Na endlich, Ihr habt Euch aber auch Zeit gelassen!

 

Finney war dermaßen verwirrt, dass sie kaum wusste, wo ihr der Kopf stand. Mit zitternden Händen holte sie aus der Küche Wasser, Jod und Verbandszeug und machte sich dann im Salon wortlos daran Lukes aufgeschürften Handrücken zu verarzten. Er musste unsanft mit dem hölzernen Verandageländer in Berührung gekommen sein, als er den Pfarrer im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße gesetzt hatte.

Der älteste Sullivan ließ die Prozedur eine Zeit lang schweigend über sich ergehen, während er sich fragte, wie er es nun wieder geschafft hatte seinen zweiten Antrag dermaßen zu ruinieren. Es hätte wohl auch gereicht, wenn er den Pfarrer einfach aus dem Haus geschmissen hätte. Schließlich entschloss er sich zu einem Erklärungsversuch. „Finney...“

Doch die junge Frau fiel ihm augenblicklich ins Wort und ganz offensichtlich war sie inzwischen nicht nur verwirrt sondern auch wütend. „Was sollte das, Luke? Was haben Sie sich nur dabei gedacht?“

Steffiney wusste einfach nicht, was sie von der ganzen Sache halten sollte. Es schien so gar nicht zu Luke zu passen, dass er einfach auf jemanden losging und dann auch noch auf einen Mann, der ihm körperlich so offensichtlich unterlegen war wie der Reverend.

Luke wusste zwar, dass sein Verhalten nicht das Gelbe vom Ei war, aber ein wenig mehr Verständnis hätte er sich doch von Finney erwartet, nachdem dieser Lüstling ihr so gekommen war.

„Was ich mich dabei gedacht habe?“, fragte er mit unterdrücktem Ärger in der Stimme. „Was hat Brinkley sich denn dabei gedacht Ihnen ein derartiges Angebot zu machen? Verstehen Sie mich nicht falsch, Finney. Ich habe nicht gelauscht, aber Ihr Ausbruch war ja nicht zu überhören.“

Doc Daves Krankenschwester war inzwischen dabei Lukes Hand mit einem Verband zu umwickeln, aber jetzt sah sie ihn verblüfft an. Wovon redete er da eigentlich?

„Nun, ich denke, dass er mal wieder versucht hat sich Arbeit zu ersparen und das noch möglichst kostengünstig. Aber das kennen wir doch schon von ihm. Deswegen haben Sie immer noch kein Recht ihn zu verprügeln.“

Der älteste Sullivan glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Finney schien sich zwar über dieses Angebot geärgert zu haben, aber sie schien es nicht im Mindesten anstößig zu finden

„Oh Entschuldigung. Hätte ich gewusst, dass Ihre Ehre Ihnen so wenig wert ist, dann hätte ich mich zurückgehalten“, antwortete er jetzt sarkastisch und zog seine fertig verbundene Hand aus Finneys Griff. Die schaute ihn verblüfft an. „Was hat denn meine Ehre damit zu tun?“

„Ach jetzt stellen Sie sich nicht so an. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie eine Affäre mit dem Pfarrer geheim halten könnten und Ihr Ruf nicht darunter leiden würde?“, war Lukes Gegenfrage, doch noch während er redete, wurde Finney feuerrot im Gesicht und sprang auf.

„Was? Luke! Wie können Sie es wagen...“ Steffiney war von dieser Unterstellung dermaßen getroffen, dass ihr die Worte im Halse stecken blieben.

„Ach kommen Sie, ich habe doch genau gehört, dass er Ihnen Geld geboten hat und meinte, Sie sollten sich nicht wie eine alte Jungfer benehmen!“ Auch Luke war inzwischen aufgesprungen und lief jetzt auf und ab. Ganz offensichtlich war auch er kurz davor seine Beherrschung zu verlieren.

Miss Finney allerdings ging bei diesem Satz ein ganzer Kronleuchter auf. Diese Erkenntnis beruhigte sie jedoch nicht im Geringsten und sorgte auch nicht für mehr Verständnis für Lukes Handeln.

„Sie haben gedacht, dass Reverend Brinkley mir ein... ein.....ein unmoralisches Angebot gemacht hat? Sie glauben, ich würde auf so etwas eingehen? Ich würde...“ Die junge Frau stemmte die Hände in die Hüften und musste nach Luft schnappen. Das war die ungeheuerlichste Unterstellung, die sie je aus Luke Sullivans Munde gehört hatte.

Lukes Stimme überschritt bei seiner nächsten Antwort die Zimmerlautstärke um einiges. „Ich habe nichts dergleichen von Ihnen gedacht! Ich würde nie auf die Idee kommen, dass Sie etwas Derartiges tun!“

„Aber wieso sind Sie dann dermaßen auf den Reverend losgegangen?“ Finney wusste inzwischen wirklich nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Die letzten Wochen mit Luke waren einfach so schön gewesen und nun schien wieder alles in die Binsen zu gehen. Wieso nur hatte es nicht so weitergehen können? Doch bevor die junge Frau sich weiter solche und ähnliche Fragen stellen konnte, hatte Luke sich vor ihr aufgebaut.

„Verdammt noch mal! Weil mich der Gedanke, dass ein anderer Mann Dich anfassen könnte, geradezu rasend gemacht hat. Ich hab einfach die Beherrschung verloren bei dieser Vorstellung.“ Weder Finney noch Luke selbst hatten es gemerkt, dass er plötzlich in die vertraute Anrede übergewechselt war.

Es passierte selten, dass Steffiney O'Brians Temperament die Herrschaft über ihre Handlungen übernahm, aber der älteste Sullivan schien das seltene Talent zu haben, diesen Umstand herbeizuführen. Und so war ihr gar nicht recht klar, was seine Erklärung bedeutete, als sie ihm aufgebracht antwortete. „Ach, aber dass ich Dir die ganze Zeit beim Rumpossieren mit Mary-Sue Brandon zusehen musste, das war in Ordnung?“

Diese Anschuldigung saß und Luke kam augenblicklich auf den Boden der Tatsachen zurück. Schuldbewusste senkte er den Kopf, bevor er wieder in Finneys grüne Augen schaute, die Funken zu sprühen schienen.

„Nein, das war es nicht“, sagte er dann leise. „Es war dumm und kindisch von mir und es tut mir leid. Ich war verletzt, weil Du mich abgewiesen hattest und ich dachte, es würde Dir nichts bedeuten mich mit einer anderen Frau zu sehen.“

Über diese Eröffnung war Finney mehr als verdutzt. Luke und sie hatten das Thema Mary-Sue in den letzten Wochen wohlweislich gemieden. Umso überraschter war sie jetzt von dieser plötzlichen Erklärung, die alles ein wenig verständlicher machte. Es verschlug ihr glatt die Sprache und Luke, der sichtlich um Fassung rang, drehte sich um und ging mit langen Schritten zum Fenster. Nur um Sekunden später wieder umzudrehen und zu Finney zurückzukehren, die ihn immer noch mit offenem Mund anschaute. Seine nächsten Worte waren allerdings auch nicht dazu geeignet der jungen Frau ihre übliche Contenance zurückzugeben.

„Finney, wieso machst Du es mir jedes Mal so schwer, wenn ich versuche Dir zu sagen, dass ich Dich liebe und völlig verrückt nach Dir bin?“

So gerne die Steffiney auf diese Eröffnung auch etwas gesagt hätte, sie brachte einfach kein Wort heraus. Mit Tränen in den Augen starrte sie Luke an und konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sein Benehmen in den letzten Wochen hatte sogar ihr unmissverständlich klar gemacht, dass sie diese Worte früher oder später hören würde, aber jetzt, da es endlich soweit war, konnte sie ihr Glück trotzdem kaum fassen. Sie war nach Green Hollow gekommen um eine Vernunftehe einzugehen und nun hatte sie ausgerechnet hier die Liebe gefunden. Doch der älteste Sullivan deutete ihre Sprachlosigkeit richtig und zog sie einfach an sich.

„Ich scheine kein besonderes Talent für Heiratsanträge zu haben. Weißt Du, dass ich heute eigentlich hier hergekommen bin um Dir nach allen Regeln der Kunst um Deine Hand zu bitten?“, fragte er lächelnd.

Bei dieser Eröffnung und der Vorstellung wie Lukes Vorhaben geendet war, musste dann selbst Finney lächeln. Äußerst leise brachte sie schließlich hervor: „Dann tu es doch einfach.“

Der junge Mann war versucht sich vor dieser Aufgabe, der er nun ins Auge sehen musste zur Ermutigung einen Kuss zu stehlen, kam aber mit sich über ein, dass das wohl kaum den Regeln entsprechen würde. So ergriff er einfach ihre Hände und ging vor Steffiney auf die Knie. „Miss Steffiney O'Brian, würdest Du mir die Ehre erweisen und meine Frau werden?“

Finney musste unter Tränen lachen und da ihr wieder die Stimme versagte und das Ja einfach nicht über ihre Lippen kommen wollte, nickte sie stattdessen so vehement und nachdrücklich, wie es ihr möglich war. Mit einem glücklichen Lächeln stand Luke auf und zog Finney zurück in seine Arme, um sie endlich, endlich zu küssen. Was diese sich auch nur zu gern gefallen ließ, aber dem frisch gebackenen Paar war einfach keine Ruhe vergönnt. Gerade als Finney ihre Arme um Lukes Hals geschlungen hatte und seinen Kuss noch etwas zurückhaltend erwiderte, ging die Tür auf.

Die junge Frau wollte erschrocken zurücktreten, da sie sich ertappt fühlte, aber Luke hatte nicht die geringste Absicht Finney in absehbarer Zeit loszulassen, da er sie endlich eingefangen hatte. Dass nur der alte Dave auf der Türschwelle stand, und das im Übrigen mit einem zufriedenen Grinsen, ließ sie sich aber schnell beruhigen.

„Na endlich, ihr habt Euch aber auch Zeit gelassen“, meinte er zufrieden. „Ich gratuliere euch, Kinder.“

Finney bedankte sich artig bei Doc Dave und fragte dann, wie es dem Pfarrer ginge.

„Ach nu, der Jammerlappen macht viel Lärm um nichts. Er wird nen schönen blauen Fleck am Kinn bekommen und das ist alles. Nichts passiert. Aber Luke, wenn das hier nicht zu viel Getratsche geben soll, dann solltest Du Dich schleunigst bei ihm entschuldigen. Hab ihm schon klar gemacht, dass er als Pfarrer natürlich nicht anders kann, als seinen Schäfchen zu vergeben, wenn er um Verzeihung gebeten wird. Am besten bringst Du das gleich hinter Dich, Junge.“

Doch Luke schien nicht im Geringsten begeistert von diesem Vorschlag. „Wieso sollte ich mich bei ihm entschuldigen? Eher er sich bei Finney“, knurrte er aufgebracht und mit einem Mal schien seine ganze gute Laune wieder verflogen. Seine Verlobte allerdings eroberte sich seine Aufmerksamkeit schnell zurück indem sie ihm sanft gegen die Schulter tippte.

„Luke? Der Reverend hat mich gebeten im Sommer den Sonntagsschulunterricht zu übernehmen. Und nachdem er ein Nein von mir nicht akzeptieren wollte, sind wir etwas in Streit geraten. Zugegeben, seine Bemerkung mit der alten Jungfer war nicht gerade der Gipfel der Höflichkeit, aber es war nicht das, was Du daraus geschlossen hast“, erklärte sie ihm in ihrer üblichen ruhigen Art, aber sie konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen als sie Luke verblüfft auf sich herunter schauen sah. Eine komische Verzweiflung spiegelte sich in seinen Augen und schließlich vergrub er das Gesicht in Finneys kastanienbraunen Locken.

„Sag, dass das nicht wahr ist“, murmelte es erstickt in ihren Haarschopf. Mit einem Grinsen zog sich Doc Dave wieder in den Flur zurück und bevor Luke der unliebsamen Aufgabe nachkam, sich entschuldigen zu müssen, stahl er sich zur Ermutigung noch einen langen Kuss von Miss Finney.

 

Die bestellte Braut
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