Kapitel 8: Wie der Steinbock an den Sternenhimmel kommt

Ziege oder Fisch, Steinbock oder Gott Pan? Die Mythologen sind uneins, lieber Steinbock, was Ihr Sternzeichen am Firmament darstellt. Der Steinbock ist von alters her ein bizarr anmutendes Geschöpf: Kopf und Vorderbeine deuten auf die Gestalt einer Ziege hin, der Schwanz jedoch stammt von einem Fisch. Klar ist nur: Mindestens zwei griechische Sagen ranken sich um seine Entstehung:

Die erste berichtet, dass der Titan Kronos fest an eine Prophezeiung glaubte (wie sich herausstellte: zu Recht!), nach der einer seiner Sprösslinge ihn entmachten würde. Um einer solchen Revolution im alten Götterhimmel zuvorzukommen, verschlang Kronos kurzerhand seine Nachkommenschaft – bis auf eine Ausnahme: Sein Sohn Zeus überlebte durch die List seiner Mutter Rheia (klar, dass er dann später derjenige welcher war!). Sie brachte den Säugling nach Kreta, wo er in einer Grotte des Berges Ida aufwuchs. Ernährt wurde der kleine Zeus dort von Ambrosia und Nektar, die aus den Hörnern der Ziege Amaltheia flossen. Wenn der Knabe trotz dieser Spitzenverpflegung mal brüllte, führten die auf Kreta ansässigen Diener Rheias, die Kureten, lärmende Kriegstänze auf; so verhinderten sie, dass Papa Kronos vom Geschrei gestört wurde und – trotz aller Vorsicht der Kindsmutter – noch einmal zum Mörder wurde. Zum Dank für die liebevolle Aufzucht schenkte Zeus seiner tierischen Amme später einen Platz am Sternenhimmel. Damit ist allerdings noch nicht erklärt, woher das fischige Unterteil des Steinbocks kommt. Man weiß nur: Das Sternzeichen ist sehr alt; Sumerer und Babylonier schon kannten den „Ziegenfisch“ und hatten ihn ans Firmament gesetzt.

Die zweite Sage erzählt, der Steinbock sei ein Symbol des Hirtengottes Pan. Dieser soll ein Sohn des Götterboten Hermes gewesen sein. Pan hatte kein direkt ansprechendes Äußeres: Bocksohren und Bocksfuß waren neben einer starken Behaarung Grund genug für seine Mutter (eine unbekannte Nymphe), sich von ihrem Kind loszusagen. Vater Hermes trug das Neugeborene auf den Olymp, und dort nahm sich besonders der Weingott Dionysos seiner an. Pan wurde zum Gott der Hirten und stand im wilden Treiben seinem Ziehvaters Dionysos in nichts nach. Der Bocksgott hielt viel von einer ausgedehnten Siesta; leider störten ihn dabei des Öfteren kichernde Nymphen. Denen stellte er dann gerne nach und jagte sie durch den Wald. Bei einer dieser Gelegenheiten verwandelten sich die Nymphen in Schilf – und Pan fertigte aus dem Schilfrohr die nach ihm benannte Flöte. Unsterblichkeit am Himmel erlangte Pan, weil er Göttervater Zeus beim Kampf gegen die Titanen half. Bei diesem Krieg verwandelten sich die Götter des Olymp in Tiere: Zeus wurde zum Widder, seine Gattin Hera zur weißen Kuh – und Pan schlüpfte sogar in zwei Verwandlungen: seine obere Hälfte wurde zur Ziege, die untere zum Fisch. Diese Gestalt faszinierte Zeus so sehr, dass er sie an den Himmel versetzte.

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Der Sage entsprechend kann das Sternbild recht gut als Ziegenhorn gedeutet werden, zieht man auf der Sternkarte die Linien nach. Der α-Stern des Steinbocks heißt bei den Araber Al Jady oder Algedi; das bedeutet soviel wie „Zicklein“. Er ist eigentlich ein Doppelstern und markiert die beidem Hörner des Steimbocks. Der δ-Stern bildet den Fischschwanz; die Araber nennten ihn Deneb Algedi, den „Schwanz der Geiß“. Etwas unterhalb davon lässt sich mit dem Fernglas der Kugelsternhaufen M 30 beobachten.

Früher – zu Zeiten der alten Griechen – stand die Sonne an der Wintersonnenwende (um den 21. Dezember) im Sternbild des Steinbocks. Daher kennt man heute noch den „Wendekreis des Steinbocks“ – selbst sich im Laufe der Jahrtausende die Zeitrechnung verschoben hat und heute die Sonne zu diesem Datum noch im Schützen steht.