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"Was habe ich getan?" Vier sah auf seine Hände herab. Er hatte das Gefühl, früher oder später wieder in den zerrütteten Zustand abzudriften, in dem er sich vor wenigen Stunden befunden hatte. Die Tatsache, daß Hunger und Durst an ihm zehrten, machte die Sache nicht besser. Sie machte sie für alle nicht besser.
Was habe ich getan?
"Keine Ahnung. Aber ich weiß, daß du der Schlüssel bist", sagte Eins und zog damit ins Rampenlicht, was Vier so sehr gefürchtet hatte.
Sie wissen es?
"Ich, ich habe ..."
Mein Gott, sie wissen es?!
"Wie meinst du das, Eins?", fragte Drei schließlich dazwischen. "Wieso ist er der Schlüssel?"
"Weil er unverletzt ist", Eins sieht kurz zu Vier hinüber und korrigiert sich dann: "... unverletzt war."
"Also auf mich wirkt er nicht unverletzt", sagte Zwei. "Er wirkt auf mich wie jemand, den man psychisch gefoltert hat."
"Woher willst du das wissen?", fuhr Drei sie an. "Woher weißt du, daß der uns nicht die ganze Zeit etwas vorspielt?"
Tu ich das vielleicht?
"Sieh ihn dir doch an, Gabriel."
"Sie hat recht. Sieh ihn dir an." Eins' Gesicht schält sich aus den Schatten und Schemen, die vor Vier's Augen flimmern. "Vier? Michael. Weißt du, wer ich bin?"
Michael? Ist das mein Name?
"Du hast gesagt, daß du Peter heißt."
"Ja, ich heiße Peter", bestätigt Eins. "Und ich möchte, daß du dich an etwas erinnerst, das du vorhin gesagt hast."
"Ich habe etwas gesagt?"
Drei machte ein ungeduldiges Geräusch und schien aufzustehen. "Das führt doch zu nichts."
"Laß ihn doch ..."
"Betüdelt ihr beide den man und ich guck mich hier inzwischen um, ja?"
Ja, ich habe etwas wiederholt. Ich weiß es wieder.
"Erinnerst du dich, daß du gesagt hast Vier ist Freiheit?"
Vier ist Freiheit. Ja.
"Ja."
Bitte frag mich nicht danach, bitte!
"Weiß du, was das bedeutet?", fragt Eins schließlich mehr zu Zwei gewandt als zu Vier.
"Nein, versteh ich nicht."
"Vier ist Freiheit. Vier ist der Schlüssel zur Freiheit." Eins lächelt und packt Vier beherzt an der Schulter. "Vier ist der, der uns hier raus bringt."
"Glaubst du, ja?", erwidert Drei. "Hirngespinste!"
"Ich glaube nicht, Gabriel", gibt Eins zurück. "Wenn das alles Hirngespinste wären, woher weiß ich dann, daß er Michael heißt?"
"Ja, woher?", erkundigt sich Zwei.
Eins erinnert sich an die Brieftasche, die er auf dem Waldparkplatz gefunden hat. Er erinnert sich daran, daß das Letzte, was er vor seiner unfreiwilligen Ohnmacht sah, das Gesicht eines jungen Mannes auf einem Ausweis war. Er erinnert sich, daß er Michael Gruber heißt und aus Eichstätt kommt. Eins erinnert sich an jedes Detail bis zu dem Moment, an dem man ihn betäubt hat. Vor allem aber erinnert er sich daran, daß Michael Gruber seit einer Woche vermißt wird und er ihn zusammen mit den Kumpels von der Ortsfeuerwehr gesucht hat.
"Das ist Michael Gruber. Der, der seit einer Woche vermißt wird."
"Der von der To...", Sarah sieht ihn unsicher an. "Ähem ..."
Der von der – was?
"Was ist?", fragt Vier und bekommt keine Antwort. Eins lehnt sich ein Stück vor und sagt dann: "Du bist Michael Gruber und wirst seit einer Woche vermißt. Man hat deine Freundin", er stockt.
Clara. Ich erinnere mich.
"Man hat deine Freundin tot einige Kilometer von Eichstätt entfernt am Steinbruch gefunden."
Tot? Ich verstehe kein Wort.
"Was ist hier los?", hörte Vier sich selbst sagen, bevor die Welt anfing, sich um ihn zu drehen. "Was – ist – h..."