Kapitel 15
Der Pass
Obwohl es erst kurz nach vier Uhr war, stand die Nachtmittagssonne schon tief am Himmel und verschwand teilweise bereits hinter Berggipfeln. Das Panorama der Alpen beeindruckte Stefan nach wie vor. Er war in seinem Leben bisher noch nicht oft in den Bergen. Wenn, dann hatte er sie in der Regel nur aus dem Fenster eines Flugzeugs gesehen.
Am Straßenrand lag seit einer Weile wieder Schnee. Die Berge und der Schnee ließen ihn ans Skifahren denken. Er hatte es nie probiert und allein deshalb hatte er das Gefühl, doch etwas verpasst zu haben. Wenn er nur lange genug suchen würde, ließ sich bestimmt irgendwo eine Skiausrüstung auftreiben. Er müsste vermutlich dessen Besitzer köpfen, jeden Berg zu Fuß bezwingen und sollte er sich den Fuß brechen, wäre er wohl dem Tode näher als dem Leben. Aber es wäre möglich, noch immer. Vieles hingegen nicht mehr.
Er trauerte den Annehmlichkeiten seines früheren Lebens hinterher. Solche Momente hatte er hin und wieder. In der Regel dann, wenn er auf etwas bestimmtes Lust hatte. Oreos, Pringles, oder ganz einfach Gummibären. Er vermisste auch den Moment, sich ins Bett zwingen zu müssen, nachdem er fünf Episoden einer guten Serie in folge angesehen hatte und noch immer Lust auf weitere hatte. Oder den Moment, wenn er die Plastikfolie eines lang erwarteten Videospiels aufriss und es zum ersten Mal in seine Konsole einlegte. Alltägliches eben. Eines vermisste er jedoch am meisten. Das Abhängen mit Marty. Im Sommer in der Stadt herumgammeln, jungen Mädels hinterhersehen um dabei eine Halbe nach der anderen wegzuknallen. Er verlängerte die Liste in Gedanken noch eine ganze Weile weiter, dann schnaufte er wehmütig.
„Hachja, dafür ist jetzt immerhin alles intensiver.“
„Bitte was?“, fragte Liz, die natürlich keine Ahnung hatte, was Stefan meinte. Nach der letzten Pause war sie zu ihm in den Wagen gestiegen. Bastian saß dafür bei Helge.
„Sorry, war in Gedanken und hatte nen Nostalgischen“, antwortete Stefan, der das Lenkrad des Amarok bequem mit einer Hand an der unteren Hälfte festhielt.
„Ja, kommt vor. Wird sicher nicht das letzte Mal sein. Ich denke fast jeden Tag an eine heiße Dusche.“
„Vielleicht duschen wir ja bald auf Gorgona im Freien und sind froh, wenn das Wasser nicht ganz so warm ist“, sagte Stefan und zwinkerte Liz dabei zu.
„Oh Gott ja. Das wäre so geil. In der Sonne sitzen, aufs Meer hinausschauen und einen dieser teuren Weine süffeln, von denen Helge erzählt hat.“
„Jap, da könnte ich mich auch dran gewöhnen.“
Im Wagen herrschte einen Augenblick lang Stille.
„Früher hatte alles irgendwie einen Sinn“, sagte Liz. „Schule, Beruf, Familie, Rente. Jetzt geht es nur noch ums Überleben. Von heute auf morgen und von morgen auf übermorgen. Das ist so krass.“
Es war nicht so, dass sie diese Art von Gespräch zum ersten Mal führten. Stefan war jedoch in der passenden Stimmung dafür.
„Ja, genau das meinte ich mit intensiver. Jeder scheiß Moment, könnte der Letzte sein. Aber war es nicht das, nach dem sich der Mensch früher sehnte? Abenteuer? Mehr Freizeit? Aus diesem Trott ausbrechen? Das haben wir jetzt. Man will halt immer das, was man gerade nicht hat, oder?“
„Naja, also die Zombieapokalypse hat sich wohl niemand wirklich gewünscht, du Held.“
„Schon klar. Jetzt schauen wir erst mal, dass wir sicher nach Gorgona kommen und dann sehen wir weiter“, antwortete Stefan.
„Vielleicht gibt es ja doch noch irgendwo eine ganze Stadt. Der Gedanke mit Malta hat sich interessant angehört.“
„Hast du Land of the Dead gesehen?“, fragte Stefan.
„Nee, ich hab es nicht so mit Filmen. Das weißt du doch. Ein guter Film?“
„Naja, gibt schon bessere Zombiefilme. Aber lustigerweise ist das genau das Thema des Films. Die Überlebenden schaffen es, einen Teil einer Stadt rechtzeitig abzuriegeln. In dem abgeschotteten Teil befindet sich ein großer Wolkenkratzer und es passiert, was abzusehen war. Es bilden sich zwei Gruppen. Die, die schon vorher Geld hatten und mächtig waren, und die, die außerhalb des Wolkenkratzers in einem Slum hausen. Wenn es also irgendwo eine ganze Stadt gibt, bin ich mir nicht sicher, ob es dort so lebenswert wäre.“
„Hmmm. Vielleicht nicht, vielleicht aber doch. Wahrscheinlich finden wir es sowieso nie heraus. Ich meine, das ist ja nur ein Film.“
Die zweispurige Autobahn führte sie immer weiter in eine schneebedeckte Landschaft. Sie näherten sich dem San Bernardino Tunnel und das Geschwindigkeitslimit wurde auf einhundert Stundenkilometer herabgesetzt. Stefan störte das nicht. Helge hatte es mit seinen achtzig sowieso nicht eilig. Die Wracks an der Straße mehrten sich wieder. Teilweise bedeckte sie noch der Schnee, so dass sie kaum mehr als Fahrzeug zu erkennen waren. Stefan prüfte die Temperatur. Es hatte mittlerweile gerade mal drei Grad Celsius. Helge wich den Wracks gekonnt aus. Stefan tat es ihm gleich, während sie ein kleines Dorf namens Hinterrhein passierten und stellte sich vor, was auf den elektronischen Anzeigen über der Straße zu lesen wäre, falls sie noch funktionieren würden.
Vorsicht. Untote in großen Mengen auf der Fahrbahn. Bitte mit hoher Geschwindigkeit überfahren.
Die Autobahn lag inmitten eines Tals.
Kahle, verschneite Talsohlen zogen sich den Berg hinauf und
mündeten in felsiges Gestein, weit über ihnen.
Stefan ließ die lange Kurve problemlos hinter sich und konnte die
Röhre im Hintergrund, die durch den Berg führte, fast erahnen. Er
kannte den Tunnel und durchfuhr ihn zuletzt vor über zehn Jahren,
als er mit seiner damaligen Freundin und seinem ersten eigenen Auto
in den Urlaub nach Italien fuhr. Das Navi würde ihn nur allzu gern
wieder hindurch leiten. An einer freien Stelle bremste Helge
allerdings rüde ab und stieg aus seinem Wagen. Stefan blieb neben
ihm stehen und stieg ebenfalls aus. Beide Männer froren und standen
sich mit den Händen in ihren Hosentaschen gegenüber.
„Das es hier oben noch so kalt ist, hätte ich nicht gedacht“, stellte Helge erstaunt fest und schüttelte sich demonstrativ.
„Ja, alter Schwede. Brrrrrrr, sag ich nur. Wir sind uns einig, dass wir den Pass nehmen, oder?“, erwiderte Stefan.
„Logisch, der Tunnel ist doch eh dicht, sieh mal!“
Stefan sah zum Tunnel und bemerkte nun auch den Stau, der hinter der nächsten Kurve begann und sich scheinbar bis hin zum Tunneleingang zog.
„Wenn es nicht so kalt wäre, könnte man meinen, es wäre Sommer und alle auf dem Weg in den Urlaub.“
Beim Anblick des Staus lief es Stefan mal wieder eiskalt den Rücken herunter. Er musste an den langen U-Bahn-Tunnel denken, den Marty und er nutzten, um aus Stuttgart heraus zu kommen. Dieser war schon lang, aber der San Bernardino Tunnel übertraf ihn mit eine Länge von fast sieben Kilometern um ein Vielfaches. Viel Raum für Untote jeder Art.
„Ja komm, dann lass uns umdrehen und den Pass in Angriff nehmen. Die Auffahrt war dort hinten“, erwiderte Helge und zeigte auf die Abzweigung der Autobahn etwa hundert Meter hinter ihnen.
Unvermittelt hörte Stefan ein tiefes Wummern, dass von den Bergen widerhallte. Auch Helge machte einen erstaunten Gesichtsausdruck und suchte sofort nach dessen Ursache. Dann war es wieder weg und war nicht viel mehr als ein weit entferntes Echo.
„Du hast das gerade auch gehört, oder?“
„Klang fast wie ein Hubschrauber!“, stellte Stefan fest.
„Hmmm. Oder wie Gewehrschüsse aus dem Tunnel“, hielt Helge dagegen.
„Könnte auch sein, wie auch immer. Jetzt ist es schon wieder weg.“
„Nun gut, dann los jetzt. Ich erfriere noch“, sagte Helge und rieb sich seine nackten Arme, da er seine Lederjacke im Auto gelassen hatte.
Die beiden Wagen drehten um und fuhren zur Auffahrt des Passes zurück. Im Gegensatz zum Tunnel war der Bergpass nahezu frei, dafür aber auch recht verschneit. Helge fuhr mit dem Viano wieder voraus und steuerte den Viano die Serpentinen hinunter. Teilweise lag der Schnee so hoch, dass er ihn mit der Stoßstange wie ein Pflug vor sich her schob. Beide Wagen hatten glücklicherweise noch Winterreifen aufgezogen und so kamen sie dennoch halbwegs rutschfrei voran.
„Ihr Deutschen fahrt nicht so oft im Schnee, oder?“, fragte Bastian mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
„Wie kommst du drauf? Weil ich mich hier fast einkacke, oder warum? Magst du fahren?“, entgegnete Helge ein wenig gereizt.
„Sorry, wollte dir nicht auf die Nerven gehen. Du machst das gut.“
„Schon okay. Ich bin tatsächlich ein wenig unentspannt. Hier in der Kälte stecken zu bleiben sind keine tollen Aussichten.“
„Nur noch ein paar Kilometer. Ich glaube, der Schnee wird schon weniger. Was macht eigentlich der Tank?“
„Da müssen wir uns keine Gedanken machen. Der ist noch zu zwei Dritteln gefüllt. Den Weg nach Pisa, beziehungsweise Livorno, sollten wir locker packen.“
Die vier hatten den Pass zur Hälfte hinter sich gelassen, da bemerkte Helge auf einmal die Lichthupe von Stefan, der sichtbar langsamer wurde. Helge bremste ab und stoppte den Wagen.
„Was er wohl will?“, fragte Helge, offenbar ohne eine Antwort zu erwarten, denn er griff nach seiner Lederjacke und stieg aus.
„Finden wir es heraus“, rief ihm Bastian hinterher und lief Helge nach, nachdem er seine Pistole aus dem Handschuhfach gekramt hatte.
„Habt ihr das nicht gesehen?“, rief ihnen Liz entgegen.
„Was denn?“
Sie ruderte mit den Armen, um ihnen zu signalisieren, schneller zu machen.
„Kommt her, seht euch das an!“
Stefan stand am Straßenrand und blickte auf einen großen Hügel verbrannter Leichen. Er war über einen Meter hoch und zwei Meter breit.
„Heilige Scheiße“, stieß Helge aus.
„Was hat das denn zu bedeuten? Mitten im Niemandsland? Haben wir was übersehen?“
„Keine Ahnung, Helge“, erwiderte Stefan, der den Leichenberg noch immer inspizierte.
„Aber seht mal hier. Ich glaube nicht, dass das Untote waren. Sieht mir eher nach Menschen aus.“
Stefan zeigte auf einen Leichnam hinter dem Hügel, der offenbar aus seiner ursprünglichen Position gerutscht war und nicht vom Feuer verzehrt wurde. Sein Gesicht ragte aus dem Schnee heraus und er sah aus wie ein normaler Mensch. Die Kälte hatte seine Verwesung offenbar verlangsamt. Es waren weder dunklen Flecken, noch blutunterlaufene Augen, oder sonstige Anzeichen, die auf einen Infizierten schließen ließen zu sehen.
„Scheiße, Stefan. Du könntest Recht haben“, bemerkte Liz.
„Um ehrlich zu sein, will ich lieber nicht herausfinden, wer das getan hat. Lasst uns besser wieder weiterfahren“
„Wieso bist du so skeptisch, Liz? Wir wissen doch gar nicht, was da los war?“, fragte Bastian.
„Lass gut sein. Das ist nicht ganz unbegründet, aber die Geschichte erzähle ich dir ein anderes Mal. Die Untoten sind zwar gefährlich, aber eines sind sie nicht. Hinterlistig. Ganz im Gegensatz zum Mensch“, erklärte Stefan.
Im Hintergrund war wieder dieses tiefe Wummern zu hören. Es näherte sich und wurde von Sekunde zu Sekunde lauter.
„Hab ich doch gesagt, Helge“, stellte Stefan fest, der versuchte das Geräusch zu orten.
„Was hast du gesagt?“, fragte Liz irritiert. „Wann habt ihr das schon einmal gehört?“
„Vor dem Tunneleingang“, klärte sie Helge auf.
„Ja, tatsächlich. Hört sich wirklich wie ein Hubschrauber an. Du hattest Recht.“
In diesem Moment tauchte ein roter Helikopter über der Spitze der vor ihnen liegenden Gebirgskette auf. Er donnerte den Pass entlang und schien ein paar Kilometer entfernt im grünen Tal nahe der Autobahn zu landen.
„Das sollten wir uns vielleicht doch mal aus der Nähe ansehen. Was denkt ihr?“, fragte Stefan in die Runde und sah in drei erstaunte Gesichter.
„Sieht aus wie ein Hubschrauber der Schweizer Bergwacht“, erwiderte Bastian. „Solche sind hin und wieder bei uns auf dem Stützpunkt gelandet, um zu tanken.“
„Nun, dann mal wieder rein in die
Kutschen. Mal sehen, wer den fliegt“, stimmte Helge Stefan
zu.
***
Abschätzig beobachtete der kahl gewordene Mann den Hubschrauber beim Landen. Früher hatte er das Sagen in der Stadt. Und noch immer nannten ihn die Leute den Bürgermeister. Genauso wie der andere, den er so sehr hasste, nur der Pilot war. Mit dem Unterschied, dass der Pilot mittlerweile das Ruder in Händen hielt und nicht er. Früher war der Kerl ein Nichts, dachte der Mann. Aber weil er einen Hubschrauber fliegen konnte, war er es nun, der das Sagen im Tunnel hatte.
Seine Wut war groß, denn die Epidemie hatte ihm alles genommen. Seine Frau, sein Haus und vor allem seine Autorität. Er war es nicht gewohnt, auf andere angewiesen zu sein. Aber so änderten sich die Zeiten. Ohne den Piloten hatten sie keine Chance von hier zu verschwinden oder auch nur zu überleben. Er bestimmte einfach alles. Wer zu essen bekam und wer nicht. Wer den einzigen noch funktionstüchtigen Wagen fuhr und wer nicht. Wer die Tore öffnete und wer Wache hielt. Der Bürgermeister, der eigentlich Fritzek hieß, wusste, wie der Pilot das genoss. Er wusste es, weil es ihm früher genauso erging. Zu allem Übel, hatte er auch die einzige Waffe unter ihnen.
Fritzek war ein kleiner, untersetzter Mann mit Bierbauch. Da er ein Geizkragen war, trug er eine Brille mit den billigsten, dicken Gläsern, die der Optiker im Dorf zu bieten hatte. Dass die Gläser seine Augen wie die einer Lupe vergrößerten, störte ihn dabei nicht besonders.
Der Hubschrauber schwebte nur noch wenige Meter über dem freien Areal vor dem Tunneleingang. Fritzek sah ihm beim Landen zu und dachte daran, dass der Heli eigentlich seine Fahrkarte aus dem Tunnel hätte sein sollen. Doch der Pilot dachte gar nicht erst daran, ihn fortzuschaffen. Im Gegenteil. Er war der Meinung, dass sie alle zusammenhalten mussten. Auch dafür hasste ihn Fritzek.
Der Bürgermeister war nicht länger bereit, die Situation im Tunnel zu ertragen. Seit Monaten lebten sie hier bereits. Knapp fünfzig Überlebende. Frauen, Kinder und ein paar wenige Männer, die eines ganz besonders miteinander verband. Die Angst vor den Untoten und die Ungewissheit, wie viele sie davon außerhalb des Tunnels zu erwarten hatten. Fritzek war das mittlerweile egal. Er hatte größere Angst davor, ebenfalls durch den Tunnel krank zu werden, als dort draußen in Freiheit zu sterben. Er hasste die feigen Insassen, die einmal die Bewohner seiner Stadt waren. Er hasste es, wie sie sich dem Piloten anbiederten, nur weil er für Nahrung sorgte und er hasste sie auch dafür, wie sich manche unter ihnen einfach dem Wahnsinn hingaben.
Er dachte oft daran, wie stark sie zusammen wären. Sicherlich könnten sie auch mit den Untoten fertig werden. Wie damals, als sie in den Tunnel geflüchtet waren. Sie hatten jede Menge Verluste, aber schafften es schließlich doch, den Tunneleingang zu sichern.
Während sich der Bürgermeister noch den Kopf zerbrach, wie er der Röhre entkommen konnte, setzte der Hubschrauber unter ohrenbetäubendem Lärm auf. Das Donnern des Rotors hallte im Tunnel wieder und ließ die notdürftig zusammengeschusterten Hütten, die aus Trümmern und Fahrzeugteilen bestanden, erzittern. Als der Pilot den Rotor abstellte, kehrte schlagartig wieder Ruhe ein. Einige zerlumpte Gestalten stürmten an Fritzek vorbei und waren gespannt, was der Pilot mit seinem Begleiter erbeutet hatte. Der Pilot stieg aus und hob zur Begrüßung die Hand.
„Überlebensrationen! Es reicht für alle und für die gesamte nächste Woche!“, rief er ihnen entgegen. Augenblicklich begannen die Gestalten zu jubeln und vor Freude zu klatschen. Fritzek kochte innerlich. Über was freuten Sie sich? Auf eine weitere Woche in ihrem Siechtum?
Ohne ihn auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen, liefen die beiden Lichtgestalten an Fritzek vorbei, was seinen Puls noch ein wenig mehr zu beschleunigen vermochte.
Der Pilot, der mit seinem langen und lockigen, aber bereits ergrauten Haar, und seinem Dreitagebart auch als Surfer durchgehen würde, ließ die kleine Ansammlung zurück. Dann betrat er mit seinem selbsternannten Gehilfen, einem unscheinbaren jungen Kerl mit unsicherem Blick, den Wohnwagen. Es war der Größte, der im Tunnel zu finden war und natürlich hatte er ihn für sich beansprucht.
Als der Pilot den Wohnwagen betrat, konnte er seinen zerknirschten Gesichtsausdruck nicht länger verbergen.
„So langsam gehen uns die Stützpunkte aus“, sagte er zu seinem Gehilfen. „Das waren jetzt die letzten Rationen. Mehr werden wir vermutlich nicht mehr finden.“
„Und wenn wir uns anderweitig umsehen?“
„Ist nur die Frage wo, Tim? Der Tank ist nicht mehr ganz voll und wir haben noch eine Reichweite von knapp sechshundert Kilometern. Macht also, wenn ich ein wenig Puffer einrechne, zweihundertfünfzig Kilometer in eine Richtung. In jedem Dorf, indem wir bisher gelandet sind, war nach einer viertel Stunde die Hölle los. Der Hubschrauber wirkt einfach wie ein Magnet auf die Viecher. Und du weißt genau, wie unsere Chancen aussehen, wenn wir uns irgendwo zu zweit durchschlagen müssten. Mir nur einer einzigen Waffe“
Der Pilot sah in den Spiegel der kleinen Garderobe im Flur des Wohnwagens und band sich die Haare zu einem Zopf.
„Außer dir, vertraue ich hier kaum jemandem. Das weißt du. Und wenn die Leute mitbekommen, dass uns sowohl Nahrung als auch Sprit ausgehen, dann gibt es hier eine Panik. Das können wir nicht verantworten.“
Tim, der mit seinen fünfundzwanzig Jahren sein ältester Neffe war, die anderen waren ohnehin tot, nickte bedächtig.
„Und wenn wir anfangen, die letzten Wagen im Tunnel anzuzapfen?“
„Dann bekommt das auch irgendjemand mit und jeder weiß, dass wir Spritprobleme haben. Das würde ich, im Sinne der Ruhe, doch gern vermeiden. Was denkst du, geht hier ab, wenn jeder weiß, was los ist? Mord und Totschlag. Dann ist es auch egal, dass ich der einzige bin, der den Heli fliegen kann. Wir haben den Leuten gegenüber eine Verantwortung, Tim. Vergiss das nicht. Im Zweifel müssen wir sie auch vor sich selbst schützen. Es ist schwer genug, die ganzen Kranken wegzubringen, damit sie uns nicht die Haare vom Kopf fressen.“
„Dann lass uns nochmal die Gegend abfliegen und uns einen verlassenen Supermarkt suchen. Es muss doch einen geben, der nicht von hunderten von diesen Monstern umzingelt ist. Da können wir dann Essen finden und sicher auch Autos anzapfen.“
„Hätte, wäre, wenn. Du stellst dir das ja ziemlich einfach vor und kapierst nicht ganz, dass unser größtes Problem eigentlich fehlende Waffen sind. Ohne die, bekommen wir niemanden aus diesem Tunnel hinaus. Und jetzt genug von diesen Problemen! Hier!“, der Pilot reichte Tim die beiden letzten Tüten mit Überlebensrationen. „Stell sie zu den anderen. In drei Stunden ist Essensausgabe. Bis dahin will ich noch ein Nickerchen machen.“
***
Sophias Herz schlug schneller, aber nicht, weil sie Angst davor hatte, beim Lauschen erwischt zu werden, sondern weil sie den Moment, wenn im Tunnel eine Panik ausbrechen würde, mehr als alles andere fürchtete. Sogar mehr, als die Untoten vor der Tunnelbarrikade, die ihren Weg hin und wieder auf die Autobahn fanden. Als die Epidemie im Dorf ausbrach, hatte sie gesehen, zu was Menschen fähig waren, die in Panik und aus Angst handelten. Bevor das geschehen würde, musste sie von hier verschwinden. Sie hatte nur nicht den geringsten Schimmer, wie. Mit ihren siebzehn Jahren wusste sie weder, wie man fährt, noch hatte sie eine Waffe, oder genug Kraft, um gegen mehrere von den untoten Dingern zu kämpfen. Sie wusste, dass sie verloren war, wenn es hier zur Sache ging.
Manchmal hatte sie sogar das Gefühl, dass sie als Einzige noch einen halbwegs klaren Verstand besaß. Dazu kam, dass sie den Piloten bereits dabei beobachtet hatte, wie er die Kranken, die im Sterben lagen, einfach umbrachte und aus dem Tunnel schaffte. Bisher hielt sie das für eine Vorsichtsmaßnahme, aber nach diesem Gespräch wusste sie, dass dem Piloten die Bewohner doch nicht so sehr am Herzen liegen konnten, wie er immer behauptete.
Unbemerkt schlich sich Sophia vom geöffneten Fenster des Wohnwagens davon und setzte sich in Ihren Verschlag. Er bestehend aus zwei parallel abgestellten Wagen und einer ausgebauten Rücksitzbank, die sie als Sessel nutzte. Ihr Magen knurrte und obwohl sie mittlerweile jegliches Zeitgefühl verloren hatte, erinnerte sie sich daran, dass drei Stunden ziemlich lang waren.
***
Frank, wie der Pilot eigentlich hieß, konnte nicht schlafen. Er lag mit geschlossenen Augen und über dem Bauch gefalteten Händen auf dem großen Bett im hinteren Teil des Wohnwagens und versuchte eine Lösung für ihre Probleme zu finden. In den vergangenen Monaten hatten sie jede erdenkliche Bergstation angeflogen, die er kannte.
In einigen hatten sie Überlebensrationen gefunden, in anderen einfache Lebensmittel und wenn sie ganz viel Glück hatten, konnten sie eine Berghütte der großen Skigebiete plündern. Aber nirgends konnten sie richtige Waffen auftreiben. Alle Militärstützpunkte, die er kannte, waren von Untoten überlaufen und eine Landung auf gut Glück, war wie ein Ritt auf der Rasierklinge.
Der Hubschrauber war Fluch und Segen zugleich. Sein Lärm vermochte alle Untoten innerhalb eines Radius von mehreren Kilometern anzulocken. Alle paar Tage zogen Heerscharen Infizierter deshalb am Tunnel vorbei. Frank hatte die Kreaturen dann nicht nur einmal mit dem Heli von dem Tunnel weggelockt. Aber sie kamen immer wieder. Selbst dann, wenn Frank Umwege flog, oder besonders schnell landete. Beim jetzigen Landeanflug, konnte er sie auf dem riesigen Gebiet über dem Tunnel stehen sehen. Sie bevölkerten die große Wiese und warteten offenbar darauf, bis die Tunnelbewohner einen Fehler machten.
Frank war mit seinem Latein am Ende und Tims Worte kreisten in seinem Kopf. Ganz Unrecht hatte er nicht. Sie mussten Sprit finden und am besten gleich noch Nahrung, damit ihr einziger sicherer Rückzugspunkt auch sicher blieb, bis sie endlich Waffen gefunden hatten. Sobald das der Fall war, konnte er sich mit einer kleinen Gruppe Auserwählter, deren Liste er schon im Kopf hatte, aus dem Staub machen und einen sicheren Ort viel weiter südlich finden. Er war kein schlechter Kerl und hatte natürlich seine Fehler, aber es war illusorisch, alle retten zu können. Aber die gesündesten Kinder und hübschesten Frauen musste er einfach in Sicherheit bringen. Für die anderen Bewohner tat es ihm leid, aber er glaubte auch an die natürliche Auslese. Einen weiteren Winter wollte er hier zumindest nicht erleben. Zudem wurde er das Gefühl nicht los, dass die Stimmung im Tunnel bald zu kippen drohte. Die Leute wurden zusehends verrückter.
Seine Sorgen wurden ihm allmählich zu viel. Er schaffte es nicht mehr, sie zu priorisieren und begann, seine Gedanken zu ordnen. Denn ohne diese Ordnung, würde er nicht mehr einschlafen können. Zuerst, so war er sich sicher, mussten sie Sprit auftreiben. Danach Nahrung. Denn damit konnte er sich Zeit erkaufen. Zeit, die er dringend brauchte, um endlich Waffen aufzutreiben. Und wenn er die hatte, konnte er sich und seine Auserwählten beschützen und sich von hier verabschieden. Mit diesem vagen Plan im Kopf, schaffte er es endlich, Ruhe zu finden und einzuschlafen.
***
Die tief stehende Sonne warf lange Schatten ins Tal. Gerade überwanden die Fahrzeuge den Pass und bogen nun auf die Bundesstraße ab, von der Helge felsenfest der Meinung war, sie würde sie zum Landeplatz des Helikopters führen. Im Tal lag kaum noch Schnee und das Thermometer sprang wieder auf erträglichere neun Grad. Als sie langsam die Auffahrt zur Bundesstraße entlang rollten, trauten sie ihren Augen nicht. Der Tunnelausgang war nicht zu sehen. Dafür versperrten zwei quer gestellte Laster die Sicht auf die Röhren. Sie standen sich mit ihren riesigen Ladeflächen gegenüber. Zwischen ihnen hatte jemand einen Maschendrahtzaun gespannt. Stefan kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Offensichtlich wurden die Maschen des Zauns an den Ösen der Ladeflächenbeplankung festgemacht. Durch den Zaun konnte er den Umriss des Hubschraubers erkennen.
„Gar nicht mal doof“, stellte Stefan fest.
Liz sah ihn fragend an.
„Der Zaun zwischen den Lastern? Ja, nicht doof, aber den Zaun musst du halt auch erst einmal wieder befestigt bekommen, wenn eine Horde an Untoten auf dich zu gewackelt kommt.“
„Wenn er aber sitzt, kannst du sie in Sicherheit, einem nach dem anderen, durch die Maschen hindurch erledigen.“
Stefan sparte sich seinen Vergleich mit the Walking Dead. Liz hatte die Serie ohnehin nicht gesehen.
„Eine Möglichkeit, die sie scheinbar schon rege genutzt haben. Siehst du die Körper, die vor den Lastern liegen?“, sagte sie.
„Und wie ich die sehe. Das sind aber so viele. Die wurden sicherlich nicht alle nur durch den Zaun hindurch erledigt. Was denkst du? Klopfen wir an?“, fragte Stefan und betrachtete den Viano im Rückspiegel.
„Du kennst meine Skepsis anderen Menschen gegenüber.“
„Ja, allerdings. Und die teile ich auch größtenteils. Aber wir sollten zumindest mal in die Nähe fahren und uns beratschlagen. In einer Stunde ist die Sonne nämlich ganz weg und dann sollten wir einen sicheren Platz zum Parken gefunden haben.“
„Und du denkst, wir klopfen einfach an und die fliegen uns mit Handkuss nach Gorgona? Nachdem sie uns ein unvergessliches Mahl zubereitet haben?“, erwiderte Liz süffisant.
Stefan warf ihr einen leicht genervten Blick zu. In seinen Augen war ihre Vorsicht berechtigt, aber gerade wurde es zu viel des Guten.
„Sei mal nicht so biestig zu mir. Ich habe dir nichts getan!“, erwiderte Stefan weniger heftig, als er es eigentlich vorhatte. „Man könnte fast meinen, du hast deine Tage!“
„Na danke! Wir unterhalten uns schon wie ein altes Ehepaar. Ich werde halt einfach ein wenig nervös, wenn es um Fremde geht. Wer weiß, was die im Schilde führen. Immerhin haben sie einen Hubschrauber und leben in einem Tunnel. Macht auf mich nicht gerade einen sehr Vertrauen erweckenden Eindruck.“
Stefan kam sich vor, als hätte er in ein Hornissennest gestochen und überlegte, wie er der Situation wieder entkam.
„Nee, nicht wirklich, du hast schon Recht“, sagte er anerkennend. „Lass uns aber trotzdem mit den anderen quatschen.“
Stefan konnte nicht verhehlen, dass er auf den Hubschrauber scharf war. Er würde ihnen ganz neue Optionen eröffnen. Außerdem hatten sie einiges, mit dem man handeln konnte. Stefan hielt den Wagen absichtlich etwa hundert Meter vor den Lastern an und Helge stoppte direkt neben ihm. Die vier stiegen aus und beobachteten die Gegend. Stefan nutzte das Zielfernrohr seiner M-16, um das hügelige Terrain zu prüfen. Die Gegend war weiterhin recht kahl. Vereinzelt standen Bäume auf den Wiesen, der eigentliche Waldrand begann aber erst in einigen hundert Metern Entfernung, und auch nur dort, wo er nicht durch felsige Vorsprünge durchschnitten wurde. Vor den Lastern lagen dutzende, zerschundene Körper. Ein Schlachtfeld, wie sie es bereits kannten und auch schon selbst hinterlassen hatten.
„Sieht so aus, als hätte der Hubschrauber noch keine neuen Madengesichter angelockt. Ich kann jedenfalls keine sehen“, sagte Stefan und sah in die gespannten Gesichter seiner Freunde. „Also, was sagt ihr? Sollen wir mal leise klopfen, oder die eventuelle Chance, schneller an unser Ziel zu gelangen, leichtfertig vertun?“
Stefan sah zu Liz, da er eigentlich ihr Kontra erwartete. Sie hielt sich aber noch zurück und zuckte nur mit den Schultern.
„Also neugierig wäre ich ja schon, muss ich gestehen“, antwortete Helge. „Andererseits, müssen wir auch vorsichtig sein. Ich finde es ein wenig merkwürdig, dass die einen Hubschrauber haben und trotzdem in diesem Loch hausen.“
„Ja, Helge. Das hat Liz auch schon bemerkt. Bastian?“
Bastian zuckte kurz zusammen, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass er bereits nach seiner Meinung gefragt wurde.
„Ich weiß nicht so recht. Wir kommen ja ganz gut voran. Ich würde das Risiko eigentlich nicht eingehen. Wer weiß, was da drin abgeht.“
„Hmmm“, murmelte Stefan. „Dann steht es also zwei gegen zwei, wenn ich Helges Neugier als pro werte. Vergesst nicht, dass wir noch irgendwie an Mailand vorbei müssen. Das ist ein riesiges Einzugsgebiet. Wenn wir das überfliegen könnten, wären wir fast am Ziel.“
„Aber auch nur fast“, erwiderte Liz. „Und nochmal, wer sagt denn, dass die uns da freiwillig hin fliegen?“
„Weil wir allerhand Zeug zum Tauschen haben?“, versuchte Stefan Liz zu überzeugen.
„Also“, setzte Helge an. „Wie wäre es mit folgendem Vorgehen. Wir fahren an den Zaun heran und schauen uns an, was da so für Typen auf uns warten. Wenn wir einen Deal aushandeln können, fein, wenn nicht, verpissen wir uns wieder und suchen uns eine Stelle zum Parken.“
Helge machte eine Pause und sah sich den kahlen Bereich neben den Leitplanken an, als würde er etwas suchen.
„Vorher verstecken wir aber noch einen Teil unserer Vorräte und Waffen, um sicher zu gehen, dass sie uns nicht alles abnehmen. Deal?“
Liz sah noch immer wenig begeistert aus, aber Bastian schien nun überzeugt.
„Sorry Liz!“, bemerkte er. Ihm war ihre Ablehnung nicht entgangen. „Lasst es uns probieren. So können wir zumindest ausschließen, eine Chance vergeudet zu haben.“
Liz begann genervt zu stöhnen.
„Also gut, Jungs. Aber stellt euch schon einmal auf ein fettes, ich hab es euch ja gleich gesagt ein, wenn irgend etwas schief geht.“
Die vier kramten in den Fahrzeugen und holten einen Teil der Waffen und der Lebensmittel heraus. Helge nutzte einen leeren Rucksack um einige Handfeuerwaffen und Munition darin zu verstecken. Dann packte er diesen wiederum zwischen zwei Hitzeschutzbleche am Unterboden des Wagens. Mit einer Tüte voller Lebensmittel sprang er schließlich über die Leitplanke und rannte zu einem kleinen Wäldchen. Als er wieder kam, grinste er über beide Ohren.
„So, jetzt könnten sie uns unsere Vorräte abnehmen und wir hätten immer noch genug, um für ein paar Tage zu überleben.“
Stefan verdrehte die Augen.
„Sofern sie dich gerade nicht beobachtet haben, wie du in den Wald gerannt und unter das Auto gekrochen bist, du Held.“
„Ach komm“, brummte Helge in seinen immer buschiger werdenden Bart. „Wir fahren ohne Scheinwerfer und in diesem dämmrigen Licht haben die uns garantiert noch nicht bemerkt.“
„Dein Wort in Gottes Ohr“, fügte Liz hinzu und stieg wieder in den Amarok.
Die vier stellten die Fahrzeuge direkt vor den Lastwagen ab. Und auch ebenso quer. Anschließend stiegen sie aus und stellten sich bewaffnet hinter die Motorhauben der Wagen. Scheinbar wurden sie bisher tatsächlich nicht bemerkt, denn niemand rührte sich.
***
Tim rüttelte an Frank Großbauers Schultern, der aber nur schwer wach zu bekommen war.
„Onkel, Onkel! Wach auf!“
Frank drehte den Kopf und kam langsam zu sich.
„Was denn, verdammt? Sind die drei Stunden schon rum, oder wie?“
„Nein, aber vor dem Tor stehen Fremde. Sie sind bewaffnet!“
„Bewaffnet? Wie viele sind es? Wollen die uns angreifen?“
„Sieht nicht so aus. Es sind nur vier. Was sollen wir tun?“
„Na was wohl? Wir gehen raus und reden mit ihnen. Und warum sagst DU mir das eigentlich und nicht Köhler oder Berger?“
„Köhler pennt und Berger war scheißen.“
Frank konnte nicht glauben, was er da hörte. Diese Nichtsnutze, dachte er. Wie hatten sie es nur geschafft, die Laster vor dem Tunnel so geschickt zu platzieren, so blöd wie die waren. Die Aussicht auf Waffen, milderte seinen Groll jedoch schlagartig wieder. Manchmal fügten sich die Dinge eben dann von selbst, wenn man am wenigsten damit rechnete. Frank lief zum Fenster des Wohnwagens. Von seinen Möchtegernwachhunden war keine Spur zu sehen. Aber hinter dem Zaun standen tatsächlich zwei Fahrzeuge. Bei deren Anblick entstand sofort ein Plan vor seinem geistigen Auge, wie er an die Waffen herankam. Frank war schnell von Begriff und nahm seine Pistole vom Nachttisch. Dann verließ er den Wohnwagen mit ihr.
Die Leute im Tunnel wurden bereits unruhig, weil sie die Fremden ebenfalls bemerkt hatten. Frank stand gemeinsam mit Tim vor dem Zaun. Köhler und Berger eilten ebenfalls heran und ließen ihre Köpfe sinken, als Frank sie mit einem missbilligenden Blick strafte.
Der Pilot musterte die Gewehre der Fremden. Ganz wohl war ihm nicht. Mit diesen Waffen hätten sie leichtes Spiel. Frank ließ es auf seinen Bluff ankommen. Vor dem Ausbruch war er leidenschaftlicher Pokerspieler gewesen. Nun fehlten ihm qualifizierte Mitspieler.
„Was wollt ihr?“, rief er durch die Maschen des Zauns.
„Wir haben gesehen, dass ihr einen Hubschrauber habt und wollen euch einen Deal vorschlagen“, antwortete der junge Kerl, der in schwarzer Militärschutzkleidung steckte.
Frank überlegte. Pilot zu sein, zahlte sich für ihn immer mehr aus. In manchen Momenten kam er sich manchmal schon fast vor wie ein Gott. Die vier hatten Waffen, sicher auch Nahrung und in den Fahrzeugen steckte bestimmt noch einiges an Sprit.
„Was für einen Deal?“, fragte Frank mit gespielter Skepsis.
„Fliegt uns nach Livorno. Wir können sicher handeln.“
„Was habt ihr denn anzubieten?“
Frank konnte beobachten, wie sich der junge Kerl mit seinen Begleitern beratschlagte.
„Waffen und Nahrung“, antwortete dieser wenig später.
Frank musste sein Grinsen unterdrücken. Das lief ja wie am Schnürchen.
„Alles klar. Kommt erst einmal rein. Es wird gleich dunkel und wir werden auch bald essen. Vorher bitte ich euch, all eure Waffen vor dem Zaun abzulegen. Schließlich können wir euch noch nicht trauen.“
Wieder konnte Frank beobachten, wie die Fremden rege diskutierten. Ihm war klar, dass sie ihre Waffen nicht freiwillig hergeben würden und machte einen Vorschlag, bevor sich seine Chance vielleicht wieder in Luft auslöste.
„Okay, passt auf. Es reicht aus, wenn ihr die Gewehre ablegt. Eure Handfeuerwaffen könnt ihr behalten.“
Sein Vorschlag schien Anklang gefunden zu haben, denn einen kurzen Moment später traten die beiden Männer hinter ihren Fahrzeugen hervor und legten ein großes Gewehr mit Fernrohr, sowie eine Schrotflinte vor den Zaun. Anschließend hoben sie zur Begrüßung die Hand.