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SO ENERGISCH WIE NUR MÖGLICH hatte Ryan sich vorgenommen, eine Begegnung mit Meg zu vermeiden. Und als er auf dem Weg zur medizinischen Abteilung am Gästehaus vorbeiging – nun ja, da machten sich alle seine guten Vorsätze aus dem Staub.

Das Gästehaus, ursprünglich ein Militärquartier, glich von außen einem unscheinbaren Hotel, aber an der Rezeption versah nur bewaffnetes Personal seinen Dienst. Entweder trugen die Leute Waffen bei sich, oder sie waren selber Waffen.

Nachdem ihm der Typ am Empfang Cocos Zimmernummer genannt hatte, holte Ryan mehrmals tief Luft, um sich zu beruhigen. Dann klopfte er an ihre Tür.

Warum er so nervös war, verstand er nicht. Vielleicht, weil sie immer noch eine Schlüsselrolle in seiner Vergangenheit spielte. Gewiss, an die meisten Ereignisse erinnerte er sich. Dazwischen klafften einige Lücken, und Meg zählte zu den größten.

Sie öffnete die Tür in einem kurzen Morgenmantel, mit feuchtem Haar, und an ihren Beinen rieselte das Wasser hinab. Sofort pochte sein Puls schneller, er wollte niederknien und jeden einzelnen Tropfen von ihrer glatten Haut lecken.

Was war er doch für ein Bastard.

»Eh – hi«, sagte sie.

»Hi.« Also war er auch noch ein lahmer Bastard. »Darf ich – uh – für eine Minute reinkommen?«

Achselzuckend trat sie zur Seite. Er schlenderte an ihr vorbei – und streifte sie mit voller Absicht. Dass sie dabei nach Luft schnappte, entging ihm nicht.

»Warum bist du hier?«, fragte sie und schloss die Tür. Die Arme vor der Brust verschränkt, stand sie da.

»Weil ich immer noch was von dir brauche. Klar, ich habe eigentlich nicht das Recht, dich darum zu bitten …«

»Allerdings nicht«, fauchte sie. »Denn du hast mich entführt, gefesselt, angegriffen – und mir das Herz gebrochen.«

»Das weiß ich, aber …« Ryan schüttelte den Kopf. »Moment – wie war das gerade?«

Erst jetzt merkte sie, was sie ausgesprochen hatte. Sie riss die Augen auf, schloss sie wieder und seufzte tief. »Also erinnerst du dich wirklich nicht.«

Gegen seine Rippen hämmerte sein Herz so sehr, dass es wehtat. »Einige Dinge sind immer noch unter einem dichten Schleier.«

»Und deshalb bist du zu mir gekommen.« Sie ging an ihm vorbei, sank auf den Rand des Bettes und musterte ihre Füße. »Wie wir uns kennengelernt haben, weißt du nicht mehr.«

»Eins weiß ich immerhin – du hast mein Geld geklaut, und ich war wütend. Eine Menge Schurken waren hinter mir her. Dann wurde ich von ACRO gerettet. Aber was vorher zwischen uns beiden geschehen ist …« Hilflos hob er die Schultern. »Nur vereinzelte Puzzleteile. Zum Beispiel erinnere ich mich an deinen Namen. Coco. Den sehe ich aus irgendeinem Grund auf einem Computerbildschirm.«

»Weil wir monatelang online geflirtet haben.«

Okay – darauf war er nicht gefasst gewesen.

»Geflirtet? Romantisch? Oder eher ein Katz-und-Maus-Spiel, wie bei unserer Arbeit üblich?«

Ich bin noch Jungfrau. Willst du dich trotzdem mit mir treffen? Diese Worte sah er wieder auf dem Bildschirm eines Computers – seines Computers. Er hatte mit Coco gechattet … Und da brach ihm kalter Schweiß aus allen Poren, denn er wusste plötzlich, dass es nicht nur ein Flirt gewesen war, zumindest nicht auf seiner Seite.

Endlich schaute sie zu ihm auf. »Es fing an, weil du einen Hacker aufspüren wolltest, der sich in illegale Transaktionen einklickte. Das alles merkte ich erst viel später.«

»Für wen habe ich gearbeitet?«

Ein Wassertropfen fiel auf den Teppich. Ihr nackter großer Zeh spielte damit, bevor sie antwortete: »Keine Ahnung. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, die Leute, für die du Waffen gekauft hattest, würden Geld verlieren. Und sie bezahlten dich, weil du herausfinden solltest, wer ihre Konten anzapfte.«

Okay, ja, das klang glaubhaft. Nach seiner unehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst hatte er sich den Ruf eines Experten für Spionagejobs und heikle Ermittlungen aufgebaut – dank seiner Fähigkeit, mit den Augen anderer Leute zu sehen, sobald er eine elektronische Verbindung zu ihnen hergestellt hatte.

»Und welche Rolle hast du dabei gespielt, Coco?«

»Ich war’s, die das Geld von den Konten der Schurken abgezweigt hat. Irgendwie – wahrscheinlich wegen deines besonderen Talents – ist es dir gelungen, eine Chatbox auf meinem Computer zu installieren. Und du hast mich wissen lassen, du wärst mir auf der Spur.«

So verletzlich sah sie aus, wie sie dasaß – triefnass, kaum bekleidet. Fast spielerisch rieb sie die Füße aneinander, und Ryan hasste es, die nächste Frage überhaupt auszusprechen.

»Hattest du Angst?«

Ruckartig hob sie den Kopf, ein herausforderndes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du warst gut – aber nicht so gut. Niemals hättest du mich gefunden.«

Er wollte sie küssen. Stattdessen räusperte er sich. »Und dann?«

»Eine Zeit lang spielten wir Katz und Maus, und schließlich begannen wir uns über private Dinge zu unterhalten. Wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr. Aber wir flirteten und … O Mann, es klingt furchtbar blöd.«

Keineswegs, denn es klang allmählich vertraut. »Wir hatten Sex, nicht wahr, Coco?« Weil sie so schockiert dreinschaute, konnte er ein Grinsen nicht unterdrücken. »Online-Sex. Ja, jetzt entsinne ich mich. Wer hätte je gedacht, eine Jungfrau würde auf solche Gedanken kommen, wie du sie mir geschrieben hast?«

Dunkle Röte stieg in ihre Wangen. »Nun, das ist nicht so wichtig. Was wichtig ist – ich mochte dich. Und wir wollten uns treffen. In Mailand.«

»Tatsächlich?«

»O ja. Meldet sich jetzt dein selektives Erinnerungsvermögen?«

Er schüttelte den Kopf. Denn die Erinnerung lauerte am Rand seines Bewusstseins, so nahe, dass er glaubte, er könnte sie berühren, wenn sich seine Gedanken weit genug erstrecken würden. Die Lider geschlossen, suchte er in seinem Gehirn die gestörten Speicher, versuchte die Kabel zu verbinden – nichts. Verdammt, nichts. Frustriert verlor er die Geduld und riss die Augen wieder auf.

»Scheiße, Meg!« Unsanft packte er den flauschigen Kragen ihres Morgenmantels, zerrte sie auf die Beine und starrte in ihr Gesicht. »Du hast mich ausgenutzt! Diese miese Flirterei hast du mir nur vorgespielt, um an meine Konten ranzukommen!«

Mit all ihrer Kraft rammte sie eine Faust gegen seine Brust. Trotzdem ließ er sie nicht los. »Geh mitsamt deinen selektiven Erinnerungen zum Teufel! Jederzeit hätte ich mir dein Geld nehmen können. Aber das hab ich erst getan, nachdem du mich versetzt hattest. Sechs Stunden lang hast du mich auf einer Parkbank warten lassen, wie bestellt und nicht abgeholt.« Sie schlug wieder zu, und diesmal glitten seine Finger von ihrem Kragen hinab. »Warum bist du nicht aufgetaucht? Warst du verheiratet? Oder hattest du eine Freundin? Sind all die E-Mails voll der Schwüre, du hättest dich noch keiner Frau aus Fleisch und Blut so nahe gefühlt wie mir, eine einzige große Lüge gewesen?«

»Was? Nein, da habe ich nicht gelogen. Ich …« O Gott, jetzt erinnerte er sich – an seine Aufregung am Morgen vor dem Treffen und wie er in einem Taxi zum Park gefahren war.

Und er erinnerte sich, wie er den Chauffeur kurz vor dem Ziel angewiesen hatte, weiterzufahren.

Ryan fluchte, derb und in aller Ausführlichkeit. Ein jämmerlicher Feigling, hatte er im letzten Moment den Schwanz eingezogen. Noch nie im Leben war er eine ernsthafte Beziehung eingegangen. Und am Vorabend hatte er mit ein paar Kumpeln einen draufgemacht und zu hören bekommen, was für eine schlechte Idee eine solche Beziehung sei – besonders in ihrer Branche.

»Niemandem darfst du trauen, Mann. Das solltest du inzwischen wissen. Ganz egal, wie gut du deine Freundin zu kennen glaubst. Alle Frauen behandeln dich wie ein Stück Dreck.«

Das wollte er sich nicht einreden lassen. Aber das Geschwätz zerrte an seinen Nerven, und so besann er sich anders. Er fuhr zum Flughafen, erwischte einen Flug nach Griechenland und schloss dort ein weiteres Waffengeschäft ab. Danach betrank er sich und litt zwei Tage lang an einem mörderischen Kater. Als er wieder zur Besinnung kam, erkannte er, welch schweren Fehler er begangen hatte, und versuchte mit Coco Kontakt aufzunehmen.

Doch er fand nur heraus, dass sie den Geldtransfer abgefangen hatte. Zutiefst verletzt und wütend, voller Angst vor dem Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt war, hatte er ihr gedroht, er würde sie eigenhändig umbringen, und dann die Flucht ergriffen.

»Nun, Ryan? Was hast du zu sagen?«

Typisch. Als hätte sie überhaupt nichts falsch gemacht. »Ich bin nervös geworden, okay? Weil mir einige Freunde die Ohren vollgeschwatzt haben und meinten, ich dürfe dir nicht trauen.« Er sah sie mit schmalen Augen an. »Offenbar hatten sie recht.«

Die kleinen Hände zu Fäusten geballt, stand Meg da, als wollte sie wieder zuschlagen. Aber nach einer Weile fing ihr Kinn zu zittern an, ihre Augen schimmerten feucht, und Ryans Zorn verflog blitzschnell.

»O ja«, wisperte sie. »Was ich tat, war rachsüchtig und gemein.«

»Verdammt.« Er nahm sie in die Arme. Bereitwillig schmiegte sie sich an ihn. »Sorry. Das hast du nicht verdient.« Um sie zu beruhigen, streichelte er ihr Haar, das zu trocknen begann und sich in weichen Löckchen ringelte. »Keiner von uns blickt auf eine lupenreine Vergangenheit zurück. Wenigstens weiß ich jetzt, warum ich jedes Mal einen stehen hatte, wenn ich dein Foto sah. Und das kam ziemlich oft vor, während meiner Suche nach dir.« Was natürlich keinen Sinn ergab, denn sie hatten niemals online Fotos ausgetauscht. Jenes Bild, das Coco in einem Pariser Straßencafé zeigte, hatte er von Itor erhalten, zusammen mit dem Befehl, sie aufzustöbern.

Aus ihrer Kehle drang ein halb erstickter Laut. »Denkst du eigentlich jemals darüber nach, welche deiner Gedanken du besser nicht aussprichst, bevor sie aus deinem Mund kommen?«

»Nein, nie – das ist Teil meines umwerfenden Charmes.«

Sie wich ein bisschen zurück und schaute zu ihm auf. »Ob Charme das richtige Wort ist, da bin ich mir nicht sicher …«

Zum ersten Mal seit Monaten brach er in echtes, herzhaftes Lachen aus – zum ersten Mal, seit er ACRO verlassen hatte, um Itor zu unterwandern.

O Mann, so gut fühlte es sich an, heimzukehren, zu wissen, wer er war – und eine Frau zu umarmen. Und doch, eine wehmütige Anwandlung holte ihn auf die Erde zurück. »Tut mir ehrlich leid, dass ich so ein Arschloch war und dich gekidnappt habe und …«

Meg legte einen Finger auf seine Lippen. »Sei still. Entweder plagen wir uns mit Gewissensbissen, oder wir fangen noch mal von vorn an. Wie ich mich entscheiden werde, weiß ich schon.«

In seiner Brust breiteten sich warme Wellen aus und füllten Bereiche, die so kalt gewesen waren, seit die Itor-Bastarde sein Gedächtnis zerstört hatten. Er umfasste Megs Hand, küsste die Fingerknöchel und genoss es zu sehen, wie sich ein dunkler Schatten über ihre Augen legte, und ihren stockenden Atem zu hören. »Wie du denkst, gefällt mir.«

»Eigentlich denke ich, du solltest mich richtig küssen.«

»O ja«, flüsterte er, »das gefällt mir noch besser.« Er neigte sich hinab. Nur ganz leicht streiften seine Lippen ihren Mund, denn er beschloss es langsam anzugehen. Davon wollte sie nichts wissen. Mit beiden Händen hielt sie seinen Kopf fest.

Hungrig und fordernd küsste sie ihn.

Das war idiotisch. Verrückt. Noch immer musste er seine ganze Scheiße zusammenkriegen, und er wusste nicht, ob er bei ACRO bleiben oder in seine Heimat zurückkehren würde, welche Zukunft sie beide erwartete. Aber verdammt noch mal – seit Monaten fühlte er sich zu Meg hingezogen, und jetzt wollte er diesem Glück nicht entsagen. Ganz gewiss nicht, während sie sich voller Verlangen an ihm rieb und damit ein wildes Feuer zwischen ihnen auflodern ließ.

Behutsam und drängend zugleich legte er sie aufs Bett. Ihr Morgenmantel glitt auseinander, ihre Brüste röteten sich. Scheu und verwirrt, aber auch voller Eifer, bedeckte sie ihre Blöße nicht. Stattdessen öffnete sie den Gürtel und enthüllte ihren Körper vollends.

Wie schön sie war … Milchweiße Haut, perfekt geformte kleine Brüste mit apfelroten Knospen, die sich unter Ryans Blick erhärteten. Daran wollte er saugen, bis sie ihn anflehte, seinen Mund nach unten zu bewegen und … O ja, auf diesem Weg würde er Vollgas geben.

Er sank auf sie hinab, ein neuer Kuss verschloss ihr die Lippen. Diesmal war er so erregt, dass er stöhnte, als ihre Zunge seiner begegnete. Seine Hand ertastete die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen, seine Finger strichen über ihre Klitoris, und sie schrie auf.

»Bitte«, wisperte sie und hob die Hüften. »Bitte …«

Mit ihr zu verschmelzen, ihr die Unschuld zu rauben – was für eine Vorstellung. Und danach würde sie ihm gehören, nur ihm allein. Bei diesem Gedanken erwachten alle seine maskulinen Urinstinkte. Der unterentwickelte Höhlenmensch in seiner Seele ächzte: Mein Eigentum. Und die zivilisiertere Seite seines Wesens ermahnte ihn, den Fehler zu erkennen. Weil Meg etwas Besseres verdiente als ihn.

Doch das hinderte ihn nicht daran, seine Hose aufzureißen und den »kleinen Ryan« rauszulassen, wie er sein kostbarstes Stück beim Online-Sex genannt hatte.

»Ryan«, keuchte Meg flehend, drückte ihr heißes, nasses weibliches Zentrum an seine harte Männlichkeit, und er verlor beinahe die letzten Hemmungen. Nur ein Stoß, und er wäre im Himmel und würde mit den Engeln jubilieren.

Seit einer Ewigkeit hatte er das nicht mehr genossen. Nicht, dass er sich an das letzte Mal erinnern würde. Er dachte an die DVDs, die nackten Frauen, den brutalen, hässlichen Sex, und schon wurde ihm flau im Magen. Wie er mittlerweile wusste, hatten die Schurken bei Itor ihn belogen, was seine grausamen Taten betraf. Aber sein Sexualleben war real gewesen, das bewiesen die Videos.

»Ich kann nicht warten«, flüsterte Meg, »fünf Jahre waren zu lang.« Ungeduldig schob sie ihre Hand zwischen die beiden Körper und berührte sein Glied. Er stöhnte, und doch – sobald sie die Hüften bewegte, damit sich die Spitze seiner Erektion der heißen Öffnung näherte, zerbrach etwas in ihm.

Fünf Jahre. Fünf Jahre, an die er sich erst vor ein paar Stunden erinnert hatte. Noch immer war seine Erinnerung nicht vollständig zurückgekehrt. Und solange er nicht herausfand, wie seine sexuelle Vergangenheit in das Erinnerungspuzzle passte, würde er sich weiterhin unvollständig fühlen.

Es war nicht fair, dieser Frau weniger zu bieten als einen ganzen Mann. Nicht nach allem, was sie seinetwegen durchgemacht hatte.

»Nein.« Er glitt von ihr hinab und zog sie mit sich, sodass sie nebeneinanderlagen und sich anschauten.

»Was – was stimmt denn nicht?« Meg blinzelte leicht benommen.

»Ich kann nicht.« Wie schmerzlich für einen Mann, dieses Geständnis auszusprechen. Allein schon aus körperlichen Gründen, denn seine Hoden pochten qualvoll. Megs Verwirrung und der Kummer, den sie nicht verbarg, trafen ihn mitten ins Herz. So besänftigend, wie er es vermochte, lächelte er ihr zu, aber wahrscheinlich verwandelte sein wachsendes Unbehagen das Lächeln in eine Grimasse. »Ich will, dass du dich gut fühlst.«

Zärtlich strich sie über sein Gesicht, und er biss sich fast die Zunge ab. »Das wünsche ich mir auch.«

Ryan drehte sie auf den Rücken. »Dann rühr dich nicht mehr und überlass mir alles Weitere.« Er entfernte ihre liebkosende Hand von seiner Wange und legte sie auf ihren Bauch. Protestierend öffnete sie den Mund, aber er schob ihre Finger unbeirrt hinab und zwang sie, ihre Schamlippen zu spreizen.

Langsam schob er seine eigenen Finger zwischen ihre. Er liebte ihr leises Seufzen an seinem Hals, während er sie stimulierte. Die lang gezogenen Streicheleinheiten bewogen sie, die Hüften zu heben. Als er kleine Kreise um ihre Klitoris zeichnete, drückte sie sich gegen seine Hand und forderte stärkere Reize.

»O Ryan …« Sie verstummte und stöhnte, denn sein Finger drang in ihre enge Scheide ein. Sofort krampften sich ihre seidigen inneren Muskeln zusammen, und das erotische Gefühl sandte einen Schauer über Ryans Rücken und beschwor ein Fantasiebild herauf – wie wäre es, den Finger durch seinen Penis zu ersetzen?

Nun fügte er einen zweiten Finger hinzu und drehte seine Hand, um die Fingerspitzen rhythmisch auf und ab zu bewegen. Jedes Mal, wenn er das obere Ende ihrer Vagina erreichte, atmete Meg in Stößen, schneller und schneller. Schließlich glühte ihr ganzer Körper, bebend bäumte sie sich auf.

Mit einem halb erstickten Schrei begleitete sie ihren Orgasmus, und Ryan ergoss seine Ladung beinahe auf ihren Bauch. Stattdessen hielt er Meg fest, bis sich ihre Atemzüge verlangsamten. Noch immer ließ er sie nicht los, er brauchte sie, das wusste er. Aber vorerst …

Irgendetwas piepste. In seiner Hose. Scheiße. Er richtete sich auf. Angesichts der schläfrigen Zufriedenheit, die sich auf Megs Miene spiegelte, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er in seine Tasche griff. Das Diensthandy, das sein Vorgesetzter ihm gegeben hatte, meldete eine SMS.

Offenbar hatte er seinen Termin in der medizinischen Abteilung verpasst, und wenn er nicht in zehn Minuten dort erschien, würde sein Boss die Hunde auf ihn hetzen. Verdammt.

Höchste Zeit, sich um seine Pflichten zu kümmern, auch wenn er keine Lust dazu hatte. Er hauchte einen Kuss auf Megs Stirn.

»Ich muss gehen.« Gepeinigt knöpfte er die zu enge Jeans zu und wich Megs Blick aus.

Sie zog ihren Morgenmantel zusammen und setzte sich auf. »Und – eh – was nun?« Diese heisere, belegte Stimme wollte er jedes Mal genießen, wenn er nach einer Liebesnacht mit ihr erwachte.

So verlockend war es, ihr zu versichern, sie würde ihn bald wiedersehen. Aber erst, wenn er sein ganzes früheres Ich zurückgewonnen hatte. »Ich muss arbeiten. Und du machst da weiter, wo du bei deiner Entführung aufgehört hast.« Er bemühte sich um einen möglichst sanften Ton. Aber wie ihre kummervollen Augen verrieten, genügte das nicht.

»Das war’s also?« Sie stand auf. Mit zitternden Händen knotete sie den Gürtel ihres Bademantels wieder zu. »Nach alldem – und damit meine ich nicht nur den Sex – läufst du einfach so davon?«

Sofort sprang er auf, packte sie bei den Schultern und riss sie an sich. »Nicht einfach so. Aber du bist so viel wichtiger und besser als ich, und ich darf nicht riskieren, dich zu verletzen. Deshalb ja, das war’s. Aber denk verdammt noch mal niemals, irgendwas zwischen uns wäre mir egal.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte er aus dem Zimmer.

Und er schaute nicht zurück.

ULRIKA SASS IN DER ECKE IHRES KÄFIGS und wartete auf Trances Rückkehr. Er hatte erklärt, ACRO würde Mittel und Wege finden, um ihr Halsband zu entfernen, und sie glaubte ihm.

Auch Kira war hier gewesen und hatte sie aus dem Käfig locken wollen. Dagegen hatte Rik sich gesträubt. Solange sie das Halsband trug und befürchten musste, jemand könnte sie mit einer Fernbedienung zwingen, ihre tierische Form anzunehmen, oder sie inmitten einer Menschenmenge in die Luft sprengen, würde sie sich nicht von der Stelle rühren.

Kira hatte ihr eine Mahlzeit, Decken, Kleidung und sogar ein paar Zeitschriften gebracht. Dann versuchte sie mit der Wölfin in Rik zu kommunizieren. Doch es hatte nicht funktioniert. Das Biest grollte, weil es daran gehindert worden war, Trance zu töten. Im Moment wollte es jeden attackieren, der in seine Nähe geriet.

Endlich schwang die Tür auf, und Trance trat ein, in einem schwarzen Kampfanzug und passenden Stiefeln. Rik lief das Wasser im Mund zusammen. An seinem kraftvollen Körper wirkte die Uniform wie maßgeschneidert, und sie hätte sie am liebsten zerfetzt.

»Hi.« Er ging zum Käfig. Doch er sperrte die Tür nicht auf, und Riks Freude verflog ein wenig, weil seine Miene nichts Gutes verhieß. Außerdem roch er nach Ärger. Und Angst.

»Was ist los?«, fragte sie und stand auf.

»Dev hat jemanden gefunden, der dich vielleicht von dem Halsband befreien kann.«

Gute Neuigkeiten. Warum schaute er dann so drein, als würde er ein Begräbnis ankündigen? »Aber?«

»Er will’s nicht tun.«

»Oh.« Rik blinzelte. »Wegen der Bombe, nicht wahr?«

»Nein, er würde es aus einem Sicherheitsabstand tun. Das wäre nicht das Problem.«

Verwundert runzelte sie die Stirn. »Und was stört ihn?«

Für eine Antwort fand er keine Zeit, denn hinter ihm öffnete sich die Tür, und ein großer, dunkelhaariger Mann kam herein. Sofort brach ihr kalter Schweiß aus, sie spürte die Beklemmung in ihrer Brust und taumelte nach hinten. Schmerzhaft prallte sie gegen Gitterstäbe.

Ganz zweifellos – dieser Mann wünschte ihren Tod. In seinen Augen glitzerte eisige Mordlust.

Ihre Gedanken kehrten zu dem Tag zurück, an dem sie Itor entronnen war – an dem sie Faith Black hätte ermorden sollen, die Leiterin von TAG.

In einem Park hatte sie Faith im Visier und ging auf sie zu. Ihr Manipulator aktivierte das Halsband, und sie verwandelte sich in ein rasendes Monstrum, das die Agentin angriff. Ehe es zum tödlichen Schlag ausholen konnte, erschien dieser dunkelhaarige Mann aus dem Nirgendwo und stieß einen Wutschrei hervor, der Rik noch monatelang in Albträumen verfolgen sollte. Ohne sie zu berühren, schleuderte er sie mehrere Meter weit weg gegen einen Baum, und dabei brach er einige ihrer Knochen.

Während er sich um die verletzte Frau kümmerte, nahm Rik wieder ihre menschliche Gestalt an und kroch davon. Irgendwie gelang es ihr, einige Meilen entfernt auf die Ladefläche eines Farmer-Trucks zu klettern. Im Heu vergraben, konnte sie Itor entfliehen. Wie es Faith Black nach der Attacke ergangen war, hatte sie nie erfahren.

Nicht gut, nach der Miene des dunkelhaarigen ACRO-Agenten zu schließen.

»Es war nicht ihre Schuld, Wyatt, es war das Biest, das über Faith hergefallen ist«, betonte Trance und berührte seine Schulter.

Wyatts grüne Augen schienen sie zu durchbohren. »Ulrika.« Wenn er auch ihren Namen nannte – der Klang seiner Stimme besagte: Stirb, du Bestie.

Mühsam schluckte sie. »Es – es tut mir leid …«

»Also tut es Ihnen leid?«, schrie er. »Sie haben den Hals meiner Frau aufgerissen!« Wütend schüttelte er Trances Hand ab und schmetterte seine Fäuste gegen das Gitter des Käfigs. »Wäre ich nicht da gewesen oder zehn Sekunden später zu ihr gekommen, hätte sie verbluten und sterben können. Und das Baby.«

Baby? Faith war schwanger gewesen? Sie spürte, wie bittere Galle in ihrer Kehle aufstieß.

»Nur weil ich ein Biokinetiker bin, haben die beiden überlebt. Ich konnte an Ort und Stelle einen Teil des Schadens beheben, den Sie angerichtet hatten. Wochenlang lag Faith auf der Intensivstation, Sie …«

»Wyatt!«, stieß Trance hervor. »Nimm dich zusammen. Faith geht es gut, und dem Baby auch.«

Die Hände immer noch geballt, drehte Wyatt sich zu Trance um. Mehrere Sekunden lang standen sie einander gegenüber, fast Nase an Nase. Die Spannung zwischen ihnen schien in der Luft zu vibrieren.

Schließlich schüttelte Wyatt den Kopf. »Das mache ich nicht«, fauchte er, stürmte aus dem Raum, und Trance folgte ihm.

»Verdammt, Wyatt, sie stand unter Befehl! Erzähl mir bloß nicht, du hättest noch nie fragwürdige Dinge getan, wenn es um einen Auftrag ging.«

Durch die geschlossene Tür drang Trances Stimme nur gedämpft. Aber Rik verstand jedes Wort, während sie klopfenden Herzens wartete. Vielleicht wäre es besser, Wyatt würde das Halsband nicht entfernen, denn sie traute ihm zu, die Sprengladung versehentlich zu zünden.

»Das ist mir egal«, erwiderte er, und sie hörte das unverkennbare Geräusch einer Faust, die gegen eine Wand gehämmert wurde.

»Komm schon, Mann.« Jetzt sprach Trance in ruhigerem Ton. »Dazu wurde sie von Itor gezwungen. Die Schurken haben sie gequält und in ein willenloses Monstrum verwandelt, das ihre Drecksarbeit erledigen sollte. Dagegen konnte sie nichts tun. Also darfst du ihr nicht die Schuld an dem Angriff auf deine Frau geben.«

Nach einem langen Schweigen öffnete sich die Tür wieder, und die beiden Männer kehrten zurück. In Wyatts Blick glühte immer noch unverhohlener Hass, aber er wirkte nicht mehr so mordlustig. Vielleicht würde er sie ganz schnell töten, statt sie leiden zu lassen.

Sie wagte einen winzigen Schritt aus der Ecke des Käfigs.

»Bleiben Sie stehen!«, herrschte er sie an, und seine Augen glühten bernsteingelb, so wie damals, als er sie gegen den Baum geschleudert hatte.

Ihr ganzer Körper begann unkontrollierbar zu zittern. O ja, er würde sie töten. Das wusste sie. »Trance, bitte …«

Trance schaute zwischen Rik und Wyatt hin und her. Fluchend betrat er den Käfig.

»Was tut ihr?« Sie wich vor ihm zurück und prallte wieder gegen die Gitterstäbe. Da umarmte er sie und drückte sie an sich. »Was …«

»Pst«, flüsterte er in ihr Ohr. »Halt einfach still. Ich bin hier. Und ich bleibe bei dir.«

»Nein!« Sie wollte sich losreißen. Aber seine Arme umschlangen sie mit eiserner Kraft. »Wenn das Halsband explodiert …«

»Das wird nicht geschehen. Wyatt wird es nicht zulassen, weil die Bombe auch mich töten würde.«

»Verdammt, Trance, geh weg von ihr!«, rief Wyatt.

»Tu es.« Trances Stimme klang stahlhart. Umso sanfter streichelten seine Hände Riks Rücken. »Beeil dich.«

Wyatts Flüche hallten von den Wänden wider. In ihrer Kehle spürte Rik ein kurzes Prickeln, dann hörte sie schwache Geräusche. Bei jedem einzelnen Klicken zuckte sie zusammen. Sechzig Sekunden später sprang das Halsband auseinander und landete klirrend am Boden.

Erleichterung und namenlose Freude überwältigten Rik, ihre Beine trugen sie nicht länger. Hätte Trance sie nicht festgehalten, wäre sie zusammengebrochen. Schluchzend presste sie sich an ihn. Sie war gerettet. Nicht mehr an die Itor-Verbrecher gefesselt, mit einem Gerät, das sie benutzt hatten, um sie nach Belieben in eine mörderische Bestie zu verwandeln.

Unter Tränen wollte sie sich an Wyatt wenden, um ihm zu danken. Aber er war verschwunden, und mit seiner Missachtung gab er ihr zu verstehen, dass sie auch ohne das Halsband ein Monstrum bleiben würde.

WÄHREND SIE LAUTLOS WEINTE, lag sie in Trances Armen am Boden. Allmählich atmete sie etwas ruhiger. Er streichelte ihr Haar und flüsterte ihr zu, es sei vorbei. Und sie habe alles gut überstanden.

Er wollte sie nicht loslassen. Denn Rik an seiner Brust zu spüren – daran hatte er seit dem letzten intensiven Körperkontakt mit ihr unentwegt gedacht.

Sich von ihr loszureißen, fiel ihm schwer – vor allem, wenn sie allein waren, wenn seine Erregung wuchs. Nun wünschte er sehnlichst, er würde sie unter oder über sich fühlen, wo immer es ihr gefallen mochte. Doch dafür war der Zeitpunkt ungeeignet, denn er hatte noch immer einiges gutzumachen. Vor allem wollte er Rik helfen, ihre neue Freiheit zu kosten, sie genießen zu können.

Sie verdiente nichts Geringeres – ganz egal, was Wyatt von ihr hielt.

Erstaunt schaute sie ihn an, als er aufstand und sie zusammengekrümmt neben dem Gitter liegen ließ, eine Hand am jetzt unverhüllten Hals. Er sah den Abdruck, der bald verblassen würde. Viel länger würde es dauern, bis das Leid der grausigen Erinnerungen verheilte.

»Komm, Rik, du kannst den Käfig verlassen.« Er reichte ihr seine Hand.

Aber sie ignorierte die Geste und starrte die Tür an, durch die Wyatt hinausgegangen war, als würden dort sämtliche Geister ihrer Vergangenheit lauern. »Nein«, sagte sie heiser, »unmöglich. Verstehst du nicht? In meinem Innern bin ich dieselbe geblieben. Jederzeit könnte ich mich verwandeln, und ich bin immer noch eine Gefahr.«

»Das sind wir alle.«

»Nicht so wie ich.«

»Also soll ich den Tee auf deiner Selbstmitleidsparty servieren?« Seine Frage klang schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Wenigstens riss er Rik aus ihrer Trübsal.

»Für Dom-Sub-Spiele bin ich nicht in Stimmung«, zischte sie.

»Und ich lasse dich nicht in diesem Käfig zurück. Du wolltest das Halsband loswerden – das ist passiert. Nun musst du nur noch lernen, das Biest in dir in den Griff zu bekommen. Nur das ist wichtig, nicht wahr?«

»So lange hatte ich es nicht richtig unter Kontrolle – wie es früher war, weiß ich nicht mehr«, gab sie zu. »Ich habe Angst.«

Noch immer hielt er ihr seine Hand hin. Ein paar qualvolle Herzschläge später griff sie danach, und er half ihr auf die Beine. Unsicher stand sie vor ihm, als hätte der Verlust des Halsbands vorübergehend ihren Gleichgewichtssinn gestört.

Ihre Hand fest umschlossen, sprach er endlich aus, was er ihr hatte erzählen wollen, bevor Ryan in ihren Unterschlupf eingebrochen war. Dadurch hatte sich Trances Timing dramatisch verändert. »Bei unseren ersten Begegnungen habe ich dich nicht belogen, was meine Kraft betrifft, Rik. Du ahnst nicht, was du für mich getan hast. Niemals habe ich jemanden so nahe an mich herangelassen wie dich, niemals meine Deckung fallen lassen. Aber ich habe dich belogen, als ich dir erklärt habe, du würdest mich nur wegen meines Auftrags interessieren. Jetzt hasst du mich – kein Wunder. Wenn ich’s irgendwie wiedergutmachen kann …«

»Und dann?«

»Wenn du mich nicht mehr hasst – würde ich dich gern wiedersehen. In einer Situation außerhalb meiner Arbeit. Mit dir ausgehen – vielleicht sogar wieder mit dir schlafen. Du musst dazu jetzt nicht Ja sagen. Gehen wir einfach nur hinaus, und du übersiedelst ins Ausbildungsquartier.«

Prüfend musterte sie ihn. Ihre Augen glichen leuchtend umrahmten Topasen, und er wartete – eine halbe Ewigkeit, wie es ihm schien. Schließlich entzog sie ihm ihre Hand.

Eine Zeit lang starrte sie die offene Tür an, ehe sie den Käfig vor Trance verließ. Er verstand, dass sie allein hinausgehen musste, ohne ihn. Aber draußen drehte sie sich um, schenkte ihm ein winziges Lächeln, und da wusste er es. Irgendwie würde alles ein gutes Ende nehmen.