Als sich Jeff am nächsten Morgen in aller Ruhe sein Frühstück einverleibte, das aus synthetischen Eiern, Sojafleisch und Fruchtkonzentrat bestand, nahm sein Vater ihm gegenüber an dem kleinen Klapptisch neben der Kochnische Platz.
„Du gehst heute morgen nicht ins Kontaktlabor“, sagte Dr. Holman mit seiner tiefen, selbstsicheren Stimme, die keinen Widerspruch zuließ.
„Wieso?“
„Carbo und ich, wir wollen uns über den augenblicklichen Stand der Dinge Klarheit verschaffen und die nächsten Schritte planen. Ich habe eine Besprechung mit sämtlichen Abteilungsleitern angesetzt.“
„Aber Crown…“
„Das Biest wird einen Tag auch ohne dich zurechtkommen. Übrigens möchte ich, daß du an der Besprechung teilnimmst.“
Jeff machte große Augen. „Ich? Mit den Abteilungsleitern?“
Der Vater quittierte Jeffs Überraschung mit einem Lächeln. „Du bist für unsere Mission ebenso wichtig wie die großen Tiere. Vielleicht noch wichtiger.“
Jeff beendete sein Frühstück und ging auf sein Zimmer. Nachdem er eine Viertelstunde lang in seinem Deckenschrank herumgesucht hatte, fand er endlich seine Taschenkamera. Er stopfte sie in die Tasche und schwang sich von der Klapptür hinunter auf den Boden. Die Tür klappte in ihre ursprüngliche Lage an der Decke zurück.
Das Telefon summte. Er knipste den Schalter neben dem Bett an, und Lauras Gesicht erschien auf dem Bildschirm an der Wand.
„Mutter sagt, daß du heute morgen zur Abteilungsleiterversammlung gehst!“ Sie wirkte ganz aufgeregt und fast ebenso erfreut wie Jeff selbst.
„Ja“, antwortete er und ließ sich, halb liegend und halb sitzend, auf seinem Bett nieder.
„Sie will deinen Vater und Dr. Carbo bereden, daß sie auch andere Kinder bei den Kontaktversuchen mitmachen lassen. Mich eingeschlossen!“
Jeff lächelte ihr zu. „Fein!“
Während er noch mit ihr sprach, glitt seine Hand in die Tasche, in der sich seine Kamera befand. Er hatte die Kamera eingesteckt, weil er den übermächtigen Wunsch verspürte, eine Aufnahme von Amanda Corlie zu machen.
Amanda nahm an der Besprechung nicht teil.
Jeff betrat zusammen mit seinem Vater den Konferenzsaal und blickte sich um. Der Tisch war rund, so daß niemand den Vorsitz führen und in den Diskussionen den Ton angeben konnte. Dr. Holman war zwar, wie jeder wußte, mit der Gesamtleitung des Unternehmens betraut, aber die anderen Männer und Frauen der Gruppe waren seine gleichberechtigten Partner, nicht seine Untergebenen. Sie alle – auch Dr. Holman selber – waren übereingekommen, bei der Organisation des Unternehmens so demokratisch wie möglich zu verfahren.
Lauras Mutter, Anna Polchek, saß bereits am Tisch, als Jeff und sein Vater eintraten. Sie leitete die biologische Abteilung. Neben ihr saß Lauras Vater, John Polchek, der für die technische Abteilung zuständig war. Die beiden waren das einzige Ehepaar unter den Abteilungsleitern. Jeffs Mutter war Lehrerin, und zwar eine sehr gute, aber keine Abteilungsleiterin.
Dr. Carbo trat ein. Er machte einen etwas besorgten und zerstreuten Eindruck. Zusammen mit ihm kam Dr. Shellings, dem die medizinische Abteilung unterstand. Am runden Tisch nahmen insgesamt achtzehn Personen Platz, welche die verschiedenen wissenschaftlichen Gruppen des „Dorfes“ vertraten. Außerdem Jeff.
Dr. Holman eröffnete die Versammlung. „Ich glaube, Bernie Carbos Arbeit ist in den letzten Wochen so gut vorangekommen, daß wir uns überlegen müssen, was als nächstes geschehen soll“, sagte er.
Bernie Carbos Arbeit? Jeff war ein wenig verwirrt. Ich hatte doch wohl auch etwas damit zu tun.
„Die Sache hat sich recht gut angelassen“, pflichtete Carbo bei. Er saß an dem großen Tisch, Jeff fast genau gegenüber. Während er Jeff direkt anblickte und sich ein kleines Lächeln gestattete, fuhr er fort: „Unser junger Freund hier hat zu dem Versuchstier einen ständigen Kontakt hergestellt und es in einem solchen Maße unter Kontrolle gebracht, daß alle unsere Erwartungen übertroffen wurden. Ich meine, er hat damit bewiesen, daß die Grundidee richtig war.“
„Dann können wir also da unten weitere Tiere einsetzen?“ fragte Anna Polchek.
„Ohne Zweifel.“
„Sehr schön“, sagte Dr. Holman, der seinen Kopf mit der goldenen Mähne und seine Stimme so weit erhob, daß sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. „Mir scheint, unsere nächste Aufgabe müßte die Entscheidung darüber sein, wie viele Tiere und welche Arten von Tieren wir für unsere Zwecke benötigen.“
„Die eigentliche Aufgabe“, versetzte John Polchek, „besteht darin, daß wir das Camp zum Funktionieren bringen und damit beginnen, die Atmosphäre des Planeten in ein atemfähiges Gemisch zu verwandeln.“
„Ja, natürlich“, entgegnete Jeffs Vater rasch. „Aber wir sind uns doch darüber einig, daß wir dazu die Unterstützung von ferngesteuerten Tieren brauchen. Deswegen müssen wir zuerst entscheiden, wie viele und welche Tiere wir benötigen.“
„Und außerdem müssen wir wissen“, fügte Mrs. Polchek hinzu, „wer die Fernsteuerung übernehmen soll.“
„Es steht fest, daß keiner von uns das kann“, sagte einer der älteren Wissenschaftler. „Das ist eine Aufgabe für die Kinder.“
„Wir brauchen sie dutzendweise“, murmelte ein anderer.
„Ist es wirklich ungefährlich?“
„Ich weiß nicht recht, ob ich meine Kinder dazu hergeben würde.“
Bernie Carbo schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Gemurmel hörte sofort auf. „Wenn Sie die harten Fakten wissen wollen“, sagte er leise und eiskalt, „so kann ich sie Ihnen auf dem Bildschirm vorführen. Wir haben unsere einzige Testperson nach der ersten Kontaktaufnahme fast täglich untersucht. Körperlich ist er jetzt in einer besseren Verfassung als zu Beginn, vor allem deswegen, weil wir ihm ein Übungs- und Sportprogramm verordnet haben, als Ausgleich für die Stunden der Untätigkeit während der Kontaktsitzungen…“
„Wenn Sie einmal Untätigkeit erleben wollen“, sagte ein grauhaariger Herr, „dann sollten Sie sich mal meinen Teenager anschauen. Der fläzt sich den ganzen lieben Tag in seinem Zimmer herum!“
Alle lachten, nur Jeff und Dr. Carbo nicht.
„Wir haben zudem umfangreiche psychologische Tests bei der Versuchsperson durchgeführt.“
Die Versuchsperson. Das bin ich, dachte Jeff. Warum nennt er mich nicht beim Namen? Ich sitze doch direkt vor ihm.
„Es besteht bei der Versuchsperson eine gewisse Neigung, sich mit dem Tier des Experiments zu identifizieren“, fuhr Carbo fort. „Tatsächlich hat er das Gefühl, er sei das Tier, insbesondere in Streßsituationen. Doch das läßt sich durch eine chemotherapeutische Behandlung und Anpassungshilfen abstellen.“
„Sie meinen also, er ist nicht in Gefahr?“
Carbo machte eine Handbewegung in Richtung Jeff. „Der Junge ist hier… fragen Sie ihn doch selber.“
„Er wirkt gesund und munter.“
„Das ist er auch. Mehr als mancher von uns“, versetzte Carbo bissig.
Die meisten lachten.
Jeff fühlte sich plötzlich schrecklich enttäuscht. Er hätte den Leuten zu gerne erzählt, wie es war, wenn er mit Crown in Verbindung stand, wie es auf dem Planeten Altair VI aussah, die Wälder und das Meer, und wie schwer es Crown hatte, in den Territorien anderer Katzenwölfe Nahrung zu finden. Aber sie waren im Grunde gar nicht daran interessiert. Sie gaben sich zufrieden mit Carbos Aussage und der Tatsache, daß Jeff lebend und mit offenen Augen unter ihnen saß. Das war ihnen Beweis genug. Sie kümmern sich nicht um Crown, sondern nur um ihre eigenen Probleme.
„Wie steht es mit diesen affenartigen Tieren?“ fragte Dr. Holman soeben. „Vielleicht erweisen sie sich für uns als bessere Gehilfen als die Katzenwölfe.“
Es entspann sich eine lange, komplizierte Diskussion. Dr. Carbo führte auf dem Wandschirm die Bildbandaufzeichnungen der Affen vor, besonders des einen Affen, der das Metallrohr als eine Art Waffe benutzt hatte.
Sämtliche Wissenschaftler bestaunten die Bilder und murmelten ihre Kommentare dazu, in denen Begriffe wie „opponierbare Daumen“ und „Werkzeuggebrauch“ und „Proto-Intelligenz“ vorkamen.
„Wir sollten unbedingt die Affen verwenden“, meinte John Polchek, als die Vorführung zu Ende war und der Bildschirm wieder dunkel wurde.
„Zunächst wenigstens fünf oder sechs, dann noch mehr.“
„Nicht so schnell!“ sagte Anna Polchek. „Woher kommen diese Tiere? Und wohin wollten sie, nachdem sie den Strand überquert hatten? Offensichtlich ist doch der Strand nicht ihr Lebensraum.“
„Vielleicht sind sie auf der Wanderschaft. Auf dem Planeten findet derzeit ein jahreszeitlicher Wechsel statt“, meinte der Meteorologe. „Auf der nördlichen Halbkugel beginnt der Winter.“
Mrs. Polchek fuhr fort: „Und wir wissen noch nicht, wovon sich die Affen ernähren und ob sie sich steuern lassen.“
„Das können wir herausbekommen“, antwortete Dr. Holman. „Nach dem Aussehen ihres Gebisses müssen sie wenigstens zeitweise Fleisch zu sich nehmen, meinen Sie nicht auch?“
„Ja“, sagte sie.
„Dann können wir den Katzenwolf – oder notfalls mehrere Katzenwölfe – dazu abrichten, sie mit Nahrung zu versorgen.“
„Oder das Futter gleich hier oben zusammenstellen“. meinte die Biochemikerin, eine junge Blondine. „Wir können Proteine und andere Nahrungsstoffe in den Labors herstellen, sobald wir die chemische Zusammensetzung ihrer natürlichen Nahrung kennen.“
„Ich weiß nicht, ob wir sie so unter Kontrolle bekommen werden, daß wir sie bewegen können, künstliches Futter anzunehmen“, wandte Bernie Carbo ein.
Die Diskussion wollte kein Ende nehmen. Jeff kam sich ziemlich überflüssig vor und warf nur ab und zu eine schnippische Bemerkung ein, wenn von den Katzenwölfen die Rede war.
Nach vielen Stunden kam man endlich überein, ein Team zum Planeten zu entsenden, mehrere Affen und weitere Katzenwölfe zu betäuben und den Tieren Gehirnsonden einzusetzen. Gleichzeitig sollten mehr junge Leute zu Kontaktpersonen ausgebildet werden.
„Mädchen eingeschlossen!“ betonte Mrs. Polchek. „Hier besteht absolut kein Grund, das weibliche Geschlecht zu diskriminieren.“
Jeffs Vater verzog einen Augenblick lang den Mund, dann erwiderte er: „Wahrscheinlich haben Sie recht.“
Anstatt zum Essen nach Hause oder in die Cafeteria zu gehen, begab sich Jeff geradenwegs ins Kontaktlabor.
Amanda saß in dem kleinen Büroraum vor dem Labor und verspeiste an ihrem Schreibtisch gerade ein Butterbrot.
„Hei!“ rief sie, als er eintrat. „Ist die Versammlung aus?“
„Wo ist Bernie?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht ist er zum Essen gegangen.“ Jeff steckte die Hand in die Tasche. Die Kamera war noch da.
„Hast du denn nichts gegessen?“ fragte Amanda.
„Nein, ah… ich…“ Er stockte. Die richtigen Worte wollten sich nicht einstellen.
„Hier!“ Amanda schob die Hälfte ihres Butterbrots auf ihn zu. „Hol dir einen Stuhl und setz dich zu mir. Du mußt doch etwas essen. Deine große Katze ist nicht das einzige Lebewesen, das sich den Bauch vollschlagen muß.“
Jeff nahm einen Stuhl von dem anderen Schreibtisch und setzte sich brav neben Amanda. Er ergriff das halbe Butterbrot und spürte, daß er ganz durcheinander war. Als er jetzt dicht neben ihr saß, so dicht, daß er ihr Parfüm roch, kam ihm die Sache mit der Kamera und der geplanten Aufnahme plötzlich unmöglich vor. Wie sollte er sie darum bitten? Was konnte er ihr sagen?
„He, du ißt ja gar nichts. Was ist los, schmeckt dir meine Hausmannskost nicht?“ Sie lachte vergnügt.
„Ah… ich…“ Jeff sprang plötzlich vom Stuhl auf. „Ich… brauche was zu trinken. Ich bin… gleich wieder da.“
Amanda starrte ihn bloß mit fragender Miene an. Er drehte sich um und schoß aus dem Büro, hinaus auf den Gang. Betont langsam wanderte er auf den „Grünpfaden“ den ganzen Weg zurück zur Cafeteria. Als er wieder im Kontaktlabor eintraf, war Dr. Carbo da, der sich angeregt mit Amanda unterhielt.
Das halbe Butterbrot lag noch immer auf ihrem Schreibtisch. Jeff setzte sich hin und zwang sich, es zu essen. Es schmeckte wie Holz. Er trank die synthetische Milch, die er sich in der Cafeteria geholt hatte. Während der ganzen Zeit unterhielten sich Dr. Carbo und Amanda drinnen im Labor, ohne ihn zu beachten.
Endlich stand er auf und trat ins Labor. Als sich die Gleittür hinter ihm schloß, wandte Dr. Carbo ihm das Gesicht zu.
„Oh, da bist du ja. Nun, es sieht so aus, als ob wir noch einen Haufen Arbeit vor uns hätten.“
Jeff sagte nur: „Ja.“
Es war ein Haufen Arbeit.
Aus den Tagen wurden Wochen, und die Wochen begannen sich zu Monaten aufzutürmen. Jeff verbrachte fast jede Minute des Tages im Kontaktlabor, auf der Couch, in Crowns Geist und Körper. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang war er Crown. Er steckte im Katzenwolfgehirn, wenn Crown am Morgen aufwachte, und er steckte noch immer darin, wenn das Tier sich zum Schlafen niederlegte.
Jeffs Alltag lief fast automatisch ab. Er stand auf, lange bevor die meisten „Dorfbewohner“ erwachten, frühstückte, machte ein paar Freiübungen und ging zum Labor. Amanda war immer da. Doch Dr. Carbo glänzte meistens durch Abwesenheit.
Nach einem Tag auf der Couch ging Jeff mit Amanda nach Hause, machte seine Freiübungen, aß zu Abend und legte sich ins Bett.
Als sein Leben im Dorf immer mehr zur Routine wurde, kam es ihm von Tag zu Tag unwirklicher vor. Die Wirklichkeit war für ihn Crowns Leben auf der Oberfläche eines Planeten, der „Windsong“ hieß.
Jeff konnte sich nicht mehr erinnern, wann ihm der Name zum erstenmal gekommen war. Vielleicht war es an jenem Spätnachmittag, als Crown auf dem Kamm eines Hügels stand, mit dem Blick auf den Strand. Wenn man von dieser Stelle aus aufs Meer hinausschaute, konnte man das Camp der Menschen nicht sehen. Man sah nur die geschwungene Linie der Hügel, die grün und voller Leben waren, und dahinter den hellen Sand und das Meer. Wellen rollten auf das Ufer zu, getrieben von einem Wind, der die Bäume zum Singen brachte. Das Lied des Windes, Windsong. Dunkle Wolken glitten über den Himmel. Schwankende Bäume, die sich vor dem Wind verneigten. Wogen, die den Strand hinaufpolterten.
Windsong.
„Jeff, ich fange jetzt auch mit der Kontaktausbildung an!“ berichtete ihm Laura eines Abends. Sie war zwischen Abendessen und Schlafenszeit auf einen Sprung vorbeigekommen.
„Das ist schön“, sagte Jeff, doch ohne Begeisterung.
Aber sie war so aufgeregt, daß sie das gar nicht bemerkte. „Wir arbeiten jetzt zusammen! Ich kann dann auch erleben, wie es da unten auf dem Planeten aussieht… genauso wie du.“
Er lächelte gezwungen.
Sie plapperte munter weiter, bis Jeff ihr Einhalt gebot: „Ich habe ein festes Arbeitsprogramm zu erfüllen, Laura, und ich bin total erledigt. Tut mir leid, aber ich muß jetzt ins Bett.“
„Oh!“ Sie schaute ein bißchen verdutzt. „Okay. Ich glaube, ich sollte jetzt auch schlafen gehen. Wahrscheinlich bekomme ich das gleiche Programm wie du, nicht wahr?“
Er nickte und schob sie so höflich wie möglich zur Tür hinaus.
Vom Raumschiff aus wurden mehrere Raketenbesatzungen zum Planeten entsandt, die einigen Affen und weiteren Katzenwölfen Sonden ins Gehirn einpflanzen sollten.
Beim ersten Landeunternehmen wurden zwei Männer getötet, als sie einem Katzenwolf, der nicht vollständig betäubt war, eine Sonde einzusetzen versuchen. Das Tier wachte auf und zerriß die Männer, ehe die Gefährten eingreifen konnten. Die anderen Männer erschossen den Katzenwolf schließlich mit Laserpistolen.
Crown beobachtete den ganzen Vorgang. Auch er konnte nichts tun. Die Menschen waren so erschrocken und schießfreudig, daß sie an diesem Tag drei Katzenwölfe umbrachten: sie knallten sie einfach ab. Crown schlich sich aus dem Camp und blieb weg, bis die Menschen – in ihren merkwürdig riechenden unförmigen Anzügen – mit ihrer feuerspeienden Landefähre wieder abgeflogen waren. Crown stand am Strand und sah ihnen beim Abheben zu, und er schickte der Rakete ein wildes Gebrüll nach, als sie in den Wolken verschwand.
„Diese verdammten Biester sind aber heimtückisch!“ sagte einer der Überlebenden zu Dr. Holman. Die Familie Holman hatte ihn zum Abendessen in ihre Wohnkugel eingeladen. Die Stirn des Mannes war noch immer mit einem Sprühverband bedeckt; er hatte sich den Kopf in seinem Schutzhelm angeschlagen, als er dem wütenden Katzenwolf, der seine Freunde umgebracht hatte, zu entkommen versuchte.
Jeff wartete noch ein paar Minuten, dann entschuldigte er sich und zog sich, ohne fertig gegessen zu haben, in sein Zimmer zurück.
Sein Vater ignorierte den Zwischenfall. Aber die Mutter paßte in der Folgezeit besonders gut auf Jeff auf.
Weitere Landeunternehmen folgten. Noch mehr Männer wurden verletzt oder getötet.
Ein Biologe trat versehentlich auf eine tückische Schlingpflanze, als er sich in einem Waldstück nördlich des Camps an eine kleine Affenfamilie anpirschen wollte. Die dornigen Arme der Pflanze zerrissen seinen Raumanzug an mehreren Stellen, ehe er sich aus der Umklammerung zu befreien vermochte. Die giftigen Pflanzensäfte konnten ihm zwar nichts anhaben, aber seine Lungen trugen von der eingeatmeten methanhaltigen Luft schwere Verbrennungen davon. Seine Gefährten brachten ihn noch lebend ins „Dorf“ zurück, doch den Medizinern blieb nichts anderes übrig, als ihn in der Tiefgefrierkammer so lange schlafen zu lassen, bis sich aus Proben seines eigenen Gewebes ein neues Lungenpaar entwickelt hatte.
Im Laufe der Wochen erkannten die Menschen, daß die Affen tatsächlich ihre jahreszeitlich bedingte Wanderung angetreten hatten. Sie zogen nach Süden, um der Kälte und den Stürmen des bevorstehenden Winters zu entgehen. Das war für die Katzenwölfe eine Zeit des Überflusses, denn zu vielen Affenfamilien gehörten Jung- und Alttiere, die zu klein oder von der anstrengenden Wanderschaft zu sehr geschwächt waren, um sich noch wehren zu können. Die gesunden Männchen und Weibchen konnten nur sich selber und einige hilflose Junge in Sicherheit bringen. Doch die Alten wanderten im allgemeinen allein; und auch wenn sie sich einer Familie angeschlossen hatten, waren sie auf sich gestellt, weil die jüngeren Tiere genug damit zu tun hatten, ihren Nachwuchs zu verteidigen. Die Alten aber konnten den Katzenwölfen nicht lange Widerstand leisten.
Teils, weil Jeff darauf bestand, und teils, weil es früher oder später sowieso geschehen wäre, umzingelte eine Landungsmannschaft die gesamte Katzenwolffamilie, die das Hügelland unmittelbar über dem Camp als ihr Territorium betrachtete. Die Tiere wurden betäubt (diesmal mit einer sehr starken Dosis), und dann pflanzte man ihnen die Gehirnsonden ein.
Jetzt waren sie unter Kontrolle, und Crown konnte endlich in „ihren“ Wäldern umherschweifen und Beute jagen.
Crown wurde jedoch noch immer nicht als ein Mitglied der Sippe akzeptiert. In der Nacht, wenn die menschlichen „Kontrolleure“ die Tiere sich selbst überließen, merkte er, daß er sich aus der bewaldeten Hügellandschaft an den Strand zurückziehen mußte, der „sein“ Territorium war. Er schlief zwischen den leblosen Maschinen, während seine Artgenossen oben auf den Hügeln nächtigten, wo es Bäume gab und lebendiges Getier.
Erst nach Wochen fand Jeff den Mut, Amanda um die Erlaubnis zu bitten, ein Foto von ihr zu machen.
Als er eines Morgens ins Labor kam, sprudelten die Worte nur so aus seinem Mund hervor. Jeden Tag hatte er seine Kamera mit sich herumgeschleppt.
„Ein Foto von mir? Wozu?“
Jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte Jeff, obwohl er am liebsten unter der Tür durchgekrochen und verschwunden wäre.
„Nun…“, sagte er und wand sich innerlich, „wir sind doch Freunde, und wir arbeiten jeden Tag zusammen, und… nun, ich möchte eben gern ein Foto von Ihnen machen.“ Seine Worte klangen hilflos und ungeschickt, selbst in seinen eigenen Ohren.
Doch Amanda lächelte nur und antwortete: „Okay, warum nicht? Und ich mache dann auch ein Foto von dir. Wenn zwei befreundet sind, sollte jeder ein Foto des anderen haben, findest du nicht auch?“
Jeffs Herz frohlockte. Er nickte eifrig und holte seine Kamera hervor. „Ja . das stimmt.“