Epilog

Miltons Idee stellte sich als die mit Abstand beste heraus, die er je gehabt hatte. Schon nach wenigen Tagen war die Zombiepopulation rund um das Museum so weit zurückgegangen, dass wir viel sicherer ein- und ausgehen konnten und kaum noch Ablenkungsmanöver starten mussten. Nach einigen Wochen waren sie in der Nähe des Museums nur noch sehr selten zu sehen.

Milton wurde so gut darin, sie um sich zu scharen, dass wir die Barrikade am anderen Ende der Brücke einreißen mussten, um ihm den Weg freizumachen, damit er sie leichter über den Fluss und zum Gefängnis führen konnte. Es war gut, die Barrikade weichen zu sehen, denn es gab uns das Gefühl, nicht mehr unter Belagerung zu stehen und ein normaleres – wenn auch nach wie vor schwieriges und gefährliches – Leben führen zu können.

Ich war so glücklich über das Verschwinden der Barrikade, dass ich Jack dazu überredete, eine der kleinen Skulpturen, die auf dem Museumsgelände standen, an ihrer Stelle auf der Brücke aufzustellen und eine provisorische Gedenktafel anzubringen, die an die Schlacht erinnerte, die dort stattgefunden hatte. Der Krieg gegen die Untoten würde sein eigenes Gettysburg und seine eigene Normandie hervorbringen, und wir würden all jenen Ehre erweisen, die dort kämpften. Nun konnten wir es uns sogar erlauben, den Toten Ehre und Respekt zu erweisen, anstatt uns nur angsterfüllt hinter hohen Mauern vor ihnen zu verstecken. Aber vor allem spürten wir, dass dieser Krieg eines haben würde, das alle Kriege hatten, auch wenn wir lange Zeit alle Hoffnung verloren hatten, es jemals zu erleben – ein Ende.

Jack schmiedete Pläne, die Mauern des Museums zu erweitern und den Park und einige weitere Gebäude auf der anderen Straßenseite mit einzubeziehen. Er hatte ein Baustelle mit jeder Menge Material gefunden und begonnen, es ins Museum zu schaffen. Der Park war jedoch der eigentliche Hauptgewinn, da er die Fläche des Ackerlandes für das nächste Jahr dramatisch vergrößern würde. Aber auch in diesem Jahr waren unsere Felder schon ertragreich genug. Als der Herbst kam, aßen wir täglich Obst und Gemüse, auch wenn wir noch immer nicht genügend hatten, um Vorräte für den Winter anzulegen, geschweige denn die Ausrüstung, um sie zu konservieren.

Meine Erfahrung im Gefängnis hatte mich davon überzeugt, die Museumsbewohner zu überreden, hin und wieder außerhalb, aber ganz in der Nähe, auf die Jagd zu gehen; wir verdienten es, wenigstens einen kleinen Nutzen aus der kurzen, aber brutalen Begegnung mit diesen fleischfressenden Ungeheuern zu ziehen. Auf einem dieser Jagdzüge auf dem Land kam jemandem die Idee, ein paar kleinere Nutztiere mitzunehmen, und wir begannen bald, aktiver nach ihnen zu suchen, sodass wir bald einige Hühner und Ziegen beisammen hatten, denen weitere folgen sollten, sobald wir genügend Platz hätten.

Während sich die materielle Situation in der Anlage allmählich verbesserte, blickten Jack und ich über den Fluss und träumten von jenem Tag, an dem wir die Stadt wieder ganz übernehmen würden. »Sieht ganz so aus, als wären wir nahe dran, mit diesem Ruderboot über den Fluss zu paddeln, Jonah«, neckte er mich. »Und ein bisschen zu angeln, genau, wie wir es geplant haben.«

Auch die emotionalen und persönlichen Lebensaspekte in der Museumsanlage hatten mit der Entwicklung der materiellen Schritt gehalten. Sarah und Jack hatten Zoey sozusagen adoptiert. In all dem Gepäck, das Frank mitgebracht hatte, fanden sie eine Handvoll Fotos von Frank und seiner Frau, die sie behielten, um sie Zoey zu zeigen, wenn sie alt genug war. Sie war das Kind von zwei der mutigsten Menschen, die jemals gelebt hatten, und es war wichtig, dass sie wusste, wie stolz sie auf ihre Abstammung sein konnte und welche Verantwortung damit verbunden war.

Eines Tages, kurze Zeit nach den Torturen im Gefängnis, fand ich Tanya im Gras sitzen und ihre Zehennägel lackieren. »Du und Milton schient mir so heiß darauf zu sein«, frotzelte sie, »dass ich mir dachte, ich sollte euch endlich den Gefallen tun, bevor die verdammte Flasche eintrocknet.« Sie sah grinsend zu mir hoch. Sie kicherte leise, und wenn man Tanya kannte – zumindest so, wie ich sie in der Welt der lebenden Toten kennengelernt hatte – wusste man, dass kichern nicht zu ihren Gewohnheiten zählte.

Ich setzte mich neben sie. »Die sehen gut aus«, sagte ich. »Ich wusste, das würde dir stehen. Worüber bist du denn so glücklich?«

Sie legte einen Arm um mich und lehnte sich an mich. »Oh, das ist ganz normal, denke ich: Die glücklichste Zeit im Leben eines Mädchens ist eigentlich immer der Moment, an dem sie erfährt, dass sie schwanger ist.« Und trotz all der Widrigkeiten, die unsere Situation prägten, war es auch einer der glücklichsten Momente meines Lebens.

Kurze Zeit später erfuhren wir, dass Jack und Sarah ebenfalls ein Baby erwarteten. Ich war immer der Ansicht gewesen, die Vorstellung, schwangere Frauen würden förmlich »leuchten«, sei nur erfunden worden, um sie von den zusätzlichen Pfunden und der Übelkeit abzulenken, aber ich musste zugeben, dass es in Sarahs Fall absolut zutraf. Sie war so strahlend und glücklich, wie man nur sein konnte.

Jacks Reaktion war schwerer zu beurteilen. Ich konnte nur vermuten, dass er entweder die Logik der Fortpflanzung erkannt hatte oder dass ihn die logischen, vorhersehbaren, unvermeidlichen Folgen des Sex einfach eingeholt und er sich still damit abgefunden hatte. Bei ihm konnte ich es einfach nicht mit Sicherheit sagen, denn nach wie vor scherzte er nur über seine persönlichen Angelegenheiten und Gefühle. Wie dem auch sei, sie waren beide froh darüber, eine Zukunft zu haben und sich um andere Dinge Gedanken machen zu können, als Zombies in den Kopf zu schießen und sich mit Konservenessen genügend Kalorien zuzuführen, um am Leben zu bleiben.

Und auch wenn wir unsere »toten Brüder und Schwestern«, wie Milton sie nun gerne nannte, mittlerweile seltener sahen, konnten wir dies von ihm selbst keineswegs behaupten. Wenn überhaupt, dann schienen seine ständigen Ausflüge, auf denen er Tote einsammelte und in ihr neues Zuhause führte, seine Krankheit weitgehend zu heilen, denn er hatte viel mehr Energie und weniger Schmerzen.

Da wir sein Leiden nicht teilten, flüsterten sich einige von uns heimlich zu, er müsse einen zu schrecklichen Preis bezahlen, musste er doch zwischen den stinkenden, verrottenden Toten umherwandeln, um sich lebendiger zu fühlen. Es schien außerdem eine unheimliche, beschämende Verwandtschaft zwischen Milton und seinen toten Brüdern und Schwestern zu bestehen, auch wenn nicht zu leugnen war, dass diese für uns alle von ungeheurem Nutzen war. Auch wenn Milton also jede zweite Nacht irgendwo im Freien zwischen dem Museum und dem Gefängnis übernachtete, sahen wir ihn noch immer fast so häufig wie früher, und er war stets bester Laune.

Ich erinnere mich an einen Tag im Frühherbst, an dem das Wetter ungefähr dasselbe war wie an jenem Tag, als ich ins Museum gekommen war – ein wundervoller, klarer, warmer, beinahe schmerzlich heller Tag. Im Herbst schwang an einem solchen Tag jedoch stets die Bedrohung von Kälte und Tod mit, nicht das Versprechen auf Wiederauferstehung, Leben und Wachstum, das ein Frühlingstag in sich trug. Aber an jenem Tag stimmten uns diese Gedanken nicht traurig, sondern vielmehr nachdenklich und besinnlich – obwohl Milton ohnehin ständig sinnierte, egal, bei welchem Wetter. Jack, Tanya, Sarah und ich standen auf dem Dach des Museums und schauten zu, wie Milton eine besonders große Meute von Toten vor sich hertrieb. Er wurde von zwei Hunden begleitet, die er auf seinen Ausflügen gefunden hatte. Sie hatten ihn vom ersten Moment an bedingungslos geliebt, und er war im Gegenzug sofort von ihrer schlichten Loyalität und Vernunft angetan gewesen. Nun dienten sie ihm als Hütehunde, sodass er größere Herden von über hundert Toten kontrollieren konnte.

»Es ist so verdammt verrückt, zuzuschauen, wie er sie hütet«, sagte Jack.

»Ich finde es irgendwie süß«, erwiderte Sarah. Im Gegensatz zu Tanya fiel ihr das Kichern leicht.

»Trotzdem ist es merkwürdig«, bekräftigte Jack. »Er sieht wie ihr Schäfer aus. Es ist fast so, als ob sie ihn gern hätten oder so. Ich weiß nicht, ob das richtig ist.«

»Er sieht aus wie ein verdammter Zombie-Jesus«, fügte Tanya hinzu. Wir drehten uns alle zu ihr um und starrten sie an. Sie hatte natürlich recht, aber es klang dennoch seltsam und war eigentlich tabu, selbst wenn man nicht religiös war. »Na ja, aber das tut er doch«, beharrte sie. »Ich meine, ich kann mich nicht daran erinnern, dass Jesus Hunde hatte, aber ihr müsst schon zugeben – er sieht so aus. Aber vielleicht soll es auch genau so sein. Jesus war halb Mensch und halb Gott, sodass er die Menschen retten konnte. Milton ist teilweise ein Mensch und teilweise wie sie – das soll keine Beleidigung sein, ihr versteht schon – und deshalb kann er sie retten. Und uns.«

Tanya hatte, wie gewöhnlich, recht. Wir hatten unseren Messias. Wir hatten unsere kleine Gemeinde. Wir hatten unsere Liebe und unsere Kinder. Und so hart, wie das vergangene Jahr gewesen war, gab es nichts, worum wir legitimerweise hätten bitten oder wofür wir Gott die Schuld hätten geben können. Wir waren auf eine Weise geprüft worden, die entsetzlicher war, als irgendeiner von uns es sich jemals hätte vorstellen können – aber wir hatten auch überlebt, als keiner von uns es für möglich gehalten hätte. Jacks Millionen kleiner Zufälle und glücklicher Fügungen waren auf wundersame Weise zusammengekommen: Das Tor zur Hölle – zur leibhaftigen Hölle – hatte sich vor unseren Augen wieder geschlossen, und wir waren nicht in den Abgrund hinabgerissen worden.