Epilog
Seit dieser Zeit schlafe ich sehr schlecht, obwohl wir zu Non-na nach Padua gezogen sind. Papa wollte, dass ich so weit wie möglich vom Ort des Grauens wegkomme. Er glaubt, dass ich hier in Italien schneller wieder gesund werde, und manchmal, wenn Oma und ich auf unseren Krücken durch den Garten um die Wette laufen, denke ich, dass er recht hat, dass ich eines Tages vielleicht wirklich vergessen kann. Mir war klar, dass ich keine Beweise gegen Bernadette habe. Kais Leiche ist verbrannt und die Polizei hat seinen Tod zum Unfall erklärt. Aber ich muss unbedingt mit Brigitte und Vio reden, sie warnen. Nach Bernadettes Besuch ist es mir nicht mehr gelungen, sie zu erreichen. Beide hatten plötzlich neue Handy-nummern, Geheimnummern. Immer wieder habe ich auf ihre Anrufbeantworter gesprochen, zurückgerufen haben sie nie. Nicht ein einziges Mal. Ich verstehe jetzt, wie sich Tabea damals gefühlt haben muss. Als ich mit den Anrufen kein Glück hatte, habe ich es mit Briefen versucht, aber egal, welchen Tarnumschlag ich auch gewählt habe, er kam immer zurück mit dem Vermerk »Adressat unbekannt«. Diese Schrift kenne ich mittlerweile, es ist die gleiche, die an die Duschwand geschrieben hatte: »Wer Böses sät, wird Böses ernten«. Bernadettes Schrift.
Trotzdem werde ich nicht aufhören, diese Briefe zu schreiben. Niemals. Und ich weiß, dass sie eines Tages einen Fehler machen wird und nicht aufpasst. Eines Tages.
So hat all das mein Leben verändert. Jedes Mal wenn ich hier in Italien auf der großen Piazza zwischen den freundlich lächelnden, cappuccinoschlürfenden, hundestreichelnden, fröhlich eisessenden, zeitunglesenden Menschen sitze, dann frage ich mich, ob sie unterscheiden können zwischen dem, was gut und was böse ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es darauf nur eine einzige Antwort geben kann: Das wirst du niemals wissen.