9 KAMPF GEGEN WINDMÜHLENFLÜGEL?
Eine Frage zieht sich wie ein roter Faden durch meine Amtszeit als Präsident des Bundes der Steuerzahler: »Fühlen Sie sich nicht wie ein Don Quijote, der einen vergeblichen Kampf gegen die Verschwendung von Steuergeldern führt?« Ich habe das immer verneint und den Hinweis auf Don Quijote zurückgewiesen.
All jene, die mich auf den Kampf gegen Windmühlenflügel ansprechen, halten die Verschwendung von Steuergeldern offenbar für ein unvermeidbares Übel. Wer versucht, etwas dagegen zu unternehmen, dem blüht das Schicksal des Ritters von der traurigen Gestalt, wie Don Quijote sich selbst nennt. Er führt eine aussichtslose Auseinandersetzung gegen übermächtige Kräfte. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass der Vergleich in mehrerer Hinsicht unzutreffend ist.
Während Don Quijote zu wissen glaubt, dass Riesen sich durch einen bösen Zauber in Windmühlen verwandelt haben, kommt die Verschwendung von Steuergeldern sicherlich nicht durch Magie zustande. Auch wenn oftmals merkwürdige Dinge mit Steuergeldern geschehen, sind es keine Zauberkräfte, die dies bewirken. Vielmehr steht das Versagen derjenigen dahinter, die sich von den steten Aufforderungen, sparsam und verantwortungsvoll mit Steuergeldern umzugehen, ebenso wenig beeindrucken lassen wie Don Quijote von den Warnungen des Sancho Pansa.
Darüber hinaus verstand ich meine Arbeit nicht als »Kampf«, fühlte mich nie in einer »Schlacht« mit einem Gegner, der mir »über die Klinge springen« sollte. Auch wenn ich immer wieder forderte, Steuergeldverschwender zu bestrafen, so war mein Anliegen in der Hauptsache nicht gegen Personen gerichtet, sondern auf den Schutz von Steuergeldern vor Missbrauch und Verschwendung.
Vor allem aber wehre ich mich gegen den Vergleich mit Don Quijote, weil ich einen sorgsameren und verantwortungsvolleren Umgang mit Steuergeldern nicht für ein unerreichbares Ziel halte. Es ist fast ausschließlich eine Frage des Bewusstseins, und eben dieses Bewusstsein gilt es immer wieder zu schärfen. Angesichts der sich in immer schnellerem Wandel befindenden gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Verhältnisse sehen wir uns immer größeren finanziellen Herausforderungen gegenüber. Ich denke unter anderem an die auf die öffentlichen Haushalte zukommenden Pensionslasten, die Folgen des demografischen Wandels (Elterngeld und Betreuungsgeld, Ausbau der Kindertagesstätten u.v.m.), die Kosten der Energiewende oder die zunehmenden internationalen Aufgaben vor allem, aber nicht nur im militärischen Bereich. Mit diesen zusätzlichen Belastungen geht die Verpflichtung der Bundesländer einher, ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen (Schuldenstopp), sowie die Zusage des Bundes, sich ab 2016 nur noch mit maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes pro Jahr zu verschulden (Schuldenbremse). Man darf gespannt sein, ob künftige Regierungen in Bund und Ländern diese im Grundgesetz verankerte Verpflichtung einhalten werden, die im Übrigen auch für die Gemeinden gelten sollte. Deshalb fordere ich alle gesellschaftlichen Kräfte auf, mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit über die Einhaltung von Schuldenbremse und Schuldenstopp zu wachen. Es gilt, dafür zu sorgen, dass sie nicht mit Tricks und Ausflüchten umgangen und so erneut verfassungswidrige Haushalte verabschiedet werden, wie dies bereits mehrmals in der Vergangenheit der Fall war.
Anders als Don Quijote führte ich meine Angriffe nicht alleine aus. Ich konnte mich auf viele verlassen, die mich unterstützten, manches Mal auch warnten, nicht zu ungestüm vorzugehen, oder mich aufforderten, es »denen«, wer auch immer damit gemeint war, »mal richtig« zu zeigen, was auch immer damit gemeint war. Aber genauso, wie ich mich immer dagegen verwahrt habe, alle Steuerzahler unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung zu stellen, habe ich nicht alle Politiker oder alle Beamte unter Generalverdacht der Steuergeldverschwendung gestellt.
Man mag an einen Kampf gegen Windmühlenflügel denken angesichts der Tatsache, dass ich Jahr für Jahr bei zahlreichen Gelegenheiten meine Stimme erheben musste, um auf immer neue Beispiele von Steuergeldverschwendung hinzuweisen. Mag sein, dass sich so der Eindruck verfestigt, trotz der immer wieder aufflammenden öffentlichen Empörung ändere sich nichts. Leider gelang es zu selten, die Medien auch für eine Berichterstattung über jene Beispiele zu interessieren, die in den Schwarzbüchern als Erfolge aufgeführt werden. Wenn die Presse über solche Erfolgsfälle wie auch die Inhalte der sogenannten Ergebnisberichte der Rechnungshöfe berichten würde, dann würden die Reaktionen und Kommentare auf die Schwarzbücher oder die Rechnungshofberichte deutlich positiver ausfallen. In die Ergebnisberichte fließen nämlich auch Informationen darüber ein, wie ein von den Rechnungshöfen kritisierter Sachverhalt sich weiterentwickelt. Viele der Fälle werden über einen längeren Zeitraum beobachtet, ihre Fortsetzung findet in die darauffolgenden Berichte und Schwarzbücher Eingang, und oft gibt es auch Erfreuliches zu berichten: dass die kritisierten Behörden oder Ministerien die aufgedeckten Missstände klären oder korrigieren konnten.
Das war nicht immer so und ich sehe es als Zeichen für einen Bewusstseinswandel in Bezug auf die politische Kontrolle. Während einerseits dieses Bewusstsein zunimmt, wurden andererseits auch die Versuche vehementer, meine Arbeit zu diskreditieren und das Problem der öffentlichen Verschwendung kleinzureden. Beide Tendenzen haben mich immer nur angespornt, insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Zu oft habe ich mir anhören müssen, dass wir endlich Schluss machen sollten mit den Schwarzbüchern. Wieder und wieder wurde mir gesagt, dass die kritische Begleitung von öffentlichen Ausgaben zwar eine wichtige Aufgabe in einem Rechtsstaat darstelle, dass der von mir verursachte Medienrummel jedoch nur die Staatsverdrossenheit schüre. Dann brauchte ich nur darauf zu warten, dass die Bezeichnung von den »selbsternannten Steuerwächtern« fiel.
In solchen Momenten wurde ich immer hellwach und dachte: »Hoppla, was soll das denn? Will mich da jemand an meine Pflicht erinnern, ein braver Staatsbürger zu sein nach dem Motto: ›Bet’‹ und arbeit’ Sei nicht faul – Bezahl deine Steuern und halt’s Maul!‹?« (Inschrift auf der Außenwand der historischen Wappenschmiede in Pleisweiler bei Bergzabern).
Wer den Kopf in den Sand steckt, hat schon verloren. Ausschließen kann ich nicht, dass eines Tages keine Steuergelder mehr verschwendet werden. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass eines Tages wieder jene Tugenden in die öffentlichen Verwaltungen einziehen werden, von denen mir ganz zu Beginn meiner Berufstätigkeit erzählt worden war. Danach sollen preußische Beamte, wenn sie ihre Arbeit nach dem offiziellen Dienstschluss noch fortsetzten, weil sie die ihnen aufgetragenen Aufgaben noch nicht vollständig erledigt hatten, nicht nur ihr privates Petroleum in die Schreibtischlampe gegossen und ihre private Tinte benutzt, sondern auch die »staatlichen« gegen ihre privaten Ärmelschoner ausgetauscht haben. Einen Beleg für diese Anekdote habe ich nicht gefunden. Aber selbst wenn sie erfunden sein sollte – wäre es nicht erstrebenswert, sich an diese Haltung wieder zu erinnern?