Die Eifersucht
schlummert auf dem Grunde
eines jeden Menschenherzens.
Die Eifersucht als Warnsignal
Fast jeder von uns kennt Eifersuchtsgefühle. Dies stelle ich immer wieder in meiner Therapiepraxis fest. Ich bin Psychotherapeut und behandle viele Patienten mit Partnerschaftsschwierigkeiten. In jeder zweiten Behandlung spielen Eifersuchtsaffekte eine erhebliche Rolle. Und so fand ich in dieser Woche folgende Aufzeichnungen in meinen Therapienotizen:
- Ich bin immer unruhig, wenn mein Mann später aus dem Büro kommt. Er hat eine hübsche Sekretärin. Ich frage dann oft nach ihr. Mit dem Verstand weiß ich, dass mich mein Mann liebt, aber ich kenne doch diese ständige Unsicherheit. Ich denke immer, er könnte sich für eine andere entscheiden.
- Wenn mein Partner längere Zeit nicht mit mir schläft, habe ich sofort den Gedanken: bin ich nicht mehr attraktiv für ihn? Hat er vielleicht eine andere? Und wenn wir essen gehen, schaut er etwas zu sehr anderen Frauen hinterher.
- Meine Frau trifft sich einmal im Monat mit ihrem Exmann. Er ist der Vater der Kinder. Sie verstehen sich gut. Ich zucke immer zusammen, wenn sie gemeinsam lachen. Ich habe Angst, dass sie wieder etwas beginnen und mir dann sagen: wegen der Kinder haben wir uns wieder zusammengerauft. Ich mag es nicht, wenn sie häufig von ihm erzählt …
Dies sind drei Beispiele einer ganz normalen Eifersucht, wie sie die meisten Menschen kennen. Nach einer von mir durchgeführten Umfrage leiden 80 Prozent der Deutschen unter Eifersuchtsgefühlen.1
- 22 Prozent haben schon einmal im Handy des Partners/der Partnerin spioniert.
- 12 Prozent haben sogar die E-Mails des Partners kontrolliert.
- 11 Prozent der Deutschen sagen über sich selbst, dass sie massiv eifersüchtig sind. Wiederholt haben Sie dem Partner eine heftige Szene gemacht.
- Nur 18 Prozent der Deutschen sind überzeugt, dass sie nie eifersüchtig sind.
Man darf wieder eifersüchtig sein
Die Eifersucht ist also sehr weit verbreitet. Und sie gehört zu jenen Gefühlen, die unser Leben massiv beeinträchtigen können. Vielleicht kennen Sie auch diese Gefühle, die mir eine Patientin schilderte:
»Manchmal denke ich, ich habe einen kleinen Teufel im Ohr. Er flüstert mir zu, dass ich meinem Mann nicht vertrauen darf. Er kommt später aus dem Büro und ich denke sofort: er hat eine andere. Blödsinn – sage ich mir dann. Und dann schweigt dieser kleine Teufel eine Weile. Doch dann fallen mir Situationen ein, in denen mein Mann wie abwesend war. Dann denke ich wieder: Ob er nicht doch in Wirklichkeit eine Geliebte hat? Warum schläft er so selten mit mir? Ist er wirklich mit mir glücklich?« Diese Gefühle beschäftigen die Patientin immer wieder, mal sind sie stärker, dann wieder schwächer. Doch sie verstummen nie ganz und rauben ihr die Lebensfreude.
So geht es auch einer sehr lebensklugen 45-jährigen Frau, die mich vor einigen Jahren fragte: »Wie kann ich meine Eifersucht überwinden? Ich mache mir das Leben unnötig schwer. Er ist schon ein flirtender Typ. Er ist sehr attraktiv und das merken sicher auch andere Frauen. Aber er ist treu – warum bin ich so eifersüchtig?« Um dies Problem zu lösen, stellte ich ihr zunächst viele Fragen. Denn jede Eifersucht ist etwas anders, »die« Eifersucht gibt es nicht. Aber es gibt sehr typische Formen der Eifersucht, und ich habe in den letzten dreißig Jahren eine Therapie der Eifersucht entwickelt, die ich Ihnen vermitteln möchte. Ich würde Sie daher gern auf eine Forschungsreise mitnehmen, damit Sie die eigene Eifersucht erkennen und überwinden können. Denn Sie haben als Leser/Leserin sicher drei Gründe, dieses Buch zu lesen:
- entweder sind Sie selbst eifersüchtig,
- oder Ihr Partner/Ihre Partnerin leidet unter Eifersuchtsgefühlen,
- oder eine gute Freundin oder eines ihrer Kinder ist eifersüchtig.
Auf jeden Fall sind Sie an einer Frage interessiert: Wie überwindet man die Eifersucht? Und dabei will ich Ihnen helfen, denn die Eifersucht ist eines der schrecklichsten Gefühle, die uns plagen können. Im Mittelalter sagte man, Eifersuchtsgefühle seien schlimmer als Zahnschmerzen, und in einem irischen Sprichwort heißt es, die Eifersucht sei eine Nacht, in der keine Sterne leuchten. Die Eifersucht zerstört unsere innere Gelassenheit, oft stürzen wir in Gefühle der Verzweiflung, weil wir das infrage stellen, was uns wichtig ist: die Liebe unseres Partners.
Wie also können wir diese Eifersucht überwinden, unsere Gelassenheit finden, selbstbewusster werden und den Partner lieben? Leicht ist dies nicht, denn wir müssen uns zunächst eingestehen, dass wir eifersüchtig sind. Oft verdrängen wir die Eifersucht, da uns dieses Eingeständnis schwer fällt. Vor einigen Wochen erzählte mir eine junge Frau zögernd in einer Therapiestunde: »Ich habe eine furchtbare Eigenschaft: ich bin eifersüchtig. Kürzlich haben wir auf dem Markt die Ex-Freundin meines Partners getroffen und sie schickte anschließend eine SMS. Das beschäftigte mich dann sehr. Früher habe ich auf so etwas mit Schweigen reagiert, ich zog mich zurück. Mein Partner sagte oft, ich sei bockig. Doch nun will ich das überwinden, ich will reden.« Ich begrüßte diesen Vorsatz sehr und war zugleich erstaunt. Die Patientin hatte mir bereits viel über Ängste, Partnerschaftsschwierigkeiten, über peinliche Situationen erzählt. Doch die Eifersuchtsgefühle hatte sie bisher verschwiegen. »Ich habe mich geschämt«, erklärte sie mir.
Wir müssen also zunächst lernen, die Eifersucht zu akzeptieren. Dies ist der erste Schritt zur Heilung. Denn die starke Eifersucht ist tatsächlich eine Sucht, die wir nur dann überwinden können, wenn wir sie nicht verdrängen. Eine esoterisch orientierte Freundin sagte mir, man müsse die Eifersucht »liebevoll umarmen«. Das heißt nichts anderes, als dass wir lernen müssen, auch mit jenen Schwächen umzugehen, die wir selbst als problematisch empfinden. Und dazu müssen wir insbesondere die Schamproblematik durchdringen, die uns den unbeschwerten Zugang zur Eifersucht verstellt.
Die Überwindung der Scham
Es ist immer ein Zeichen großen Vertrauens, wenn wir anderen unsere Eifersucht eingestehen. Falls Sie sich an eigene Eifersuchtsgefühle erinnern – könnten Sie diese genau beschreiben? Wann haben diese begonnen, in welchen Situationen sind Sie eifersüchtig. Weiß Ihr Partner davon, dass Sie eifersüchtig sind? Und haben Sie es der besten Freundin erzählt? Wahrscheinlich sind Ihnen diese Eifersuchtsgefühle eher peinlich, und dafür habe ich großes Verständnis. Wer gelegentlich den Partner kontrolliert, immer wieder Zweifel hat und misstrauisch ist, fühlt sich nie wohl damit. Er empfindet sich irgendwie als kleinlich, als wäre er nicht großzügig genug, dem Partner ein wenig Liebe (außerhalb der eigenen Bindung) zu gönnen. Und zumindest die massive Eifersucht ist doch wirklich ein schreckliches Gefühl, das an Krankheit grenzt.
Tatsächlich ist die Trauer ehrwürdiger, der Zorn anerkannter, die Wut ist großartiger. Aber die Eifersucht ist quälend, weil man so sehr von einem anderen Menschen abhängig ist. Kurzum: Eifersucht ist nie ein schönes Gefühl. Es ist ja die große Angst, dass uns ein anderer vorgezogen wird. Dahinter stecken in aller Regel Kleinheitsgefühle. Man hat Angst, austauschbar zu sein und fühlt sich wie ein kleines, unsicheres Kind. Erwachsen wirkt dies jedenfalls nicht. »Ich bin unruhig, habe irgendwie immer ein angespanntes Gefühl in der Magengrube. Gleichzeitig fühle ich, dass ich ungerecht, kleinlich, dass ich zickig bin«, sagte mir eine Patientin. Ich konnte sie verstehen, denn mit der Eifersucht ist man weit entfernt von jenem charmanten, verführerischen Verhalten, das man sich wünscht. Und man fragt sich manchmal: Wie soll denn der Partner auf dieses »Häuflein Elend« eingehen, wie soll er uns lieben, wenn er vorher von uns massiv beschuldigt wurde? Oft verhalten wir uns doch wie die Kriminalpolizei. Wir sind nicht nur aufmerksam, sondern haben einen festen Verdacht und spionieren, spähen das Leben des Partners aus und verhalten uns misstrauisch-gereizt.
Und so leiden wir nicht nur selbst unter den Eifersuchtsgefühlen. Wir haben auch den Eindruck, dass wir dem Partner das Leben schwer machen. Und wir leiden auch darunter, dass die Eifersucht gesellschaftlich lange wenig akzeptiert war. In Filmen und auf der Bühne wurde die Eifersucht lächerlich gemacht und während der Studentenbewegung wollte man sie gleich ganz abschaffen. Das war eine radikale Antwort auf das Familienmodell der Nachkriegszeit, die vor allem die Funktion hatte, gemeinsam die Not zu bewältigen und einen Schutz gegenüber einer unsicheren Welt zu gewährleisten. Das Modell »Festung« war das typische Muster dieser Familien. Folgerichtig schottete man sich nach außen ab und blieb auch zusammen, wenn man sich überhaupt nicht mehr verstand. Man unternahm kaum etwas allein. Doch es gab trotzdem Versuchungssituationen. Sprichwörtlich war und ist der Kurschatten, der einen der Ehepartner wieder aufblühen ließ. Die Betrogenen waren natürlich extrem wütend, wenn eine solche Geschichte entdeckt wurde. Sie sahen das Kernproblem nicht in der unlebendigen Ehe, sondern im Seitensprung. Eines begriff man seinerzeit nicht: dass jede Ehe auch Freiheit braucht, auch Anregungen von außen. Dass Freundschaften eine Ehe beleben, dass die frische Luft solcher Bindungen wichtig ist für eine Ehe. Ende der sechziger Jahre passierte nun das gleiche wie in der Natur. Weil sich eine ganze Gesellschaft jahrzehntelang gegen notwendige Veränderungen gewehrt hatte, gab es ein Erdbeben. Die Spannungen entluden sich und fegten die alten Normen fort, die jetzt nicht mehr gelten sollten. Alle Bindungen wurden infrage gestellt, man suchte die totale Freiheit – auch in der Erotik. Nichts sollte mehr einengen, nichts uns verpflichten. Man schüttete wieder einmal das Kind mit dem Bade aus, übertrieb maßlos. Plötzlich war Treue nicht mehr zeitgemäß, Eifersucht störte nur noch. Zwar gab es durchaus Vertreter der Studentenbewegung, die treu waren. Rudi Dutschke heiratete heimlich. Aber Sartre und Beauvoir waren jenes Paar, das uns beispielhaft vorlebte, dass man auch in der Sexualität großzügig und freizügig sein konnte. Umso erschütterter waren wir, als wir von den Eifersuchtsdramen der Simone de Beauvoir lesen mussten. Sie hatte sich immer mit den Liebesaffären Sartres arrangiert. Doch schließlich erkrankte sie schwer und schrieb einer Freundin: »Wenn A mit B etwas erlebt, und B erlebt das gleiche mit Z, wird sich A verständlicherweise ausgeschlossen fühlen; etwas Gemeinsames zerbricht, etwas Unersetzliches, das er mit B erlebt hat, wird zerstört.«2
Diese Einschätzung von Simone de Beauvoir war eine Sensation. Denn im Allgemeinen wurde Eifersucht in den letzten Jahrzehnten abgewertet. Der Eifersüchtige galt als liebesunfähig. Man war überzeugt: Wer wirklich liebt ist nicht eifersüchtig. Und man hatte Angst vor den Affekten des Eifersüchtigen. Denn oft schadet er dem Partner und bringt ihn manchmal sogar im Affekt um. Tatsächlich werden ein Viertel aller Morde aus Eifersucht verübt, wobei Männer bei 90 Prozent aller Partnertötungen die Täter sind. Und Männer bringen dann eher den Rivalen um, während Frauen ihren Mann töten. Die Eifersucht ist also manchmal so mörderisch, dass man überzeugt sein könnte, es würde sich hierbei mehr um eine Selbstliebe handeln. Der Menschenkenner La Rochefoucauld verurteilte daher die Eifersucht als die schlimmste aller Leidenschaften. Sie habe kein Erbarmen mit dem, den sie zu lieben vorgibt. Tatsächlich ist Eifersucht oft destruktiv, sie ist die dunkle Seite der Liebe. Dies wird schon bei der Herkunft des Wortes Eifersucht deutlich. »Eiver« kommt aus dem althochdeutschen und bedeutet: das Herbe, das Bittere. Und »suht« bedeutet: Krankheit, Seuche. Eifersucht muss früher vor allem in kleinen Gemeinschaften als eine enorme Störung des sozialen Friedens angesehen worden sein. Doch heutzutage sollten wir souveräner mit der Eifersucht umgehen. Wir sollten stark genug sein, auch den Dämon Eifersucht zu bändigen.
Die kleine Schwester der Treue
Glücklicherweise können wir heute wieder offener über Eifersucht sprechen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Treue von vielen Menschen wieder als sehr wichtig angesehen wird. Wir leben in unsicheren Zeiten, in denen der Partner bedeutender wird und die Treue an Wert gewinnt. Und wer sich zur Treue bekennt, bejaht immer die Eifersucht. Denn die Eifersucht ist die kleine Schwester der Treue. Wie man zur Eifersucht steht, hängt immer auch davon ab, wie wir die Treue bewerten. Ich selbst bin überzeugt, dass die Treue wichtig ist. Wir müssen soziale Wurzeln haben, damit wir uns im Leben sicher und geborgen fühlen. Wir müssen insbesondere dem Partner vertrauen können und die Gewissheit haben: Er ist der Mittelpunkt meines Lebens. Vieles können wir nicht kontrollieren, oft ist das Leben tragisch: Wir werden von schweren Krankheiten heimgesucht, leiden oft unter großen Unsicherheitsgefühlen, der Arbeitsplatz ist bedroht. Deshalb sollte der Partner jener Mensch sein, auf den man sich verlassen kann. Natürlich gibt es auch in einer Liebesbeziehung Konflikte, Probleme, Streitigkeiten. Aber es gehört dennoch für mich zu einer Liebesbeziehung, dass wir spüren: uns verbindet ein besonderes Band der Nähe.
In unserer Zeit darf man wieder über seine Eifersucht sprechen, sie ernst nehmen. Sie ist heute einigermaßen rehabilitiert. Nach meiner Umfrage gehören für 80 Prozent der Befragten Liebe und Eifersucht untrennbar zusammen. In diesem Sinne ist die Eifersucht normal. Dies jedenfalls war die Überzeugung von Sigmund Freud, er hielt die Eifersucht für einen ganz normalen Gefühlszustand. Er betonte, man würde ein gewisses Maß an Eifersucht im Alltagsleben sogar als wünschenswert ansehen. Denn zur Eifersucht gehört doch immer eine große Empfindungsfähigkeit, man hört gleichsam das Gras wachsen, und Sigmund Freud meinte sogar, der Eifersüchtige habe eine außerordentliche Sensibilität für das Unbewusste des Partners. Dies traf auch auf Freud selbst zu, er spürte sofort, wenn ihm seine Verlobte etwas verschwieg. Doch ihre Zurückhaltung stellte sich oft als normale Magenstörung heraus.
Eifersucht als Warnsignal
Aber auch wenn die Eifersucht oft übertrieben sein mag: Ich kann mir Liebe ohne Eifersucht nicht vorstellen. Deshalb stimme ich einer Aussage in dem Roman »Mitjas Liebe« von Bunin zu, wo es heißt: »Wer nicht eifersüchtig ist, der liebt meiner Meinung nach auch nicht.« Denn die Eifersucht ist ein Warnsignal der Liebe. Deshalb meinte der französische Schriftsteller Balzac: »Nichts ist gesünder und geheiligter als Eifersucht.« Und er fährt fort, die Eifersucht sei eine Schildwache, die niemals schläft, sie sei eine wahrhaftige Warnung. Die Eifersucht soll uns also davor warnen, dass die Liebe bedroht sein könnte. Sie zeigt uns, dass eine Gefährdung der Beziehung vorliegt. Dass wir uns in der Partnerschaft zu weit voneinander entfernt haben. Die normale Eifersucht sagt uns also: »Du bist so weit weg, hier stimmt etwas nicht, du solltest das ändern, sonst reißt das Band der Nähe.« Insofern ist die Eifersucht eine positive Fähigkeit. Es weist oft auf ein Erkalten der Liebe hin, wenn man nicht eifersüchtig ist. Und schon der Kirchenlehrer Augustinus meinte: »Wer nicht eifersüchtig ist, der liebt nicht.«
Die Eifersucht ist also ein Warnsignal. Hätten wir diese Möglichkeit nicht, würden wir ahnungslos leben, und die Liebe könnte verlorengehen. Denn es gibt immer wieder Versuchungssituationen, in denen der Partner von mir abrücken kann. Immer kann es in einer Partnerschaft zu Situationen kommen, in denen das Band der Nähe etwas dünner wird. Das kann für die Beziehung gefährlich werden. Wir wissen, dass über 20 Prozent aller Beziehungen durch ein »Wildern« zustande kommen. Alleinstehende Personen jagen einem Ehemann die schöne Frau, einer Ehefrau den attraktiven Mann ab. Und das wissen wir alle instinktiv und reagieren empfindlich auf solche Wilderer. Und wir setzen Stoppsignale. Wenn der eigene Mann zu sehr flirtet, kommt die Frau fast zufällig vorbei, schnippt die Fussel von seinem Anzug und macht deutlich, dass sie die Ehefrau ist. Und wenn dies nicht reicht, fragt sie nach: wann gehen wir nach Hause? Wirkungsvoll ist auch die Frage, ob er seine Herztropfen schon genommen hat. So verteidigt man sein Revier, die »Eigentumsrechte« werden verdeutlicht. Solche Interventionen sind wichtig, weil sie am Beginn einer Liebesbeziehung durchaus erfolgreich sein können. Reagiert die Frau auf das Flirtverhalten gar nicht, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass der innere Draht zum Partner verlorengegangen ist.
Eifersucht als Frühwarnsystem
Die Eifersucht ist also ein sinnvolles Alarmsystem. Und solche Alarmsysteme gibt es überall, wenn uns etwas wichtig ist. Alarmanlagen schützen unser Geld in der Bank, unser Internetzugang wird durch Antivirenprogramme kontrolliert, Rauchmelder sollen verhindern, dass wir nachts ersticken, wenn es brennt. Und auch die Eifersucht ist ein solches sinnvolles Alarmsystem. Denn wie würde es Ihnen gehen, wenn ihr Partner nie eifersüchtig wäre? Sie erzählen von anderen Männern und er reagiert völlig ungerührt. Dann wissen Sie, dass er das Interesse an Ihnen verloren hat.
Die Eifersucht ist ein Liebesbeweis und grundsätzlich wichtig, weil sie uns oft sehr frühzeitig auf Bedrohungen der Liebe hinweist. Gerade am Beginn einer Partnerschaft ist es oft ein Fehler, wenn wir zu kompromissfähig sind. Sonst geht es uns so wie der 60-jährigen Frau, die von ihrem Mann folgende Phantasie hörte: »Ich habe den Tagtraum, dass ich zusammen mit einer Frau Cello spiele, die nackt ist. Und nach dem Konzert gehen wir zusammen hinter die Bühne und vergnügen uns.« Nun ist diese Phantasie uralt, sie wurde in zahlreichen Filmen und Kunstwerken umgesetzt und man mag sich fragen: was ist dabei? Aber es ist ein Testfall. Die Festigkeit des Nähe-Vertrags und die Wehrhaftigkeit der Partnerin werden geprüft. Sie sagte nichts, er flirtete tatsächlich zunehmend mit Frauen, ging schließlich fremd. So entstanden »Gewohnheitsrechte« und er reagierte sehr verstimmt, als sie ihn nach vielen Jahren zur Treue verpflichten wollte.
Eifersucht als Stoppsignal
Die Eifersucht hat vor allem eine Bedeutung: Sie ist ein Stoppsignal, um die Liebe zu retten. Deshalb wird die Eifersucht auch als positiv angesehen. Allerdings dürfen solche Eifersuchtsregungen nicht zu destruktiv sein. Fast alle Menschen sind überzeugt, dass Eifersucht auch nerven kann. Doch wir akzeptieren die Eifersucht vor allem dann, wenn sie ein Stoppsignal beinhaltet. Vorsicht, du hast die Grenzen bereits überschritten – das ist die Botschaft dieser Mitteilung. So jedenfalls empfand eine junge Lehrerin ihre Affekte, als sie mit ihrem Partner auf einem Kongress war. »Eine seiner jüngeren Kolleginnen schwärmte ihn an. Sie flirtete unverhohlen mit ihm, obgleich ich neben ihm stand. Sie machte ihm schöne Augen, übersah mich geflissentlich. Ich habe dann meinen Partner von ihr weggezerrt und habe ihm deutlich gemacht, dass mir das nicht gefällt.« Diese Eifersucht ist notwendig und sinnvoll, denn eine Beziehung kann beschädigt werden, wenn der Partner ungehindert mit einer anderen Frau/einem Mann flirtet. Das muss nicht von ihm ausgehen, es reicht aus, wenn er dies zulässt, wenn er mitmacht.
Sie rief auch am Wochenende an
Nun handelt es sich oftmals noch nicht einmal um einen erotischen Flirt, sondern um eine aktive Beziehungsaufnahme, die weit über die Grenzen einer Freundschaft hinausgeht. Das zeigt unser zweites Bespiel, das mir die Frau eines Unternehmers mitteilte: »Mein Mann hatte eine neue Sekretärin eingestellt, die sich sehr um ihn kümmerte. Man muss wissen, dass mein Mann immer bis spät in die Nacht hinein arbeitet. Also ging sie gelegentlich auch für ihn einkaufen. Aber als sie ihm Hemden kaufte, wurde ich unruhig. Doch die Alarmglocken läuteten, als sie dann auch am Wochenende bei uns anrief und sich erkundigte, wie es ihm ginge. Da bat ich sie um ein Gespräch und sagt ihr ganz klar, er sei mein Mann.«
Solche Stoppsignale haben eine wichtige Funktion. Sie verhindern, dass eine möglicherweise verhängnisvolle Auflösung der Grenzen der Beziehung beginnt. Jede Partnerschaft ist ein inneres Abkommen, das auf der Grundlage einer tiefen Wertschätzung auch gewisse Regeln und Normen enthält. Wir sind uns meist darüber einig, dass man nicht übermäßig mit anderen flirtet, keine Seitensprünge begeht, nicht untreu ist. Die Erotik ist der Partnerschaft vorbehalten. Doch manchmal »juckt uns das Fell«. Dann testen wir Grenzen aus, sind übermütig und schauen gespannt, wie die Partnerin, der Partner darauf reagiert. Dies passiert nicht nur geltungssüchtigen Männern, obgleich diese besonders gern fremdflirten. Auch Frauen testen gelegentlich, ob ihr Partner Grenzen setzen kann und ein richtiger Mann ist.
Wenn man hier kein Stoppsignal setzt, hat dies verhängnisvolle Auswirkungen. Das ist so, als würden Sie das Dach nicht reparieren lassen, es regnet durch, die Mauern werden feucht, schließlich ist das Haus ein Sanierungsfall. Mir fällt bei vielen sehr schwierigen Ehekrisen auf, dass es anfänglich solche Testsituationen gab, auf welche die Ehefrau nicht reagierte. So nahm eine sehr lebendige Beamtin das Fremdflirten ihres Mannes zunächst nicht so ernst, sie wollte ihn nicht einengen, weil es durchaus immer wieder zu Situationen verlässlicher Nähe kam. Doch so wie langsam eine durchfeuchtete Böschung abrutschen kann, nahm das Verhängnis seinen Lauf: »Erst merkte ich nur, dass er gern mit anderen Frauen flirtete. Saß ich mit ihm im Restaurant, schaute er sich immer um, als wäre er eine Radarantenne. Ich liebte ihn trotzdem, er war so ein jungenhafter Typ und wir begannen eine Partnerschaft. Das ging eine Weile gut, dann merkte ich, wie er aktiv mit Frauen flirtete, sie richtig anbaggerte. Schließlich kam Stufe drei: Er sprach gelegentlich davon, dass er gern was mit anderen Frauen hätte, er würde gern mit ihnen schlafen. Heute frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich schneller reagiert hätte. Aber ich wollte ihm immer seine Freiheit lassen …« – so die 54-jährige Beamtin, die wegen ihrer Eifersuchtsgefühle kaum schlafen kann.
Besonders häufig ist natürlich das Fremdflirten, wenn die eigene Beziehung in einer Krise steckt. Nach vielen Konflikten und seelischen Verletzungen haben sich beide zurückgezogen, Erotik findet kaum noch statt, und nun ist ein Partner innerlich auf der Suche. Das kann uns doch nicht gleichgültig lassen. Darauf müssen wir doch sowohl einfühlsam, aber auch entschlossen reagieren. Wir müssen dem Partner zeigen, dass wir weiter an der Beziehung interessiert sind, sein Fremdflirten aber nicht akzeptieren. Kurzum: wir müssen geschickt handeln.
Die Empfindlichkeit der Warnmelder
Der erfolgreiche Umgang mit der Eifersucht setzt also voraus, dass wir angemessen reagieren können. Doch dazu müssen die Alarmmelder der Eifersucht nicht zu empfindlich eingestellt sein, weil sie sonst auch dann einen Alarm auslösen, wenn keine Gefahr droht. Sehr drastisch wurde mir dies vor Augen geführt, als ich Lehrling in einem großen Betrieb war, der Telefone herstellte. Man hatte dort in der Nachkriegszeit einen Erschütterungsmelder für einen alten Tresor gebaut. Die Lohngelder sollten vor einem Einbruch geschützt werden, und so war dieser Alarm recht empfindlich eingestellt. Doch dies führte dazu, dass bereits die Erschütterungen eines vorbeifahrenden Lastwagens zum Alarm führten, so dass die Polizei häufig mit Blaulicht vor der Tür stand. Solche Einsätze kosteten jedes Mal 100 DM, so dass wir mitunter schon ins Schwitzen kamen, wenn wir nur einen Lastwagen hörten. Ähnlich ist es mit der massiven Eifersucht: Hier besteht eine so starke Empfindlichkeit, dass der Eifersüchtige kaum spüren kann, ob wirklich eine Bedrohung der Beziehung vorliegt.
Die verschiedenen Formen der Eifersucht
Wir sehen also, dass die Eifersucht bei einem sehr früh, bei einem anderen eher spät ausgelöst wird. Denn es gibt sehr verschiedene Formen der Eifersucht. Es gibt die milde Eifersucht, die fast jeder kennt. Es gibt die mittlere Eifersucht und die massive Eifersucht, die wir als Dämon erleben. Aber auch die fehlende Eifersucht kann ein massives Problem darstellen. Damit Sie den Grad Ihrer Eifersucht etwas besser einschätzen können, würde ich Ihnen gern einige Fragen stellen:
Frage 1: Ihr Partner/in flirtet etwas auf einer Einladung. Kein Kuss, keine Zärtlichkeiten, aber er »äugelt«. Was tun Sie:
a) Ich denke – warum nicht.
b) Ich mache ihm eine Szene und drohe mit Trennung.
c) Ich fordere ihn zum Tanz auf.
Frage 2: Ihr Partner will mit einer Freundin – die er schon lange kennt – eine Radtour machen
a) Er kann doch tun und lassen, was er will.
b) Ich bin instinktiv dagegen.
c) Ich erkundige mich nach der Freundin, will sie sehen und spüre, das ist keine Bedrohung.
Frage 3: Ihr Partner erzählt von seiner Exfreundin – wie gehen Sie damit um?
a) Das ist mir alles zu intim. Das will ich nicht wissen.
b) Ich will genau wissen, wie seine früheren Frauen waren.
c) Er kann alles erzählen, aber über die Erotik sollte er schweigen.
Frage 4: Würden Sie es merken, wenn Ihr Partner fremdgeht?
a) Leben und leben lassen, was er heimlich macht ist seine Sache. Darüber denke ich nicht nach.
b) Ja – ich merke schon, wenn er sich zu sehr mit anderen Frauen beschäftigt. Und notfalls lese ich heimlich seine E-Mails.
c) Das spürt man doch … irgendwie ist dann die Nähe zwischen uns gestört. Es ist eine »Funkstörung«.
Frage 5: Sind Sie treu?
a) Nein – warum sollte ich treu sein?
b) Grundsätzlich schon, aber vor einem Jahr verliebte ich mich und erlebte einen Seitensprung.
c) Ja.
Frage 6: Ihr/e Partner/in wird von einem/r Unbekannten angerufen
a) Da mische ich mich nicht ein. Ich will ja auch nicht gefragt werden.
b) Ich mache ihm Vorwürfe, dass er mit einer Fremden telefoniert.
c) Ich frage nach, wer das ist?
Frage 7: Ihr Partner ruft von einer Geschäftsreise an und sagt, er müsse in einer fremden Stadt übernachten. Glauben Sie ihm?
a) Er übernachtet regelmäßig allein.
b) Ich rufe zwei Stunden später noch mal an und prüfe, ob er allein ist.
c) Ja, ich vertraue ihm vollständig, wir lieben uns. Ich spüre, dass ich ihm vertrauen kann.
Frage 8: Wann haben Sie Ihrem Partner gesagt, dass Sie ihn lieben?
a) Vor über einem Jahr
b) Vor einem Monat
c) Letzte Woche
Frage 9: Wenn Ihr Partner schon drei Wochen nicht mit Ihnen geschlafen hat …
a) … ist er vermutlich sehr erschöpft,
b) … schläft er vermutlich mit einer anderen Frau,
c) … sollte ich ihn wieder erotisch massieren.
Frage 10: Ihr Partner liest morgens die Zeitung ausführlich
a) Soll er doch, dann gehe ich mit dem Hund raus.
b) Ich bin eifersüchtig, er soll sich mit mir unterhalten.
c) Ich lese auch Zeitung.
Der Fragebogen soll kein klassischer Test sein, der meist leicht zu durchschauen ist. Er soll Sie vielmehr zum Nachdenken anregen, und wenn Sie mutig sind, können Sie diese Fragen auch gemeinsam mit Ihrem Partner beantworten. Und wenn Sie im Wesentlichen Antworten der Kategorie c angekreuzt haben, wird ihre Eifersucht eher gering sein. Wesentlich stärker sind ihre Eifersuchtsgefühle, wenn Sie sich mehrheitlich in der Kategorie b wiedergefunden haben. Doch wer hauptsächlich a angekreuzt hat, verdrängt vermutlich seine Eifersucht.
Für diese unterschiedlichen Formen der Eifersucht habe ich eine Therapie entwickelt. Sie beruht darauf, dass der Eifersüchtige selbstbewusster wird und genauer erkennt, was sich in ihm abspielt. Er soll seine Kindheit genauer verstehen und den Mut haben, sein Leben zu entwickeln. Er soll aber auch in der Lage sein zu begreifen, welche Rolle die Partnerschaft spielt. Dadurch kann er lernen, sinnvoll mit der Eifersucht umzugehen. Schließlich geht es uns darum, den Partner zu gewinnen, zu behalten, ihn zu lieben. Wir wollen, dass er glücklich ist, dass er sich bei uns wohlfühlt, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass er bei uns bleibt.
Ich will Ihnen zunächst die milde Eifersucht vorstellen. Die Erkenntnisse, die wir hierbei gewinnen, sind für alle Formen der Eifersucht wichtig. Das Buch ist wie eine Pyramide aufgebaut. Ausgehend von den Erkenntnissen, die für die milde Eifersucht gelten, beschreibe ich dann die spezifischen Probleme, die es bei der mittleren und der massiven Eifersucht gibt. Doch egal welcher Eifersuchtstyp Sie sind: Sie lernen bei allen Ausführungen viel über sich und die Bewältigung der Eifersucht. Lesen Sie also bitte das ganze Buch!