Ein Geräusch ertönte hinter ihnen.

Taylor ließ instinktiv den Sack fallen, hörte den schweren Aufschlag und das Schwappen des Wassers als der Inhalt auf dem Boden landete. Er bückte sich blitzschnell und ergriff eine Sprühflasche.

Carl war herumgewirbelt, hatte die Machete herausgenommen und sie über seinen Kopf gehoben. Beinahe hätte er geschrien. Als er sah was das Geräusch veursacht hatte, war er froh, es nicht getan zu haben.

 “Nehmt mich mit,” sagte das Mädchen. “Wenn ihr von hier verschwindet, nehmt mich bitte mit.”

Sie hatte eine Hand erhoben und schützte ihre Augen vor dem Strahl der Taschenlampen. Sie hatte etwas in ihrer anderen Hand, die sie ihnen entgegenhielt. Taylor leuchtete mit seiner Taschenlampe darauf. Schlüssel. “Gehört das Auto draußen dir?”

Das Mädchen nickte. Sie weinte nicht, aber es sah so aus, als hätte sie es vor kurzem getan.

“Was machst du hier?” fragte Carl.

“Der Laden gehört meinem Vater. Ich besuche die Universität und kam am Wochenede zu Besuch nach Hause. Ich kam hier an und alle waren, nun, wisst ihr, alle waren verändert. Dies hier ist der einzige Ort, der mir einfiel, wo ich mich aufhalten konnte.”

“Wie lange bist du schon hier?”

“Wie spät ist es jetzt?”

Taylor sah auf seine Armbanduhr. “Halb zehn.”

“Fast sieben Stunden.” Sie zeigte zu einer Leiter, die an der Wand lehnte. “Ich bin darauf in die Decke geklettert Da oben ist nichts außer Sparren und die Isolierung, die aussieht wie Zuckerwatte. Es ist staubig und riecht seltsam. Ich habe euch reden gehört und gemerkt, ihr konntet nicht diese…Dinger sein.”

 “Du hast vergessen, die Hintertür abzuschließen,” sagte Taylor. “So sind wir herein gekommen. Du hast Glück, dass wir die einzigen waren, die den Weg hier herein gefunden haben.”

“Ich war in Eile.”

“Aber du hast daran gedacht, dein Auto abzuschließen?”

Sie zeigte ihm den schwarzen Anhänger, der von ihrem Autoschlüssel baumelte. “Wenn du diese eine Weile benutzt, wird es zur Gewohnheit.”

“Du bist also in die Stadt zurückgekommen und alles, was du vorfindest ist eine Gruppe Irrer,” sagte Taylor. “Was ist mit deinem Vater? Wo ist er?”

Das Mädchen blickte zu Boden.

Dumme Frage, dachte Taylor.

Sie zuckte mit den Schultern. “Ich dachte, er sei hier, war er aber nicht. Glaubt ihr, es ist noch jemand normal?”

“Ich bin normal,” sagte Taylor.

“An machen Tagen,” meinte Carl.

“Mein Bruder ist normal und du siehst aus als wärst du normal. Ich kann mir vostellen, dass einige Leute entkommen konnten. Entweder das oder sie verstecken sich in ihren Häusern und tun dasselbe, das wir tun. Sich ruhig verhalten, damit sie die Aufmerksamkeit dieser Irren nicht auf sich ziehen.”

“Vielleicht sind sie jetzt weg,” sagte das Mädchen.

Carl schüttelte den Kopf. “Wir haben sie vor ein paar Minuten vorbei laufen sehen. Sie laufen viel. Sieht auch nicht so aus, als würden sie müde werden.”

Carl fand, das Mädchen sah gut aus. Dünner als er es mochte, aber er konnte sogar durch ihre Jeans und das enge Sweatshirt ihre sportliche Figur erkennen. Er fragte sich, ob sie jemals im Track-Team war. Kräftige Schulter, dachte er. Vermutlich eine Schwimmerin.

Als er das Mädchen anstarrte und sah, wie verwundbar sie wirkte als sie da so vor ihnen stand und bemerkte, dass sie offensichtlich geweint hatte, musste er an Angie denken. Alleine irgendwo –hoffentlich im Haus verbarrikadiert- in einer Stadt, die größtenteils eine Kopie dieser hier war. Er war über sich selbst enttäuscht, dass er so wenig Zeit damit verbrachte, an ihre Sicherheit zu denken. Es war fast als hätte er sie vergessen. Er rechtfertigte es damit indem er sich sagte, es war normal, Schmerz und Sorge aus den Gedanken zu verbannen um weiter funktionieren zu können; dass Angie  die ganze Zeit über in seinem Kopf war, er aber diese Gefühle vorübergehend verdrängt hatte während sie nach einem sicheren Ort suchten.

Und er fühlte sich schuldig weil er das Mädchen attraktiv fand.

Taylor hat recht. Warum in aller Welt hast du ihr noch keinen Antrag gemacht? Weil du dachtest, du hättest viel Zeit. Dann guck jetzt mal.

Taylor sagte, “Ich würde mich nicht gut fühlen, dich hierzulassen, aber bist du sicher, dass du mit uns kommen willst? Ich kann nicht garantieren, dass es besser sein wird. Wir versuchen nur, nach Hause zu gelangen.”

“Wo ist das?”

“Coldwater. Etwa hundert Meilen von hier. Ungefähr so groß wie diese Stadt hier.”

“Vielleicht passiert es nur hier,” sagte sie hoffnungsvoll.

“Laut Radio passiert es überall.”

Das Mädchen wägte die Situation eine Moment ab, sie sah zur Leiter und hinauf zu der Deckenverkleidung. “Ich kann nicht ewig da oben bleiben. Also glaube ich, ich habe nicht wirklich eine Wahl.”

Carl überlegte, wie er es erklären würde, mit einem anderen Mädchen nach Hause zu kommen. Es war eine Schande wie selbstsüchtig Menschen manchmal sein konnten. Finde Angie erstmal. Dann kannst du dir Sorgen mahchen, wie du alles erklärst.

Taylor nahm ihre Schlüssel und sagte, “Ich bin Taylor. Das ist mein Bruder Carl.”

“Tina,” sagte das Mädchen.

“Also, Tina, diese förmliche Vorstellung ist alles, was ich auf Lager habe. Wenn es dir nichts ausmacht, wir haben es ziemlich eilig, hier wegzukommen. Was meint du? Ein Ausflug?”

Tina nickte. Ein Lächeln erhellte kurz ihr Gesicht. Taylor konnte sich mit so einem Mädchen sehen. Nenne ein Mädchen, mit dem du dich nicht sehen konntest.

Taylor gab Tina eine der Sprühflaschen bevor er das Abdecktuch faltete und es sich über die Schulter schwang.

“Wofür ist die?” fragte Tina.

Carl sagte, “Er glaubt, sie haben Tollwut. Deshalb führen sie sich so verrückt auf.”

“Etwas wie Tollwut. Das wurde im Radio gesagt. Dass sich eine seltsame Krankheit schnell verbreitet und die Symptome denen von Tollwut ähneln. Also kann es sein, dass das Virus oder was immer es ist, damit verwandt ist. Ein Symptom der Tollwut ist Hydrophobie. Schiwerigkeiten beim Schlucken und eine starke Abneigung gegen Wasser.” Er sah Carl an. “Mach dich nur lustig darüber, aber es hat uns schon gerettet.”

“Ich weiß ziemlich viel über Tollwut,” sagte Tina. Als Taylor erstaunt die Augenbrauen hob, fügte sie hinzu, “Ich studiere um Tierärztin zu werden. Ich bin erst im zweiten Studienjahr und habe noch einige vor mir, aber es ist interessant. Ich vermute, ich habe den Zusammenhang nicht gesehen. Es macht Sinn. Viel Speichel. Kein Wunder, dass sie derart sabbern.”

“Wie steht es mit dem Benzin?”

“Ich glaube ich habe einen halben Tank voll.”

Taylor öffnete die Hintertür einen Spalt und erstarrte. Tinas Escort war weniger als drei Fuss vor ihnen, aber nicht weit entfernt stand die Meute Verrückter. Sie standen still da als wären sie in einer Massentrance. Er studierte ihre Gesichter.

Was machen sie da?

“Schließ die Tür!” rief Carl.

Die Meute eilte vorwärts. Carl drängte Taylor beiseite und zog die Tür zu, hielt den Griff mit beiden Händen fest. “Schließ ab um Himmels willen!”

Taylor stand da und sah ihn an bis er sich erinnerte, dass er den Schlüsselbund hatte. Er schaute darauf und gab ihn Tina. “Ich weiß nicht welcher davon es ist.”

Tina checkte die Schlüssel, ihre Hände zitterten so sehr, dass Taylor sicher war, sie würde ihn fallenlassen.

Die Tür erbebte. Das Hämmern vieler Hände auf Metall. Carl riss den Griff zurück, er hob ein Bein und stemmte den Fuß gegen die Wand.

Schnell! Ich kann die Tür nicht ewig festhalten!”

Tina fummelte am Schloß herum, zielte auf das Schlüsselloch und traf mit den ersten zwei Versuchen daneben. Beim dritten Mal konnte sie den Schlüssel hineinstecken und drehen. “Ich habs!”

Carl nahm sein Gewicht langsam von der Tür, stellte sicher, sie würde von selbst halten.

“Wird sie halten?”

“Ich weiß es nicht. Im Moment ja.”

“Was machen wir jetzt?”

“Sie scheinen nicht sehr klug zu sein,” sagte Tina. “Sie müssen während der Verwandlung etwas verlieren. Das könnte gut für uns sein.”

Taylor sagte, “Wie lange wird es dauern bis sie aufgeben und den Weg herum nach vorne finden und das Glas eindrücken? Diese Fenster werden sie nicht aufhalten.”

“Du hast Tina gehört,” meinte Carl. “Sie sind nicht sehr klug.”

“Sie haben uns hier gefunden, oder nicht? Mag sein, dass sie dumm sind aber offensichtlich geben sie nicht auf.”

“Was wenn wir die Fenster verbarrikadieren?”

“Die sind riesig. Das würde ewig dauern. Und sobald wir mit Hämmern anfangen würden, würden sie es hören und gerannt kommen.”

Das Hämmern ging weiter, ein fast ohrenbetäubendes Geräusch; Fleisch auf Metall.

“Ich habe gesehen, wie einer von ihnen ein Eichhörnchen fing. Als ich in die Stadt kam. Herr Sullivan stand auf dem Gehweg und starrte auf diesen Baum. Zumindest dachte ich, es war der Baum. Als ich näherkam, sah ich das Eichhörnchen neben dem Baum. Und dann sprang er. Es gescha so schnell. Er fing es, hielt es in seinen Händen, drücke und drehte es als versuche er, einen nassen Schwamm auszudrücken. Dann riss er ihm den Kopf ab. Ich schrie. Ich hatte das Autofenster auf, er hörte meinen Schrei und sah mich direkt an. Er schrie zurück und Speichel flog aus seinem Mund. Ich trat auf das Gaspedal und haute ab. Sie sind jetzt alle so. Die ganze Stadt.”

“Ich glaube, was immer da passiert geht über diese Stadt hinaus.”

“Ich hoffe nicht.”

“Verkauft dein Vater Holz?” fragte Carl.

“Kann sein. Ein wenig, glaube ich. Das meiste davon hat er im Lagerhaus.”

“Wir könnten das Nutzholz für vorne benutzen,” sagte Carl. “Wir haben alles was wir brauchen um die Fenster dicht zu machen.”

“Es würde zuviel Lärm machen. Das wird die Dinger garantiert nach vorne locken.”

“Es kann gut sein, dass sie das sowieso herausfinden.”

“Was soll ich deiner Meinung nach tun? Ich sagte, lass es sein, im Moment. Wir müssen darüber nachdenken.”

Taylor schob den Stuhl vom Büro ins Hinterzimmer und setzte sich.

“Das ist deine Antwort? Hinsetzen?” sagte Carl.

Taylor nickte.

“Ich denke, er hat recht,” sagte Tina. “Der Versuch, die Fenster zu vernageln würde sie nur nach vorne locken.” Sie setzte sich auf den Linoleumboden, so dass sie noch einen Gang hinunter zum vorderen Teil des Ladens sehen konnte.

Carl tat es ihr nach. “Ich kann nicht glauben, dass das deine Antwort ist. Einfach hier sitzen. Vor allem wenn wir uns das anhören müssen.” Er zeigt auf die Metalltür und hielt sich dann kurz die Ohren zu.

“Wartet mal.” Tina sprang auf und verschwand im Büro. Sie hörten, wie sie herumkramte, dann kam sie mit einer altmodischen Kerosinlampe zurück. “Ob ihr es glaubt oder nicht, die funktioniert wirklich. Sie gehörte meinen Großeltern. Ein antikes Stück, aber mein Vater benutzte sie wenn wir einen Stromausfall hatten.”

Sie zog ein Feuerzeug aus ihrer Hosentasche und zündete den Docht in der Lampe an. Sie drehte das Metallrädchen auf der Seite der Lampe und sah wie die Flamme länger wurde. Der Raum füllte sich mit einem flackernden, orangefarbenem Glühen. Carl schaltete seine Taschenlampe aus und stellte sie aufrecht neben die Wand. Er legte die Machete auf seinen Schoß und sah auf die Klinge.

Taylor sagte, “Momentan ist es mir lieber, wenn sie an die Tür schlagen anstatt das einzige funktionierende Auto zerstören, das wir gesehen haben seit wir hier festsitzen.” Er hatte Tinas Schlüssel in der Hand und schaute jeden einzelnen an bis er einen mit dem Fort-Logo darauf fand. “Du sagtest, du hast einen halben Tank?”

“Beinahe, glaube ich.”

“Das reicht um uns an unseren Zielort zu bringen. Wenn wir Nebraska erreichen, gibt es entlang der Strecke ein paar kleine Städte wie diese hier. Einige haben Tankstellen. Wenn eine davon sicher wirkt, können wir anhalten und tanken. Falls es sicher aussieht. Sonst fahren wir weiter. Ich gehe kein Risiko ein.”

Carl sah neugierig zu ihm hoch. “Sieh mal einer an. Du gehst kein Risiko ein? Das ist neu.”

Taylor machte eine wegwerfende Handbewegung zu seinem Bruder und wandte sich dann Tina zu. “Was er damit wirklich meint ist, ich habe mehr als eine Lektion auf die harte Tour gelernt.”

“Zankt ihr beiden euch immer so?” fragte Tina.

“Situationen wie diese hier bringen das Beste in uns hervor,” sagte Carl. “Ich verarsche ihn nur und er weiß es.”

“Ich habe kürzlich ein Buch gelesen,” sagte Taylor. “Thema Überleben. Wer in schlimmen Situationen überlebte und wer nicht, aber überwiegend ging es darum, warum bestimmte Leute eher überleben konnten als andere.”

Carl warf Tina einen Blick zu, zeigte mit dem Daumen auf seinen Bruder. “Er liest viel, ist ein echter Bücherwurm.”

“Wie auch immer, in dem Buch stand viel über die Dinge, die es zum Überleben braucht. Man könnte dieselbe Situation und dieselben Umstände nehmen und die eine Person kann sterben während die andere es schaffen mag. Manche der Voraussetzungen waren klar. Ihr wißt schon, Ruhe bewahren, ein Führer sein, Ziele setzen, solche Dinge. Der Teil, auf den ich aufmerksam wurde, erklärte, dass Humor ein Überlebenswerkzeug sein kann.”

“Das ist nicht überraschend,” sagte Tina. “Für viele Leute ist Humor  ein Bewältigungsmechanismus.”

“Also,” meinte Carl, “ist das der Moment wo wir im Zimmer herumgehen und abwechselnd Witze reissen?”

Taylor sah Carl streng an und fuhr fort. “Sag was du willst, aber du machst es gerade ohne es zu merken. Wir haben es beide getan seit wir in diesem Schlamassel stecken.”

“Okay. Vielleicht. Aber was willst du damit sagen?”

Taylor zuckte mit den Schultern und starrte auf die Kerosinlampe. Die flackerende orangefarbene Flamme verbreitete ihre eigene Hypnose, gab der Situation einen gewissen Grad an Frieden. “Wissen mitteilen? Ich weiß es nicht. Ich bin nicht sicher ob ich damit etwas sagen wollte. Nur reden um zu reden, denke ich.”

“Ich finde es cool,” sagte Tina. “Ich lerne gerne so etwas. Mir scheint, als stecke ich meine Nase nur noch in Schulbücher. Es ist schön, mal was anderes zu hören.”

Taylor lächelte ihr zu.

Carl sagte, “Er ist ein heimlicher Spinner. Du würdest es nicht merken weil er meistens Mr. Cool spielt, aber wenn du ihn näher kennenlernst, findest du heraus, er ist ein großer Sonderling. Er hat sogar mal Comichefte gesammelt. Mach schon, erzähl ihr von den Stofftieren.”

“Halt den Mund.”

“Komm schon, erzähl es ihr.”

“Stofftiere?”

“Gut. Ich erzähle es ihr. Taylor hatte eine Stofftier-Sammlung. Verschiedene Katzenarten. Leoparden, Tiger, Löwen, Panther. Nenne eine Katze und er hatte wahrscheinlich das Stofftier.”

“Ich war ein kleines Kind,” sagte Taylor. “Welches Kind hat in dem Alter keine Stofftiere?”

“Wenn er schlafen ging, setzte er sie im Bett um sich herum auf. Baute ein Fort um die Monster fernzuhalten. Er glaubt immer noch an Monster.”

“Ich glaube nicht an sie,” sagte Taylor. “Ich erkenne an, dass sie existieren könnten.” Er drehte sich um um Tina anzusehen und lächelte unsicher. “Es ist eine Art Aberglauben. Ich habe gedacht, wenn ich zugebe, dass ich an sie glaube, dann würden sie mich in Ruhe lassen. Es ist dumm, aber ich hatte lange Zeit Angst vor der Dunkelheit. Eine überaktive Fantasie oder sowas. Teil des Rituals, das ich als Kind hatte, war meine Stofftiere im Bett um mich herum zu setzen. Und ich schickte den Monstern den Gedanken, dass ich glaubte, dass sie da draußen waren. Jetzt klingt das albern, aber damals hat es funktioniert.”

“Ich finde es süß,” sagte Tina. Sie klopfte seinen Arm. “Ich hatte auch Stofftiere, die meisten davon waren Delfine.”

“Ich bin noch gar nicht zum wirklich verrückten Teil gekommen,” sagte Carl.

“Du gibst einfach keine Ruhe, nicht wahr?”

“Sei kein Spielverderber, Bruder. Du hast vorhin selbst gesagt, Humor ist ein Überlebensmechanismus. Also zeige ich Humor. Außerdem möchte sie es wissen. Richtig?”

“Ich bin wahnsinnig gespannt.”

“Eben. Also frag ihn wo die Stofftiere jetzt sind?”

“Wo sind sie?”

Auf dem Dachboden im Haus unserer Eltern. Meine Mutter redet jedes Jahr darüber, sie auf dem Garagen-Flohmarkt zu verkaufen, aber Taylor will sie behalten. Sie sind alle auf dem Dachboden in einer großen schwarzen Mülltüte.”

“Ich bin sentimental,” sagte Taylor. “Ich dachte, ich kann sie eines Tages an meiner Kinder weitergeben. Angenommen, ich werde Kinder haben.”

Tina lächelte ihn an. Er fragte sich, ob sie nur höflich war. Sie sah so hübsch aus aber auch verwundbar, wie sie da auf dem Boden saß.

Eine weitere Stunde verging. Sie unterhielten sich sporadisch und waren es nach einer Weile leid, ihre Stimmen über das Hämmern an der Tür zu erheben. Für kurze Momente wechselte es das Tempo von laut und schnell zu leise und langsam. Wechselten die da draußen sich ab?

Ohne angemessene Behandlung verlief Tollwut meistens immer tödlich. Wenn er sich recht erinnerte, gab es nur einen Fall, wo eine Person die Krankheit ohne Behandlung überlebte, und sogar das zog sich endlos hin. Wie lange konnten die Gestalten da draußen aushalten? Stimmte der Bericht im Radio und die Krankheit war verwandt mit der Tollwut, sollten sie nicht anfangen, umzukippen? Irgendwann, hoffte er. Und er hoffte, es würde bald sein.

Er war müde und hungrig.

“Wenn jemand von euch schlafen will,” sagte er, “jetzt wäre die Zeit dafür. Ich kann eine Weile Wache halten. Wir können uns abwechslen wenn ihr wollt. Schichten übernehmen.”

Tina sagte, “Ich glaube nicht, dass ich bei dem Tumult schlafen kann. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Herrn Sullivan und das Eichhörnchen vor mir.” Trotzdem lehnte sie ein paar Minuten später ihren Kopf an die Wand und schloß die Augen. Ob sie schlafen konnte oder nicht, konnte Taylor nicht feststellen, aber für den Moment schien sie die Situation zu akzeptieren.

Carl gähnte. Die Machete lag immer noch auf seinem Schoß und er tippte mit den Fingern gegen die Klinge, seine Fingernägel machten schwache klickende Geräusche auf dem billigen Metall.

“Das gilt auch für dich. Schlaf wenn du willst. Du kannst es eine Weile bekämpfen, aber irgendwann musst du schlafen. Daher kann es genauso gut jetzt sein. Wenn ich merke, ich schlafe ein, wecke ich dich.”

“Ich bin hungriger mehr als müde. Wir haben seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Wann war das? Vor sechszehn Stunden?”

“In etwa.”

“Wir könnten uns immer noch vorne hinausschleichen.”

“Und was würde das bringen? Das einzige Auto, das wir bisher gesehen haben, ist vor dieser Tür. Wir sind zumindest im Moment relativ sicher hier. Solange sie sich hinten aufhalten anstatt vorne. Wenn wir hinaus gehen?” Taylor zuckte mit den Schultern. “Wer weiß?”

Carl starrte ihn müde an. Das Licht der Kerosinlampe warf sich bewegende Schatten auf sein Gesicht. “Wer hätte das gedacht, eh? Es gibt TV Shows über diese Themen, aber wer konnte ahnen, es würde tatsächlich passieren? Wenn man darüber nachdenkt, es ist schon eine total verrückte Scheiße.” Er gähnte wieder und hielt diesmal seine Faust an den Mund. “Ich könnte es verstehen, wäre es ein Asteroid oder ein weiterer Anschlag von Terroristen. Aber das? Das ist keine gewöhnliche Krise. Das ist ein Ansammlung von Scheiße. Ich denke immer an Angie und unsere Eltern, aber ich versuche, es jetzt nicht zu tun. Es könnte einen verrückt machen, wenn man so darüber nachdenkt.”

Taylor rieb seine Handflächen an seinen Beinen entlang. Er konnte sich die Szene vor der Tür vorstellen; konnte das Auto nur ein paar Fuss entfernt sehen, den Schlüssel in der Hand, und er dachte daran, wie sie es beinahe geschafft hatten, loszufahren.

Carl fuhr fort. “Wo sind die Armee oder die Luftwaffe wenn man sie braucht? Ein paar Jungs mit Gewehrfeuer könnten aus diesen Dingern in nullkommanichts Gehacktes machen.” 

“Vielleicht sind sie unterwegs, aber ich glaube nicht, ein Ort so weit draußen wie dieser hier ist weit oben auf ihrer Liste. Wenn es überall passiert, konzentrieren sie sich vermutlich zuerst auf die Großstädte. Schlaf ein wenig. Ich werde nicht dauerhaft wach bleiben können. Tu es wenigstens für mich.”

Carl nahm die Machete von seinem Schoß und legte sie neben sich auf den Boden. Er legte sich auf den Boden, zog die Knie an und benutzte einen Arm als Kissen. Er zog sein Baseballcap nach unten und starrte auf den erleuchteten Linoleumstreifen im vorderen Teil des Ladens. Er schloß die Augen. “Ich kann nicht glauben, dass ich das hier tue,” sagte er in einem rauhen Flüsterton. “Es ist als würde man während eines Krieges einschlafen.”

Taylor kämpfte damit, die Augen offenzuhalten. Er sah abwechselnd auf seinen Bruder und auf Tina, richtete dann seine Aufmerksamkeit auf die Fenster an der Vorderseite des Ladens. Er rieb seine Augen. Er öffnete ein Ecke des Abdecktuches und entnahm ihm eine der Wasserflaschen, sprühte etwas Wasser auf seine Hand und rieb damit seine Augen. Es half. Nicht viel, aber es war besser als nichts.

Er stand leise auf und streckte sich. Er ging nach vorne in den Laden, näherte sich dem  Fenster genug um den Mond und die Sterne am Himmel sehen zu können. Ein paar Wolkenfetzen verteilten sich am Himmel als wären sie nachträglich hinzugefügt worden.

Die Straße draußen war leer. Ohne das unablässige Hämmern hätte der Ort eine Geisterstadt sein können; jedes Haus ein Grabstein, dessen Inhalt die Geschichte ihrer Besitzer erzählte. So einfach, dachte er. Er umfasste den Türgriff. Die Schlüssel waren in seiner anderen Hand und er erwägte, wie einfach es sein würde, die Tür aufzusperren und loszustürzen. Er überlegte tatsächlich, genau das zu tun. Die anderen beiden aufwecken und abhauen. Das Auto vergessen. Früher oder später würden sie ein anderes finden.

Taylor schaltete seine Taschenlampe ein und ging einen der Gänge hinunter, untersuchte die Waren im Laden genauer.

Seine Gedanken wanderten. Das Hämmern wurde einfach zu weißem Rauschen, wie der Ton eines Fernsehers oder Radios, die mitten in der Nacht an sind.

Mach es dir nicht zu angenehm, dachte er. Scheiße wird richtig übel sobald man vergisst, dass sie stinkt.

In stressigen Situationen verengt sich der Verstand und fokkusiert wie das Zoomobjektiv einer Kamera. Das Gehirn entfernt überflüssige Informationen, fokkusiert auf eine einzelne Situation auf Kosten der restlichen Umgebung. Abhängig von verschiedenen Faktoren, kann diese komprimierte Sicht der Dinge nützlich oder nachteilig sein. Wird diese Fähigkeit auf ein Endzeit-Szenario angewandt, kann sie über Leben und Tod entscheiden. Taylor nahm an, die Chancen waren etwa Fünfzig-Fünfzig. Gegenwärtig dachte er lieber, sie waren höher. Zu dritt konnten sie die Köpfe zusammenstecken und eine Lösung für das Problem finden. Das war die drastische Vereinfachung eines komplexen Problems, aber es auf diese Weise zu betrachten, brachte etwas Erleichterung. Man musste erfindungsreich sein. Vielleicht hatte Carl doch nicht so unrecht; vielleicht musste man wie MacGyver sein.

Er stand drei Fuss vom Schaufenster entfernt und starrte auf die Stadt als er Schritte hinter sich hörte.

“Du konntest nicht schlafen?”

“Nicht wirklich. Ich habe es vergeblich versucht. Ich muss immer an meinen Vater denken. Ob er okay ist oder nicht,” sagte Tina.

“Was sagt dir dein Bauchgefühl?”

Sie stand neben ihm. Taylor dachte, sie war gut fünf bis sechs Inch kleiner als er. Ihre Augen glänzten im gedämpften Licht und er fragte sich wieder ob sie anfangen würde zu weinen.

Er konnte eine Frau nicht weinen sehen; hatte ein Rettersyndrom, wie seine Mutter es nannte, was bedeutete, er fühlte sich zu Frauen hingezogen, die irgendwelche Probleme hatten und hatte das Bedürfnis, sie zu retten. Laut seiner Mutter war es der Grund für das Scheitern seiner Beziehungen. Sie sagte, er müsste ein Frau finden, die stark genug war um selbständig zu sein. Ein Mädchen, das sich um seine eigenen Sachen kümmern kann.

“Er ist nicht dumm. Ich glaube, er hätte sehen können was hier geschieht und die Stadt verlassen, aber er gehörte zu den Leuten, die immer helfen mussten. Würde es ihm gut gehen, hatter einen Weg gefunden, mich anzurufen. Sicherzugehen, dass ich in Sicherheit bin. Das macht er die ganze Zeit. Kontrolliert mich. Er nennt mich immer noch seine kleine Prinzessin.”

“Nun, ich bin sicher, das bist du.”

“Klar. Er ist der stereotypische,sein Kind beschützende Vater. In der High School war ich das Mädchen mit dem Ausgehverbot ab 21 Uhr.”

“Vielleicht konnte er dich nicht anrufen. Gibt es hier im Laden ein Telefon?”

Sie führte ihn zur vorderen Kasse. Daneben stand ein Telefon. Sie hob den Höhrer und hielt ihn ans Ohr. “Kein Wählton.” Sie hielt es von sich damit Taylor es selbst hören konnte.

“Manches hier macht einfach keinen Sinn,” sagte Taylor. “Diese Gestalten sind nicht so schlau. Auch wenn sie einmal Genies waren, was immer mit ihnen passiert ist, hat sie in Höhlenmenschen verwandelt.”

“Und?”

Er hielt das Telefon hoch als würde es alles erklären. “Warum funktionieren die Telefone nicht? Diese Dinger hammer jetzt wie lange an die Hintertür? Hätten sie ihren Verstand noch einigermaßen beisammen, hätten sie es geschafft, nach vorne zu kommen und das Fenster einzuschlagen. Das bedeutet, sie sind nicht schuld daran, dass die Telefonleitungen tot sind.”

Tina fasste in ihre hintere Hosentasche und nahm ihr Handy heraus. Taylor nahm es ihr weg. “Warum hast du nicht gesagt, dass du ein Handy hast?” Er fing an, eine Nummer zu wählen.

“Weil es nicht funktioniert. Nicht in der Stadt. Kein Empfang. Deshalb haben die meisten Leute hier kein Handy. Es gibt kein Signal.”

Taylor schaute auf die Signalanzeige und sah keine ‘Balken’. Trotzdem wählte er die Nummer seiner Eltern und drückte SENDEN. Er wartete. Nichts geschah.

“Siehst du? Ich habe es dir gesagt. Hier gibt es keinen Service. Fahr die Interstate für zehn Minuten, egal in welche Richtung und du bekommst ein Signal. Aber das hilft uns gerade nicht viel.”

“Okay. Es ist eine kleine Stadt. Viele Orte wie dieser sind ohne Handyempfang. Das ist nicht ungewöhnlich. Aber ich verstehe nicht, wieso das Festnetz tot ist. Irgendwas sagt mir, wenn wir in einer der anderen Städte in der Umgebung anhalten und telefonieren wollten – wir hätten dasselbe Problem.”

“Das kannst du nicht wissen.”

Das macht ihr Angst, dachte Taylor. Mach es nicht schlimmer für sie als es bereits ist.

“Du hast recht. Ich habe nur laut gedacht. Es ist nur eine Theorie.” Er hob das HS des Telefons erneut und hielt es dicht ans Ohr und hielt den Atem an als er horchte in der Hoffnung auf den schwächsten Ton; das vertraute Summen des Wähltons. Nichts. “Das erscheint mir zu zufällig.”

“Der Himmel ist bewölkt.”

“Wolken beeinflussen die Telefonleitungen nicht.”

“Aber es sieht so aus, als könnte es bald stürmen. Ein Sturm kann die Stromleitungen lahmlegen.”

Sie sah in hoffnungsvoll an, bemerkte aber den Zweifel in ihrer eigenen Stimme. Von allen Leuten, die sie je angelogen hatte, war es immer am leichtesten, sich selbst anzulügen, aber in diesem Fall konnte sie ihre eigene schwache Story nicht glauben.

“Ich bezweifle es. Ein Sturm könnte die Stromleitungen beschädigen, aber wenn einer kommt, braucht das Zeit. Die Leitungen würden erst versagen wenn der Sturm direkt darüber tobt.”

“Ich hoffe, es sturmt nicht,” sagte sie.

“Ich schon, irgendwie. Tatsächlich hoffe ich, dass es wie aus Kübeln schütten wird.”

“Warum?”

“Deckung. Im Regen kann man uns schlechter sehen. Wir könnten weglaufen.”

Tina sagte, “Wir würden sie dann auch schlechter sehen können.”

“Richtig, aber der Regen würde die Dinger irre machen.”

Tina hopste auf den Tresen und setzte sich, ihre Füsse baumelten ein paar Inch über dem Boden. “Wie glaubst du haben sie uns hier gefunden? Wir waren gar nicht so laut. Nicht laug genug, damit sie uns von draußen hören konnten.”

“Darüber habe ich mich auch gewundert. Habe bisher noch keine Erklärung dafür.” Aber er hatte eine Idee. Sie basierte auf verdammt viel Spekulation, aber es war auch die einfachste Erklärung. Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem.  Occam’s Rasierer. Von zwei oder mehr Erklärungen ist diejenige mit den wenigsten Vermutungen normalerweise wahr. Zumindest verhält es sich so ähnlich, dachte Taylor.

Die Sache war die, er konnte Tina diese Idee nicht mitteilen, denn sie hatte mit ihrem Vater zu tun. Schließlich gehörte der Laden ihrem Vater. Konnte man nicht annehmen, er wäre derjenige gewesen, der die anderen hierher geführt hatte? Sein erschöpfter Verstand fiel nichts ein, das logischer war, außer man würde annehmen, sie hatten irgendwelche übersinnlichen Geruchssinne oder dass sie durch die Krankheit telepathische Fähigkeiten entwickelten.

Er behielt seine Gedanken für sich. Sie bemühte sich, sich zusammenzureißen und machte das ziemlich gut, und er wollte nicht derjenige sein, der die schlechte Nachricht verkündete, unter der sie brechen würde. Das Problem war außerhalb des Ladens und so sollte es bleiben.

In der Ferne hörten sie unmistakable Donnergrollen. Taylor ging nahe ans Fenster und beobachtete den Himmel. Dunkle Wolken türmten sich im Norden, wo vor fünfzehn Minuten nur Wölkchen waren. “Vielleicht hast du recht. Die Wolken sehen so aus, als könnte es ein richtiger Hammer werden. Wenn es nicht an uns vorbeizieht. Neun von zehn Mal ist es nur bellen, kein beissen.”

Es folgte Stille. Er vermutete, ungemütliche Stille war normal in Situationen wie dieser.

“Du studierst also um Tierärztin zu werden?”

“Zur Zeit jedenfalls. Mein Vater sagt ich bin ein Wirrkopf. Ich interessiere mich eine Weile für etwas, dann verliere ich das Interesse und widme mich etwas anderem. Aber ich habe es geschafft, dabei zu bleiben. Vielleicht auch, um zu beweisen, dass er unrecht hat.”

“Finde etwas, das du gern tust und bleib dabei,” sagte Taylor. “Das ist jedenfalls der Rat, den die Leute immer geben.”

Es donnerte wieder. Die Wolken waren dick und hatten eine Wand gebildet, die den Himmel im Norden bedeckte und das Mondlicht schluckte.

Etwas traf das vordere Schaufenster.

“Was war das?”

Die Straße war leer.

“Schau. Es fängt an zu regnen,” sagte Tina. Ein Regentropfen lief die Fensterscheibe hinab und sie folgte ihm mit ihrem Finger.

Ein weiterer Regentropfen traf das Fenster und dann noch einer, der Regen nahm zu. “Das hat mich zu Tode erschreckt,” sagte Taylor. “Ich dachte, die Dinger wären letztendlich schlau geworden.”

Er sah zu wie die Wolken heranzogen, mit einer gewissen Arroganz anrollten. Es regnete immer stärker.

“Was ist los?” Carl kam den Gang hinauf auf sie zu gejoggt, die Machete bereit. Sein Baseballcap war fort und er kratzte sich mit der freien Hand am Kopf.

“Der Sturm kommt,” sagte Taylor. “Wie konntest du das über den Lärm da hinten hören?”

“Sie haben aufgehört zu hämmern. Das hat mich aufgeweckt. Ich merkte, es hatte hinten aufgehört und fing hier vorne an. Ich dachte, vielleicht gelingt es ihnen doch, die Fenster einzudrücken.”

Taylor ging nach hinten und lauschte. Carl hatte recht. Das Hämmern hatte aufgehört. Das einzige Geräusch kam vom Regen auf den Fenstern vorne und auf dem Dach. Er war stark genug um schmale Rinsale zu bilden, die an beiden Straßenseiten entlangliefen.

“Wenn sie mit Hämmern aufgehört haben, wo sind sie dann hin?” fragte Tina.

Carls Taschenlampe war an, der Strahl tanzte wild über den Linoleumboden.

“Vorsicht damit,” sagte Taylor. “Wir wollen doch nicht, dass sie es sehen.”

Carl schaltete die Taschenlampe aus und sagte, “Glaubst du, sie sind noch da hinten? Stehen nur da und tun nichts?”

“Ich weiß es nicht, aber ich gehe kein Risiko ein. Noch nicht. Wir warten ab.” Er trat nahe ans Fenster, diesmal vorsichtig. Der Regen sorgte für bessere Deckung als er sich erhoffen konnte.

Sie hätten einfach losrennen können und er war in Versuchung, genau das vorzuschlagen. Die Ladentür aufsperren, und auf Teufel komm raus einen anderen sicheren Ort anpeilen; ein anderes Auto suchen oder, im schlimmsten Fall, ein unverschlossenes Haus finden. Ein Haus hatte einen Kühlschrank und im Kühlschrank befand sich eigentlich immer etwas zu Essen. Er war hungrig. Trotz seiner Angst beschwerte sich sein Magen über das Hungergefühl.

Die Chance, eine Waffe zu finden war größer. Betreffend der Bevölkerungszahl war die Stadt mit ihrer Heimatstadt vergleichbar und zuhause waren die meisten Männer mehr oder weniger Jäger. Was bedeutete, sie besaßen zumindest ein Gewehr. Sein Vater hatte zwei Waffenschränke und einen Safe für Waffen. Beide waren voll. Ein Gewehr oder zwei wäre nicht genug, um die Situation zu ändern, nicht wenn hunderte dieser Gestalten draußen herumliefen, aber es gab zusätzliche Sicherheit.

Der Trick war, an einen anderen Ort zu gelangen ohne dass die tollwütigen Dinger es merkten.

Aber jetzt hatten sie aufgehört zu hämmern. Lauschten sie? Warteten sie vielleicht?

Taylor spürte die Erschöpfung. Sie war wie eine kraftvolle Hand, die versuchte, ihn niederzudrücken. Er wollte sich einfach auf dem Boden zusammenrollen und schlafen. Er überlegte, ein Haus zu finden. Zusätzlich zu Nahrung und möglicherweise einer Waffe, hatte ein Haus ein Bett. Plötzlich schien ein Bett das Wichtigste zu sein.

Verantwortung. Wäre das nur ein Fremdwort für ihn. Er stand da, schaute von seinem Bruder zu Tina und erkannte, dass Schlaf in so einer Situation eine kurzlebige Erwartung war.

“Geht vom Fenster weg.”

“Da draußen ist nichts,” sagte Carl.

Blitze zuckten und erhellten einen Moment lang den Himmel, und Carl sah sie zusammengedrängt am Eingang zur Gasse stehen.

“Versteckt euch,” sagte er kaum hörbar. Donner teilte den Himmel, es klang wie ein Hammer auf Metall, seine Stimme ging darin unter.

Carl drehte sich vom Fenster weg und eilte einen Gang hinunter. “Ich sagte, versteckt euch.  Sie sind da draußen, bei der Gasse.” Er führte sie vor sich den Gang hinunter, seine Hand lag auf Tina’s Schulter, drängte sie vorwärts.

Taylor dachte: Toll. Jetzt zeigen sie so etwas wie Verstand. Und wir haben nicht mal einen einfachen Plan.

“Wenn sie vorne sind, können wir dann jetzt zu meinem Auto gehen?”

Carl sagte, “Worauf du wetten kannst. Genau das werden wir tun.”

Seine Hand lag auf dem Türgriff als Taylor sagte, “Warte!” Seine Stimme war kaum mehr als ein barsches Flüstern aber Carl erkannte einen Befehl wenn er einen hörte. Seine Hand glitt from Türgriff, er drehte sich um und sah seinen Bruder an.

“Was? Wir müssen zum Auto solange wir die Chance dazu haben.”

“Erinnerst du dich nicht wie wir hereingefahren sind? Die Gasse endet auf dem hinteren Parkplatz. Es gibt nur einen Weg hinaus.”

“Dann pflügen wir durch sie hindurch,” sagte Carl und langte wieder nach dem Türgriff. “Jetzt komm schon. Sperr auf.”

“Wären nur ein Dutzend dieser Gestalten da draußen, könnte es funktionieren, aber es sind über hundert. Durch so viele kommen wir nicht hindurch. Jedenfalls nicht ohne einen LWK oder Bus.”

“Ein Punkt für ihn,” sagte Tina. “Mein Vater sagt mein Auto hat einen Rasenmäher-Motor. ‘Auf und los’ ist  nicht möglich.”

Carl seufzte. Sein Instinkt sagte ihm, er hatte recht, jetzt war der Zeitpunkt, aktiv zu werden, aber die Logik spielte nicht mit. “Was schlägst du dann vor, was wir tun sollen?”

Taylor warf einen Blick in den vorderen Teil des Ladens. Es regnete immer noch stark aber die Sicht aus dem Schaufenster war klar. “Ich wünschte, ich wüsste was die Dinger tun. Es ist fast als machen sie das absichtlich. Als wissen sie, sie haben uns wenn sie bleiben wo sie sind. Wir können weder vorne noch hinten raus.”

“Wenn sie uns einkasten, das bedeutet sie sind zumindest teilweise intelligent,” sagte Carl. “Das ist schlecht.”

“Es ist eine Jagdstrategie. Tiere tun es. Nützlich aber primitive,” sagte Tina. “Es heißt nicht unbedingt, die Dinger sind Top-Wissenschaftler.”

“Also, was machen wir?”

Taylor wollte fragen warum die Verantwortung, Entscheidungen zu treffen auf ihn fiel; fragen warum niemand anderes für sie denken konnte. Aber er hatte die Zügel übernommen und konnte sie nicht so einfach loslassen. Es ging zurück zu einer Zeit als er wusste wie man etwas anfing, aber seine Schwäche war, es nicht zu beenden. Er hatte das College angefangen und dann abgebrochen. Sein Vater hatte ihm einen Job bei einer örtlichen Baufirma besorgt und er war in der dritten Woche nicht mehr zur Arbeit erschienen. Es war eine Zeit in seinem Leben als ihm mühelos Ideen und Pläne kamen, doch es fehlte ihm die Ausdauer, sie weiterzuverfolgen.

Es war peinlich, an diesen Lebensabschnitt zu denken. Das schlimmste daran war, dass diese Ereignisse weniger als drei Jahre zurücklagen.

Er konnte die Beule von den Schlüsseln in seiner Hosentasche spüren. Er fuhr mit seinen Händen durch sein Haar und sagte, “Überlegen wir mal gründlich. Vorne können wir nicht raus, denn sie würden uns augenblicklich erwischen. Der hintere Weg und das Auto geht auch nicht, wir wären Lockenten. Die Gasse ist wie ein Engpass.”

Carl hielt sein Ohr gegen das Metall der Hintertür und horchte. Es war unmöglich, bei dem prasselnden Regen etwas zu hören.

“Was wenn wir sie ablenken?” fragte Tina.

“Huh?”

“Sie ablenken. Jemand könnte vorne ihre Aufmerksamkeit erregen während die anderen beiden von uns hinten hinaus schlüpfen und mein Auto holen.”

Carls Gesicht hellte sich auf. “Die Idee ist nicht schlecht. Was meinst du, Bruder?”

Taylor dachte nach. Es gefiel ihm nicht. Es war gefährlich.

Aber es gab kaum Alternativen.

“Es könnte funktionieren,” sagt er. “Dein Auto ist also ziemlich verlässlich? Ich möchte das, was du eben vorgeschlagen hast, nicht einmal versuchen und dann am Auto sein und es springt nicht an.”

“Ich sagte, von null auf hundert ist nicht möglich, aber es startet und fährt gut. Es ist nur einmal nicht angesprungen, vor etwa sechs Monaten, aber es erhielt eine neue Batterie und macht seitdem keine Probleme mehr.”

“In Ordnung. Das ist gut genug. Ich frage nur, denn wenn dies ein billiger Horrorstreifen wäre, würden wir da draußen sein und das Auto würde nicht anspringen.”

“Also, wir sind im wirklichen Leben,” sagte Tina. “Kein Horrorfilm.”

“Ungefähr jetzt würde ich sagen, die Grenze zwischen beiden fängt an zu verschwimmen. Wie auch immer, wir machen folgendes: ihr zwei bleibt hier hinten. Ich werde nach vorne gehen.” Er nahm Tinas Schlüssel aus seiner Hosentasche und breitete sie aus. “Welcher ist der Schlüssel für die Ladentür?”

Tina zeigte auf einen mit einer großen viereckigen Wölbung. “Dieser.”

“Bist du sicher?”

“Positiv.”

Taylor nahm den Schlüssel vom Schlüsselbund und reichte Carl die restlichen. Er ging in den hinteren Teil des Ladens, steckte den Schlüssel vorsichtig ins Schloß und drehte ihn langsam um.

“Diese ist offen. Wenn wir soweit sind, werde ich die Ladentür aufsperren und etwas tun um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Wenn sie ganz aus der Gasse herauskommen, werde ich euch zurufen, zu verschwinden. Lauft zum Auto und verlasst die Gasse.”

Carl legte den Kopf schief. “Und was ist mit dir? Was ist dein Fluchtplan?”

Und das ist der Kicker, dachte Taylor.  Was genau ist mein Fluchtplan?

Er ging ihn in Gedanken durch und erklärte ihn laut. “Der einzige Weg hinaus ist hinten herum. Ich schließe die Ladentür und wenn Zeit ist, würde ich sie zusperren. Hinten hinausrennen und die Tür schließen.”

 “Aber es ist eine Sackgasse,” sagte Carl. “Du müsstest immer noch die Gasse hoch zur Straße.”

“Vielleicht wären die Dinger dann schon im Laden,” sagte Tina.

“Vielleicht. Und vielleicht würden sie dich aus der Gasse kommen sehen.”

“Dann werde ich losspurten. Ihr beide seid im Auto entkommen. Am Ende der Gasse biegt ihr links ab und an der ersten Kreuzung wieder links. Wenn ihr um die Ecke kommt, lasst den Motor laufen. Parkt gar nicht erst. Behalte deinen Fuß auf der Bremse. Ich werde wissen, wo ich euch finde.”

“Wenn man dabei laufen muss, sollte ich vielleicht die Ablenkung spielen. Wir beide haben bereits festgestellt, dass ich der schnellere Läufer bin.”

“Ich möchte, dass du das Auto fährst. Du bist schneller, aber ich werde schnell genug sein.”

Carl starrte seinen Bruder an und etwas Unausgesprochenes ging zwische ihnen vor. Ein Blick, der umgehend tausend Worte ersetzte ohne dass einer von ihnen den Mund aufmachte.

Carl nickte schließlich.

“Dann ist es abgemacht. Tun wir es bevor ich kneife.”

Taylor ging auf den vorderen Teil des Ladens zu.

“Warte, “sagte Carl. “Nimm das.” Er gab ihm die Machete. “Wenn sie dir zu nahe kommen, machst du Hackfleisch aus ihnen.”

Taylor wog die Klinge in seiner Hand. Sie war leichter als er angenommen hatte. Er fragte sich, wie es sein würde, in ihr Fleisch zu stechen.

Sie sind keine Menschen mehr, dachte er. Nicht wirklich. Sie werden dich in Fetzen reissen wenn sie die Gelegenheit haben. Denk daran. Wenn es hart auf hart kommt, darfst du nicht zögern.

Ein anderer Grund, warum er die beiden außer Sichtweite und von der Gasse weg haben wollte: er war bereit zu wetten, dass Tinas Vater irgendwo in der Meute war, stark speichelnd wie der Rest von ihnen. Wenn sie ihn bemerkte…konnte es schnell übel werden. Sie könnte völlig dichtmachen. Logik und Emotionen. Die beiden vertrugen sich oft nicht.

“Das könnte uns killen,” sagte er leise und lachte fast.

“Was?”

“Nichts. Ich führe Selbstgespräche.Wir haben es also alle kapiert, ja? Ich werde die Tür öffnen, wartet auf mein Zeichen, dann ab ins Auto  und los, um die Ecke der ersten Straße. Biegt zweimal links ab. Merkt euch das. Dann wartet ihr auf mich. Außer es ist nicht sicher. Dann fahrt weiter.”

“Daran gefällt mir einiges nicht,” sagte Carl.

Taylor zuckte mit den Schultern. “Mir gefällt daran gar nichts. Erinnerst du dich, was Vater immer sagte? Darüber, wie jemand vor seiner Zeit altern kann. Wie man zwei Worte lernen muss um es zu verhindern?”

“Scheiß drauf,” sagte Carl.

“Stimmt,” sagte Taylor. Er zeigte mit der Machete auf die Hintertür. “Geht dorthin und seid bereit. Wenn ich das Zeichen gebe, dürft ihr keinen Mist bauen.”

Carl stand da und starrte seinen Bruder an als wollte er etwas sagen. Einen Augenblick später drehte er sich um und ging zur Rückseite des Gebäudes. Tina folgten ihm.

Taylor ging in den vorderen Teil des Ladens, hielt am Ende des letzten Ganges kurz an und prüfte zweimal ob sie sich nicht vom Eingang der Gasse entfernt hatten. Als er nahe beim Fenster war, konnte er sie sehen. Nicht mehr als dreißig Fuss entfernt. Manche von ihnen schaukelten rhythmisch vor und zurück, als würde ein starker Sturm es verursachen.

Er nahm den Schlüssel aus seiner Hosentasche und steckte ihn ins Schloß. Er sah zur Meute hin und drehte den Schlüssel. Er öffnete die Tür langsam.

Dann trat er hinaus auf den Gehweg.