23 Buddna has not Mach the Valparaiso

Wer wissen will, was die Chinesen vom Rest der Welt so halten, der sollte einmal den World Park vor den Toren Pekings besuchen. In diesem Minimundus hat man architektonische Zeugnisse der Weltkultur nachgebaut – vom Eiffelturm bis zu den Doppeltürmen des World Trade Centers, die hier wunderbarerweise immer noch stehen. Angeblich, um Chinesen, die nicht ins Ausland reisen können, die Welt zu zeigen. In Wirklichkeit aber, wie ich weiß, um die nichtchinesische Kultur mittels subtiler Fehlinformationen zu verspotten.

Nehmen wir das Schloss Neuschwanstein. Das Original, so hat man an das Modell geschrieben, stehe «on an steep mountain on the southeast of Bonn City». Gar nicht so falsch, wenn man den Zwergstaat Deutschland mit Riesenreichaugen betrachtet. Noch unverfrorener macht man sich über die Hagia Sophia in Istanbul lustig. Angeblich wurde sie von gleich zwei Architekten gebaut: «by Charles Ting, the emperor of Eastern Roman Empire». Aber auch: «The whole building was built by marble.» Charles Ting? Nach westlichen Geschichtsbüchern hieß der Mann Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus, kurz Justinian der I. Aber – har, har – klingt Ting nicht doofer?

Springen wir zur Pyramide von El Tajin in Mexiko. Wozu diente die nochmal? «It is a typical pyramid built for sacrificial purpose toward Apollo.» Aha. Apollo also, der Sohn des Zeus, im alten Mexiko. Aber mal was anderes: Wieso heißt die Pyramide nicht Pyramide, sondern: «El Tajin Building of the Colamns»? Und wohin geht es, wenn man dem Wegweiser «tne shewolf Fed Twins» folgt, in der «Europe area»? Bzw. erst mal: In welchen Zungen spricht der Chinese hier zu uns?

Wenigstens das ist schnell beantwortet. Die Sprache nennt sich Chinglish, ein Wort, das zusammengesetzt ist aus … Sie verstehen? Es gibt Chinglish in einer Lightversion, die immer noch verständlich ist. Da liest man auf einer Tüte mit chinesischen Maultaschen «Pumplings» statt «Dumplings» und an Behindertentoiletten «Facilitifs Disabled Person». Ausländer machen sich gerne über diese «Fehler» lustig. Der in Peking lebende Deutsche Oliver Lutz Radtke hat sogar zwei Chinglish-Bilderbücher herausgebracht, die sich mittlerweile zehntausendfach verkauft haben, hauptsächlich an Ausländer in China. In den bunten Bändchen hat er Fotos von herausragenden Chinglishbeispielen versammelt, wie «Mustard Ham artherosclerosis» als Gericht auf einer Speisekarte, die Aufforderung «Have a dog» auf einer Hinweistafel in Lhasa oder ein typisch antidemokratisches Schild an einem Teich in Chongqing: «Do not vote in the pool.»

Doch anders als die meisten plädiert Radtke dafür, Chinglish ernst zu nehmen. «Ich bin», so schreibt er im Vorwort seines zweiten Buchs «Speaking in tongues», «mehr als je zuvor davon überzeugt, dass Chinglish bleiben muss. Es gibt uns einen Einblick in das Denken der Chinesen …»

 

Letzteres ist natürlich vollkommen richtig. Allerdings wird Chinglish so oder so nicht untergehen. Schließlich sind die Chinesen erstens nicht blöd und könnten sich zweitens problemlos professionelle Übersetzer leisten. Weil sie das aber nicht tun, bin ich mir sehr sicher: Sie schreiben mit Absicht falsch, genauso wie sie die Fehler im Weltpark auch extra machen.

Einen Hinweis, der meine These stützt, fand ich neulich in unserer Nachbarschaft. Hier, in der «Elite»-Sprachschule, unterrichtet man nämlich nicht nur einfach Englisch, sondern gleich vier Englische, darunter das «Elite Chic English». Ich glaube, dass Absolventen dieses Kurses ihren Klamottenladen «That person is according to the clothing» nennen oder ihr Modemagazin «Frends». Die «Elite Business English»-Schüler dagegen schreiben über die Kassen ihrer Supermärkte nicht mehr Cashier, sondern «Chamberlain»; wohingegen das «Elite Star English» von Hoteliers und Restaurantbesitzern bevorzugt wird. In diese Hardcorevariante mischt man auch ein paar andere Sprachen, Französisch etwa, dazu ein paar südamerikanische Städtenamen, und auf der Speisekarte steht dann «D’œuvres» für Vorspeisen, «Flavor Genus» für lokale Spezialitäten. An Whirlpools findet sich die Aufforderung «Don’t put your pool Guocao, meals, portable and cotton towels into the pool» und auf Hotelzimmerchipkarten ein Satz wie: «Please save front desk of the Valparaiso.» Nehmen Sie sich jetzt bitte zehn Minuten Zeit, um darüber nachzudenken, was die beiden letzten Sätze bedeuten könnten. Fertig?

 

Weiter zur hohen Chinglish-Schule, dem «Elite Talent English». Wer das beherrscht, verkauft vermutlich verkleinernde Haushaltsgeräte («diminutively white goods») und «Buddna Sheen cocklofts», die sich gewaschen haben. Bevor ich aber erkläre, was das sein könnte, wollen wir uns noch schnell fragen, weshalb die Chinesen nicht das echte Englisch lernen und benutzen? Ich vermute, dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: um Nichtchinesen wie nebenbei an ihre historischen Fehler zu erinnern (Chamberlain = Münchener Abkommen = Appeasement-Politik). Zweitens: weil ihnen das englische Englisch zu farblos ist. Warum auch sonst sollte das Motto der Elite-Sprachschule lauten: «Color your English»? Und weil drittens ein Chinese, der in einem schicken, neuen Bürogebäude sitzt, an dem «Leader space of international» steht, fest daran glaubt, dass ihm der nichtchinesische Rest der Menschheit den Buckel runterrutschen kann. Kann er auch, denn lacht ein Ausländer über die seltsame Formulierung, kauft der Mann im Führerraum einfach seine Firma auf und schmeißt sie raus, die lustige, lange Nase.

Mein liebstes Chinglish-Schild: im Pool mit Guocao.

Darum ist Chinglish auch nicht falsch oder gar zum Lachen, sondern Weltsprache. Jeder wird es in spätestens zwanzig Jahren sprechen. Sie sollten schon mal anfangen umzulernen. Hier haben Sie die ersten Vokabeln: Valparaiso = Wertsachen (die Sie bitte an der Rezeption deponieren). Marble = berühmter Architekt, Erbauer der Hagia Sophia. Charles Ting = oströmischer Kaiser. Ihre erste Hausaufgabe aber lautet: Kriegen Sie raus, was ein «Guocao» ist, den oder die man nicht mit in den Pool nehmen darf. Wer als Erster die Lösung an den Verlag schickt, erhält ein Exemplar meines Buches «Universalsprache Chinglish» geschenkt, das voraussichtlich im Jahr 2018 erscheinen wird. Schon jetzt vielen Dank für Ihre Teilnahme bzw. «thank you for a long time before our support».

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs
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