Sitruua feuerte erneut und wählte dabei die maximale Emissionsstufe des Phasers. Der Strahl verursachte ein sonderbares Wabern dort, wo er auf den immateriellen Körpers des Doktors traf, aber er schien ihm nichts

anhaben zu können. Eine deutliche Wirkung zeigte sich hingegen an der Wand weiter hinten. Sie glühte rot, und innerhalb weniger Sekunden brannte die Phaserenergie ein Loch ins Metall, durch das man ins Laboratorium

sehen konnte. Ein akustischer Alarm ertönte, ausgelöst vermutlich von dem angerichteten Schaden.

Das Heulen der Sirene schmerzte in Sitruuas Ohren.

Sie deaktivierte den Phaser, doch die Sirene blieb auch weiterhin aktiv.

»Ich glaube, das genügt jetzt«, sagte der Doktor streng.

Er schritt durch die Krankenstation und griff unters Kopfkissen der nächsten Behandlungsliege. »In diesem Quadranten fällt es schwer genug, Nachschub an Medo-Material zu bekommen. Es ist alles andere als hilfreich, wenn Sie die hiesigen Einrichtungen mit einem Phaser beschädigen.«

Er holte ein Objekt hervor, das Sitruua vertraut erschien

– ein Strahler.

»Ich muß gestehen, daß ich Injektoren solchen Waffen vorziehe«, meinte der Mensch. »Aber ich bin durchaus imstande, Gebrauch davon zu machen, falls es

notwendig werden sollte. Ich schlage vor, daß Sie sich jetzt ergeben.«

Ein Ryol soll sich einem Neffaler ergeben? Sitruua heulte wütend. Dies war die letzte und größte Demütigung –

mehr konnte sie einfach nicht ertragen. Mit voll

ausgefahrenen Krallen griff sie an, um den Fremden zu zerfetzen, ihn in blutige Streifen zu reißen. Wenn er genug Substanz hat, um eine Waffe zu halten, so hat er vielleicht auch genug Substanz, um zu sterben. Das Gesicht des Menschen blieb unbewegt, doch Sitruua

war entschlossen, einen entsetzten Schrei aus ihm

herauszuholen. Es werden nur einige schleimige Reste von dir übrigbleiben, dachte sie.

Sie spürte den Phaserstrahl, bevor sie sein blaues

Glühen sah. Eine seltsame Taubheit dehnte sich in

ihrem Körper aus. Sie versuchte, der Wirkung des

Strahls standzuhalten, doch Geist und Fleisch waren

von dem vergeblichen Versuch geschwächt, die Kraft

des Lebens aufzunehmen, und deshalb konnten sie

keinen nennenswerten Widerstand mehr leisten. Als sie nur wenige Meter von Nalec entfernt auf den Boden

sank, hörte sie noch einmal die unerträglich

selbstgefällige Stimme des Doktors.

»Hm, ich denke, Phaser haben doch einen gewissen

Nutzen.«

XIV.

 

Die Turbolifte bieten keine Sicherheit, dachte Janeway als sie zusammen mit Tuvok und Harry Kim in Richtung Maschinenraum durchs Schiff eilte. Wenn die Ryol die Brücke unter Kontrolle gebracht hatten – und darauf

wies Chakotays Warnung hin –, so konnten sie von dort aus maßgeblichen Einfluß auf die Bordsysteme

nehmen. Janeway wollte unbedingt vermeiden, mit

Tuvok und Harry in einem Turbolift festzusitzen und

darauf zu warten, von den Ryol in Gewahrsam

genommen zu werden. Verdammt! dachte sie. Wie ist es den Ryol nur gelungen, die Brücke zu erreichen?

Vermutlich haben sie irgend etwas mit Tom angestellt, überlegte sie und hoffte, daß Paris diese besondere

Erfahrung überlebt hatte.

Mit schußbereitem Phaser lief Tuvok vor Janeway, dazu entschlossen, alle Gefahren vom Captain fernzuhalten.

Kim bildete den Abschluß.

»Glauben Sie, daß mit dem Doktor alles in Ordnung

ist?« rief der Fähnrich.

»Er kommt auch gut allein zurecht«, erwiderte Janeway.

»Das hat er oft genug bewiesen.« Vermutlich hatte der holographische Arzt von ihnen allen am wenigsten zu

befürchten – auf ein Hologramm wirkten sich die

psychischen Angriffe der Ryol wohl kaum aus.

Sie erreichten den Zugang zu einigen vertikalen

Jeffriesröhren. »Perfekt«, meinte Janeway. Der

Maschinenraum befand sich auf Deck Elf, sechs Decks

unter der Krankenstation und ganze zehn Decks von der Brücke entfernt. Nach den Turboliften boten die

Jeffriesröhren die schnellste Möglichkeit, dorthin zu gelangen. Eins nach dem anderen, dachte sie und setzte Prioritäten. Letztendlich mußte sie zur Brücke zurück, um Chakotay und alle anderen zu befreien, die dort als Geiseln festgehalten wurden. Doch vorher ging es darum, die Ryol daran zu hindern, mit der Voyager fortzufliegen. Der Maschinenraum bot die besten

Möglichkeiten, den Angreifern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Schade nur, daß sie nicht auf die Hilfe von B’Elanna zurückgreifen konnten. Janeway

hoffte, daß Torres, Kes und allen anderen noch auf dem Planeten befindlichen Besatzungsmitglieder keine

unmittelbare Gefahr drohte.

Es geschah alles so schnell. Als der Transporter die Insignienkommunikatoren von Kes und den anderen

transferierte, brach auch der Kontakt zu Varathael ab.

Dann hörte Janeway plötzlich von Chakotay, daß Ryol

die Brücke übernommen hatten. Tuvok versuchte

daraufhin sofort, Gegenmaßnahmen gegen die

Aggressoren einzuleiten, aber jemandem war es

gelungen, den Kontrollraum vom Rest des Schiffes zu

separieren: Kraftfelder verhinderten, daß jemand zur Brücke gebeamt werden konnte.

Wie haben die Ryol soviel über die

Verteidigungssysteme der Voyager herausgefunden?

fragte sich Janeway. Entsprechende Informationen

waren nicht Teil des von ihr autorisierten

Kulturaustauschs gewesen!

Wahrscheinlich hatte sie die Krankenstation gerade

noch rechtzeitig verlassen, um einer Gefangennahme

durch die Ryol zu entgehen. Tuvok bestand darauf, sie in Sicherheit zu bringen, und nach anfänglichem

Widerstreben beugte sich Janeway der Logik des

Vulkaniers. Es ging ihr gegen den Strich, einen

strategischen Rückzug an Bord ihres eigenen Schiffes anzuordnen, aber noch waren sie und ihre beiden

Begleiter nicht bereit, sich den Eindringlingen zum

Kampf zu stellen. Wir müssen vorsichtig sein, dachte Janeway. Wir wissen nicht, wozu die Ryol wirklich fähig sind.

»Hier entlang, Captain«, sagte Tuvok und öffnete die Luke einer ganz bestimmten Jeffriesröhre. Trotz der

kritischen Situation hielt er an seiner bewundernswerten vulkanischen Gelassenheit fest. »Geben Sie gut acht.«

»Nach Ihnen«, sagte Janeway. Hinter ihm schob sie

sich dann in die Röhre hinein, ließ die Luke für Kim offen und griff nach den Sprossen. Tuvoks Stiefel

verursachten ein Klacken, das dumpf von den runden

Wänden widerhallte.

Während Janeway möglichst schnell durch die schmale

Röhre nach unten kletterte, aktivierte sie ihren

Insignienkommunikator und öffnete einen

Prioritätskanal.

»Achtung, hier spricht der Captain«, sagte sie, und ihre Stimme klang aus Dutzenden von Lautsprechern an

Bord des Schiffes. »Ryol haben die Brücke unter ihre Kontrolle gebracht. Versuchen Sie nicht, sich den

Eindringlingen entgegenzustellen. Sie sind extrem

gefährlich. Alle Besatzungsmitglieder, die nicht der Sicherheitsabteilung angehören, sollen sich

unverzüglich in ihre Quartiere zurückziehen und dort bleiben, bis die gegenwärtige Krise überstanden ist. Das Sicherheitspersonal begibt sich sofort zum

Maschinenraum. Ich bin dorthin unterwegs. Janeway

Ende.«

Sprosse um Sprosse kletterte sie in die Tiefe, brachte ein Deck nach dem anderen hinter sich. Ihr Zorn auf die Ryol wuchs, als sie daran dachte, auf welche Weise sie von den angeblichen Gastgebern getäuscht worden

waren. Die Kazon gaben ihre Feindseligkeit wenigstens ganz offen zu erkennen, dachte sie. Die Ryol hingegen nutzten unser Vertrauen aus, um uns in eine Falle zu locken. Ob Erste Direktive oder nicht: Janeway schwor sich, daß die Ryol es bald bereuen würden, Schiff und Crew bedroht zu haben.

»Soviel zum Landurlaub«, murmelte sie. »Hoffentlich

bekommen wir Gelegenheit, uns von diesen Ferien zu

erholen…«

»Nun, dies ist wirklich bedauerlich«, sagte der Doktor und betrachtete das handtellergroße Loch, das die Ryol mit ihrem erbeuteten Phaser in die Wand zwischen

Laboratorium und Rekonvaleszenzbereich geschossen

hatte. »Eine Schießerei in der Krankenstation. Die

Verhältnisse in diesem Quadranten werden immer

schlimmer.«

Die beiden Ryol lagen noch immer bewußtlos auf dem

Boden. Der Doktor hielt seinen Phaser auf sie gerichtet, als er den Insignienkommunikator aktivierte. »Captain«, meldete er sich, »hier spricht der Doktor. Ich habe Ihre Durchsage gehört. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

Die Stimme des Captains drang aus dem Lautsprecher

des kleinen Kom-Geräts. »Wir haben den

Maschinenraum fast erreicht.« Sie sprach schnell und schien ein wenig außer Atem zu sein. »Wie ist die

Situation in der Krankenstation?«

Der Doktor erzählte von der Konfrontation mit den

beiden Ryol und ihren Konsequenzen, betonte dabei

seine eigene Heldenhaftigkeit, die maßgeblich zur

Überwältigung der Gegner beigetragen hatte. Ich werde allmählich zum knallharten Krieger, dachte er, mehr als zufrieden mit sich selbst.

Der männliche Ryol bewegte sich, hob benommen den

Kopf – der Doktor betäubte ihn mit einem lässigen

Phaserschuß. »Zwei Gefangene, beide unter Kontrolle«, teilte er Janeway mit. »Soll ich sie von

Sicherheitswächtern abholen lassen?«

Die Kommandantin überlegte ein oder zwei Sekunden

lang. »Nein, noch nicht. Ich möchte, daß Sie in Hinsicht auf die Ryol eine vollständige metabolische Analyse

vornehmen. Je mehr wir über den Gegner wissen, desto größer wird die Chance, einen schwachen Punkt zu

entdecken. Werden Sie allein damit fertig?«

Der Holo-Arzt sah zu den bewußtlosen Ryol. Er freute sich nicht gerade darauf, sie hochzuheben und zu den Liegen zu tragen, aber Hilfe war nicht unbedingt nötig.

»Ich denke schon, Captain«, entgegnete er. »Ich kann die Biobetten so programmieren, daß sie die

Hirnaktivität der beiden Gefangenen überwachen und

ihnen Sedative verabreichen, wenn sie zu sich

kommen.«

Außerdem ist es möglich, die Operationshauben über den beiden Ryol zu befestigen, fügte er in Gedanken hinzu. Normalerweise widerstrebte es ihm, die

Bewegungsfreiheit der Patienten einzuschränken, aber in diesem Fall hielt er eine Ausnahme für angebracht.

Die Ryol haben einen ziemlich schlechten ersten

Eindruck auf mich gemacht. Ich frage mich, warum die anderen Besatzungsmitglieder sie so sympathisch

fanden?

»Ausgezeichnet«, sagte Captain Janeway. »Geben Sie

mir Bescheid, wenn Sie etwas Wichtiges über die Ryol herausfinden.«

»Natürlich«, bestätigte der Doktor. »Es ist mir noch immer ein Rätsel, wie der Mann dem Narkotrizarin so

lange widerstehen konnte. Ich habe ihm genug

verabreicht, um jeden normalen Humanoiden innerhalb

von Nanosekunden zu betäuben.«

»Inzwischen dürfte klar sein, daß die Ryol alles andere als normal sind«, erwiderte Janeway. »Sonst noch

etwas?«

Aus dem Lautsprecher des Insignienkommunikators

drangen Geräusche, die darauf hinwiesen, daß sich

eine Luke öffnete. Der Doktor zögerte kurz. »Captain, was ist mit… Kes und den anderen auf dem Planeten?«

Er wollte nicht direkt zugeben, welche Sorgen er sich um Kes machte. Er sah mehr in ihr als nur eine

Assistentin. Sie war die erste Person, die ihn wie eine echte, lebendige Entität behandelt hatte. Bitte kehren Sie zurück, Kes, dachte er. Ohne Sie wird meine Existenz an Bord dieses Schiffes sehr einsam sein. »Es wäre eine ziemlich große Belastung für mich, wenn ich ganz allein alle in der Krankenstation anfallenden

Arbeiten erledigen müßte.«

»Ich lasse Kes und die anderen nicht im Stich«, sagte Janeway mit einer besonderen Festigkeit in ihrer

Stimme. »Das verspreche ich Ihnen. Janeway Ende.«

Nach dem Kom-Kontakt mit der Kommandantin warf der

Doktor den beiden immer noch bewußtlosen Ryol einen

neuerlichen Blick zu, bevor er den von der Frau

erbeuteten Phaser aufhob und neben Fähnrich Kims

Klarinette auf den Tresen legte. Dann seufzte er, beugte sich über den Mann, schlang ihm die Arme um den

Oberkörper und zog ihn hoch. Er war noch schwerer, als er aussah.

»Warum hat Starfleet nicht daran gedacht, auch den

einen oder anderen holographischen Sanitäter zu

programmieren«, ächzte der Holo-Arzt, als er den Ryol zum nächsten Biobett trug.

»Tom…«, sagte Laazia und schien sich im

Kommandosessel recht wohl zu fühlen. »Wie lange

dauert es noch, bis wir auf Ryolanow landen?«

»Nicht mehr lange«, erwiderte Paris und sah zum

Hauptschirm. Der Planet – ein goldener Globus, der hier und dort purpurne und schwarze Flecken aufwies –

befand sich im Zentrum des großen Projektionsfelds.

Paris berührte Schaltflächen, verband die

Navigationsstation mit den Kontrollen der

Fernbereichsensoren. Der Planet schwoll an, was den

Eindruck erweckte, daß sich die Voyager ihm näherte.

Für mich sieht’s gut aus, dachte Paris. Aber fallen die Ryol darauf herein?

Sein Bewußtsein gehörte wieder ihm. Der Schock

angesichts von Susans Tod und Laazias Brutalität

Chakotay gegenüber hatte Paris’ Gehirn befreit – der Benommenheitsnebel löste sich auf. Er konnte jetzt

wieder klar denken. Vielleicht hat Laazia mich

unterschätzt, überlegte er. Vielleicht dachte sie, Susans gräßliches Ende hätte mich endgültig eingeschüchtert.

Das zeigt nur, wie wenig die Ryol von uns Menschen verstehen.

Aber was konnte er jetzt unternehmen, ohne sofort zu verraten, daß er wieder über einen freien Willen

verfügte? Paris sah sich verstohlen auf der Brücke um und versuchte, die Situation einzuschätzen. Er

widerstand der Versuchung, angesichts seines bizarren Dilemmas den Kopf zu schütteln. Die Brücke ist von Fremden übernommen, dachte er. Und ich bin vielleicht der einzige, der etwas dagegen unternehmen kann.

Die allgemeine Atmosphäre war spannungsgeladen.

Laazia genoß noch immer ihren neuen Thron, den

Kommandosessel, während die übrigen Ryol Chakotay

und den Rest der Brückencrew bewachten. Der von

Susan Tukwila außer Gefecht gesetzte Ryol-Mann hatte sich inzwischen erholt – eine Beule an seiner Stirn und die aufgeplatzte Lippe wiesen deutlich auf Susans

Attacke hin. Paris vermied es, in Richtung der hinteren Konsolen zu sehen, wo Tukwilas verschrumpelter

Leichnam lag. Sie war eine mutige, überaus geschickte Kämpferin gewesen, aber all ihre Fähigkeiten hatten ihr nichts genützt. Es ging so schnell, dachte Paris. Ich konnte ihr nicht helfen. Es war einfach nicht genug Zeit!

Er wies sich selbst mehrmals darauf hin, daß ihn keine Schuld traf, daß er das hilflose Opfer einer fremden Macht gewesen war, aber deshalb fühlte er sich

keineswegs besser.

Nicht weit von Tukwilas traurigen Überresten entfernt saß Chakotay hilflos auf dem Boden, die Hände mit

Klebeband auf dem Rücken zusammengebunden. Zwar

hatten die Ryol dem Ersten Offizier einen Teil seiner Lebenskraft genommen, aber offenbar wollten sie

trotzdem kein Risiko eingehen. Paris spürte Chakotays vorwurfsvollen Blick im Rücken. Geben Sie mir eine Chance, dachte er. Es ist alles ganz anders, als Sie glauben.

Zwei Junioroffiziere – die Fähnriche Krevorr und Assink

– saßen an der technischen und wissenschaftlichen

Station. Ryol-Wächter befanden sich in ihrer Nähe und vertrauten auf ihre mentale Macht, um die Geiseln unter Kontrolle zu halten. Mal sehen, dachte Paris. Mit Chakotay sind wir zu viert, und wir haben es mit fünf Ryol zu tun. Anders formuliert: Es sieht nicht besonders gut für uns aus. Er hätte eine Replikator-Jahresration dafür gegeben, B’Elanna oder Harry auf der Brücke zu haben, ganz zu schweigen von Tuvok und dem Captain.

»Beeilen Sie sich, Tom«, drängte Laazia. »Ich kann es gar nicht abwarten, dieses Schiff meinem Vater zu

übergeben. Außerdem ziehe ich in Erwägung, eventuell mit einer neuen beruflichen Laufbahn zu beginnen. Wie klingt ›Captain Laazia‹ für Sie?«

Paris erweckte auch weiterhin den Eindruck, ganz auf die Arbeit konzentriert zu sein. »Landungen auf einem Planeten können sehr schwierig sein«, sagte er.

»Insbesondere dann, wenn man es mit einer so

komplexen Orbitaldynamik zu tun hat. Die umgekehrt

polarisierte Turbulenz des Quantengravitationsfelds

kann sich ziemlich störend auf den Anflugvektor des

aerodynamischen Prinzips auswirken.«

Die einige Meter entfernt sitzende Krevorr bedachte

Paris mit einem erstaunten Blick. Die goldenen,

katzenartigen Augen der Ktaranerin zeigten

Verwunderung.

Paris versuchte, ihr ein telepathisches Pscht zu übermitteln. Verraten Sie nichts. Ich muß improvisieren.

Er hütete sich davor, den Kopf zu drehen und zu

Chakotay zu sehen, um festzustellen, ob der Erste

Offizier verstanden hatte. Er wünschte sich sehr, die Verachtung aus Chakotays Zügen zu tilgen, aber er

durfte auf keinen Fall riskieren, daß Laazia und ihre Artgenossen Verdacht schöpften. Fiel die Tochter des Ältesten auf seinen Unsinn herein? Es ließ sich kaum feststellen.

Dünne Falten bildeten sich in Laazias glatter Stirn, als sie versuchte, einen Sinn in Paris’ Worten zu erkennen.

Ich frage mich, ob der automatische Translator dadurch auf eine harte Probe gestellt wird, überlegte er.

Aufregung entstand in ihm, als eine Idee Konturen

gewann. Die Ryol sind ebenso wie wir auf die

Translatoren angewiesen. Das sollten wir vielleicht im Gedächtnis behalten…

Laazia seufzte, zuckte mit den Schultern und kapitulierte vor den eindrucksvollen Bezeichnungen. »Wie Sie

meinen«, sagte sie nach kurzem Nachdenken. »Landen

Sie so schnell, wie es die Umstände erlauben.« Sie sah zu den anderen Ryol. »Der Älteste möchte bestimmt

nicht, daß auch dieses Schiff abstürzt.«

Auch dieses Schiff? wiederholte Paris in Gedanken. Er wußte nicht, was Laazia damit meinte, aber es klang

ganz so, als hätten es die Ryol einmal mit der

Raumfahrt versucht. Konnte diese Information irgendwie gegen Laazia und die anderen verwendet werden?

Bisher schien es bei den Ryol überhaupt keinen

schwachen Punkt zu geben. Paris hoffte, daß sich durch die Untersuchung von Tuvoks DNS-Probe nützliche

Daten ergaben. Ich kann die Tochter des Ältesten und ihre Eskorte nicht auf Dauer hinhalten, dachte er und hoffte, daß man ihm seine Nervosität nicht ansah. Ein dünner Schweißfilm sorgte dafür, daß der Uniformpulli an seinem Rücken festklebte.

Eine plötzliche Stimme riß ihn aus seinen

Überlegungen. »Achtung«, ertönte es aus den

Lautsprechern der internen Kommunikation, »hier

spricht der Captain…«

Paris unterdrückte ein Lächeln. Es war den Ryol nicht gelungen, Captain Janeway zu überwältigen! Hinter ihm sprang Laazia aus dem Kommandosessel. Wie erstarrt

blieb sie stehen, lauschte Janeways Worten und fauchte dann voller Zorn. Auf der Brücke glühten die Indikatoren der Alarmstufe Gelb.

»Sie ist noch immer frei?« entfuhr es Laazia. »Ich kann es kaum glauben. Wie ist das möglich?«

»Offenbar haben Nalec und Sitruua versagt«, sagte der Ryol mit der Stirnbeule. An seinem Kinn klebte Blut von der geplatzten Lippe. Solche Verletzungen hätten den Ryol die Kampfbereitschaft der Voyager- Crew vor Augen führen sollen, fand Paris. »Vielleicht gelang es den Fremden, sie zu überwältigen.«

»Wie denn?« zischte Laazia, und es blitzte in ihren

grünen Augen. Sie ballte die Hände zu Fäusten, als

wollte sie damit auf einen unsichtbaren Gegner

einschlagen. »Es sind Neffaler. Wir können ihnen ganz nach Belieben die Lebenskraft nehmen.«

»Ich weiß nicht, Erbin«, erwiderte der Ryol. Laazia

bedachte ihn mit einem giftigen Blick. Allem Anschein nach neigten auch die Ryol dazu, auf die Überbringer schlechter Nachrichten böse zu sein. Die Tochter des Ältesten ließ sich wieder in den Kommandosessel

sinken und strich sich mit langen, braunen Fingernägeln übers Kinn.

»Der Maschinenraum«, sagte sie. »Janeway will das

Schiff sabotieren. Das darf ich nicht zulassen.« Laazia wandte sich den anderen Ryol zu und winkte

gebieterisch. »Begeben Sie sich unverzüglich zum

Maschinenraum. Ergreifen Sie alle notwendigen

Maßnahmen und bringen Sie mir Janeway. Lebend oder

konsumiert. Es ist mir gleich. Ich will sie nur hier haben, sofort!«

Die anderen vier Ryol eilten zum Turbolift. Eine

schlanke Frau – Paris glaubte, sich an ihren Namen zu erinnern: Romeela – zögerte und hob einen Phaser.

»Halten Sie das für klug, Erbin? Sollten nicht einige von uns hierbleiben, um Sie zu schützen?« Sie bot die

Waffe der Tochter des Ältesten an.

»Sie glauben, ich brauche Schutz vor diesen

Geschöpfen?« Laazia lachte abfällig. Ihr Blick glitt durch den Kontrollraum, verharrte kurz beim gefesselten

Chakotay und wanderte dann weiter zu Paris und den

anderen. »An jenem Tag, an dem ich nicht mehr mit so schwachen Wesen fertig werden kann, braucht mein

Vater einen neuen Erben.« Sie nahm den Phaser

entgegen und warf ihn in den Sessel, in dem

normalerweise Chakotay saß. »Gehen Sie jetzt«,

forderte sie die Ryol auf. »Bringen Sie Janeway

hierher.«

Paris hörte, wie sich die Tür des Turbolifts öffnete und dann wieder schloß. Dies ist zweifellos eine interessante Entwicklung, dachte er. Vier Ryol sind fort, und damit bleibt nur noch eine übrig. Er zog ein Dutzend Pläne in Erwägung und ließ sie alle wieder fallen. Mir bleibt nur eine einzige Chance; ich kann mir keinen Fehler leisten.

Mit ihren nächsten Worten bewies Laazia, daß sie nicht dumm war und ebenfalls nachgedacht hatte. »Sie.« Sie deutete auf Fähnrich Krevorr. »Verwenden Sie Ihren

Transporter, um weitere Ryol auf die Brücke zu holen.

Beamen Sie Verstärkung vom Planeten an Bord.« Sie

hielt den Blick auf Krevorrs Konsole gerichtet. »Seien Sie vorsichtig. Beim ersten Anzeichen von Verrat füge ich Ihre Knochen der Leiche hinter mir hinzu.«

Jetzt ist es soweit, dachte Paris. Es geht los. »Ich fürchte, so einfach ist das nicht«, sagte er, um Laazias Aufmerksamkeit von der hilflosen Ktaranerin

abzuwenden. Er wollte vermeiden, daß Krevorr mit einer negativen Antwort den Zorn der Ryol herausforderte.

Susan Tukwilas Tod entsetzte ihn noch immer – kein

zweiter Brückenoffizier sollte auf eine so schreckliche Weise sterben.

»Warum denn nicht?« fragte Laazia und sah ihn an. Ihr verführerisches Gebaren löste sich jetzt rasch auf, als ihr Plan in Gefahr geriet, mit der Voyager auf Ryolanow zu landen. Verlierst du allmählich die Kontrolle über die Situation? fragte Paris wortlos. Gut.

»Weil… äh…« Er wollte mit weiterem technischen

Kauderwelsch antworten, entschied sich dann aber

dagegen. Irgend etwas sagte ihm, daß Laazia diesmal

nicht darauf hereinfallen würde. »Weil wir außerhalb der Transporterreichweite sind.«

Paris berührte eine ganz bestimmte Schaltfläche, und das von den Fernbereichsensoren stammende

vergrößerte Bild des Planeten verschwand vom

Hauptschirm. Ryolanow wurde zu einem goldenen Fleck

vor dem Hintergrund der Sterne.

»Was hat das zu bedeuten?« entfuhr es Laazia, als sie die Wahrheit erkannte. »Wir fliegen in die falsche

Richtung!«

Jetzt wird abgerechnet, dachte Paris. Und dazu muß ich alles auf eine Karte setzen. Er zwang die Voyager so abrupt nach Steuerbord, daß die Trägheitsabsorber für einen Sekundenbruchteil überlastet wurden. Alle wurden aus ihren Sesseln gerissen, abgesehen vom Navigator, der sich an der Konsole vor ihm festhielt. Er blickte über die Schulter und beobachtete, wie Laazia aus dem

Kommandosessel rutschte und auf den Boden fiel.

Chakotay rollte hilflos zur Seite und stieß mit der

Schläfe an die Kante der Funktionsstation. Tut mir leid, dachte Paris. Das ließ sich leider nicht vermeiden.

Er stabilisierte die Fluglage der Voyager wieder, sprang dann auf und lief zu Laazia, die mit dem Gesicht nach unten auf der Kommandoplattform lag. Der indigoblaue Umhang ruhte wie eine Decke auf ihr.

Paris rammte der Ryol die Knie in den Rücken und

preßte mit beiden Händen Laazias Kopf auf den Boden, so daß er außerhalb ihres Blickfelds blieb.

»Sehen Sie mich nicht an!« rief er. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle!«

Diesmal ließ er sich nicht von ihrer erstaunlichen Kraft überraschen. Mit seinem ganzen Gewicht drückte er die Tochter des Ältesten auf den Boden. Er hatte nur diese eine Chance, die Brücke wieder unter Kontrolle zu

bringen, und er wollte sie auf keinen Fall vergeuden.

Mehrere Sekunden lang glaubte er, Laazia tatsächlich überwältigt zu haben.

Dann veränderte sich ihr Körper unter ihm…

Lieutenant Carey hatte gerade das Warptriebwerk

deaktiviert, als das Schiff plötzlich nach Steuerbord kippte. Captain Janeway hielt sich an einem Stützpfeiler fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu fallen. »Was ist passiert?« rief sie Carey zu, der beide Hände um das System-Hauptdisplay geschlossen hatte.

»Sind wir dafür verantwortlich?«

»Nein, Sir.« Der Boden schien zunächst die Absicht

aufgegeben zu haben, sich in eine Wand zu

verwandeln. Carey wandte sich vorsichtig vom Display ab und wirkte erleichtert, als weitere Erschütterungen ausblieben. Verwirrt strich er sich durchs lockige rote Haar. »Vor Ihrer Ankunft flog die Voyager mit Impulskraft. Die Deaktivierung des Warptriebwerks kann keine Wirkung auf unseren Kurs gehabt haben.«

»Verstehe«, sagte Janeway. Sie ließ den Stützpfeiler los, blickte sich um und hielt nach eventuellen Schäden Ausschau. Mehrere uniformierte Sicherheitswächter

erhoben sich. Harry Kim half einem von ihnen auf die Beine, während Tuvok den Eingang im Auge behielt. Im Maschinenraum schien soweit alles in Ordnung zu sein.

Überall standen bewaffnete und besorgt wirkende

Besatzungsmitglieder.

»Wer zum Teufel fliegt das Schiff?« fragte Janeway laut.

Eine Sekunde später fiel ihr die Antwort ein. »Paris«, fügte sie hinzu und lächelte. Was auch immer Tom vorhat – hoffentlich klappt es.

Sie wandte sich wieder Lieutenant Carey und den

Hauptkontrollen zu. »Deaktivieren Sie auch den

Impulsantrieb«, wies sie ihn an. »Dieses Schiff soll nirgendwohin fliegen, solange ich es nicht unter

Kontrolle habe. Sind Sie sicher, daß von der Brücke aus keine Reaktivierung der Triebwerke möglich ist?«

Carey nickte. »Wir haben die entsprechenden Systeme

so weit manipuliert, daß nicht einmal Lieutenant Torres neue Schaltwege für die Triebwerkskontrollen finden

könnte. Geben Sie mir noch einige weitere Minuten Zeit

– dann ist die Voyager vollkommen manövrierunfähig.«

Unbehagen regte sich in Janeway, als sie diese Worte hörte, aber sie wußte auch, daß ihnen keine Wahl blieb.

Sie durften auf keinen Fall zulassen, daß die Ryol mit der Voyager irgendwohin flogen, und ein Angriff auf die Brücke kam derzeit noch nicht in Frage. Eine

Konfrontation mit den Ryol war erst dann möglich, wenn sie ein Mittel fanden, um sich vor der gespenstischen mentalen Macht des Gegners zu schützen. Andernfalls

stand bei einem Kampf ihre Niederlage von vorneherein fest.

»Tuvok«, sagte Janeway zum vulkanischen

Sicherheitsoffizier, »haben die Ryol irgendeine

Möglichkeit, Verstärkung an Bord zu holen?«

»Das bezweifle ich«, erwiderte der Vulkanier. »Die

letzten Navigationsdaten deuten darauf hin, daß wir uns außerhalb der Reichweite konventioneller Transporter befinden, und es gibt keine Hinweise darauf, daß den Ryol funktionstüchtige Raumschiffe zur Verfügung

stehen. Wir müssen annehmen, daß sie mit der Voyager auf Ryolanow landen wollen, sobald sie dazu in der

Lage sind.«

»Das werden wir verhindern«, sagte Janeway. Das

Schiff war schon einmal von Fremden übernommen

worden, von Seska und ihren Kazon, und die

Kommandantin wollte nicht zulassen, daß sich so etwas wiederholte. »Solange wir die Triebwerke kontrollieren, halten wir uns vom Planeten fern.«

Sie hätte gern gewußt, was derzeit auf Ryolanow

geschah. Ganz deutlich erinnerte sie sich an die

arrogant und grausam klingende Stimme des Ältesten,

bevor der Transporter B’Elannas Insignienkommunikator aus seinen Fingern beamte. Wie kann ich ihn so falsch eingeschätzt haben? dachte Janeway. Bin ich vielleicht ebenso urlaubsreif wie alle anderen? Immer wieder bekamen sie es mit Konflikten zu tun: Seit dem

unfreiwilligen Transfer in den Delta-Quadranten hatten sie praktisch jede Woche um ihr Leben kämpfen

müssen. Janeway sehnte sich nach der relativen

Harmonie in der Föderation, und vielleicht war sie

deshalb so schnell bereit gewesen, die

Gastfreundschaft der angeblich sehr zivilisierten Ryol in Anspruch zu nehmen.

Doch sie durfte sich jetzt weder Schuldgefühlen noch Selbstmitleid hingeben. Inzwischen hatten sie

Warptriebwerk und Impulsantrieb deaktiviert, was

bedeutete: Bestimmt dauerte es nicht mehr lange, bis Laazia und ihre Gruppe versuchten, die

Manövrierfähigkeit der Voyager wiederherzustellen.

»Na schön«, sagte Janeway laut genug, damit sie alle hörten. »Wir wissen, daß die Ryol bald kommen, und

deshalb sollten wir alle notwendigen Vorbereitungen

treffen. Gehen Sie in Verteidigungsposition.«

Mit schußbereiten Phasern schwärmten die

Sicherheitswächter im Maschinenraum aus. Die meisten Männer und Frauen blieben im Bereich des

Haupteingangs, aber es wurden auch alle anderen

Zugänge bewacht, wie zum Beispiel Turbolift und

Wartungstunnel. Derzeit kann mich weder das eine noch das andere zur Brücke zurückbringen, dachte Janeway.

Sie sah keinen Sinn in dem Versuch, den

Maschinenraum mit Kraftfeldern zu schützen. Solange

die Ryol die Brücke kontrollierten, konnte sie alle

internen Schilde mit Prioritätsschaltungen deaktivieren.

Außerdem vermittelten solche Schirmfelder ein falsches Gefühl der Sicherheit – ein Grund mehr für Janeway,

von vorneherein auf sie zu verzichten. Tuvok teilte ihre Einschätzung.

»Im Kontrollraum steht den Ryol kein Proviant zur

Verfügung«, meinte der Vulkanier. »Vielleicht halten sie nicht lange durch.«

»Ähnliches gilt auch für die Geiseln«, sagte Janeway und runzelte die Stirn. Entschlossen klopfte sie auf ihren Insignienkommunikator. »Janeway an Krankenstation.

Wie sieht’s aus, Doktor? Haben Sie etwas über die

Fremden herausgefunden?«

»Man kann wohl kaum von mir erwarten, in weniger als einer Stunde alle Nuancen einer völlig fremden

Physiologie zu analysieren«, entgegnete der

holographische Arzt und klang ein wenig gereizt. »Wie dem auch sei: Die ersten Daten sind faszinierend.«

»In welcher Hinsicht?« fragte Janeway. Sie sah auch

weiterhin zum Haupteingang, rechnete jeden Augenblick mit einem Angriff der Ryol. Die Läufe von

hochenergetischen Phasergewehren deuteten in die

gleiche Richtung.

»Soweit ich bisher feststellen konnte, weist der

Basismetabolismus eine beispiellose Verbindung mit

ihren psionischen Fähigkeiten auf«, erklärte der Doktor.

»Bei den Ryol sind RNS und Mitochondrien selbst auf

dem Zellniveau psychisch reaktiv. Ihre

Funktionsfähigkeit hängt von etwas ab, das man als

überschüssige psychische Energie bezeichnen könnte.

Zwar verfügen die Ryol auch über ein gewöhnliches

Verdauungssystem, aber es ist rudimentärer Natur und praktisch überflüssig – es handelt sich um den Rest

einer früheren Evolutionsphase. Den größten Teil ihrer Nahrung beziehen sie aus psychischer Energie, die sie von anderen Lebewesen gewinnen. Intelligente Spezies sind dabei die beste Quelle solcher Energie.«

»So wie wir und die Neffaler?« hakte Janeway nach.

Verdammt! dachte sie. Tuvok irrte sich: Auf der Brücke mangelte es den Ryol nicht an Proviant – ihnen standen Chakotay und die anderen zur Verfügung.

»Vermutlich«, erwiderte der Doktor. »Obwohl ich erst noch einen Neffaler untersuchen müßte, um ganz sicher zu sein. Es wäre interessant, die langfristigen

Auswirkungen von psychischem Parasitismus bei einer

intelligenten Spezies über mehrere Generationen

hinweg zu beobachten.«

»Hoffentlich bekommen wir keine Gelegenheit, es selbst zu spüren«, sagte Janeway. »Wie gehen die Ryol dabei vor, Doktor? Gibt es irgendeine Möglichkeit, den

Energietransfer zu blockieren?« Sie sah noch immer

zum Eingang. Bisher zeigten sich dort keine Gegner,

aber es dauerte bestimmt nicht mehr lange bis zum

Angriff. »Damit verbinde ich derzeit mehr als nur

akademisches Interesse.«

»Nun, es gibt da noch einen anderen Aspekt«, ließ sich der holographische Arzt vernehmen. »Allerdings betrifft er nicht direkt Ihre Frage.«

»Ich bin für jeden Hinweis dankbar.« Geben Sie mir eine Waffe, dachte Janeway. Etwas, mit dem ich das Schiff zurückerobern kann.

»Ich bemerkte das Phänomen nicht bei der

Untersuchung der Ryol, sondern aufgrund meiner

eigenen Beobachtungen«, erläuterte der Doktor.

»Vielleicht ist Ihnen bekannt, daß meine Software

mehrere Subroutinen enthält, die der eigenen

Überwachung dienen. Hinzu kommen kontinuierliche

Analysen meines Zustands. Ich kann einen detaillierten Bericht über meinen physischen und psychischen

Status für jeden beliebigen Zeitpunkt erstellen.«

»Das ist sehr interessant«, sagte Janeway und hoffte, daß der Doktor bald auf den Kern der Sache kam. Die

Ryol konnten den Maschinenraum jeden Augenblick

angreifen, und unter solchen Umständen kam ihr die

Geschwätzigkeit des holographischen Arztes alles

andere als gelegen. »Allerdings weiß ich nicht, warum das in unserer gegenwärtigen Situation wichtig sein

sollte.«

»Ich erwähnte bereits, daß die beiden Ryol, die ich in der Krankenstation überwältigt habe, ihre besonderen Fähigkeiten gegen mich einzusetzen versuchten«, fuhr der Doktor fort. »Das gelang ihnen natürlich nicht –

meine Energien unterscheiden sich von denen einer

organischen Entität. Wie dem auch sei: Mit Hilfe meiner sensorischen Funktionen konnte ich die Ausbreitung der von den Ryol erzeugten psionischen Wellen

beobachten. Da keine biologische Energie existierte, mit der sie interagieren konnten, kam es zu einem

Strukturverlust, und es gab sogar Anzeichen einer

Richtungsumkehr. Alles deutet auf die Möglichkeit einer negativen Rückkopplung hin, wenn der parasitäre Effekt kein Ziel findet.«

Janeway nickte langsam. »Mit anderen Worten:

Hologramme führen bei den Ryol zu

Verdauungsstörungen.« Interessant, dachte sie und spürte, wie sich Hoffnung in ihr regte. Noch vage Ideen formten sich. Irgendwie mußte es möglich sein, die

Entdeckung des Doktors zu ihrem Vorteil zu nutzen.

»Oh, und noch etwas«, sagte der holographische Arzt.

»Ja?« fragte Janeway. Was kommt jetzt?

»Eine erste Analyse der Ryol-DNS deutet auf ein

metamorphisches Potential hin.«

»Wie bitte?«

Im einen Augenblick preßte Tom Paris Laazia auf den

Boden der Brücke, und im nächsten war die Frau unter ihm keine Frau mehr. Die atemberaubend schöne

Tochter des Ältesten verwandelte sich.

Der Körper unter dem indigoblauen Umhang veränderte

seine Konturen, wurde größer und muskulöser. Die

unbedeckten Arme streckten sich, wurden doppelt so

lang; ihre Gelenke knackten, als Fleisch und Knochen neue Form gewannen. Goldgelber Pelz bildete sich auf der Haut, vergleichbar mit dem Kopfflaum, und die

Fingernägel metamorphierten zu Klauen. Paris hörte,

wie der Stoff des Kleids riß, und er nahm einen

sonderbaren Geruch wahr, der ihn an Moschus

erinnerte, an ein gefangenes Tier.

Er versuchte, Laazia auch weiterhin festzuhalten,

obwohl der Leib unter ihm immer heftiger zitterte.

Krevorr und Assink eilten ihm zu Hilfe, griffen nach den hin und her zuckenden Armen. Doch ihre Bemühungen

blieben vergeblich. Die verwandelte Laazia schüttelte sich so heftig, daß Paris fortgeschleudert wurde. Er landete auf dem Rücken, nicht weit vom

Kommandosessel entfernt.

Der Aufprall preßte ihm die Luft aus den Lungen, doch er wußte, daß er jetzt keine Zeit verlieren durfte. Er kam wieder auf die Beine und beobachtete, wie Assink und Krevorr vor dem Monstrum zurückwichen, das in der

Mitte des Kommandobereichs stand.

»Laazia?« brachte Paris hervor und glaubte, seinen

Augen nicht trauen zu können.

Das Knurren des Wesens war um einige Oktaven tiefer

als Laazias kehlige Stimme, doch es hatten sich nicht nur die Stimmbänder verändert. Das Geschöpf war etwa drei Meter groß und von goldenem Pelz bedeckt. Fetzen des türkisfarbenen Kleids hingen an seinem Leib. Hier und dort glitzerte fehl am Platz wirkender Schmuck im Fell. Unter den großen Pfoten erinnerten nur noch

einige Fetzen an die eleganten Ledersandalen. Der

weite und lange Umhang, der zuvor bis zum Boden

gereicht hatte, endete nun ein ganzes Stück über den Knien.

Tigerartige Streifen zeigten sich am Kopf des

Monstrums, aber sein Erscheinungsbild erinnerte mehr an einen Wolf als an eine Raubkatze. Ein großes Maul mit elfenbeinfarbenen Reißzähnen zeigte sich dort, wo sich noch vor kurzer Zeit Laazias liebliches Gesicht befunden hatte, und darüber öffneten sich längliche

Nüstern. Weißer, schaumiger Speichel tropfte auf den Boden. Die großen Ohren liefen noch spitzer zu als bei einem Vulkanier und deuteten zur Decke. Nur die Augen blieben unverändert, zeigten noch immer das gleiche

Malachitgrün wie vorher.

Und ein solches Geschöpf habe ich geküßt? fragte sich Paris voller Ekel. Er sah zu den anderen

Brückenoffizieren. Krevorr und Assink standen auf

gegenüberliegenden Seiten der Kommandoplattform

und schienen nicht recht zu wissen, was sie jetzt

unternehmen sollten; ihre Blicke klebten an dem

Wolfswesen fest. Chakotay – seine Hände waren noch

immer auf dem Rücken zusammengebunden – starrte

zu dem Ungetüm und erkannte es offenbar.

»Das Tier«, murmelte er.

Laazia knurrte erneut. Das Gewand war zerfetzt, aber der Umhang wehte hinter ihr, als sie sich drehte und dabei die Arme streckte. Fähnrich Krevorr duckte sich rechtzeitig, aber Assink wurde von einer Pranke

getroffen und über die Navigationsstation

hinweggeschleudert. Sie prallte an den Hauptschirm,

und für eine halbe Sekunde wirkte sie fast wie ein

Komet vor dem Sternenhimmel.

Paris staunte über die Kraft des Wesens. Nicht einmal Tuvok oder B’Elanna hätten Assink mit nur einem Hieb so weit fortstoßen können. Ich schätze, ich sollte dankbar sein, daß sie nicht versucht, uns mit ihrem Unheilsblick zu erledigen, dachte er. Wahrscheinlich ist es zufriedenstellender, uns mit den Klauen zu zerfetzen.

Laazia sah ihn herausfordernd an. Vergiß es, dachte Paris. Eine physische Konfrontation kam absolut nicht in Frage – bei einem Zweikampf gegen einen solchen

Widersacher hatte er nicht die geringste Chance. Er

mußte sich irgendeinen Vorteil verschaffen, aber wie?

Er sah sich auf der Brücke um. Was hatte ihn nur

veranlaßt, alle für den Notfall bestimmten Phaser den Ryol auszuhändigen?

Einmal mehr blickte er zu dem riesigen Wesen auf und erinnerte sich daran, wer und was ihn kontrolliert hatte.

So etwas wird nie wieder geschehen, schwor er sich.

Fähnrich Krevorr näherte sich vorsichtig Assink,

offenbar um festzustellen, ob das bewußtlose

Besatzungsmitglied verletzt war. Gleichzeitig behielt sie Laazia im Auge. Eine gute Reaktion, fand Paris. Es

hatte ganz offensichtlich keinen Sinn, einen direkten Kampf gegen das Wesen zu führen. Zugang zur Brücke, erinnerte er sich. Er mußte die Kraftfelder irgendwie deaktivieren, was sich nur mit Hilfe der taktischen

Konsole hinter dem Befehlsstand oder von Tuvoks

Sicherheitsstation aus bewerkstelligen ließ.

Er wandte sich von Laazia ab und sprang über die

Brüstung hinweg, die den Kommandoteil vom

rückwärtigen Brückenbereich trennte.

Unglücklicherweise war er nicht schnell genug. Eine

Pranke des Monstrums traf ihn am Rücken, zerriß den

Stoff der Uniform und hinterließ fünf blutige Striemen im Rücken. Heißer Schmerz durchzuckte Paris, und er

schrie unwillkürlich. Mit der einen Schulter stieß er gegen die hintere technische Konsole, blieb dann neben einem anderen Schaltpult liegen.

Laazia heulte wütend und setzte ebenfalls über die

Brüstung hinweg. Paris hörte, wie sie nur wenige Meter hinter ihm landete. Er orientierte sich schnell und nahm zur Kenntnis: Das Wesen stand nun zwischen ihm und

der taktischen Konsole. Es kamen also nur noch die

Kontrollen der Sicherheitsstation in Frage, um die

separierenden Kraftfelder zu deaktivieren. Aber wie

sollte er sie erreichen, bevor er die Pranken des

werwolfartigen Etwas zu spüren bekam?

Er spürte noch immer Finger und Zehen, was

bedeutete: Wirbelsäule und Nervenbahnen waren nicht

verletzt. Doch der schmerzende Körper fühlte sich so an, als ließe er sich nur mit Mühe bewegen – bestimmt konnte er nicht schneller sein als Laazia und die

Sicherheitsstation vor ihr erreichen. Ich brauche mehr Zeit, dachte er verzweifelt.

Er sah in die grünen Augen der Kreatur. Bildete er es sich nur ein, oder erschien tatsächlich die Andeutung eines grausamen Lächelns in der wolfsartigen Miene?

Laazia schien seine schwierige Situation zu genießen –

bis sie etwas am Rücken traf und ihr einen überraschten Schrei entlockte.

Chakotay. Trotz der gefesselten Hände war es ihm

gelungen auf die Beine zu kommen und genau das

Ablenkungsmanöver durchzuführen, das Paris brauchte.

Der Navigator stieß sich ab, taumelte und fiel der

Sicherheitsstation entgegen. Er hörte, wie sich Laazia wütend dem Ersten Offizier zuwandte, aber er sah nicht zurück. Statt dessen sank er in Tuvoks Sessel und

achtete nicht darauf, daß sein Blut rote Flecken

hinterließ. Er berührte die glühenden Schaltflächen und machte genau jene Verteidigungsmaßnahmen

rückgängig, die er vor einer Stunde unter Laazias

Kontrolle ergriffen hatte. Was habe ich mir nur dabei gedacht? überlegte er. Eine Sekunde später verdrängte er die Schuldgefühle, um sich ganz seiner Aufgabe zu widmen.

Ein lautes Keuchen veranlaßte ihn, den Blick von der Konsole abzuwenden. Er drehte den Kopf, und sofort

stockte ihm der Atem: Laazia hatte Chakotay gepackt

und die Klauen um seinen Hals geschlossen – die Füße des Ersten Offiziers baumelten mehr als einen Meter

über dem Boden. Gurgelnde Laute kamen ihm über die

Lippen, als sein Gesicht rot anlief und dann einen

purpurnen Ton gewann, in dem sich die Linien der

Tätowierung fast verloren. Schaum tropfte von Laazias Unterkiefer, als sie immer fester zudrückte und das

Leben aus Chakotay herauspreßte.

Paris suchte nach einer Waffe, nach irgendeiner Waffe.

Zuerst fand er nichts, aber dann bemerkte er einen

silbernen Glanz unter dem Sessel des Ersten Offiziers: der Phaser, den Laazia so achtlos fortgeworfen hatte.

Offenbar war er bei dem abrupten Flugmanöver der

Voyager zu Boden gefallen. Paris sah sich rasch um –

niemand sonst schien den Strahler bemerkt zu haben.

Fähnrich Krevorr – durch und durch Starfleet – rannte los, um Chakotay zu helfen. Im Uhrzeigersinn lief sie am Rand der Brücke entlang, geriet dabei kurz zwischen

das Wesen und Paris. Sie schrie aus vollem Hals,

sprang und rammte beide Stiefel in Laazias Rücken.

Ebensogut hätte sie versuchen können, einen

Grizzlybär von den Beinen zu stoßen. Laazia schwankte nicht einmal. Sie drehte sich um, benutzt Chakotay wie eine Keule und schlug mit ihm nach Krevorr. Die

Ktaranerin war nach ihrem Sprung auf den Beinen

gelandet und in die Hocke gegangen, doch der

herumschwingende Leib des Ersten Offiziers traf sie, bevor sie mit einem neuerlichen Angriff beginnen

konnte. Krevorr prallte von den Anzeigetafeln an der Rückwand des Kontrollraums ab, blieb liegen und rührte sich nicht mehr.

Jetzt bin ich an der Reihe, dachte Paris. Er sprang zum Kommandobereich, rollte sich auf dem Boden ab, griff nach dem Phaser und schoß auf Laazia. Nach dem

Angriff auf Krevorr wandte sie dem Navigator nicht mehr den Rücken zu – der Strahl traf sie mitten auf der Brust.

Die Wucht der energetischen Entladung genügte, um

sie zurücktaumeln zu lassen. Ihre Pranken lösten sich von Chakotay, aber sie blieb auf den Beinen.

Paris riß verblüfft die Augen auf. Selbst bei niedriger Emissionsstufe reichte die Energie eines Phasers bei dieser geringen Entfernung aus, um einen zornigen

Klingonen außer Gefecht zu setzen. Wie bringt sie es nur fertig, bei Bewußtsein zu bleiben? fragte er sich.

»Warum bist du kein artiges Mädchen und schläfst

hübsch brav ein?« murmelte er. Die Striemen in seinem Rücken brannten so, als stünden sie in Flammen.

Versuchen wir es mit einer höheren Emissionsstufe, dachte er, betätigte die entsprechenden Kontrollen und sah dem Wesen herausfordernd in die Augen.

Die Augen. Zu spät erinnerte er sich an die Gefahr. O

nein. Eine bereits vertraut gewordene Kühle breitete sich in ihm aus, tilgte Kraft und Entschlossenheit. Die Gedanken befahlen den Fingern, den Phaser auf

maximale Energiestärke einzustellen, aber sie

verweigerten den Gehorsam. Er war wie gelähmt,

konnte sich weder bewegen noch den Blick von den

hypnotischen grünen Augen abwenden, die das

Geschöpf mit Laazias früherer Gestalt teilte. Die Kälte wurde zu einer schwerer Last, unter der die Knie

nachzugeben begannen. Das aus den Wunden im

Rücken tropfende Blut fühlte sich wie Eiswasser an. Ihm blieb nicht einmal genug Kraft, um auch weiterhin den Phaser festzuhalten. Die Waffe rutschte ihm aus der

Hand und fiel mit einem metallenen Klacken zu Boden.

Tut mir leid, Captain, dachte Paris. Ich habe mir alle Mühe gegeben.

Für einige Sekunden schien die ganze Brücke so grün

zu werden wie die Augen der Ryol. Dann verdrängte

Schwärze alles andere.

XV.

 

Energiestrahlen zuckten durch den Maschinenraum. Ein Dutzend Phasergewehre zischte wie ein Korb voller

Schlangen. Captain Janeway ging hinter einem

Stützpfeiler in Deckung und feuerte mit einem

Handphaser über die Köpfe der Sicherheitswächter

hinweg, die den Haupteingang bewachten. Überrascht

stellte sie fest, daß zwei ähnliche Strahlen von den Turboliften kamen. Verdammt! fluchte sie in Gedanken.

Die Ryol verfügen ebenfalls über Phaser.

Wahrscheinlich stammen sie aus den Notfalldepots der Brücke.

Sechs mit hochenergetischen Phasergewehren

ausgestattete Besatzungsmitglieder bildeten die erste Verteidigungslinie. Sie knieten, so daß die hinter ihnen postierten Sicherheitswächter über ihre Köpfe

hinwegschießen konnten. Janeway, Tuvok, Kim und

einige Angehörige der technischen Abteilung bildeten die dritte Verteidigungslinie. Von kleinen Plattformen, Leitern und anderen höher gelegenen Stellen aus

nahmen sie die Angreifer unter Beschuß. Scharlachrote Blitze rasten vom Maschinenraum in den Korridor und

schufen eine undurchdringliche Barriere aus destruktiver Strahlung. Janeway hoffte zumindest, daß sie undurchdringlich war.

Der Angriff hatte vor einigen Minuten begonnen. Ohne jede Vorwarnung kamen mehrere bewaffnete Ryol – die

Kommandantin zählte vier – aus dem Turbolift am Ende des Korridors. Die Sicherheits-Wächter eröffneten sofort das Feuer, doch das Resultat ließ sehr zu wünschen

übrig.

Ganz offensichtlich wiesen die Ryol den Phaserstrahlen gegenüber eine hohe Widerstandskraft auf.

Konzentriertes Feuer aus mehreren Gewehren trieb sie in Richtung Turbolift zurück, aber niemand von ihnen blieb auf dem Boden des Korridors liegen.

Ein roter Strahl fauchte in einem Abstand von nur

wenigen Zentimetern an Janeway vorbei und hinterließ eine schwarze Brandspur an der Wand hinter ihr. Zum

Glück erwiesen sich die Ryol als schlechte Schützen.

»Schießen Sie auch weiterhin!« wies die Kommandantin ihre Streitmacht an. Sie mußten die Ryol ständig unter Druck setzen, um zu verhindern, daß sie ihre

psychischen Fähigkeiten einsetzen konnten. Wie groß

war die maximale Reichweite des parasitären Effekts?

Hatte der Gegner die Möglichkeit, sein psionisches

Potential selbst dann einzusetzen, wenn er unter

Beschuß stand? Janeway vermutete, daß sie bald

Antworten auf diese Fragen finden würde.

»Sehen Sie nur, Captain!« entfuhr es Harry Kim, der

knapp fünf Meter entfernt Posten bezogen hatte.

Die anderen Besatzungsmitglieder teilten Kims

Überraschung. Mehrere Verteidiger schnappten entsetzt nach Luft, als die Ryol ihre humanoide Gestalt aufgaben und ein bedrohlicheres Erscheinungsbild wählten.

Dichtes, goldgelbes Fell bedeckte die bronzefarbene

Haut der Ryol, die zusätzliche Masse zu gewinnen

schienen und immer größer wurden. Fingernägel

verwandelten sich in Klauen, und Speichel tropfte von mehr als zwei Zentimeter langen Reißzähnen.

Raubtierartiges Heulen und Knurren drang an Janeways Ohren, vermischte sich mit dem Fauchen der

Phaserstrahlen und schuf eine noch unheilvollere

Atmosphäre. Sie erinnerte sich an die Ausführungen

des Doktors in Hinsicht auf Naxors DNS und nickte

verstehend. »Metamorphisches Potential«, murmelte

sie.

»Interessant, Captain«, kommentierte Tuvok, während

er mit seinem eigenen Phaser feuerte. Er war ebenfalls hinter einem Pfeiler in Deckung gegangen. »Spezies mit gestaltwandlerischen Fähigkeiten sind außerordentlich selten.«

»Leider nicht selten genug«, erwiderte Janeway. Zwar konnte sie nicht ganz sicher sein, aber sie glaubte, zum erstenmal das wahre Erscheinungsbild der Ryol zu

sehen. Zumindest wurde es ihrem Wesen gerecht. Sie

erinnerte sich an Chakotays Beschreibung von seinem

Ausflug in die geistige Welt und wußte, daß sie die

gleiche bösartige Entität sah, die den Ersten Offizier bei seiner Seelenreise heimgesucht hatte. Jetzt fallen die Masken, dachte sie. Jetzt sehen wir euch so, wir ihr wirklich seid.

An den Wänden des Korridors hatten die

Phaserstrahlen Dutzende von schwarzen Flecken und

Streifen hinterlassen. Das Fauchen und Zischen der

Entladungen schien noch lauter zu werden. Wir treiben sie zurück, dachte Janeway, und ein Teil von ihr nahm diesen Umstand mit skeptischem Erstaunen zur

Kenntnis. Es konnte doch nicht so leicht sein, einen Sieg über die Ryol zu erringen…

Wenige Sekunden später kippte Lieutenant Stevenson –

jemand aus der ersten Verteidigungslinie – zur Seite und blieb lang ausgestreckt auf dem Boden liegen. Das Phasergewehr glitt ihm aus den Händen, und eine

Sicherheitsautomatik deaktivierte es. Neben Stevenson zitterte der Lauf des Gewehrs, mit dem Fähnrich

Rodriguez schoß – die Waffe schien für ihn immer

schwerer zu werden. Am anderen Ende der Reihe

zeigte ein weiterer Sicherheitswächter ähnliche

Anzeichen von Schwäche.

Janeway gewann plötzlich den Eindruck, daß der

eigentliche Kampf erst jetzt begann: Die Ryol griffen nun auf ihre mentalen Fähigkeiten zurück, um die

Verteidiger zu überwältigen. Die Kommandantin der

Voyager sah über die Sicherheitswächter hinweg, die sich nicht gegen den Verlust von Lebenskraft wehren

konnten. Sie bemerkte einen wolfsartigen Ryol, der in den Maschinenraum starrte und den Blick seiner

schwarzen Augen auf die Männer und Frauen der

ersten Verteidigungslinie richtete. Janeway zielte mit ihrem Phaser auf das böse Gesicht und empfand

Genugtuung, als der Strahl das Wesen genau zwischen

den Augen traf und es in den Turbolift

zurückschleuderte.

»Ein ausgezeichneter Schuß, Captain«, lobte Tuvok,

legte ebenfalls auf den Lift an und feuere.

»Übung macht den Meister, Mr. Tuvok«, erwiderte

Janeway und freute sich darüber, den mentalen Angriff abgewehrt zu haben. Laßt meine Crew in Ruhe! dachte sie und hoffte halb, daß die Ryol ihre Gedanken lesen konnten – der Zorn in ihnen sollte noch heißer brennen als Phaserenergie.

Doch jener Ryol war nicht der einzige gewesen, der mit einer psionischen Attacke begonnen hatte. Besorgt

stellte sie fest, daß weitere Sicherheitswächter zu

Boden sanken. Andere taumelten, wischten sich

Schweiß von der Stirn und versuchten, der Erschöpfung standzuhalten, die der von den Ryol ausgehende

mentale Sog in ihnen entstehen ließ. Noch nicht vom

Lebenskraftverlust betroffene Besatzungsmitglieder

nahmen den Platz derjenigen ein, die das Bewußtsein

verloren.

Kim stöhnte, und Janeway beobachtete, wie er auf

einem der oberen Laufstege wankte. »O nein«, kam es

ihm über die Lippen. »Nicht noch einmal.«

»Passen Sie auf, Fähnrich!« rief die Kommandantin.

»Halten Sie sich am Geländer fest.«

»Ich versuche es, Captain«, brachte Kim hervor und

keuchte. Er schloß die eine Hand ums Geländer,

während er in der anderen den Phaser hielt und auf den Gegner schoß. Sein Gesicht wirkte blasser und

hohlwangiger als sonst.

Janeway wandte den Blick von Kim ab und sah, wie ein nicht unbedingt für den Kampf ausgebildeter Techniker nach dem Gewehr eines bewußtlosen Bajoraners griff

und auf die Ryol schoß. Der scharlachrote Strahl zuckte zu einem werwolfartigen Geschöpf, das sich anschickte, über die außer Gefecht gesetzten Verteidiger

herzufallen. Es roch nach verbranntem Pelz, und der

getroffene Ryol wich in die Sicherheit des Turbolifts zurück. Weitere Strahlen folgten ihm.

Hier findet eine Art Zermürbungskrieg statt, dachte Janeway. Bisher war es den Sicherheitswächtern und

Technikern gelungen, die Barriere aus Energiestrahlen stabil genug zu halten, um die Ryol daran zu hindern, in den Maschinenraum vorzustoßen. Aber wie lange

konnten sie den Gegner noch zurückhalten? Die

Voyager-Crew genoß den Vorteil der zahlenmäßigen Überlegenheit, doch dieser Vorteil schrumpfte mit jedem weiteren Verteidiger, der das Bewußtsein verlor. Zum Glück war das Schiff weit genug von Ryolanow entfernt, um nicht in Transporterreichweite zu sein. Janeway

vermutete, daß sie Chakotay und Paris dafür danken

sollte.

Wie dem auch sei: Der Kampf durfte nicht so

weitergehen wie bisher. Sie sah zu Tuvok – selbst in der stoischen Miene des Vulkaniers ließen sich inzwischen Anzeichen von Erschöpfung erkennen. Er preßte die

Lippen zusammen, und kleine Schweißperlen zeigten

sich auf seiner Stirn. Wenn sich die Dinge weiterhin auf die bisherige Weise entwickelten, würde es den Ryol

schließlich gelingen, die Verteidiger so sehr zu

schwächen, daß sie den Maschinenraum erobern

konnten. Es wurde höchste Zeit, der Gleichung einen

weiteren Faktor hinzuzufügen.

»Mr. Carey!« rief Janeway und machte erneut von ihrem Phaser Gebrauch. »Ist der Apparat vorbereitet, von dem wir gesprochen haben?«

»Fast«, erwiderte Carey. Hinter der Front des Konflikts bemühten sich Carey und einige Assistenten, gewisse

Geräte und Instrumente so zu verändern, daß sie einen anderen als den vorgesehenen Zweck erfüllen konnten.

»Die Sache ist schwieriger, als ich dachte.«

Wenn doch nur B’Elanna hier wäre, dachte Janeway.

Nun, Carey war der zweitbeste Techniker an Bord der

Voyager, sie selbst nicht mitgezählt.

Erneut griffen die Ryol an, und diesmal kamen sie fast bis zur ersten Verteidigungslinie, bevor es den noch einsatzfähigen Crewmitgliedern gelang, sie durch den Korridor zurückzutreiben. Kummervoll stellte Janeway fest, daß der Gegner Fortschritte erzielte, und zwar ziemlich schnell.

»Bitte beeilen Sie sich, Mr. Carey«, sagte sie. Für die Voyager wurde allmählich die Zeit knapp.

Was ist passiert? dachte Tom Paris, als er erwachte und pochenden Schmerz zwischen den Schläfen spürte –

eine Tonne Latinum schien ihm auf den Kopf gefallen zu sein. Alle Muskeln in seinem Leib schienen gezerrt, und der Rest fühlte sich nicht viel besser an. Zuerst entsann er sich nicht daran, was geschehen war. Langsam

öffnete er die Augen und stellte fest, wo er sich befand: im Kontrollraum der Voyager. Er lag flach auf dem Rücken.

Paris versuchte sich aufzusetzen, und dabei merkte er, daß seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden

waren. Die Fesseln schienen aus Stoff zu bestehen,

aber das spielte kaum eine Rolle – angesichts seiner Erschöpfung hätte es sich auch um Rhodinium handeln

können. Der Boden des Kontrollraums erwies sich als

sehr unbequem; er war ganz offensichtlich als

Schlafstätte ungeeignet.

»Willkommen zurück«, erklang eine vertraute Stimme.

Paris drehte den Kopf und sah Chakotay, der ganz in

der Nähe auf dem Boden saß. Auch der Erste Offizier

war ein Gefangener, erinnerte er sich, als ihm die

Einzelheiten von Laazias Angriff auf die Brücke

einfielen. Die Schilde, dachte er. War es ihm gelungen, die separierenden Kraftfelder zu deaktivieren?

Eigentlich zweifelte er kaum daran, aber als er sich nun umsah… Nirgends zeigten sich Sicherheitswächter im

Kontrollraum. Captain Janeway hätte sicher die Chance genutzt, eine Einsatzgruppe auf die Brücke zu beamen

– vorausgesetzt natürlich, daß sich ihr eine

entsprechende Möglichkeit bot. War während seiner

Bewußtlosigkeit irgend etwas mit ihr geschehen? Er

mußte es unbedingt herausfinden.

Er rollte sich mehrmals hin und her, schaffte es

schließlich, sich in eine sitzende Position zu bringen –

um eine Sekunde später einen Schlag ins Gesicht zu

bekommen.

»Idiotisches Wesen«, knurrte Laazia. Sie ragte vor Paris und Chakotay auf, mit Zorn in den malachitgrünen

Augen. Sie hatte wieder humanoide Gestalt

angenommen, zumindest in gewisser Weise. Paris’

Wange brannte noch immer von dem Hieb, als er zur

Tochter des Ältesten aufsah und feststellte: Ihr

Erscheinungsbild vereinte nun humanoide Aspekte mit

denen eines Wolfswesens. Lichter goldener Flaum –

dem ähnlich, der zuvor den Kopf bedeckt hatte – war

überall an einem Körper zu sehen, der sich ganz

deutlich unter den Fetzen des türkisfarbenen Gewands zeigte. Im Gesicht war zwar keine nach vorn gewölbte Schnauze mehr zu sehen, aber die Ohren hatten ihre

spitze Form behalten, ebenso wie die elfenbeinfarbenen Reißzähne im Mund. Damit ich dich besser fressen kann, dachte Paris.

»Sie haben mich enttäuscht, Tom«, sagte Laazia, und

ihr Vibrato war noch rauher als sonst. »Ich bin sehr überzeugend gewesen, als ich den Anschein erweckte,

Sie attraktiv zu finden. Aber trotzdem haben Sie mich verraten. Eine sehr dumme Entscheidung von Ihnen,

Tom. Ich fürchte, daraus könnten sich negative Folgen für unsere Beziehung ergeben.«

»Das ist eine Frage der Perspektive«, erwiderte Paris und rechnete mit einem weiteren Schlag – oder mit noch Schlimmerem. Erneut sah er sich auf der Brücke um.

Assink und Krevorr lagen reglos vor dem Hauptschirm, und er hoffte, daß sie nur bewußtlos waren. »Ich mußte jemanden verraten, und meine wichtigste Loyalität gilt nun einmal Captain und Schiff.«

Keiner von Laazias Artgenossen war zurückgekehrt,

weder mit noch ohne Janeway. Paris hielt das für ein gutes Zeichen. Offenbar fiel es Laazia und ihren

Freunden schwerer als erwartet, die Voyager unter ihre Kontrolle zu bringen.

»Neffaler!« zischte sie – offenbar gab es bei den Ryol keine schlimmere Beleidigung. Abrupt drehte sie sich um und ging fort. Den Umhang hatte Laazia über die

Rückenlehne des Kommandosessels gelegt; er schien

jede Bedeutung für sie verloren zu haben. Sie schritt am Kommandobereich vorbei und näherte sich der

Navigationsstation. Paris spürte irrationalen Ärger, als er beobachtete, wie sich die Ryol seiner Station zuwandte.

Der Hauptschirm zeigte Ryolanow noch immer als einen kleinen Fleck vor dem Hintergrund der Sterne. Laazias Blick glitt zwischen dem zentralen Projektionsfeld und den Navigationskontrollen hin und her.

Paris nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, daß die Ryol nichts mit den für sie sehr fremdartigen Schaltflächen anzufangen wußte. Als Pilotin gibt sie nicht viel her, dachte er und fragte sich, ob irgendein Ryol wußte, wie man ein Raumschiff flog.

»Schiff«, sagte Laazia mit gebieterischer Stimme.

»Bring uns nach Ryolanow.«

Nicht schlecht, dachte Paris. Aber ganz so leicht waren die automatischen Systeme der Voyager nicht zu bedienen. Sie brauchen einen erfahrenen Piloten, fügte er in Gedanken hinzu, spürte dabei eine Mischung aus Genugtuung und Schadenfreude. Sie brauchen mich.

Chakotays Überlegungen zielten in die gleiche

Richtung. »Freut mich, daß Sie noch immer auf unserer Seite sind«, sagte er leise.

»Oh, ich bitte Sie«, erwiderte Paris. »Sie haben doch nicht im Ernst geglaubt, ich würde Sie alle für ein

hübsches Gesicht und zwei wohlgeformte Beine im

Stich lassen?«

»Nun…«, begann Chakotay.

»Na schön.« Paris seufzte. »Vielleicht habe ich Ihnen den einen oder anderen Grund gegeben, diesen

voreiligen Schluß zu ziehen.« Der scherzhafte Tonfall verschwand aus seiner Stimme. »Im Ernst,

Commander: Sie können auf mich zählen. Ich war eine

Zeitlang weggetreten, aber jetzt bin ich wieder voll da.«

Etwas leiser fügte er hinzu: »Wie steht’s mit dem

Captain? Wissen Sie etwas darüber?«

Chakotay schüttelte den Kopf. »Laazias Leute brachen zum Maschinenraum auf, und seitdem haben wir nichts

mehr von ihnen gehört. Ich schätze, das sind gute

Nachrichten.«

»Schweigen Sie!« zischte Laazia und bewies damit, daß sie mit ihren spitzen Ohren gut hören konnte. »Sie!« Sie richtete einen langen, krallenartigen Fingernagel auf Paris. »Sie feiger, jämmerlicher Mann! Zeigen Sie mir, wie man diese Kontrollen bedient.«

»Sehe ich vielleicht wie ein Fluglehrer aus?« erwiderte Paris sarkastisch. »Warum wenden Sie sich nicht an

den Captain? Oh, natürlich, Sie haben Janeway noch

nicht überwältigt.« Er reckte demonstrativ den Hals und blickte sich auf der Brücke um. »Was ist mit Ihren

Freunden passiert? Sind sie vielleicht in Schwierigkeiten geraten?«

Wut verwandelte Laazias Gesicht in eine Fratze – Paris hatte ganz offensichtlich einen wunden Punkt berührt.

»Computer«, sagte die Ryol laut, »lokalisiere Captain Janeway.«

Es handelte sich um eine unschuldige Anfrage, und

deshalb gab der Bordcomputer bereitwillig Auskunft.

»Captain Janeway befindet sich derzeit im

Maschinenraum«, erklang eine freundliche

Frauenstimme. Laazia genoß ihren kleinen Sieg über

die beeindruckende Technik der Voyager mit einem triumphierenden Lächeln.

Oh, oh, dachte Paris. Sie hat allmählich den Dreh raus.

Es konnte gut sein, daß sich die Bordsysteme der

Voyager als zu benutzerfreundlich erwiesen. Außerdem sollten wir eins nicht vergessen: Wir haben keine Ahnung, welchen Entwicklungsstand die Wissenschaft der Ryol erreicht hat. Vielleicht gehörte jemand zu Laazias Gruppe, der klare Vorstellungen davon hatte, wie die Systeme eines Raumschiffs funktionierten und wie man entsprechende Kontrollen bediente. Paris

durfte sich nicht darauf beschränken, die Entwicklung der Ereignisse einfach abzuwarten – er mußte

irgendeine Möglichkeit finden, die Pläne der Ryol zu sabotieren.

Laazia hatte es eilig. Sie wollte sich nicht bis zur Rückkehr ihrer Artgenossen gedulden, trat langsam an Paris heran, griff nach seinem Kinn und zwang ihn, sie anzusehen.

»Sie wissen ja, daß ich früher oder später alle

gewünschten Informationen bekomme«, sagte sie und

sprach wieder in ihrem verführerischen Tonfall.

»Deshalb schlage ich vor, daß Sie mir sofort Auskunft geben, sich selbst und den anderen dadurch viel Leid ersparen.« Bedrohliche Dunkelheit erschien in den

dunklen Augen, und Paris spürte, wie sich ein Teil

seiner Entschlossenheit auflöste. O nein, dachte er.

Nicht noch einmal. »Ihr könnt uns nicht widerstehen«, gurrte Laazia. »Fügt euch eurem unausweichlichen

Schicksal. Zeigen Sie mir, wie man dieses Schiff fliegt, damit die Ryol das Kommando übernehmen können,

wie es ihnen zusteht. Erklären Sie mir alles.«

Paris versuchte zu sprechen, aber sein Gaumen war

völlig trocken. Er schluckte und sammelte genug

Speichel, um die Worte zu formulieren, die er sich

bereits zurechtgelegt hatte.

»Computer, deaktiviere die automatischen Translatoren, nur im Bereich der Brücke.«

Die grellen Strahlen verschwanden, und das gräßliche Fauchen verklang. Rolop, Erster Assistent der Erbin, spähte hinter dem Turbolift hervor und sah in Richtung der Verteidiger. Überrascht riß er die hellgrünen Augen auf: Der offene Eingang des Maschinenraums wirkte

völlig verlassen. Er gab ein triumphierendes Heulen von sich. Die Neffaler hatten sich endlich zurückgezogen!

Er rief seinen Begleitern einen Befehl zu und eilte dann durch den Korridor, dem neu eroberten Territorium

entgegen. In der einen Pranke hielt er einen

schußbereiten erbeuteten Phaser, und in seinem Körper prickelte jene Vitalität, die er den erbärmlichen Gegnern gestohlen hatte. Einige Tage lang war er gezwungen

gewesen, die Gestalt eines haarlosen Affen

anzunehmen, und es fühlte sich gut an, zum

Erscheinungsbild des Jägers zurückzukehren. Er

schnupperte die steril anmutende Luft an Bord des

Raumschiffs und glaubte fast, die Furcht der fliehenden Beute zu riechen.

Manow und Shiila schlossen zu ihm auf, knurrten und

fauchten. Ein weiterer Jäger namens Paayra blieb

bewußtlos im Turbolift zurück. Sie hatte den neuen

Neffalern nicht genug Lebenskraft entziehen können,

um ihren Energiewaffen zu widerstehen. Rolop erwog

die Möglichkeit, ihr später zu gestatten, die letzten Essenzreste der überwältigten Gegner aufzunehmen.

Am anderen Ende des Korridors lagen mehrere reglose

Humanoiden. Rolop spürte, daß noch Leben in ihnen

steckte, aber er trieb seine Begleiter trotzdem weiter.

Wenn der Captain gefangengenommen war, gab es

noch Zeit genug, neue Vitalität zu genießen. Er sprang über die Bewußtlosen hinweg und fragte sich, wann und wo die restlichen Neffaler letzten Widerstand leisten würden.

Er fand die Antwort direkt hinter dem Haupteingang des Maschinenraums. Captain Janeway und ein knappes

Dutzend Besatzungsmitglieder der Voyager standen vor einer großen, transparenten Säule in der Mitte des

großen Raums. Konsolen umgaben den unteren

Bereich der Säule, in der anorganische Energie

waberte. Rolop hatte sich mit Raumschifftechnik befaßt und vermutete, daß die eindrucksvolle Apparatur eine wichtige Rolle bei den Materie-Antimaterie-Reaktionen spielte, aus denen das Warptriebwerk seine Energie

bezog.

Ein stählerner Laufsteg führte mehrere Meter weiter

oben um die Säule herum. Rolop hob den Blick und

rechnete fast mit einem Hinterhalt, doch es befanden sich keine Humanoiden auf dem Laufsteg. Die einzigen Fremden weit und breit waren jene vor der Säule.

Captain Janeway erkannte er auf den ersten Blick.

Bewaffnete Wächter in gelben Uniformen umgaben die

ernst blickende Frau.

»Kehren Sie um«, sagte Janeway. »Andernfalls müssen

wir Gewalt gegen Sie anwenden.«

Rolops Lippen wichen zurück und offenbarten lange

Reißzähne. War dieses Wesen selbstmörderisch, oder

hatte es schlicht und einfach den Verstand verloren?

Inzwischen sollte eigentlich kein Zweifel mehr an der absoluten Überlegenheit der Ryol bestehen. Rolop

spürte, wie Kraft und Ausdauer zahlreicher Neffaler in seiner Brust brannten. Er fürchtete die Waffen der

Fremden nicht, so ärgerlich sie auch sein mochten. Kein Neffaler konnte der Macht der Ryol auf Dauer

standhalten – sie waren nur Nahrung, weiter nichts.

»Gebt auf«, sagte Rolop, und es fiel ihm nicht leicht, das primitive Sprechmuster der Fremden nachzuahmen. Er

war bereit, ihnen eine Chance zur Kapitulation zu geben

– aber eben nur eine.

»Niemals«, erwiderte Janeway. »Verlassen Sie mein

Schiff.«

Rolop konnte die kolossale Dummheit dieses Geschöpfs einfach nicht verstehen. Na schön, dachte er. Er brauchte die humanoide Frau gar nicht mit Klauen und Reißzähnen zu erreichen, um sie zu erledigen. Seine

Gedanken genügten, um sie in einen kleinen Imbiß zu

verwandeln – er beschloß, ihr die ganze Lebenskraft zu nehmen.

»Trinkt ihre Vitalität«, wandte er sich an die anderen Ryol.

Sie setzten ihr Verlangen frei, schleuderten es den

Neffalern entgegen. Die Humanoiden eröffneten das

Feuer, aber ihre Waffen schienen noch schwächer zu

sein als vorher. Scharlachrote Energie strich über Rolop hinweg und verursachte einen leichten Schmerz, der

seinen Appetit noch steigerte. Er heulte lauter als die Strahlblitze, konzentrierte sich auf die Gier in seinem Innern, kehrte sie nach außen und griff mit ihr nach…

Nichts?

Er gewann den Eindruck, sein Verlangen in die Leere

geworfen zu haben. Es gab keine Lebenskraft, an der

sie sich festhalten konnte. Rolop sah die vor ihm

stehenden Humanoiden, spürte auch das Brennen der

von ihnen ausgehenden Energiestrahlen, aber er fand

keine Vitalität, die ihn vor den ständigen Entladungen schützen konnte. Als die Befriedigung seiner Gier

ausblieb, wurde sie noch intensiver, fühlte sich an wie eine klaffende Wunde mitten in der Brust – eine Wunde, die Leere in Rolops Körper saugte. Das Nichts glitt über sein Rückgrat, dehnte sich hinter den Augen aus und

schien das ganze Gehirn zu vereinnahmen. Er hatte

sein Bewußtsein geöffnet, um das Leben aus einem

Opfer zu reißen, doch jetzt konnte er die mentale Pforte nicht vor der Leere schließen, die immer weiter in ihn vordrang. Das eigene Verlangen flutete zu ihm zurück.

Rolop erbebte am ganzen Leib, und seine Arme und

Beine zuckten. Aus dem triumphierenden Heulen wurde

ein peinerfüllter Schrei. Die Augen wechselten immer schneller von Schwarz zu Grün und umgekehrt, als sich die Pupillen zusammenzogen und wieder weiteten. Er

hörte zwei andere Schreie und vermutete, daß es

Manow und Shiila ebenso erging wie ihm. Aus einem

Reflex heraus versuchte er, einen Blickkontakt mit den Artgenossen herzustellen.