5. Kapitel
De Mona tänzelte wie ein Profiboxer um die Kreatur herum und hämmerte ihr schnelle Schläge gegen das Kinn. Ihre Faust landete mit der Wucht eines kleinen Presslufthammers auf dem Schädel, zerbrach dem Wesen den Kiefer und die Augenhöhle, aber es ließ sich davon nicht aufhalten. Der Nachtwandler in dem braunen Anzug sah sie unbeeindruckt an und schlug mit seinen Klauen nach ihrem Bauch. Dem ersten Hieb konnte sie ausweichen, aber beim zweiten zerfetzten die Klauen ihr T-Shirt.
»Du musst dir schon mehr Mühe geben«, sagte sie, bevor sie ausholte und dem Wesen mit einem Tritt den Schädel zertrümmerte. Der Nachtwandler taumelte zurück, war jedoch im nächsten Moment schon wieder bei ihr, noch bevor sie eine Möglichkeit hatte, Luft zu holen. Die Kreatur schlug mit einer Hand nach ihrem Gesicht und zwang De Mona, instinktiv ihre Augen zu schützen. Dadurch entblößte sie ihren Bauch. Mit unmenschlicher Kraft hämmerte der Leichnam seine Krallen gegen ihren Bauch und zerfetzte ihr T-Shirt vollends. Doch als die Klauen auf ihre steinharte Haut trafen, zerbrachen die Knochen seiner Finger. Die Luft um De Mona waberte, und ihr Körper schien sich unter dem engen schwarzen T-Shirt aufzublähen. Das Licht des Mondes glitzerte in ihren Augen, als sie ihren Blick über die Kreatur in dem braunen Anzug gleiten ließ. Sie hatte die Kontrolle verloren.
De Mona stieß einen Schrei aus, zu dem kein Mensch fähig gewesen wäre. Der Nachtwandler schwang seinen unversehrten Arm und zog seine Krallen über De Monas Gesicht, aber sie konnten nicht einmal die Haut ritzen. Dann sammelte das Wesen all seine Kraft und hämmerte seine Faust in De Monas Bauch. Dabei brach es sich jeden Knochen in der bereits verletzten Hand. Unmittelbar bevor sie der Kreatur ihren Zeige- und Mittelfinger in die Augen rammte und ihr Gehirn durchbohrte, konnte das Monster einen Blick auf das Gesicht unter der Maske werfen und erschauerte.
De Mona warf den bereits verwesenden Leichnam achtlos zur Seite und sah sich nach Gabriel um. Sie wollte ihn vor dem Ding retten, das sich Riel genannt hatte. Doch was sich vor ihren Augen abspielte, ließ sie erstarren. Der Dreizack hatte in den Händen des jungen Redfeather seine wahre Form angenommen. Obwohl er behauptet hatte, nichts über dieses Artefakt zu wissen, reagierte das Ding auf jede seiner Bewegungen, als er Riels Hiebe parierte. So wie sich Gabriel bewegte, hätte man glauben können, dass er und das Relikt alte Freunde seien. Sie hatte zwar immer noch vor, ihn zu retten, aber wenn die Schlacht geschlagen war, würde er ihr alles über diese Mistgabel erzählen, ob er das wollte oder nicht.
Bevor sie ihm jedoch zu Hilfe eilen konnte, tauchte ein anderer Nachtwandler wie aus dem Nichts auf und stürzte sich auf das abgelenkte Mädchen. Offenbar war dieser hier in seinem früheren Leben ein Profiringer gewesen, denn er war gebaut wie ein Panzer und hatte Baumstämme statt Gliedmaßen. Als die Kreatur zum zweiten Mal angriff, brachte sich De Mona mit einem schnellen Satz in Sicherheit. Brennender Schmerz zuckte von ihrer Kopfhaut über ihr Gesicht, als der Nachtwandler ihre Haare erwischte und daran riss. Statt zu versuchen, sich zu befreien, wirbelte sie wie ein kleiner Zyklon auf das Wesen zu und fetzte bei jeder Drehung Fleisch und Haut von der Kreatur. Die Haut über den Rippen und dem Herz des Leichnams zischte, als das Gift ihrer Nägel das Fleisch versengte. Die Kreatur heulte auf und lockerte ihren Griff gerade genug, dass De Mona sich daraus befreien konnte.
Sie schüttelte ihre Hände aus und schleuderte die Körperflüssigkeit des Nachtwandlers und überschüssiges Gift zu Boden. Dann rieb sie die Fingernägel aneinander, dass Funken stoben, und starrte den Nachtwandler an. »Komm und hol es dir.«
»Eine Lichtshow kann dich auch nicht retten, Ritter.« Riel umkreiste Gabriel, während er versuchte, seine Augen vor dem gleißenden Licht des Dreizacks zu schützen. »Aber es ist gut zu sehen, dass du doch ein bisschen Mumm in den Knochen hast.« Er warf seine Klinge von einer Hand in die andere. »Also kämpfen wir.«
Riel griff Gabriel mit unmenschlicher Geschwindigkeit an. Er ließ Gift in einem hohen Bogen herabsausen, doch die Klinge traf nur den Dreizack statt Gabriels Kehle. Als die beiden uralten Waffen zusammenprallten, strahlten sie Wellen von Macht aus wie ein Stein, der in einen ruhigen Teich fällt. Riel versuchte, Gift in Gabriels Hals zu rammen, aber die Kraft des Menschen war ebenso groß wie die des Dämons. Gabriels braune Augen schienen in sich selbst zu verschwinden und hinterließen zwei silberne Scheiben. In diesen Scheiben fegten zwei identische Stürme über einen öden Hügel und zogen einen Hagel von Blitzen nach sich.
»Das kann nicht sein!«, zischte Riel. In seiner Stimme klang Furcht mit.
Gabriel lächelte triumphierend. »Oh, aber es ist so, du Schoßhund des Fürsten der Finsternis. Der Gebieter des Sturms ist zurückgekehrt.« Mit bloßer Willenskraft stieß Gabriel zu und schleuderte Riel zurück. »Und mein Regen wird die Erde reinigen!«
»Wenn es dir nichts ausmacht, dann bleibe ich gerne noch eine Weile schmutzig«, erwiderte Riel spöttisch und rappelte sich auf. Als er den Körper des Wirts besetzt hatte, hatte er ihm auch einige Fähigkeiten eines Dämons verliehen, aber er konnte dennoch vernichtet werden. Die Rippen des Wirtskörpers waren gebrochen, aber noch funktionierte er leidlich. »Lord Titus wird dir dafür dein Herz herausreißen, du Hund!«
Gabriel neigte den Kopf zur Seite, als würde er in der Ferne etwas hören. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht, und der Donner wurde lauter. »Du dienst dem Betrüger? Belthons Hure sollte eigentlich wie ein Gott sein, aber stattdessen befehligt er eine Armee aus Halbdämonen und wandelnden Leichen.« Gabriel lachte, aber seine Stimme war nicht ganz die seine; Blitze zogen ein Netz über seine Lippen, wenn er sprach. »Ich glaube, sein Tod wird der süßeste sein. Aber zuerst: Zurück in die Hölle mit dir!« Gabriel richtete den Dreizack auf den Dämon, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
Riel ging in Verteidigungsstellung. »Ich werde ganz gewiss schon bald bei meinem Herrn sitzen, aber nicht heute Nacht.« Er hob sein Schwert hoch in die Luft. »Zu mir!«
Die Luft hinter Gabriel pfiff, und er reagierte blitzschnell, unmittelbar bevor ein anderer Nachtwandler ihn von hinten angriff. Gabriel packte die Kreatur an ihrem verwesenden Nacken und hielt ihr den Dreizack unmittelbar vors Gesicht. Der Nachtwandler wand sich in seinem erbarmungslosen Griff, und die Haut auf seiner Wange begann zu qualmen.
»Nun seht, wozu die mächtigen Armeen der Hölle verkommen sind!« Gabriel schleuderte den Nachtwandler zu Boden. »Geraubtes Fleisch!« Er heulte auf, als er den Dreizack hoch über seinen Kopf hob und ihn dem Nachtwandler ins Herz rammte. Weißes Licht strömte aus dessen Augen, Mund und den verwesten Ohren. Einen Moment konnte Gabriel erkennen, wie der Wirt ausgesehen hatte, bevor er ein Opfer von Belthons Bosheit geworden war. Der korpulente Mann schien fast zu lächeln, als sein Geist sich in einer kleinen Rauchfahne von seinem Körper löste. Seine Seele war endlich frei, und von seinem Körper waren nur die Kleidung, in der er begraben worden war, und ein Haufen verbranntes Fleisch übrig geblieben. Gabriel wollte seine Aufmerksamkeit wieder auf Riel richten, aber der Dämon war verschwunden.
De Mona schien sich gegen den Ringer zu behaupten, aber die reine Masse des Leichnams zwang sie zu Boden. Sie hämmerte auf die Kreatur ein, die sie packte und sie auf einen Wagen schleuderte. Die Windschutzscheibe zerbarst. De Mona versuchte, sich von dem Aufprall zu erholen, aber im nächsten Moment hatte der Koloss sie am Hals gepackt und zerrte sie vom Wagen. Sie hämmerte ihm linke und rechte Haken gegen den Kopf, aber das Wesen schien sie nicht loslassen zu wollen.
Gabriel hob den Dreizack hoch über den Kopf und wirbelte ihn wie einen Tambourstock durch die Luft. Bei jeder Umdrehung frischte der Wind auf, bis Gabriel im Zentrum eines kleinen Sturms stand. Blitze zuckten seine Beine hinauf und liefen über seine Arme wie Venen, in denen Blut floss. Dann schleuderte er den Dreizack mit aller Kraft auf die Kreatur. Der Zombie kreischte, als der Dreizack sich in seinen hünenhaften Rücken grub und die Seele des Wirts befreite.
Gabriel beugte sich über De Mona. Ein merkwürdiger Ausdruck lag in seinen Augen. Der Sturm war zwar verschwunden, aber Gabriel hatte sich irgendwie verändert, fast so, als wäre er gealtert, seit sie sich in der Bibliothek zum ersten Mal getroffen hatten. Er reichte De Mona seine freie Hand und zog sie auf die Füße. Ihre Haut fühlte sich ein wenig rau an, aber ansonsten wirkte sie wieder normal.
»Sind Sie okay?«, fragte er.
»Mein Hals tut höllisch weh, aber ich glaube, ich werde es überleben.« Sie massierte ihre Kehle, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Netter Trick.« Sie deutete mit einem Nicken auf den Dreizack.
»Das war nicht ich. Im ersten Moment habe ich erwartet, dass man mir den Kopf abschlagen würde, und dann war ich vollkommen benommen. Ich weiß, dass ich gekämpft habe, aber es war, als würde ich ganz instinktiv reagieren. Das war kein Mut. Das hier hat die Schlacht entschieden.« Er tippte zweimal mit dem Schaft des Dreizacks auf den Boden, als wolle er sichergehen, dass er wirklich existierte. Der Schaft vibrierte und begann zu schrumpfen. Innerhalb von Sekunden hielt Gabriel wieder nur den Kopf einer Mistgabel in der Hand, aber jetzt hatte sie ihren Glanz behalten. »Das ist wirklich irreal.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe das Gefühl, dass Sie mir nicht alles erzählt haben, Redfeather«, sagte De Mona vorwurfsvoll.
»Dasselbe könnte ich von Ihnen behaupten. Soweit ich sehe, sind Sie nicht bewaffnet, und doch ist dieses Ding, das Sie angegriffen hat, tot.« Er deutete auf den verwesten Leichnam.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hatte Glück.«
Es war offensichtlich, dass Gabriel ihr nicht glaubte, aber er ließ es auf sich beruhen. »Wir beide müssen uns eindeutig ausführlicher unterhalten, aber nicht hier und nicht jetzt. Bei all dem Lärm, den wir gemacht haben, wird die Polizei nicht lange auf sich warten lassen. Und ich glaube nicht, dass sie uns unsere Erklärung dafür abkaufen wird, wie diese Leichen hierhergekommen sind.«
De Mona sah sich um und betrachtete das Ausmaß der Verwüstung, das sie angerichtet hatten. »Okay, der Punkt geht an Sie. Wohin?«
»Nach Harlem. Wir besuchen mein Großvater.« Gabriel griff nach hinten und schob den Dreizack in den Bund seiner Jeans.