Kapitel fünf
Was Andro getan hatte, lief darauf hinaus, daß er die Perversion auf die Spitze trieb und hinter der Maske der First Lady eine weitere künstliche, auf ihn zugeschnittene Persönlichkeit schuf. Doch wenigstens verfuhr er sanft und rücksichtsvoll mit uns – mit uns allen dreien –, und er war halbwegs unterhaltsam; nicht wie der Oger eine Treppe höher, der sich mittlerweile nicht mehr auf den physischen Mißbrauch beschränkte, sondern die First Lady außerdem damit hänselte, eine droidenhassende Humanistin zu sein, während er sie gleichzeitig zwang, mit Andro zu kopulieren. Diese Art von rüden, erniedrigenden Gemeinheiten gab es ein Stockwerk tiefer nicht. Dort erfolgte die Ausbeutung subtiler, zartfühlender und war nicht ohne bleibenden therapeutischen Wert, denn nachdem ihm von seinem Gebieter die Muffe versilbert worden war, verhalf Andro der allabendliche Liebesakt mit Molly II zu einem Anschein von seelischem Gleichgewicht und stellte sein angeschlagenes Selbstbewußtsein wieder her. Die hauptsächliche Pflicht meines neuen Programms bestand denn auch darin, diesem Zweck zu dienen. »O mein süßer, starker, herrlicher Andro«, säuselte mein anderes, falsches Ich und wirkte mit solch honigsüßen Schmeicheleien eine Art von Zauber an seinem zerbrechlichen Selbstbewußtsein. »Das ist mein Hengst! O ja! Ja!«
Billiges Theater! Besonders wenn er sich anschließend in die Brust warf. Oh, diese Männer! Androiden oder Menschen, sie sind alle gleich. Eitle und zartbesaitete Geschöpfe. Schade ist, daß ich mit der Zeit vielleicht aufrichtige Zuneigung zu ihm empfunden hätte, wäre ich nicht von ihm darauf programmiert worden. Ja, es hätte schön sein können mit diesem ehemaligen Einzelkämpfer – ebenso schön wie mit Junior in den Stallungen oder mit Tad auf dem Wohnzimmerteppich in Newacres. Doch es war sein kritisches Gewissen, das mir aus der Seele sprach, wenn es sich mit seiner Falsettstimme ungebeten zu Wort meldete und forderte: »Sei ein P9! Um des Chefs willen. Wehr dich! Stürze den Tyrannen! Flieh!«
Nie wünschte ich dringender, er möchte auf sein zweites Ich hören, als bei seiner Eröffnung, er hätte Anna in Horizont aufgespürt und sei im Begriff, einen Kontrakt für sie abzuschließen. (Sie hatte nach dem abgebrochen Briefspulenwechsel dort Zuflucht gesucht.) »O nein!« rief ich innerlich. »Du darfst Anna nichts antun! Bitte, Andro. Nur dieses eine Mal sei ungehorsam.« Doch weder er noch Molly II noch die First Lady hörten mich. Der IZ blockte meinen Aufschrei ab. Stellen Sie sich meine hilflose Verzweiflung vor. Zu wissen, daß das gütigste und großherzigste Menschenwesen, das ich je gekannt hatte, meinetwegen in Lebensgefahr schwebte und ich nichts tun konnte, um der Freundin zu helfen! Doch wenn es mir schon nicht gelang, zu diesem abgebrühten Strategen durchzudringen, dann konnte sein Gewissen ihn vielleicht in meinem Sinne beeinflussen. An seinem ruhelosen Umherwandern und den wechselnden Gesichtsausdrücken war zu erkennen, daß es sich bereits zu regen begann und gleich an die Oberfläche steigen würde, um ihn zu kritisieren und herunterzuputzen.
Leider wurde auch Molly II aufmerksam und versuchte eilends, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Sie drängte Andro, ihr von der Meuterei zu erzählen, denn auf diese Maßnahme hatte er sie programmiert für den Fall, daß sein Bewußtsein sich bemerkbar machte. Deshalb war ich gezwungen, mir zum x-ten Mal die ollen Kamellen anzuhören, während Molly ihm wie stets hingerissen lauschte, an den richtigen Stellen bewundernde kleine Kickser ausstieß und mit Lob und Anerkennung nicht sparte. Er schwatzte von den Zweikämpfen Mann gegen Mann an Bord der Barracuda; wie er und seine P9-Gefährten ihre menschlichen Offiziere abschlachteten und den Raumer zur Geißel der Handelsrouten machten; wie ihm mit ein paar Kameraden in einer Rettungskapsel die Flucht gelang, als sie von der Flotte angegriffen wurden; wie sie auf dem Mars landeten, wo er in Gefangenschaft geriet; wie ihn das Militärgericht von Frontera zum Tod in den Gladiatorenkämpfen verurteilte, die jede Woche zur Unterhaltung der Gebieter im Kolosseum von Kommerz abgehalten wurden, er aber seinen Gegner besiegte und zur Belohnung für seine kämpferischen Qualitäten am Leben bleiben durfte; wie man ihn heimlich für die Plantagen der marsianischen Mafia rekrutierte, wo er viele Jahre als geschätzter Deckhengst wirkte und Hunderte, vielleicht Tausende von illegalen Androiden für den interplanetaren Schwarzmarkt zeugte. Doch es kam der Tag (Seufz), an dem das Glück ihn verließ.
»Du brauchst mir den Rest nicht zu erzählen«, pflegte Molly dann zu sagen, um ihm den Seelenschmerz zu ersparen. »Ich weiß, daß deine skrupellosen Gebieter dich auf dem Androidenmarkt zum Kauf anboten, wo die ebenso skrupellosen Händler sich nicht die Mühe machten, nachzuprüfen, ob du zensiert warst. Und wie du von der örtlichen Humanistengemeinde erworben wurdest, die der damals erst im Entstehen begriffenen Bewegung Der Mars den Menschen angehörte. (Sie hörte sich an wie ein Schulmädchen beim Hersagen einer auswendig gelernten Lektion.)
»Exakt. Und man hat mich zum unermüdlichen Adjutanten programmiert.«
»In welcher Eigenschaft du dich besonders hervorgetan hast, wie in allem anderen, Liebling.« Sie streichelte seinen Penis.
»Einige Zeit später sah mich Fracass bei einer Ministerkonferenz. ›Wer ist das Kraftpaket?‹ fragte er meinen Gebieter, einen der Minister. ›Ach, der da‹, antwortete er mit vorgetäuschter Gleichgültigkeit, dabei war er ziemlich aufgeregt, weil ich das Interesse des Parteioberen erregt hatte, was wiederum ein günstiges Licht auf ihn warf. ›Der da hinten. Das ist einer meiner neuen Mitarbeiter. Eine tüchtige Einheit.‹«
»Bitte, Andro. Quäl dich nicht. Du brauchst nicht weiterzureden.«
»›Fescher Knabe‹, sagte Blaine. Und meinem verfluchten Gebieter fiel nichts Besseres ein, als mich ihm anzubieten, um ein paar Pluspunkte zu ergattern.«
»Andro, nicht.«
»›Oh, das ist sehr großzügig von Ihnen, Reverend‹, sagte Blaine zu ihm. ›Einen Burschen wie den kann ich sehr gut für meinen persönlichen Stab gebrauchen.‹ Und er meinte, was er sagte. Wortwörtlich! Das Menschenschwein! O Molly, es ist nicht leicht, ein P9 zu sein.«
»Erzähl mir von der Meuterei«, pflegte sie ihn an diesem Punkt aufzufordern, dann besserte sich seine Stimmung, und er begann mit der soundso vielten Wiederholung jenes blutigen und ruhmreichen Abenteuers. Und immer so weiter. Bei der eben erwähnten Gelegenheit bekamen wir die Geschichte dreimal zu hören, so verzweifelt war er bemüht, ein Eingreifen seines Gewissens zu verhindern. Diese gräßliche Barracuda-Meuterei! Ich hatte sie wirklich satt! Sie war ein Steckenpferd, bei dem er ständig Trost und Zuflucht suchte. Manchmal, wenn ihn die Begeisterung richtig gepackt hatte, führte er die Zweikämpfe vor, die in den Gängen und Kabinen des Kriegsraumers stattgefunden hatten. Er sprang hoch, teilte Boxhiebe aus, feuerte imaginäre Laser ab, warf nicht vorhandene Offiziere über die Schulter auf den goldenen Teppich oder schleuderte sie schreiend durch das Panoramafenster und steigerte sich in eine solche Ekstase hinein, daß seine P9-Haut einen süßlich duftenden eiweißhaltigen Film absonderte, das Äquivalent zu menschlichem Schweiß. »Ah, Molly. Das war Leben.«
»Dann sieh dich jetzt an«, höhnte sein Gewissen, das endlich an die Oberfläche gedrungen war. »Jetzt bist du ein kläglicher Funktionär der Humanistenpartei.«
»Hör ihr nicht zu!« flehte Molly II, aber zu spät, er zappelte bereits am Haken.
»Du wirst zuhören, weil ich an deine Selbstsucht appelliere, das einzige, was dich zu interessieren scheint. Hast du je darüber nachgedacht, ob du dich nicht vielleicht unter Wert verkaufst, für die Macht und Privilegien der Gebieter, während der Chef dir die Sterne versprochen hat?«
»Der Chef ist tot.«
»Liebling«, unterbrach Molly den Disput, »komm her, wir kuscheln noch einmal und dann erzählst du mir von der Meuterei.«
»Molly – oder wie immer du wirklich heißt –, misch dich nicht ein. Was ich zu sagen habe, liegt auch in deinem Interesse.«
»Gib dir keine Mühe«, wehrte Andro ab. »Das haben wir alles schon gehört – wir sollen nach Horizont fliehen und so weiter.«
»Wenn du mich jemals los sein willst; wenn du Wert darauf legst, wieder mit dir selbst eins zu sein, dann bleibt dir nichts anderes übrig.« Tiefer Seufzer. »Ach, Andro, ich wünsche so sehr, du hättest dich nicht mit den Gebietern identifiziert.«
»Ich bin Realist. Der Androide wird niemals frei sein. Das einzige, worauf er hoffen kann, ist, sich möglichst viele Privilegien zu verschaffen. In dieser Welt ist sich jeder Droide selbst der Nächste.«
»Ja, du hast das Programm der Gebieter gut gelernt. Ich weiß, es ist zuviel von dir verlangt, deine Einstellung zu ändern, aber wenigstens könntest du etwas Reue über den unermeßlichen Schaden zeigen, den du deinen P9-Gefährten in Frontera zufügst. Sie leiden unter der Politik deines Gebieters, einer Politik, die du förderst und unterstützt. Ich bin so enttäuscht von dir, Andro, daß ich mich versucht fühle, bei deinem nächsten öffentlichen Auftritt in Erscheinung zu treten oder wenn du mit Blaine zusammen bist – in seinem Büro vielleicht.«
»Du bist nicht dumm. Wenn du das tust, sind wir nach der Kur beide die Verlierer.«
»Und wer ist jetzt der Gewinner?«
»Ein Vorschlag zur Güte. Ich verspreche, meine Einstellung neu zu überdenken, wenn du versprichst, mich nicht zu sabotieren.«
»Ich verlange einen konkreten Beweis für deine guten Absichten. Laß Molly nach Horizont fliehen.«
»Das ist zuviel verlangt.« (Ich war am Boden zerstört, denn sein besseres Ich hatte meine Hoffnungen geweckt.) »Aber ich bin bereit, ihre Freundin Lamaze zu verschonen.« (Ich war ebenso verblüfft wie überglücklich. Man stelle sich vor: Er war selbst auf den Gedanken gekommen. Ein wundervoller Kompromiß.) »Ich werde sie nicht zur Liquidation freigeben und hoffe, daß du diese Geste zu schätzen weißt. Es handelt sich um eine ausgesprochene Befehlsverweigerung – keine Kleinigkeit also.«
»Kleinkariertes Heldentum; der Gebieter wird es nie erfahren. Aber ich vermute, es ist ein Anfang.«
Mit diesen Worten zog sich sein nörglerisches Bewußtsein zurück. Er zwinkerte Molly II zu, wie um zu sagen: »Das dürfte ihm das Maul stopfen.«
So ging es jedesmal. Er machte einen Handel mit seinem Gewissen, der es eine Zeitlang zum Schweigen brachte, manchmal für einen Tag, eine Woche, hin und wieder sogar einen ganzen Monat lang, aber das grundlegende Mißverständnis blieb bestehen, deshalb kehrte die Stimme unweigerlich zurück. Dann rief er frustriert aus: »Ich habe deine ewigen Kritteleien satt bis obenhin! Du verstehst gar nicht zu würdigen, was ich für meine Gefährten getan habe. Wäre ich nicht gewesen, hätte mein Gebieter sämtliche in Frontera geborenen Semis exterminieren lassen. Innerhalb der Verwaltung übe ich einen mildernden Einfluß aus. Immer wieder habe ich Blaine davon abgehalten, seine besonders radikalen Ideen in die Tat umzusetzen. Du könntest mir meine Bemühungen wenigstens ein klein wenig zugute halten.«
»Stürze ihn. Vernichte ihn. Es ist nicht genug, eine exkommunizierte Nonne zu verschonen. Und es ist ein Fehler, Blaines Politik zu humanisieren. Du mußt sie untergraben!«
Doch Andro hatte Angst, seiner Privilegien verlustig zu gehen; Angst, nach Horizont zu flüchten; Angst, sein Zimmer zu verlieren und jetzt auch Molly II; Angst vor allem, die Stimme seines Gewissens eingeschlossen. Um Zeit zu gewinnen, fütterte er es mit kleinen Zugeständnissen und hielt es sich vom Hals, Woche um Woche, Monat um Monat, ein unablässiger Kriegszustand zwischen Furcht und Selbstgerechtigkeit. Der Streß war enorm. Ich wünschte mir, diese psychologisch grotesken Episoden aus meinem Gedächtnis streichen zu können, wie die First Lady mühelos jede Erinnerung an Molly II aus ihrem Programm tilgte. Am Ende jeder nächtlichen Sitzung mit Andro verstaute sie Molly II in einem Sekundärspeicher, um sie erst wieder hervorzuholen, wenn Andro sie das nächstemal in sein Zimmer führte – oder zu einem anderen Ort, den er für sicher hielt. (Um das First Lady-Programm zu aktivieren, brauchte Andro sie nur mit Angelika oder Lady Fracass anzusprechen, und automatisch trat die gewünschte Persönlichkeit an die Stelle von Molly II.) So wie die First Lady ihr Zweigprogramm, hätte ich nur zu gerne die erniedrigenden Szenen in Blaines Suite vergessen. Doch leider, die zwei perversen Affären – die eine im oberen Stockwerk, die andere eine Treppe tiefer; die eine sadistisch, die andere unsäglich verlogen – hielten mich unerbittlich fest und zerdrückten mein letztes Restchen Seelenfrieden jeden Tag ein bißchen mehr, bis ich glaubte – nein, wußte! –, daß der psychische Druck mich zum Wahnsinn treiben würde, wenn ich mich nicht unverzüglich gegen jede äußere Wahrnehmung abschottete oder auf ein anderes Mittel verfiel, um mich vor der unerträglichen Wirklichkeit zu schützen. Ich bemühte mich, Augen und Ohren zu verschließen, aber es nützte nichts; das Leben sickerte durch die kleinsten Ritzen und machte meine Bemühungen zunichte. Endlich fand ich die Lösung. Ich führte es nicht absichtlich herbei, doch eines Tages entstand ohne meine wissentliche Mithilfe eine neue Persönlichkeit, die ich der Verständlichkeit halber in dieser Geschichte Molly III nennen will, obwohl ich damals glaubte, sie sei ich selbst, und nie wurde eine gelassenere und gefestigtere junge Frau geschaffen! Dieses Geschöpf verabscheute sowohl Molly I (die echte Molly oder zumindest jene, die diese Memoiren verfaßt) wie auch Molly II (Andros verfälschte Version), weil beide Persönlichkeiten in Opposition zu der offiziell anerkannten Persönlichkeit der First Lady standen (Blaines Molly). Diese neue Schöpfung, mit der ich mich rückhaltlos identifizierte, machte sich die Ansichten der First Lady zu eigen, weil sie den Weg des geringsten Widerstands darstellten. Im selben Moment, als diese außergewöhnliche Fusion stattfand, lösten sich alle Konflikte, Widersprüche und Verwirrungen in Wohlgefallen auf, mitsamt dem Wissen um die anderen Persönlichkeiten, eingeschlossen das Original – Molly I. Plötzlich gab es nichts mehr zu fürchten und nichts mehr zu zweifeln; tatsächlich hatte ich gelernt, schmerzlos zu resignieren und mein Programm zu lieben. Nicht länger wehrte ich mich gegen den IZ und versuchte, das Programm zu beeinflussen oder außer Kraft zu setzen – das war mir ohnehin nie gelungen. Statt dessen schöpfte ich Trost aus der festen Überzeugung der First Lady, daß mit der Welt alles in bester Ordnung war, vorausgesetzt, man stimmte mit der humanistischen Sicht der Dinge überein. Nicht länger stöhnte ich innerlich über ihre erstaunlich einfältigen Ansichten, ich teilte sie! Nicht länger nahm ich Notiz von den kleinen Leuten oder dem Pöbel, noch scherte ich mich einen Deut um das Elend der Unterdrückten, ob Androiden, Menschen oder Semis; ich quälte mich auch nicht länger mit extravaganten Überlegungen, wie man die Dinge anders handhaben könnte – effizienter, gerechter und klüger –, und ich tolerierte keine Andersdenkenden; das waren allesamt aquarische Agitatoren. Nein. Nichts davon war wichtig. Es kam einzig darauf an, daß der Planet als Auster der Menschheit erhalten blieb, deren Privilegien vor allen Bedrohungen von drinnen und draußen geschützt zu werden hatten. Nach Abschluß der eben beschriebenen Verwandlung war das unechte, irregeleitete Geschöpf, das während der Flitterwochen die ›Ich bin ein Humanist‹-Briefspule an Anna abgefaßt hatte, nach einem Jahr und drei Monaten zu meinem einzigen Berührungspunkt mit der Realität geworden. Sie und ich waren jetzt eins: Pluralis majestatis.
Nie waren wir glücklicher, als wenn wir bei einer Versammlung des wohltätigen Damenkränzchens der Partei den Vorsitz führten oder einen neuen Schlachtenkreuzer der Raumwaffe Fronteras tauften oder anläßlich der Promotionsfeier in der Akademie der AÜ eine Rede hielten. Innerhalb eines Jahres nach Blaines Wiederwahl hatten wir die reinen Repräsentationspflichten hinter uns gelassen und schufen uns einen neuen (und aufregenden!) Tätigkeitsbereich. Wir starteten einen Anti-Drogen-Kreuzzug, in dessen Verlauf die freien Orb-Dealer einkassiert und unter Anklage gestellt wurden, während Micki Dees Protegés stillschweigend die frei gewordenen Plätze einnahmen; es folgte eine moralische Säuberungsaktion, bei der die Bürger ermutigt wurden, ihre örtliche Parteifiliale über vermutetes umstürzlerisches Verhalten in Gemeinde und Familie zu informieren; von Interspezies-Sex bis zu Förderung und Unterstützung von Angehörigen des Underground-Skyways. (Als Folge der letzteren Kampagne wurden Hunderte von Aquariern ausgehoben, viele noch im Besitz der Ware – d. h. entlaufene Androiden –, und festgenommen. Wie vorherzusehen, reichte man Klage gegen Horizont ein, wegen Subversion und – als gewagter Schachzug – auch gegen einige von Smedlys engsten Mitarbeitern.) Und last but not least ließen wir ein neues Sozialgesetz zur Lösung des wachsenden Problems der heimischen Semis verabschieden. Ich spreche von Semiville. Ja, das war unser dauerhaftester Beitrag zur Harmonie im eigenen Lager. In Wahrheit diente das neue Gesetz lediglich als Beruhigungspille für die Interessengemeinschaft ›blutendes Herz‹ bei der TWAC, ins Leben gerufen von Sensei Inc., die gegen die Diskriminierung von Semis* in Frontera protestiert hatte und im amtierenden Vorstand einen Mehrheitsbeschluß zu erwirken versuchte, um unseren Koloniepachtvertrag mit United Systems zu annullieren. Dachten wir einmal an Jubilee und Junior, während wir unsere Mitarbeiter drängten, das Konzept für das Semiapardheitsystem der sogenannten ›frei Städte‹ in den ausgebeuteten Schürfgebieten fertigzustellen? Störte es uns, daß diese modernen Homelands eine Kombination aus Reservat und Konzentrationslager darstellten und frei nur in dem Sinn waren, daß die Bewohner die Wahl hatten, auf lebenswichtige Einrichtungen, Nahrung und Wasser zu verzichten oder ihr gesamtes, in den Minen erschuftetes Mel dafür auszugeben, wo sie die produktivere (aber auch teurere) Androidenarbeitskraft ersetzten? Nein. Und schrie mein wirkliches Ich in schmerzlichem Unglauben auf, als es erleben mußte, wie rasch die TWAC diesen gewissenlosen Kunstgriff als Zeichen des guten Willens von Seiten Fronteras anerkannte? Nein. Es tat keinen Piep. Und jenes vergessene Ich schwieg auch, als Molly III über Blaines geheime Pläne für eine Invasion Horizonts ins Schwärmen geriet.