E-MAILS, DROGEN, DAUERSTRESS

Es mag manchmal skurril wirken, mit welchen Methoden Wissenschaftler zu ihren Erkenntnissen gelangen. Sie beobachten, sie fragen, sie experimentieren. Und am Ende kommt häufig etwas höchst Seriöses dabei heraus. Am Londoner King’s College folgte eine Gruppe von Forschern genau diesem Ansatz – wenn auch mit merkwürdigen Begleiterscheinungen.

Die Wissenschaftler stellten Mitarbeitern in zwei Versuchsgruppen mittelschwere Aufgaben von identischer Qualität. Gruppe 1 bekam parallel zu den Aufgaben eine Reihe von E-Mails geschickt. Die Mitglieder von Gruppe 2 hingegen mussten eine andere Art von Ablenkung ertragen: Sie kifften vor der Arbeit. Das Ergebnis dieses Experiments war ein Rückschlag für den weltweiten Kampf gegen jede Form von Sucht. Die Kiffer lösten mehr Aufgaben als die Probanden, die zwar frei von Drogen waren, dafür aber offensichtlich durch E-Mails in ihrer Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt wurden.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Ergebnisse der Drogengruppe immer noch deutlich schlechter waren als jene, die Menschen in nüchternem Normalzustand produzieren. Gleichwohl ging das Londoner Kiffer-Beispiel um die Welt.

Offensichtlich sind viele Mitarbeiter den Anforderungen der modernen Kommunikationsgesellschaft nicht gewachsen. Telefon, Anklopfmodus, Internet, Anrufbeantworter, SMS, unerwarteter Besuch und E-Mails sorgen für einen permanenten Stresspegel im Büro.

Der Psychologe Glenn Wilson geht davon aus, dass die dauerhafte Beschallung durch E-Mails und SMS die geistige Kraft des Menschen um zehn IQ-Punkte senkt. Der Verlust an Aufmerksamkeit ist damit vergleichbar einer schlaflosen Nacht. Die New Yorker Beratungsfirma Basex hat den Schaden allein für die amerikanische Volkswirtschaft auf 588 Milliarden Dollar jährlich beziffert. Es ist ein teurer Stress, hervorgerufen durch permanente Unterbrechung am Arbeitsplatz. Denn die meisten Mitarbeiter lesen eingehende Nachrichten sofort oder kurz nach Eingang – egal, ob sie gerade viel oder wenig zu tun haben.

Der Unterbrechungsstress ist damit zu einem Thema für die Medizin geworden. Angelehnt an das bekannte Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom sprechen Wissenschaftler schon von einem Attention Deficit Trait, einer ernstzunehmenden Form von Zerstreutheit. Der moderne Zappelphilipp wird ständig von Informationen umnebelt und verliert irgendwann die Konzentration. Er verfällt in Hektik, will alles gleichzeitig schaffen und entwickelt Aggressionen, um am Ende zu scheitern.

Der Bürostress hat inzwischen einer alten wissenschaftlichen Disziplin zu neuer Blüte verholfen: Die Interruption Science, zu Deutsch Unterbrechungswissenschaft, untersucht die Folgen permanenter Störung am Arbeitsplatz. So hat etwa die Forscherin Gloria Mark von der University of California den Büroalltag von Managern, Programmierern und Analysten sekundengenau dokumentiert.

Alle elf Minuten werden die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz von einer E-Mail unterbrochen. Und erst nach 25 Minuten widmen sie sich wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe. Dabei gibt es keine Routine, keine Gleichmäßigkeit. Niemand kann voraussagen, wann wie viele E-Mails eintreffen und welche Reaktionen sie auslösen werden.

Wer permanent durch E-Mails unterbrochen wird, steckt in einer vergleichbaren Situation wie ein Dauerläufer, der ständig in seinem Rhythmus unterbrochen wird, weil sich sein Schuhband lockert. Oder wie ein Klavierspieler, der immer wieder aus seinem Stück gerissen wird.

Der Mensch passt sich diesen Widrigkeiten an. Das Gehirn hat sich schon darauf eingestellt, vor allem kurzfristig zu funktionieren. Zum Speichern hat das intelligenteste Wesen auf dem Erdball den Computer entwickelt. Und der soll es nun richten.

Längst arbeiten Computerfirmen daran, Programme zu entwickeln, die einen E-Mail-Nutzer wieder in Ruhe arbeiten lassen. Schreibt er gerade auf seiner Tastatur? Telefoniert er gerade? Ist er also aufnahmebereit für den Empfang einer E-Mail? Solche Informationen lassen sich natürlich elektronisch verwerten. Aber welche Maschine will entscheiden, ob eine Nachricht relevant ist für den Nutzer oder nicht?

Einen ganz anderen Weg geht die Stiftung Produktive Schweiz mit einem Internetkalkulator für den intelligenten Umgang mit E-Mails. Der Nutzer muss sieben Fragen zu seinem persönlichen Umgang mit elektronischen Nachrichten beantworten. Dann bekommt er sehr schnell vorgerechnet, wie viel Arbeitszeit er durch unsachgemäßen Umgang mit E-Mail-Kommunikation verliert.

Ein Beispiel: Unser Mitarbeiter Bernhard Huber verwendet am Tag 90 Minuten für das Schreiben von Mails. Er verfasst allerdings Nachrichten, die von den Empfängern nicht immer gut verstanden werden. Er schätzt, dass 60 Prozent der E-Mails, die er bekommt, geschäftlich relevant für ihn sind. Im Umgang mit dem E-Mail-System sieht er sich selbst als Profi. Pro Tag verschickt er jeweils 20 Nachrichten an externe und an interne Personen. Dabei arbeitet er regelmäßig mit 25 Menschen zusammen.

Das Programm errechnet für Herrn Huber ein Produktivitätspotential von 268 Stunden pro Jahr. Das heißt also umgerechnet, dass er an jedem Tag 73 Minuten seiner Arbeitszeit sparen könnte. Dazu müsste er seine Anwenderkenntnisse verbessern und vor allem „bessere Methoden des E-Mail-Managements“ einsetzen, sagt die Stiftung. Damit dies gelingt, gibt die Organisation dem E-Mail-Nutzer einige wichtige Ratschläge mit auf den Weg. Er möge das E-Mail-Programm nicht als Pausenfüller sehen und Nachrichten höchstens zweimal täglich bearbeiten.

73 Minuten gewonnene Zeit – jeden Tag. Eine entspannte und wahrscheinlich auch vernünftige Art, mit dem Unterbrechungsstress umzugehen.

 

JUNK-MAIL FÜR MAIL-JUNKIES

Eine Viertelstunde lang hielt sie es aus. „Kürzlich im Bundestag legte sie das Handy in die Schublade vor sich, als wollte sie der Nachrichtenflut entkommen.“ Alle drei bis fünf Minuten bekommt die Bundeskanzlerin eine Nachricht aus dem Lagezentrum, schreibt der Spiegel. Aber nach 15 Minuten musste auch Angela Merkel sich dem inneren Verlangen beugen und nachsehen.

Sie ist damit nicht allein. Chad Hurley, Gründer des Videoportals Youtube, sagt, er habe es aufgegeben, alle E-Mails erledigen zu wollen. Aus Kommunikation wird Sucht. Aus dem Blackberry ist für viele längst ein Crackberry geworden – die gefährlichste Kommunikationsdroge für Mail-Junkies. „Eine Pandemie infiziert die Arbeitswelt“, nennt es die amerikanische Beraterin Marsha Egan.

Die ersten Unternehmen haben schon auf dieses Phänomen reagiert. Dan Russell, Forschungsmanager beim Computerriesen IBM, versieht seine Nachrichten mit den Sätzen: „Schließe dich der Slow-E-Mail-Bewegung an! Lies E-Mails nur noch zweimal am Tag! Hol dir deine Lebenszeit zurück und lerne wieder zu träumen!“

Wer beim Chiphersteller Intel arbeitet, verbringt im Schnitt drei Stunden täglich mit der Bearbeitung von E-Mails. Ein Ingenieur erhält dort zwischen 50 und 100 Nachrichten am Tag – für viele Arbeitnehmer und Freiberufler längst der Normalzustand. Je nach Hierarchiestufe kann dieser Wert schnell auf 300 steigen. Und etwa ein Drittel dieser Nachrichten ist überflüssig.

Deshalb fiel bei Intel der Entschluss, E-Mail-freie Tage festzulegen. Wenn irgend möglich, sollten Mitarbeiter an diesen Tagen auf E-Mails verzichten und nur noch persönlich oder am Telefon kommunizieren. Die ersten Resultate dieses Versuchs waren allerdings enttäuschend. Die meisten Mitarbeiter nutzten die verordnete E-Mail-Abstinenz, um schon einmal selbst neue Nachrichten im Voraus zu verfassen, die sie dann später abschickten.

Die permanente Suche nach E-Mail-Informationen ist nicht allein auf den beruflichen Kommunikationsaustausch beschränkt. Gut die Hälfte der Deutschen mit einer privaten E-Mail-Adresse sieht mindestens einmal täglich in das elektronische Postfach. Nach Zahlen des Verbandes Bitkom sind 5 Prozent ständig auf Empfang. Jeder Fünfte liest mehrmals am Tag seine privaten Mails, weitere 28 Prozent mindestens einmal täglich. Mehrmals pro Woche sehen weitere 27 Prozent in ihr Postfach.

Das Suchtpotential ist groß, die Heilung aus der Ratgeberliteratur scheint denkbar einfach: „Lesen Sie Nachrichten nur zu klar fest gelegten Zeiten.“ Dieser gut gemeinte Hinweis klingt genauso einleuchtend wie der Rat an einen Alkoholiker, künftig einfach weniger Bier und Wein zu trinken.

Die Wochenzeitung Die Zeit zitiert Manager, die bemerkenswerte Sätze über die E-Mail-Kommunikation sagen: „Es ist wie mit Schokolade oder Kartoffelchips. Ich weiß, ich sollte meine Hand nicht nach ihnen ausstrecken, aber mir fehlt die Willenskraft.“ Oder: „Ich bin abhängig von Unterbrechungen. Wenn ich nicht unterbrochen werde, weiß ich nicht, was ich als Nächstes machen soll.“

Die Liste der Kommunikationsdrogen ist lang. Die Universität von Maryland hat den Effekt verschiedener Medien getestet. 200 Studenten verzichteten dort einen Tag lang auf E-Mail, Online-Gemeinschaften und Mobiltelefon. Das Ergebnis waren Entzugserscheinungen wie bei Alkoholsüchtigen.

Besonders schwer taten sich die Versuchspersonen mit der Abstinenz von sozialen Klatsch- und Tratschnetzen wie Facebook, vor allem, weil sie sich dort permanent mit Freunden über die Themen des Alltags austauschen. Weniger dramatisch ist der Verzicht auf SMS, Mobiltelefon oder E-Mail. Für die Wissenschaftlerin Susan Moeller zeigten sich Symptome, die denen von Alkohol- und Drogenabhängigen auf Entzug gleichen. Große Unruhe, Nervosität, verzweifeltes Verlangen nach Online-Aktivität.

Ein Student verglich das Leben ohne Online-Kommunikation mit dem Leben auf einer einsamen Insel. Ein anderer fand es unerträglich, nicht mit seinen Freunden elektronisch in Kontakt treten zu können.

Für derartige Fälle hat die Wissenschaft inzwischen ein altes Instrument aus der Betriebswirtschaft weiterent-wickelt: die E-Mail-Pleite. Wer nicht mehr kann, löscht sein gesamtes Postfach. Danach schickt er seinen Geschäftspartnern und Freunden noch eine letzte Nachricht, mit der Bitte, wichtige Informationen noch einmal zu übermitteln. Es ist die digitale Bankrotterklärung. Die letzte Junk-Mail für Mail-Junkies.

 

DIGITALES DAUERGEPLAPPER: LESEN SIE DENN MEINE NACHRICHTEN GAR NICHT?

Es müsste ein Gesetz geben, das lange E-Mails verbietet. Da schicken einem detailverliebte Menschen eine Nachricht, die auf endlose Weise jede nur theoretisch erdenkliche Variante eines bestimmten Vorgangs schildert: Sitzungsprotokolle, technische Abläufe, Adresslisten, Kundenmemos – es mangelt nicht an Ideen für quälende Informationsanlässe.

Diskussionswürdig daran ist nicht nur, dass solche Nachrichten uns die Zeit stehlen. Viel schwerer ins Gewicht fällt die Alibi-Attitude, die der Absender gern mit dieser Art der Kommunikation verbindet:

„Ich hatte Ihnen doch die Information gegeben. Lesen Sie denn meine Nachrichten gar nicht?“

Herausfordernd sind solche Mails, weil man sie a) bis zum Ende lesen muss und b) trotzdem nicht unbedingt weiß, was von dem Inhalt nun wichtig ist und was nicht.

Es ist die pure Länge einer Nachricht, die uns Zeit raubt. Und es ist die Dramaturgie der Botschaft, die uns nervös macht. Oder besser gesagt, die Tatsache, dass es gar keine Dramaturgie gibt. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten diese E-Mail von Herrn Straube aus der Abteilung Kundenbetreuung:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute Morgen fuhr ich mit meinem Auto, einem schwarzen Volvo V50, Baujahr 2010, Kennzeichen CC-BB 5000, auf den Parkplatz vor dem Hauptgebäude. Es war 8.23 Uhr, und ich freute mich richtig auf den Tag, weil ich eine Menge vor hatte, und weil ja auch bald die Urlaubszeit beginnt. An der Schranke (gut, dass sie wieder funktioniert) schob ich die Chip-Karte in den Automaten, der komische Geräusche machte, aber die Schranke öffnete sich dann doch. Ich machte das Radio ein bisschen leiser, weil mich das beim Einparken stört, hinterher baue ich noch einen Unfall, dachte ich mir. Da sah ich schon einen Kollegen aus der Stuttgarter Zentrale. Ich winkte und fragte, ob er gestern Abend auch noch in der Stadt war. Er sagte nein, aber das sagt er immer, auch, wenn es nicht stimmt. Letztes Mal war er nämlich noch beim Griechen, das hat mir die Frau Kraft erzählt. Jedenfalls fuhr ich so über den Parkplatz, als ich plötzlich ein Geräusch hörte. Ich drehte mich um und sah, wie zwei maskierte Gestalten das Auto von Herrn Huber aufbrachen. Da war ich aber geschockt, kann ich Euch sagen. So, das wäre es erst einmal. Bis nachher zur Pause. Ciao!“

Fast 1.000 Zeichen lang erzählt uns Herr Straube völlig nebensächliche Details, um dann am Ende dem überraschten Leser mitzuteilen, dass zwei maskierte Gestalten das Auto eines Kollegen aufgebrochen haben. Eine konsequent chronologisch aufgebaute E-Mail, die nicht auf den Punkt kommt. Eine Nachricht, die zunächst nur Nebensächlichkeiten erwähnt, um am Ende den inhaltlichen Höhepunkt zu erreichen.

Diese Art von E-Mails verstopft den Kommunikationskanal. Es ist Info-Müll, der täglich milliardenfach produziert wird. Dass dies überhaupt möglich ist, hat einen Grund. Das Schreiben von E-Mails ist selten ein Bestandteil beruflicher Ausbildung – außer vielleicht bei Journalisten und wenigen weiteren artverwandten Berufsgruppen.

Die handwerklichen Fähigkeiten des Nachrichtenschreibens bleiben damit einem exklusiven Zirkel vorbehalten. In den meisten Unternehmen aber sitzen hochmotivierte Hobbypiloten, die mit Vollgas auf der digitalen Autobahn ohne Führerschein fahren. Ohne Sprachausbildung und ohne das Wissen um eine Informationshierarchie produzieren sie tagaus tagein massenhaft E-Mail-Nachrichten, die sie mit großer Leidenschaft verbreiten.

Was ist wann und wo passiert? Ein E-Mail-Schreiber, der es schafft, diese und keine andere Information in die Betreffzeile oder in den ersten Satz zu schreiben, gehört schon zur digitalen Info-Elite. Nur am Anfang einer E-Mail sucht der Empfänger den inhaltlichen Kern der Nachricht. Dort und nur dort hätte unser Herr Straube eine Chance gehabt, die Aufmerksamkeit seiner Kollegen zu erreichen.

Die meisten Fragen, die Herr Straube aber beantwortet, sind von nachrangiger Bedeutung: Welches Auto fährt er? Wie geht es seinem Kollegen? Was hat er vorher gemacht? Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn er seine Nachricht kurz und bündig so formuliert hätte:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe heute um 8.23 Uhr gesehen, wie zwei maskierte Gestalten auf dem Parkplatz das Auto von Herrn Huber aufgebrochen haben.“

Ende der Durchsage. Mehr ist an Information für den Augenblick gar nicht notwendig. Dass dies in vielen Unternehmen allerdings nicht weiter auffällt, liegt an einem weiteren Phänomen der digitalen Welt. Nicht nur die Verfasser von E-Mails handeln oft frei von jeder Ausbildung. Auch die Unternehmen treffen nicht die notwendigen Vorkehrungen, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. In den meisten Betrieben fehlt ein inhaltlicher Schleusenwärter, ein Chef vom Dienst, der den digitalen Nachrichtenstrom kommunikativ steuert.

Kaum jemand wählt Informationen aus, bewertet sie und sagt, was wirklich gesendet werden darf und was nicht. Und so kann eben Frau M. aus dem Einkauf dem Herrn Z. aus der Personalabteilung eine Mail schicken. Und Frau K. aus dem Marketing kann ungehindert die Mitarbeiter aus dem Versand bitten, bestimmte Informationen bis zum kommenden Mittwoch bereitzustellen. Herr P. wiederum kann einfach mal in die große Runde fragen, wer denn am Mittag Lust hat, mit ihm Essen zu gehen.

Ein solches digitales Dauergeplapper muss zwangsläufig zur Überforderung der E-Mail-Empfänger führen. Sie sind ja gezwungen, jede Nachricht bis zum Ende zu lesen, wenn sie nicht riskieren wollen, das Wichtigste zu verpassen.

Bis sich dies einmal ändert, drehen Sie sich wie die Hamster im Rad. Deshalb sollten Sie immer eine kluge Antwort parat haben, falls ein lieber Kollege wieder fragt: „Lesen Sie denn meine Nachrichten gar nicht?“

 

SCHWEINE IM POSTFACH

Wunderbar einfach hat das Internet die Kommunikation mit der Außenwelt gestaltet. Aber ebenso wunderbar einfach kann die Außenwelt nun auch in unsere Privatsphäre eindringen. Und das wollen wir nicht immer so haben, vor allem dann nicht, wenn wir mit Dosenfleisch-Mails zugemüllt werden.

Täglich wandert eine Spätform gekochten Schweineschinkens in unsere Postfächer. Dieser Spiced Ham ist besser bekannt unter der Kurzform Spam. Wir verdanken seine sprachliche Herkunft einem berühmten Kurzfilm der englischen Komiker-Combo Monty Python.

Die Szene spielt in einem Lokal. Die Speisekarte ist sehr eintönig: Es gibt nur Gerichte mit Spam. Der Gast möchte ein Essen ohne Spam bestellen, die Kellnerin aber schlägt ihm immer wieder ein Gericht mit Spam vor. Das Gespräch wird laufend von einem Wikinger-Chor unterbrochen, dessen gesangliches Repertoire sich auf Spam-Lobeshymnen beschränkt. Die Unterhaltung wird sinnlos und am Ende sogar unmöglich.

Heute werden rund um den Globus statistisch gesehen 135,5 Milliarden dieser Spam-Mails verschickt – jeden Tag. Oft genug sind die Betreffzeilen so eindeutig, dass gut funktionierende Spamfilter schnell die Neuigkeiten aus der Potenzmittel-und Pornografie-Branche aussortieren.

Inzwischen werden im Internet schon Seiten angeboten, die E-Mails vor Versand auf Spam-Verdacht prüfen. Dafür gibt es einen nachvollziehbaren Grund. Moderne Filter vergeben Punkte für bestimmte Schlüsselbegriffe in den Nachrichten. Ist eine bestimmte Punktzahl erreicht, wandert die E-Mail sofort in den Müll. Und dies wollen die Absender natürlich gern verhindern.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco hat eine Liste mit typischen Spam-Wörtern zusammengestellt. Dazu gehören beispielsweise porn, sex und offer, die aber auch in anderen deutschen Wörtern enthalten sind wie bei Ansporn, Staatsexamen oder Koffer. Auch scheinbar harmlose Begriffe können als Spam identifiziert werden. Dazu können Wörter wie umsonst, kostenlos, Geld oder Glücksspiel gehören.

Forscher der Universität Hamburg haben ermittelt, dass Spam-Mails in den Unternehmen jährliche Kosten in Höhe von 500 Euro pro Mitarbeiter verursachen. Grund dafür ist aber nicht nur die pure Masse des Informationsmülls. Auch das Verhalten der Mitarbeiter ändert sich beim Umgang mit diesen Nachrichten. Sie müssen häufiger in ihrem Postfach nachsehen aus Sorge, eine wichtige Mail zu verpassen. Dies kostet Zeit und Konzentration.

Und nur allzu häufig geben sie sehr offenherzig interne Informationen preis. Schließlich ist in der Kommunikation nicht immer nur interessant, was jemand sagt, sondern manchmal auch, was er nicht sagt.

Ein Mitarbeiter oder Kollege, der bei einer feierlichen Ansprache nicht erwähnt wird, kann wichtige Schlüsse aus diesem Vorgang ziehen. Gäste, die nicht auf der Liste eines prominenten Empfangs stehen, sind manchmal eher Gesprächsthema als jene, die eingeladen wurden.

Ähnlich verhält es sich mit Abwesenheits-Mails. Auch hier kann es gelegentlich hochinteressant sein zu erfahren, wer gerade nicht an seinem Arbeitsplatz ist:

„Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ich bin vom 14. Juli bis zum 3. August im Urlaub und werde Ihre Nachricht dann sofort bearbeiten. In dringenden Fällen erreichen Sie mich unter meiner Mobilnummer 0123 44 55 666.“

Solche Abwesenheitsnotizen können sinnvoll sein, weil sie zur Transparenz beitragen. Aber sie sind auch gefährlich. Selbständige etwa, die von zu Hause aus arbeiten, machen mit derart freundlichen E-Mails öffentlich, dass ihr Büro und damit auch ihre Wohnung für einen längeren Zeitraum unbewohnt und vor allem unbewacht sind. Und sie verraten obendrein noch ihre Mobilnummer. Die Gefahr ist groß, dass auch Absender von Spam-Mails diese Informationen bekommen.

Die kriminelle Energie, die hinter Spam-Angriffen steckt, hat einem neuen Gewerbe zum Höhenflug verholfen. Das Geschäft mit der Sicherheit in der Informationstechnologie wächst und wächst.

Begünstigt wird diese Entwicklung durch das so harmlos klingende Phishing. Die Angreifer bauen dazu bekannte Internetportale vor allem von Banken nach, um ahnungslosen Nutzern höchst sensible Daten zu entlocken. Dann senden sie den Opfern eine Spam-Mail, in der sie den Empfänger mit einem Link auf die gefälschte Seite locken. Wenn der Kunde dort seine Kontonummer und Geheimzahl offenbart, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Das Thema ist derart heikel, dass sich sogar schon der Verfassungsschutz zu Wort gemeldet hat. Es seien vor allem Geheimdienste aus Russland und China, die deutsche Unternehmen ins Visier genommen hätten, heißt es dort.

Der Phantasie scheinen dabei keine Grenzen gesetzt. So warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik etwa vor sogenannten Drive-by-Downloads. Dabei infizieren Angreifer die Webseite zunächst mit einem schadhaften Programm. Kommt ein Besucher vorbei, wird sofort ein Schadcode auf dessen Computer geladen. Und damit können die Täter dann hemmungslos Bankgeschäfte manipulieren.

Die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft schätzt den jährlichen Schaden durch Wirtschaftsspionage auf 30 Milliarden Euro – allein für Deutschland. Der Softwareanbieter SAP schult seine Mitarbeiter regelmäßig zu Sicherheitsthemen. Es gehe längst nicht mehr um Angriffe von Hackern, die aus Freude an der technischen Herausforderung versuchten, in Systeme einzudringen, sagte SAP-Manager Klaus Schimmer dem Handelsblatt: „Das ist knallharte Wirtschaftsspionage.“

Nach Aussage des IT-Sicherheitsunternehmens McAfee Labs werden vor allem Nachrichten als Aufhänger genutzt, um das Interesse scheinbar ahnungsloser Leser von E-Mails zu wecken. So wurden 2009 drei Themen besonders häufig verwendet, um Nutzer zu täuschen: Der Tod des Popstars Michael Jackson, der Absturz einer Air-France-Maschine im Atlantik und – an dieser Stelle schließt sich der Kreis des Spiced Ham wieder – die Schweinegrippe.

 

DIE LÜGEN DES DR. B.

Wie oft schon haben wir uns gefreut, wenn uns ein Rechtsanwalt aus Nigeria geschrieben hat. Oder ein Vermögensverwalter aus Thailand. Oder ein Detektiv aus Brasilien. Es sind oft sehr bewegende Geschichten, die uns diese Menschen in ihren E-Mails erzählen:

„Lieber Freund, wie geht es Ihnen heute? Ich hoffe, fein.“

Und dann lesen wir von verstorbenen Großcousins, die auf einsamen afrikanischen Straßen mit ihrem Jeep verunglücken, ohne vorher zu klären, wem sie ihr Millionenerbe überlassen könnten. Von bisher unbekannten Tanten, die ihr ganzes Leben lang nur an uns gedacht haben, ohne dass wir je von ihnen wussten. Und die uns nun – post mortem – glücklich machen wollen mit ihrem Vermögen.

Es ist nur manchmal ein bisschen schwierig, dem sprachlichen Kauderwelsch zu folgen, das sich in diesen E-Mails verbirgt. So verfasst etwa ein gewisser Dr. Kevin B. aus London merkwürdige Sätze wie diesen:

„Nachdem gegangen durch eine methodische Suche entschied ich mich, kontaktieren Sie hoffen, dass Sie diesen Vorschlag interessant, bitte auf Ihrer Bestätigung dieser Meldung ist unter Angabe Ihres Interesses finden Sie weitere Informationen zu liefern.“

Linguistischer Nonsens in Reinform. Dabei hat Dr. B. eine ergreifende Geschichte zu erzählen. Vor zehn Jahren soll ein gewisser Amerikaner namens Mister Morrison mit dem Flugzeug abgestürzt sein. Bei diesem tragischen Ereignis kamen auch die Ehefrau und die einzige Tochter ums Leben. Familie Morrison hinterlässt der Nachwelt ein Vermögen in Millionenhöhe. Geld, das offenbar brach auf einem Konto liegt und nun wieder in den globalen Währungskreislauf geführt werden soll. An dieser Stelle kommt der E-Mail-Empfänger ins Spiel. Dr. B. schreibt:

„Die Wahl der Kontaktaufnahme mit Ihnen ist aus der geographischen Natur, wo Sie leben.“

Während diese Aussage zumindest noch inhaltlich zu überzeugen vermag, erinnern die folgenden Sätze stark an grammatikalisch missratene Lügengeschichten aus schlechten Romanen:

„Ich suche Ihre Zustimmung an Sie als die nächsten Angehörigen/Berechtigte an den Verstorbenen, so dass der Erlös aus diesem Konto bei 12,5 Millionen Dollar geschätzt gezahlt werden kann gegenwärtig zu Ihnen.“

Mal ist es ein Konto, das wir in einer hochfrequentierten Steueroase eröffnen sollen. Mal sind es ein paar harmlose Privatdaten, die ein Rechtsanwalt in Abu Dhabi dringend benötigt. Aber vor allem ist es Diskretion, die wir wahren müssen, damit niemand das Geheimnis unseres künftigen Reichtums entdecken möge. Nepper, Schlepper, E-Mail-Betrüger sprühen vor Phantasie, um an die geheimen Kontodaten naiver Leser zu gelangen.

Diese Art des Vorschussbetrugs ist ein äußerst lukratives Geschäft. So ergaunerte die sogenannte Nigeria-Connection im Jahr 2009 umgerechnet fast 6,7 Milliarden Euro. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des niederländischen Instituts Ultrascan.

Warum aber haben solche Lügengeschichten überhaupt eine Chance, im virtuellen Orbit gelesen zu werden? Hat die Art der Kommunikation einen Einfluss darauf, ob sich Menschen die Wahrheit sagen?

Eine mögliche Antwort liefert der amerikanische Wissenschaftler Terri Kurtzberg von der Rutgers University in New Jersey. Gemeinsam mit seinem Forscherteam führte er ein Experiment mit 48 angehenden Ökonomen durch. Dabei sollten die Probanden einen festen Geldbetrag auf beliebige Weise zwischen sich und einem Mitspieler aufteilen.

Die Spielregel war eindeutig. Nahm der Mitspieler das Angebot an, wurde das Geld aufgeteilt. Lehnte er ab, bekam niemand etwas. Die Probanden mussten ihrem Mitspieler allerdings auch sagen, wie viel Geld in dem gesamten Topf ist. Und an dieser Stelle durften sie lügen, damit ihr vermeintliches Angebot attraktiver aussah.

Viele Probanden nutzten diese Möglichkeit und belogen ihre Mitspieler nach Strich und Faden. Die genaue Zahl der Lügner hing dabei vom Kommunikationsmedium ab, das die Teilnehmer wählten. Die altmodischen Absender von Papiernachrichten nutzten einen echten Briefkasten für die Übermittlung ihrer Nachrichten. Die modernen Teilnehmer schrieben E-Mails – und erwiesen sich als besonders verlogen: Neun von zehn E-Mail-Autoren sagten die Unwahrheit, während „nur“ zwei von drei Briefeschreibern ihr Gegenüber belogen. Auch die absolute Höhe des Angebots war bei den Verfassern herkömmlicher Nachrichten deutlich geringer als bei den E-Mail-Absendern.

Die Forscher schließen aus diesem Experiment, dass in elektronischen Nachrichten mehr gelogen wird als in traditionellen, handgeschriebenen Briefen. E-Mail-Kommunikation sei weniger persönlich. Daher fühlten sich Menschen auch weniger an moralische Normen gebunden.

Mit anderen Worten: Dr. B ist nicht Täter, sondern Opfer der Umstände. Das Internet – und niemand sonst – hat aus ihm einen schäbigen Lügner gemacht.

 

GANZ WICHTIG

Der Mensch kommt nicht als E-Mail-Schreiber auf die Welt. Und dennoch verfügt auch ein Neugeborenes schon über ein Höchstmaß an Mitteilungskompetenz. Die ersten kommunikativen Regungen eines Erdbewohners bedienen normalerweise Stimme, Augen und Hände. Wenn ein Kind nach der Geburt kräftig schreit, werten die Eltern dies als beruhigendes Signal – trotz des Lärms, der damit gelegentlich verbunden sein kann.

Ein schreiendes Baby hat eine klare Botschaft: „Ganz wichtig! Ich bin da! Bitte schnell kümmern!“ Diese Fähigkeit, relevante Informationen auf den Punkt zu bringen, geht vielen Menschen im Laufe ihrer intellektuellen Entwicklung verloren. Sie verheddern sich in Details und kommen vom berühmten Hölzchen aufs nichtssagende Stöckchen, wenn sie eine Botschaft übermitteln wollen.

Dabei liegt es in der Natur der Lebewesen, vor der Übermittlung wichtiger Botschaften genau diese Wichtigkeit zu betonen. Von Eidechsen etwa weiß man seit kurzem, dass sie wichtige Nachrichten vor der Übermittlung mit optischen Hinweisen versehen, indem sie ihren auffälligen Kehlsack einsetzen. Das haben die amerikanischen Biologen Terry Ord und Judy Stamps herausgefunden.

Die in Puerto Rico lebende Eidechsenart Weißlippenanolis kommuniziert demnach mit ihresgleichen nur über visuelle Signale. Wenn die Männchen ihr Revier abstecken oder ein begehrtes Weibchen anlocken wollen, vollziehen sie liegestützartige Wippbewegungen und nicken dazu mit dem Kopf.

Da diese Art der Nachrichtenübermittlung ähnlich der E-Mail-Kommunikation lautlos verläuft, brauchen die Eidechsen-Männchen eine Art biologischer Betreffzeile, um auf die hohe Bedeutung ihrer selbst, aber auch ihrer Nachricht hinzuweisen. Dazu stellen die Tiere ihre farbige Kehlfalte auf. Erst dann beginnen sie mit der Übermittlung der eigentlichen Mitteilung. Diese Erkenntnis ist neu, sagen die Biologen. Bisher habe man ein derart einleitendes Alarmsignal vor wichtigen Nachrichten nur von Vögeln gekannt.

Und eben von Menschen, die die Wichtigkeit ihrer E-Mail-Botschaft in der Betreffzeile wiedergeben. Nur leider gelingt ihnen das nicht immer. Zwar kann man über eine Zusatzfunktion im E-Mail-Programm die Dringlichkeit einer Nachricht mit einem Ausrufezeichen unterstreichen. Aber über den Inhalt ist damit noch nichts gesagt.

Würde ein Baby eine E-Mail schreiben, stünde im Betreff wahrscheinlich Hunger! oder Durst! Aber uns Erwachsene kann schon die Zusammenfassung eines Fußballspiels überfordern. Welche der nachfolgenden Informationen ist denn wirklich wichtig: Die Tatsache, dass zwei europäische Spit-zenmannschaften das Finale der Champions League erreicht haben oder dass sie dann dort aufeinandergetroffen sind? Dass sie 90 Minuten lang spannenden Fußball geboten haben oder dass eine Reihe von Spielern ausgewechselt wurde? Dass hier und da gelbe Karten verteilt wurden oder dass es Freistöße gab? Dass die Zuschauer spannende Spielzüge sahen, die Trainer wild gestikulierten oder die Fans auf der Tribüne jubelten und pfiffen?

Ohne die Information zu verfälschen, könnten wir die E-Mail mit dem Spielbericht also folgendermaßen ankündigen:

Betreff: Fortuna und Kickers im CL-Finale

Betreff: Spiel hat stattgefunden

Betreff: 90 Minuten Spannung

Betreff: Vier Auswechslungen

Betreff: Sechs gelbe Karten

Betreff: Viele Freistöße

Betreff: Spannende Spielzüge

Betreff: Wild gestikulierende Trainer

Betreff: Jubelnde und pfeifende Fans

Und dennoch interessiert den unwissenden Empfänger der Nachricht nur eine einzige Information, die bisher nicht genannt wurde: Wie ist dieses Spiel eigentlich ausgegangen? Es kann also nur die eine wirklich denkbare Betreff-Zeile geben, mit der wir das Informationsbedürfnis des Lesers tatsächlich befriedigen:

Betreff: Fortuna schlägt Kickers 3:1

Genauso verhält es sich mit dem alltäglichen E-Mail-Verkehr. Betreffzeilen wie diese sind nahezu aussagefrei und sagen dem Empfänger nicht, worum es geht:

Betreff: ??????

Betreff: !!!!!!

Betreff: Unsinn

Betreff: Psst!

Betreff: Anmerkung

Betreff: E-Mail

Betreff: Kurze Frage

Betreff: Keine Ahnung

Besser ist eine konkrete, kurz gefasste Aussage, die den Kern der folgenden Nachricht wiedergibt:

Betreff: Terminbestätigung 17.3.

Betreff: Antrag genehmigt

Betreff: Ausschreibung gewonnen

Betreff: Präsentation 10.5.

Betreff: Morgen Abend treffen

Betreff: Tagesordnung für Mittwoch

Betreff: Treffen 14.6.

Auch die Antwort auf eine Mail oder die Antwort auf eine Antwort kann Inhalt des Betreffs sein:

Betreff: AW: AW: AW: AW: AW: AW:

Betreff: RE: RE: RE: RE: RE: RE:

Solche Zeilen helfen natürlich ebenfalls nicht weiter. Und auch hier sollte der Absender den Kern seiner Nachricht kurz zusammenfassen, damit der Leser weiß, worum es geht.

Der Erfolg von Betreffzeilen ist schließlich messbar. Der Fachanbieter dialog Mail hat festgestellt, dass es bei E-Mail-Kampagnen einen eindeutigen und hohen Zusammenhang zwischen der Länge einer solchen Zeile und der Öffnungsrate gibt: „Je kürzer die Betreffzeile, desto höher die Öffnungsrate.“

Sachliche Zeilen haben eine deutlich höhere Chance, geöffnet zu werden als Mails mit werblicher Überschrift. Personalisierte Betreffzeilen erzielen eine um 64 Prozent höhere Öffnungsrate als unpersonalisierte. Und besonders interessant, liebe Unternehmensvertreter: Mails, die von einer Person als Absender verschickt werden, erzielen eine niedrigere Öffnungsrate als Nachrichten mit Firmennamen im Absender.

 

EIN FRIEDHOF FÜR E-MAILS

Etwa 30 Millionen Deutsche haben schon ein Profil in einer Online-Community angelegt. Aber wenn wir von virtuellem Leben sprechen, müssen wir konsequenterweise auch darüber nachdenken, was nach dem Tod mit den persönlichen Daten passiert. Immerhin sterben in Deutschland rein statistisch gesehen etwa 850.000 Menschen jährlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Verstorbenen auch Online-Informationen hinterlassen, steigt stetig mit zunehmendem Internetkonsum.

In vielen Fällen werden wichtige Dokumente wie Versicherungs- oder Kreditverträge nur noch elektronisch abgelegt. Es gibt also guten Grund, den digitalen Nachlass genauso akribisch zu behandeln wie herkömmliche Papierdokumente. Die Frage, wie ein Friedhof für E-Mails aussehen sollte, wird inzwischen sogar von professionellen Agenturen beantwortet, die gegen Bezahlung das elektronische Vermächtnis des Verstorbenen wahren.

Aus Sicht des Verbandes Bitkom sollten Internetnutzer sehr genau prüfen, wem sie ihre hochsensiblen Daten anvertrauen. Der Verband rät, den Umgang mit persönlichen Daten und Passwörtern schon zu Lebzeiten verbindlich zu regeln – am besten in einem Testament, einem Erbvertrag oder einer Verfügung. Diese Papiere sollten dann am sichersten in einem Umschlag beim Notar hinterlegt werden.

Laut Bitkom haben Erben legal Zugriff auf den Rechner und die Speichermedien des Toten. Sie dürfen also die dort gesicherten Informationen lesen. Und sie entscheiden auch darüber, was mit diesen Daten passiert, sofern der Verstorbene im Testament keine andere Regelung getroffen hat.

Außerdem, so der Verband, erhalten die Erben Zugang zu virtuellen Adressbüchern, gespeicherten E-Mails, Profilen und Bildern des Verstorbenen. Sie verfügen demnach sogar über die Rechte an Homepages, können auf Benutzerkonten des Verstorbenen zugreifen und dürfen bei Internetanbietern neue Passwörter anfordern. Als Legitimation dazu sind in der Regel Sterbeurkunde und Erbschein erforderlich.

Profile von Verstorbenen werden meist nicht sofort gelöscht. Oft können die Erben entscheiden, was damit passiert. Im Prinzip sollte sich der Betreiber einer Internet-Community nach den Wünschen der Hinterbliebenen richten. So kann der Anbieter das Profil unsichtbar schalten, sobald andere Nutzer auf den Tod des Mitglieds aufmerksam machen. Der Betreiber schickt dann eine E-Mail. Wenn nach einer bestimmten Zeit keine Antwort eingeht, wird das Profil gelöscht.

Es gibt aber auch Anbieter, die sich mit den Angehörigen in Verbindung setzen, sobald sie über den Tod eines Mitglieds informiert werden. Viele Betreiber erhalten diese Information direkt aus dem Netz. Dann kann es passieren, dass sich Bekannte, Freunde oder Geschäftspartner melden.

Manche Erben wünschen auch, dass in bestimmten Communities das Profil des Verstorbenen noch eine Zeit lang angezeigt wird. Freunde können dann noch Nachrichten im Gästebuch hinterlassen. Bitkom weist allerdings auf eine wichtige juristische Hürde hin: Wenn Freunde noch Bilder des Verstorbenen im Netz veröffentlichen wollen, benötigen sie bis zu zehn Jahre nach dessen Tod die Einwilligung der Erben.

Wie die einzelnen Anbieter genau mit den Daten von Verstorbenen umgehen, zeigt eine Umfrage von Spiegel Online. Bei GMX erhalten die Erbberechtigten gegen Vorlage des Erbscheins Zugriff auf das Postfach des Verstorbenen. Auch Web.de und Wer-kennt-wen gewähren den Erben Zugriff auf das Profil. StudiVZ, SchülerVZ und MeinVZ klären im Einzelfall mit den Angehörigen, ob das Profil eines Verstorbenen gesperrt wird oder ob sich Freunde und Bekannte auf diesem Weg noch verabschieden können. Yahoo Deutschland hingegen ist restriktiver. Dort wird ein Nutzer-Konto auf Wunsch der Angehörigen und nach Vorlage der Sterbeurkunde gelöscht, aber es wird kein Zugriff gewährt. Facebook lässt Profile von Verstorbenen für eine gewisse Zeit online. Auf Wunsch können die Angehörigen das Profil dann bestehen oder löschen lassen.

Spezialisierte Unternehmen bieten Nutzern auch so etwas wie eine letzte Nachricht an. Solche Botschaften werden zu Lebzeiten verfasst, an einem sicheren Ort gesammelt und dann nach dem Tod an Angehörige und Freunde weitergereicht – entweder per E-Mail oder ganz traditionell als physisch geschriebener Brief, der bis dahin in einem feuerfesten Tresor aufbewahrt wird.