12. Kapitel

Dieser geschniegelte Angeber war schon wieder mit von der Partie! Am liebsten hätte Simon ihn am Kragen seines feinen Gucci-Polohemdes gepackt und einmal quer durch den Bannwaldsee gezogen. Aber das ließ seine gute Erziehung nicht zu. Außerdem hätte ihn ein derart rabiates Verhalten in Connys Augen zum Ungeheuer gestempelt und den Angeber zum bedauernswerten Opfer. Kurz, Simon hätte sich selbst ins Aus gekickt und genau den Gefallen wollte er dem Angeber nicht tun.

Sein Händedruck fiel etwas kräftiger aus. Mit Befriedigung sah Simon wie der Graf schmerzlich das Gesicht verzog. Doch er zauberte sofort ein strahlendes Zahnpastalächeln auf seine Lippen als Conny aus der Liftkabine trat und auf die beiden Herren zueilte.

"Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe", entschuldigte sie sich, worauf die Männer eilfertig versicherten, dass es nicht schlimm sei und es sich ja nur um ein paar unbedeutende Minütchen handelte.

"Sie sehen einfach bezaubernd aus", schmeichelte Klaus-Peter ihr sofort. "Schön wie eine frisch erblühte Rose."

"Dem Kompliment kann ich mich nur anschließen", meldete sich Simon zu Wort, wild entschlossen, sich nicht in den Hintergrund drängen zu lassen. Cornelia Weyrich war seit langer Zeit die erste Frau, die wieder eine Saite in ihm zum klingen brachte, von der er geglaubt hatte, dass sie irreparabel gerissen sei, seit Tina ihn verlassen hatte.

"Danke." Kokett drehte sich Conny einmal um sich selbst, wobei der kurze Rüschenrock verspielt um ihre langen, von der Sonne inzwischen sanft gebräunten Schenkel schwang. Sie deutete einen neckenden Knicks an, dann streckte sie beiden Herren ihre Hände entgegen, die von Simon und Klaus-Peter sofort ergriffen wurden. In übermütiger Stimmung wollte das Trio das Foyer verlassen, aber sie waren nur wenige Schritte weit gekommen, als ein Page auf sie zutrat. Er reichte Conny ein tragbares Telefon. Sie meldete sich verwundert.

"Hier isch der Garagenserviece", klang ihr eine männliche Stimme ans Ohr. "Frau Weyrich, es tut uns Leid, aber hier isch ebbes passiert. I möcht Se bitte, zu ihrem Wage zu komme."

"Ach, du dickes Ei!" Conny reichte dem Pagen das Telefon zurück und wandte sich an Simon und Klaus-Peter. "Ich soll in die Garage kommen. Es ist irgendwas passiert."

"Oh, nein!" Klaus-Peter war sichtlich bestürzt. "Da begleite ich Sie natürlich. Vielleicht brauchen Sie Hilfe."

"Tatkräftige Hilfe", lächelte Simon und nahm Connys Arm, bevor es Klaus tun konnte.

In der Tiefgarage wurden sie von einem Herrn im Blaumann erwartet, der sich als Herr Kölzer vorstellte. Während er das Trio zu Connys Wagen führte, berichtete er, dass der Page ihn davon informiert hatte, dass das Schloss des Autos beschädigt war.

"Mir könnet uns des gar net erkläre", beteuerte Herr Kölzer im schönsten Schwäbisch. "Die g'samt Garasch isch Videoüberwacht. Und unsre Nachtwach hät sofort Alarm gegäben, wenn sich hier jemand Verdächtiges bewegt hät. Heidenei, wie hot des nur passiere könne?"

Sie hatten den Wagen erreicht. Ein Page stand mit betröppelter Miene daneben, als hätte er selbst den Schaden angerichtet.

"Grüß Gott." Er verbeugte sich vor Conny. "Als ich Ihr Auto aufschließen wollte, bemerkte ich, dass der Schlüssel nicht passte. Außerdem war die Tür offen und lässt sich nicht mehr schließen."

Conny seufzte besorgt. Sie bewahrte zwar nie Wertsachen in ihrem Wagen auf, aber trotzdem war dieser Aufbruch ärgerlich, weil der Wagen nun zur Reparatur in die Werkstatt musste.

"Wenn's nur des Schlössle isch, des könnet moine Männer repariera", bot Herr Kölzer an. "Des send ausgebild'te Automechaniker. I muss nur d' Werkschtatt a'rufe und des neue Schlössle b'stelle. Des isch koi Problem."

"Sehen Sie erst einmal nach, ob etwas gestohlen wurde", schlug Klaus-Peter vor.

"Und die Polizei sollte auch verständigt werden", meldete sich Simon, der bisher schweigend das Schloss untersucht hatte. Es war sachkundig aber nicht fachmännisch geknackt worden. Der Dieb hatte genau gewusst, wo er den Hebel anzusetzen musste, um eine höchstmögliche Wirkung zu erzielen. Dabei war es ihm allerdings egal gewesen, was dabei zu Bruch ging. Conny kroch ins Auto und begann alle Fächer und Ablagen zu untersuchen. Das Handschuhfach stand offen, in der Zwischenablage hatte der Eindringling herumgewühlt und die Landkarten und Fenstertücher in den Seitentaschen waren ebenfalls durcheinander geworfen. Aber es fehlte nichts, weder das Radio, noch der CD-Player oder das Navigationsgerät, das Conny sich erst vor kurzem hatte einbauen lassen.

"Ha noi, wer woiß, wonoch d'r Lackl g'sucht hot", meinte Herr Kölzer als Conny ihr Erstaunen darüber ausdrückte. "Vielleicht hot er bloß Geld wolle? I ruf' jetzt auf alle Fäll' die Polizei."

Während sie auf das Eintreffen der Beamten warteten, ergingen sich die Männer in Vermutungen über das Motiv des Einbrechers. Simon merkte an, dass es ihn wunderte, dass sich der Täter ausgerechnet Connys Wagen ausgesucht und alle anderen Autos verschont hatte. Dabei stand hier eine Nobelkarosse neben der anderen, ausgestattet mit allem Luxus, den der Handel zu bieten hatte. Diese Tatsache ließ Klaus-Peter und Herrn Kölzer verstummen und schweigend über eine plausible Antwort nachdenken.

Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Fast eine Stunde nach dem Anruf kam endlich ein grünweißer Wagen die Auffahrt herauf, dem zwei uniformierte Beamte entstiegen. Der Ältere von ihnen zog sich erst einmal umständlich die Hosen zurecht und stülpte seine Dienstmütze auf den lichten Haarkranz ehe er seinem jüngeren Kollegen folgte, der es ebenfalls nicht sonderlich eilig hatte. Er blieb mit gespreizten Beinen vor den vier Menschen stehen und sah einen nach dem anderen an.

"Grüß Gott, Sie haben uns gerufen?"

"I hann Se o'grufe." Herr Kölzer trat vor. "Wege dem Wage do. Er isch ufbroche' worre."

Der Beamte war nicht beeindruckt. "Wem gehört der Wagen?"

"Mir." Conny trat ebenfalls vor. "Es ist nichts gestohlen worden, aber das Schloss ist beschädigt und die Tür schließt nicht mehr."

"Haben Sie Ihre Fahrzeugpapiere bei sich?", kam nun der Ältere seinem Kollegen zu Hilfe. Conny reichte ihm das Gewünschte und der übliche Papierzinnober lief an, der immer bei solchen Gelegenheiten anfällt.

"Und was passiert jetzt?", wollte Simon wissen, als die Polizisten ihre Notizblöcke einpackten und Anstalten trafen, sich zu verabschieden.

"Mei, der Fall ist aufgenommen." Der junge Beamte hob die Schultern. "Sie erhalten von uns eine Bescheinigung mit der Sie den Schaden bei ihrer Versicherung melden können. Das ist alles."

"Wie, Sie nehmen keine Fingerabdrücke? Es gibt keine Fahndung?" Simon war entrüstet.

Der Ältere feixte ungeniert. "Sie sehen zu viele Krimis." Er schüttelte den Kopf. "Was glauben Sie, wie viele Autoaufbrüche wir allein in diesem Monat schon hatten? Wenn wir die Täter nicht zufällig im Zusammenhang mit einer anderen Straftat festnehmen und sie den Einbruch an Ihrem Wagen gestehen..." Er breitete die Arme aus und ließ sie wieder sinken. "Seien Sie froh, dass nichts fehlt oder kaputt ist."

"Danke für Ihren Eifer", knurrte Conny gerade so laut, dass es die Beamten noch hören konnten, aber sie taten so, als seien sie taub. Nach einem "Grüß Gott" und an die Mütze tippen stiegen sie wieder in ihr Auto und fuhren davon.

"Ha noi, so send se halt, uns're Freund' und Helfer." Herr Kölzer hob resigniert die Schultern. Er hätte wohl noch einige Philosophien zum Thema anfügen mögen, aber der Page kehrte zurück und unterbrach Herrn Kölzers weitere Betrachtungen.

"Die Hoteldirektion bittet Sie alle auf das Freundlichste in die Lounge zu kommen."

"Aus unserem Ausflug wird wohl nichts mehr werden", seufzte Conny enttäuscht. Sie hatte sich auf die Fahrt zum Kloster Ettal gefreut. Aber andererseits war ihr diese Freude nun durch den Einbruch vergällt. Das Kloster musste noch eine Weile warten.