkeiten als Voraussetzung für eine höhere Belastungsverträglichkeit unter besonderer Beachtung der Schnelligkeits- und allgemeinen Kraftfähigkeiten.
- Zielgerichtete Ausprägung der Beweglichkeitseigenschaften.
- Beginn der Entwicklung spezieller konditioneller Fähigkeiten mit den Schwerpunkten Grundlagenausdauer und Schwimmschnelligkeit in enger Verbindung mit der technischen Vervollkommnung.
Aufbautraining (ABT)
Dauer: zwei Jahre
Die Übergänge zwischen den nachfolgenden Ausbildungsetappen verlaufen fließend und sind nicht direkt an das Alter der jungen Sportler, sondern vielmehr an den erreichten ontogenetischen Entwicklungsstand, aber auch an den Ausbildungsstand, gebunden.
Zielstellung
- Ausprägung eines breiten schwimmerischen Leistungsniveaus auf der Basis erhöhter grundlegender Leistungsvoraussetzungen und spezieller leistungsbestimmender Fähigkeiten.
Inhaltliche Charakterisierung
- Vielseitiges und spezielles Training, gerichtet auf grundlegende und spezifische Voraussetzungen der schwimmsportlichen Leistungsentwicklung. Hauptaufgaben
- Vervollkommnung der Feinkoordination der schwimmtechnischen Fertigkeiten in mindestens drei Schwimmarten (räumlich-zeitliche und dynamisch-zeitliche Struktur), der Starts und Wenden.
- Herausbildung der Stabilität bis zur Mittelstreckenbelastung in zwei Schwimmarten.
- Entwicklung variabel verfügbarer Techniken im Kraulschwimmen.
- Schulung der Differenzierungsfähigkeit und der beginnenden Rhythmisierungsfähigkeit.
- Beginn mit der Herausbildung einer speziellen Technik für das Schwimmen mit Neoprenanzug und in offenen Gewässer.n
- Sportartgerichtete Ausbildung grundlegender konditioneller Fähigkeiten an Land unter besonderer Beachtung von allgemeinen Kraft- und Schnelligkeitsvoraussetzungen sowie eines hohen Grads an Beweglichkeit in den Schulter-, Hüft- und Fußgelenken.
- Entwicklung spezieller konditioneller Fähigkeiten, weitere Ausprägung der Grundlagenausdauer und zunehmende Einbeziehung intensiv belastender Formen im Wassertraining.
Anschlusstraining (AST 1 + 2)
Dauer: 2-4 Jahre in Abhängigkeit vom erreichten Leistungsniveau.
Zielstellung
- Annäherung im Leistungsniveau an die Höchstleistung und im Belastungsniveau an entsprechende Anforderungen des Wettkampfs im Kurztriathlon.
Inhaltliche Charakterisierung
- Zunehmend spezielles Training und den spezifischen Anforderungen untergeordnetes vielseitiges bzw. allgemein sportliches Training, gerichtet auf hochentwickelte und untereinander abgestimmte Leistungsfaktoren.
Hauptaufgaben
- Auf individuelle Besonderheiten abgestimmte und die gewachsenen speziellen Kraftfähigkeiten berücksichtigende Weiterentwicklung der triathlonspezifischen Kraultechnik (Zweierbeinschlag, Dreierzugatmung, Schwimmen mit und ohne Neoprenanzug in offenen Gewässern) und ihre wettkampfstabile Ausprägung.
- Üben unterschiedlicher Start- und Ausstiegsvarianten der Triathlonwettkämpfe.
- Weiterentwicklung von Kraft- und Schnelligkeitsvoraussetzungen an Land
- Akzentuierung von Kraftausdauerfähigkeiten an Land mit spezifischem Charakter.
- Erhalt der Beweglichkeit.
- Entwicklung der wettkampfspezifischen Ausdauer und der entsprechenden Grundlagenausdauer und Schnelligkeitsvoraussetzungen.
- Entwicklung von Kraftausdauerfähigkeiten im Wasser mit bremsenden und widerstandserhöhenden Hilfsmitteln (mit Bremsgürtel, am Gummiseil sowie mit Paddles und Flossen u. Ä).
Hochleistungstraining (HLT 1+ 2)
Alter
- HLT 1: 21-23 Jahre
- HLT 2: 24 Jahre und älter
Zielstellung
- Erreichen und möglichst langes Aufrechterhalten von Höchstleistungen in der Teildisziplin Schwimmen auf der Grundlage einer ständig steigenden Belastungsfähigkeit.
- Triathlonspezifisches Schwimmtraining, abgestimmt auf den Kurz- oder Langtriathlon.
- Es dominiert die individuelle Ausprägung der speziellen Leistungsfaktoren im Wasser und an Land.
- Im Hochleistungstraining 1 sollte in 2-3 Jahren der Anschluss zur Weltspitze im Kurztriathlon hergestellt werden.
- In der zweiten Stufe des Hochleistungstrainings gilt es, die Weltspitze durch stetige Belastung zu erhalten. In der Regel ist das Training bis zu einem Alter von 30 Jahren noch auf den Kurztriathlon ausgerichtet. In den darauf folgenden Jahren lassen altersbedingt die Erfolge im Kurztriathlon nach, da die hohen Wettkampfgeschwindigkeiten immer schwieriger zu realisieren sind. Die Triathleten orientieren sich um und weichen auf die längeren Strecken (Lang- bis Ultratriathlon) aus.
Hauptaufgaben
- Maximale Nutzung der konditionellen Fähigkeiten durch individuell geprägte technische Fertigkeiten auf der Grundlage eines gut entwickelten Wassergefühls und eines optimierten räumlich-dynamischen Bewegungsablaufs mit einer optimalen Frequenz.
- Festigung wettkampfstabiler schwimmerischer Fertigkeiten und Beherrschung des variablen Einsatzes von Ausführungsvarianten entsprechend der unterschiedlichen Wettkampfbedingungen im Becken und Freiwasser.
- Weiterentwicklung der Start- und Ausstiegsvarianten.
Im Kurztriathlon gilt es, im Wassertraining das Niveau der wettkampfspezifischen Ausdauer, der Grundlagenausdauer 2 und der spezifischen Kraftausdauer zu erhöhen.
Das Landtraining wird zunehmend für die Ausprägung der semispezifischen Kraftausdauerfähigkeit und den Erhalt der Beweglichkeit genutzt.
Weiterhin muss die Kopplung von Schwimm- und Radtrainingseinheiten schon in der zweiten und dritten Vorbereitungsphase und in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV) konsequent eingesetzt werden.
Der Trainingsschwerpunkt des Langtriathlons ist in erster Linie die ständige Erhöhung des Niveaus der Grundlagenausdauerfähigkeiten (GA1ext und GA 1) mit einem höheren Anteil im Freiwasser. Bei Schwächen in der Kraftausdauerfähigkeit der Arme muss ein zusätzliches Krafttraining im Wasser und auch an Land durchgeführt werden.
5.3 Angaben zu den Belastungsanforderungen der triathlonspezifischen Schwimmausbildung für den Kurz- und Langtriathlon
Ausgehend von den Erfahrungen im Training mit der Leistungsspitze Schwimmen der Deutschen Triathlon Union, werden für den langfristigen Leistungsaufbau in der Disziplin Schwimmen im Triathlon die in folgenden Tabellen aufgezeigten Belastungsanforderungen für die oben genannten Etappen vorgeschlagen.
In Tabelle 1/5.3 werden für die Ollympische Distanz geeignete Belastungsgestaltungen für das Schwimmen aufgezeigt.
In der letzten Phase des Hochleistungstrainings, wenn die Erfolge im Kurztriathlon nachlassen, orientieren sich die meisten Kurztriathleten neu und wechseln auf die längeren Triathlondisziplinen über. Das ist in der Regel meistens nach dem 30. Lebensjahr der Fall. Für zahlreiche ausdauertalentierte Sportler ist der Langtriathlon eine neue Herausforderung. Der Langtriathlon erfordert eine andere Trainingskonzeption auf Grund völlig anderer Leistungsstrukturen. Ausschlaggebend ist die Gesamtdauer des Wettkampfs bzw. der Teildisziplinen. Die Schwimmzeiten liegen bei der Wettkampfstrecke von 3,8 km in einem zeitlichen Bereich von 50-55 min bei Spitzenathleten. Die Mehrzahl der Triathleten kommt über den langfristigen Aufbau des Kurztriathlons zum Langtriathlon, d. h., dass von diesem Zeitpunkt an eine neue Trainingskonzeption umgesetzt werden muss.
In Tab. 2/5.3 werden für die Ironmanvorbereitung geeignete Belastungsgestaltungen für das Schwimmen aufzeigt.
Tab. 1/5.3: Belastungsanforderungen der triathlonspezifischen Schwimmausbildung für den Kurztriathlon (olympische Distanz) pro Jahr
Tab. 2/5.3: Belastungsanforderungen der triathlonspezifischen Schwimmausbildung für den Langtriathlon (Ironman) im Hochleistungstraining 2 pro Jahr
Anmerkung: Bei ganzjähriger Trainingsmöglichkeit im Freiwasser kann der Freiwasseranteil bis auf 30% erhöht werden.